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Veröffentlicht am 05.09.2023

Erlebnisse in einem Kindersanatorium

Winterherz
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„...Ungläubig streicht Wilhelms Hand über das braunrote Polster. Alles ist fremd in diesem Fahrzeug: das Geräusch, der Geruch, die Geschwindigkeit. Die Landschaft huscht vorbei...2

Mit diesen Zeilen beginnt ...

„...Ungläubig streicht Wilhelms Hand über das braunrote Polster. Alles ist fremd in diesem Fahrzeug: das Geräusch, der Geruch, die Geschwindigkeit. Die Landschaft huscht vorbei...2

Mit diesen Zeilen beginnt eine besondere Weihnachtsgeschichte. Wilhelm, 14 Jahre alt, wird zur Kur nach Bad Gottleuba geschickt. Er ist zusammen mit seiner Mutter im Taxi unterwegs. Die Ärzte der Charité haben eine Herzkrankheit diagnostiziert, wissen aber nicht genau, wo das Problem liegt.
Die Geschichte lässt sich gut lesen. Sie steckt voller Emotionen und bringt das Lebensgefühl der jungen Protagonisten, die keine Kinder mehr sind, aber auch noch nicht erwachsen, sehr gut zum Ausdruck. Die Protagonisten werden sehr gut charakterisiert. Jeder von ihnen hat noch spezielle Wünsche ans Leben.
Das weiße Gebäude beeindruckt Wilhelm. Er kommt zusammen mit Edgar, Milo und Bruno auf ein Zimmer. Die Jungen wissen um ihre Krankheit. Sie wissen auch, dass ihre Lebenszeit begrenzt ist. Bei Edgar zeigt sich die Krankheit häufig.

„...Nachdem er den Koffer auf den Schrank gewuchtet hatte, musste er auf dem Bett verschnaufen. Seine Lippen waren blau angelaufen...“

Sechs Wochen liegen vor den Jungen. Sie werden auch Weihnachten im Sanatorium verbringen. Erst einmal aber lernen sie die Oberschwester kennen, die ihnen eine Menge an Regeln aufzählt. Die Behandlung besteht aus Luftkuren und Liegebädern. Ab und an ist ein Spaziergang angesagt.
Bruno ist eine Leseratte. In seinen Büchern steckt das Leben, das ihn vielleicht verwehrt bleibt. Doch die Jungen wollen die ihnen verbleibende Zeit nicht mit Regeln und Verboten verbringen. Sie wollen was erleben, egal ob es verboten ist oder nicht. Es ist eine Auflehnung gegen das starre Konzept der Klinik, aber gleichzeitig auch eine gegen die Krankheit.

„… Die Uhr am Turm hat zwölf geschlagen! Zeit für ein Abenteuer der Roten – Zora - Bande!…

Und dann gibt es noch Ilona, die Schwesternschülerin. Wilhelm schwärmt für sie. Er möchte ihr gefallen. Ilonas Reaktionen sind zwiespältig. Sie möchte den Jungen nicht verletzen, fühlt sich geschmeichelt und geht trotzdem häufig auf Distanz.
Deutlich wird, wie die Jungen von Heimweh geplagt sind. Vor allem Wilhelm möchte wissen, wie es seiner Mutter geht. Zusammen mit ihr hat er beim Großvater gelebt. Der schlägt schnell zu, wenn ihm etwas nicht passt.
Je mehr es auf Weihnachten zugeht, desto mehr wünscht sich Wilhelm, dass seine Mutter ihn besucht. Doch die Zeiten stehen schlecht. Wird sich sein Weihnachtswunsch erfüllen?
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie vermittelt Lebenslust und Lebensfreude, selbst wenn es nicht sicher ist, wie lange das Leben währt.

  • Einzelne Kategorien
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  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.09.2023

Eine mutige Frau

Wie ein Stern in mondloser Nacht
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„...Nicht größer als eine Apfelsinenkiste stand die Klappe vor ihren Füßen. Den Geruch von Holz hatte sie schon immer gemocht, und der weiche Stoff darin stimmte sie froh. Behutsam legte sie das Baby in ...

„...Nicht größer als eine Apfelsinenkiste stand die Klappe vor ihren Füßen. Den Geruch von Holz hatte sie schon immer gemocht, und der weiche Stoff darin stimmte sie froh. Behutsam legte sie das Baby in die Klappe, zupfte am Küchentuch. Ihr Kind sollte nicht frieren...“

Diese Zeilen stammen aus dem Prolog des Buches. Sie enthalten den Kern der Geschichte. Mit der ersten Babyklappe hatten Frauen die Möglichkeit, ihr Neugeborenes anonym abzugeben. Das aber war illegal. Trotzdem hatte eine Hebamme den Mut, dies anzubieten. Das Buch würdigt diesen Mut.
Die Autorin hat einen bewegenden historischen Roman geschrieben. Er wird in zwei Zeitebene erzählt. Eine spielt im Jahre 200, die andere beginnt 1947.
Der Schriftstil ist sehr gut ausgearbeitet. Er bringt die Zeitverhältnisse auf den Punkt, lässt Raum für Emotionen und sorgt für eine innere Spannung.
Im Jahre 2000 wird an einem Berliner Krankenhaus die erste offizielle Babyklappe eingerichtet. Dabei ist die Journalistin Liv. Sie wurde adoptiert und sucht verzweifelt nach ihren Wurzeln. Die Eltern können oder wollen ihr nicht helfen. Aufgewachsen ist sie in Dänemark. Vor einigen Jahren hatte sie ein Interview mit der Hebamme Henni Bartholdy gemacht.

„...Findelkinder schreien sich zweimal in die Welt, einmal ist es ein Betteln um Liebe, ein zweites Mal ist es wie ein Dankeschön für die Rettung...“

Dann wechselt die Geschichte ins Jahr 1947. Hennis Vater ist im Krieg geblieben, ihr kleiner Bruder ist krank. Glücklicherweise haben sie in Dach über dem Kopf, wenn auch mehr schlecht als Recht.
Als Henni die Putzstelle ihrer Mutter kurzfristig übernimmt, lernt sie Ed kennen, den Sohn des Frauenarztes Dr. Franz von Rothenburg. Ed will nach Cambridge, um Medizin zu studieren. Auch Henni träumt von einem Medizinstudium. Doch das Leben spielt anders. Sie nutzt die Gunst der Stunde und lässt sich von Franz von Rothenburg zur Hebamme ausbilden. Der Beruf ist für sie Berufung.

„...Jedes Neugeborene hält für den Bruchteil einer Sekunde die Welt an. Bevor der erste Schrei ertönt, verstummt die Zeit...“

Nach der Ausbildung erhält sie eine Stelle an einem Berliner Krankenhaus. Die Autorin hat nun verschiedene Schicksale in die Handlung eingeflochten. Nicht jede Geburt geht gut aus. Noch sind die Verhältnisse schwierig. Mütter sind mit den Kindern überfordert.
Henni verlässt auf eigenen Wunsch die Klinik und macht sich selbstständig. Sie trifft auf Mütter, die ihr Kind zwar austragen, aber nicht behalten wollen. Die Gründe sind unterschiedlich. Das bringt sie auf die Idee mit der Babyklappe. Marta, Freundin, Unterstützerin und Anwältin, warnt sie. Zu gut kennt sie die rechtlichen Konsequenzen.
An Livs Part wird deutlich, dass die Babyklappe für die Kinder zwar ein Segen sein kann, dass die Suche nach den eigenen Wurzeln aber wie ein Stachel im Leben bleibt.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie ist vielschichtig und beleuchtet die Fragen um die Selbstbestimmung der Frau aus verschiedenen Sichten.

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 02.09.2023

Inhaltsreiches Sachbuch

Erholung für müde Seelen
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„...Unsere Seele oder sagen wir unser Selbst, unser Ich, scheint vermehrt unter Daueranspannung zu stehen. Wie aber kann sich die Seele erholen? Wie kann sie ein Ventil finden, um sich Luft zu verschaffen?…

Hier ...

„...Unsere Seele oder sagen wir unser Selbst, unser Ich, scheint vermehrt unter Daueranspannung zu stehen. Wie aber kann sich die Seele erholen? Wie kann sie ein Ventil finden, um sich Luft zu verschaffen?…

Hier im Vorwort wird deutlich, worum es dem Autor geht. Er nutzt die Bibel als Quelle, Antworten zu finden.
Der Autor hat seine Ausführungen in drei Abschnitte gegliedert.

1. Seelennot
2. Mit den Psalmen die Seele pflegen
3. Lernen von den Wüstenvätern

Im ersten Kapitel geht es um grundsätzliche Fragen. Was ist die Seele? Was kann die Seele? Als Beispiel für vorbildliche Seelsorge verwendet der Autor die Geschichte der Emmausjünger.

„...Und doch macht es einen Unterschied, wenn ich um Gott weiß, zu dem ich mit wirklich allem gehen kann. Auch mit dem, was ich keinem Menschen sagen möchte...“

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Der Autor bringt vielfältige Zitate, die eingerückt und kursiv gesetzt sind. Praktische Beispiele veranschaulichen das Gesagte.
Im zweiten Kapitel analysiert der Autor die Psalmen und zeigt auf, für welchen Zustand der Seele sie hilfreich sind. Aussagekräftig erweist sich dabei die Bildersprache der Psalmen.

„...Das Bild vom Baum an den Wasserbächen steht für die Stetigkeit des Lebens. Auch unsere Seele wird regelmäßig und dauerhaft ernährt werden...“

Klagen, Loben, Trösten sind nur einige Themen, die sich in den Psalmen verorten lassen. Insgesamt 10 Punkte werden genauer betrachtet. Dabei gibt es hilfreiche Hinweise, die sich im täglichen Leben umsetzen lassen.
Mit den Wüstenvätern sind die Mönche gemeint, die in der ägyptischen Wüste lebten und leben. Der Autor zeigt auf, was wir aus ihrem Leben für uns entnehmen können. Dabei greift er ein Thema auf, dass schon in den ersten beiden Kapiteln eine Rolle gespielt hat. Unsere Seele bleibt nur dann gesund, wenn wir uns selbst annehmen. Das bringt er in Zusammenhang mit Demut und Beständigkeit.

„...Demut im Sinne der früheren Mönche hat nichts mit Unterwürfigkeit zu tun. […]. Im Gegenteil: Ein demütiger Mensch ist ein Mensch, der um seinen Wert und seine Würde weiß. Er hat Gnade empfangen und weiß sich darin von Gott geadelt...“

Außerdem geht es um den Nutzen der Stille und das Maß halten. Nicht zuletzt weist der Autor auf die heilsame Wirkung des Gottesdienstes hin.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es enthält eine Menge an Vorschläge, die zur seelischen Gesundung beitragen können.

Veröffentlicht am 31.08.2023

Wer ist die Fremde?

Rattenweihnacht
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„...Emma musterte sie neugierig. Sie war sich sicher, dass sie diese Frau noch nie zuvor gesehen hatte. Außerdem fand sie, dass die Fremde sich für dieses Wetter bei Weitem nicht warm genug angezogen hatte...“

Das ...

„...Emma musterte sie neugierig. Sie war sich sicher, dass sie diese Frau noch nie zuvor gesehen hatte. Außerdem fand sie, dass die Fremde sich für dieses Wetter bei Weitem nicht warm genug angezogen hatte...“

Das Buch beginnt auf einem Spielplatz des Dorfes Buchelfingen. Emma tut die fremde Frau leid. Sie schenkt ihr ihren Wollschal. Die Fremde behauptet, sich weder an ihren Namen noch an ihre Herkunft erinnern zu können.
Die Autorin hat einen spannenden Krimi geschrieben. Der Schriftstil sorgt für den hohen Spannungsbogen, lässt aber auch ab und zu das Flair der Adventszeit aufflackern.
Der Fall der Unbekannten passt der Polizei gerade nicht ins Konzept. Sie ist auf der Suche nach der verschwundenen Katharina Biber. Diese wurde von ihren beiden Söhnen als abgängig gemeldet. Sie müssen sich nun nicht nur selbst um ihr Leben kümmern, sondern leider auch so profane Arbeiten wie Schneeschippen übernehmen. Das führt zu leicht schwarzem Humor.

„...Als er sich schließlich zum Gartentor vorgekämpft hatte, war er völlig durchgeschwitzt, rang keuchend nach Luft und ertappte sich bei dem innigen Wunsch, jedem, der allen Ernstes eine „weiße Weihnacht“ haben wollte, die Schneeschaufel über den Schädel zu ziehen...“

Außerdem bekommen die Söhne seit ein paar Tagen ungewöhnliche Drohbriefe. Der Ton wird von Brief zu Brief schärfer. Natürlich sind sie zur Polizei gegangen. Die aber tappt im Dunkeln.
Emmas Mutter hat die Fremde, die sie auf Emmas Wunsch kurzerhand Maria nennen, mit nach Hause genommen. Das ist keine Dauerlösung. Also bietet ihr der Pfarrer an, bei den Bibergeschwistern einzuziehen und den Haushalt zu übernehmen. Maria willigt ein.
Natürlich blüht im Ort Tratsch und Klatsch. Mareike, der besten Freundin von Emmas Mutter, kommt das Gesicht der Fremden bekannt vor. Doch ihr fällt nicht ein, woher.
Die Familie Biber war schon vor Jahren Dorfgespräch.

„...Hass ist bekanntlich wie Wein: Er wird von Jahr zu Jahr besser...“

Die Autorin hat eine sehr komplexe Geschichte geschrieben. Als Leser fühlt man sich sofort aufgefordert, mit zu denken, um die Strukturen zu durchschauen. Am Ende bleibt keine Frage offen. Alle drei Fälle werden gelöst.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Dazu beigetragen hat auch die dörfliche Atmosphäre, die von unterschiedlichen Charakteren geprägt wird.

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Veröffentlicht am 29.08.2023

Fesselnder Abschluss der Reihe

Die Liebe des Pilgers
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„...Es hatte eine Weile gedauert, aber inzwischen war Benedikt sich bewusst geworden, dass er sein ganzes Leben vor sich selbst geflohen war...“

Und nun war er wieder geflohen. Er hatte Koblenz verlassen, ...

„...Es hatte eine Weile gedauert, aber inzwischen war Benedikt sich bewusst geworden, dass er sein ganzes Leben vor sich selbst geflohen war...“

Und nun war er wieder geflohen. Er hatte Koblenz verlassen, weil er Angst vor seinen Gefühlen hatte. Jetzt würde er an den Ort seiner Kindheit zurückkehren.
Die Autorin hat eine fesselnde Fortsetzung ihrer Pilgersaga geschrieben. Der Schriftstil passt in die Zeit. Er ist fein ausgearbeitet. Hinweise auf die Vorgeschichte der ersten beiden Bände sind geschickt eingearbeitet.
In Koblenz vermisst Palmiro Benedikt. Er befürchtet, dass dieser nie zurückkehren wird. Dafür laufen seine Geschäfte immer besser. Trotzdem fehlt Benedikts Besonnenheit, denn Palmiro begibt sich all zu leicht in Gefahren.
Der Beginn des Buches ermöglicht einen Blick in die komplexen Familienbeziehungen. Weil Colin aus politische Gründen unterwegs ist, muss sich Reinhild um die Geschäfte kümmern. Sie weiß, was sie tut. Das aber sieht mancher Mann anders. Eine Frau, die Sicherheiten verkauft, ist ihnen suspekt.
Oswald, Colins Bruder, sieht das pragmatisch.

„...Denkende Weiber sind zwar ein Gräuel, in Zeiten wie diesen jedoch leider nützlich und unverzichtbar...“

Oswald kommt hinter ein gut gehütetes Familiengeheimnis. Zuerst rastet er aus, dann aber vollzieht sich bei ihm eine Wandlung. Er lernt, mit seiner psychischen Krankheit umzugehen und sich und andere zu schützen.
Benedikt dagegen wird bei seiner Verwandtschaft mit einer Vergangenheit konfrontiert, von der er nichts wusste. Er war mit 14 Jahren geflohen, um dem Abschieben in ein Kloster nach dem Tod der Eltern zu entgegen. Jetzt aber muss und will er Verantwortung übernehmen. Dazu ist es notwendig, sich an Menschen zu wenden, die er schätzt und auf die er sich verlassen kann.
Natürlich gibt es wieder einige humorvolle Szenen. Dazu gehört der gewohnte Schlagabtausch zwischen Mariana und Mathys.
Die Autorin gibt die Zeitverhältnisse gut wieder. Der Adel muss umdenken, wenn er überleben will. In den Städten gewinnt die Kaufmannschaft an Bedeutung. Handel und Wandel nehmen zu. Manchem, wie zum Beispiel Colin, gelingt es, beides miteinander zu verbinden. Obwohl er der Erbe eines Adelstitels ist, verdient er sein Geld mit Geschäften. Und er ist nicht der einzige.
Dann gibt es noch Erasmus von London. Der ist zwar in Rom in Ungnade gefallen, hat es aber noch nicht aufgegeben, Colin und Palmiro als Ketzer zu überführen und den Gralsschatz zu finden. Wird er Erfolg haben?
Eines möchte ich keinesfalls vergessen. Der kürzeste und am häufigsten im Buch vorkommende Kommentar lautet „Sirr!“ Es ist die Reaktion eines magischen Kreuzes auf die Handlungen der Protagonisten.
Die Geschichte wird konsequent zu Ende erzählt. Es bleibt keine Frage offen. Zum Schluss schließt sich der Kreis, als die Herkunft des Kreuzes und seine Bedeutung vor Augen gestellt wird.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt nicht nur, was um 1379 schon so alles möglich war, es thematisiert auch Dinge wie Mut, Verantwortungsbewusstsein und Freundschaft.

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