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Veröffentlicht am 10.06.2019

Ein poetisches, spannendes, prächtiges Buch

Die Karte der zerbrochenen Träume
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Nour denkt in Farben. Der Buchstabe E ist gelb. Ein Gewitter ist wie kaltes Grün. Die Töne einer Oboe sind pflaumenblau. Rot ist die Stimme ihrer Mutter, wenn Sie ungeduldig wird. Die Luft in Homs ist ...

Nour denkt in Farben. Der Buchstabe E ist gelb. Ein Gewitter ist wie kaltes Grün. Die Töne einer Oboe sind pflaumenblau. Rot ist die Stimme ihrer Mutter, wenn Sie ungeduldig wird. Die Luft in Homs ist purpurfarben. Und ein weinender Nachbar schreit nach einem Granatenangriff rosarot.

In „Die Karte der zerbrochenen Träume“ (besser der übersetzte Originaltitel: Die Karte von Salz und Sternen) erzählt Nour von ihrer Flucht aus Syrien zu Beginn des Bürgerkriegs.

Eigentlich muss Nour dort nicht sein, denn sie hat einen nordamerikanischen Pass. Doch die Mutter hat sich nach dem Tod des Vaters entschieden, mit den drei Töchtern das Zuhause in New York zu verlassen und ins Heimatland des Ehepaares zurückzugehen.

Drei Monate leben die Frauen dort, als ihr Haus in Homs von einer Granate zerstört wird. Sie fliehen in Begleitung und mit der selbstlosen Hilfe von Freunden und Fremden durch Nordafrika - über Jordanien durch Ägypten, Libyen und Marokko. Ihr Ziel: Ceuta, die spanische Stadt auf dem afrikanischen Festland.

Im Wechsel mit dem Fluchtbericht liest man stückchenweise Nours Lieblingsgeschichte, die der Vater ihr immer erzählt hat: das Märchen vom Mädchen Rawiya, das im zwölften Jahrhundert bei dem berühmten Kartographen al Idrisi lernen wollte und mit ihm durch dieselben Länder zog wie Nour auf Ihrer Flucht.

Die zwei Geschichten erscheinen nebeneinander und ineinander. Immer wieder gibt es Parallelen, die man oft erst später erkennt. So schneiden sich beide Mädchen die Haare kurz und geben sich zeitweise als Jungen aus. Rawiya mit Vorsatz, damit sie als Lehrling angenommen wird. Nour notgedrungen, nach einem Läusebefall.

Beide besichtigen auf ihrer Reise die Überreste des jordanischen Wüstenschlosses Qasr Amra - in zeitbedingt unterschiedlichen Erhaltungszuständen. Sie geraten mehr als einmal in Lebensgefahr. Und Nour findet in Jordanien auf einem Felsvorsprung die zweite Hälfte eines geheimnisvollen Steins, dessen erste Hälfte Rawiya vor 900 Jahren an sich nahm.

Die Geschichte von Rawiya gibt den Ereignissen im Jahr 2011 Dichte und lässt die Länder der Region leuchten, wenn bei der Flucht Nours Schönheit und Kultur auf der Strecke bleiben. Ein poetisches Buch, das bis zum Schluss spannend bleibt.

Veröffentlicht am 18.09.2021

Hotelgeschichte für Kinder

Vincent und das Großartigste Hotel der Welt
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Hotelgeschichten für Kinder haben ein ganz besonderes Flair. Vom „Kleinen Waldhotel“ über „Greenglass House“ bis zur „Winterhaus“-Reihe - letztere hat mit dem „Großartigsten Hotel der Welt“ sogar die Illustratorin ...

Hotelgeschichten für Kinder haben ein ganz besonderes Flair. Vom „Kleinen Waldhotel“ über „Greenglass House“ bis zur „Winterhaus“-Reihe - letztere hat mit dem „Großartigsten Hotel der Welt“ sogar die Illustratorin Cloe Bristol gemein - preisen die Geschichten das hohe Gut der Gastfreundschaft, die Toleranz gegenüber Fremden und den familiären Zusammenhalt, der dem Hotel seine Unverwechselbarkeit verleiht.

Im „Großartigsten Hotel der Welt“ nimmt die Phantasie besonders zügellos ihren Lauf, gibt es hier doch für jedes menschliche Manko ein eigenes Zimmer. Nach dem Aufenthalt darin verwandelt sich jede Nervensäge in einen freundlichen Zeitgenossen. Kaltherzige Menschen werden liebenswürdig, Angeber üben sich in Bescheidenheit und Streithammel benehmen sich friedliebend.

Es gibt ein Zimmer des Unerwarteten, ein Hüpfburgzimmer, ein Antischwerkraftzimmer und sogar ein Pommes-Zimmer, das diskrete Abwechslung für verwöhnte Gaumen bietet. Ja und dann ist da das Spiegel-der-Zukunft-Zimmer, das dem elfjährigen Schuhputzerjungen Vincent erst viel Freude und dann großes Unbehagen bereitet.

Indem die Autorin ihre eigene Rolle als Erzählerin thematisiert, verstärkt sie den klassischen und beinahe märchenhaften Charakter der Geschichte. Das schlanke Buch lässt sich mit seinen 220 Seiten komfortabel vorlesen.

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Veröffentlicht am 04.08.2021

Wie ein zwei Pfund schwerer Taschenheftroman

Crave
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„Crave“ liest sich wie ein um 600 Seiten verlängerter Tiffany-Taschenheftroman. Wer nicht mehr erwartet, wird allerdings sehr gut unterhalten.

Ich-Erzählerin Grace ist 16, Vollwaise und soll von jetzt ...

„Crave“ liest sich wie ein um 600 Seiten verlängerter Tiffany-Taschenheftroman. Wer nicht mehr erwartet, wird allerdings sehr gut unterhalten.

Ich-Erzählerin Grace ist 16, Vollwaise und soll von jetzt an in Alaska, im spukhaften Internat ihres Onkels leben. Schnell trifft der rundum unambitionierte Teenager auf den bedrohlichen Alpha-Jungen Jaxon, der trotz seiner fortwährenden Unfreundlichkeit auf unerklärliche Weise vor allem „heiß“ ist. Das muss man nicht weiter bewerten.

Jaxon, der zufällig ein 200 Jahre alter Chefvampir ist, mutiert schnell zum Beschützer der unbedarften Grace und sie schafft es, trotz ihrer offensichtlichen Durchschnittlichkeit, den Superdracula restlos zu faszinieren.

Das hört sich stark nach „Twilight“ an, wobei die erfolgreiche Reihe im Vergleich zu „Crave“ fast schon Literatur ist. Wobei sich Jaxon deutlich triebgesteuerter verhält als der unnachahmliche Edward und Grace sich unter dem Niveau der viel reflektierteren Isabella Swan bewegt. Zudem pflegt Grace, anders, als ihr Name erwarten lässt, eine wenig anmutige Sprache, die bedauerlicherweise vom reichhaltigen Gebrauch überflüssiger Schimpfwörter geprägt ist.

Die Geschichte hält sich nicht lange mit Flirt- und Kennenlernritualen auf, sodass man sich am Ende fragt, wie das Buch so dick werden konnte. Trotz allem ist „Crave“ wie eine Tüte Chips, die man nicht weglegen kann, wenn man sie einmal geöffnet hat. Sollte daher in keinem gutsortierten Vampirroman-Regal fehlen.

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Veröffentlicht am 29.05.2021

Jules Verne für Leseanfänger

Rick Nautilus - SOS aus der Tiefe
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Wer Rick Nautilus heißt, muss - na? - genau, ein Unterseeboot haben. So eins hat Nick, und es trägt sogar seinen Namen: Nautilus. Zwei gute Freunde hat er auch. Die heißen Emilio und Ava. Während Emilio ...

Wer Rick Nautilus heißt, muss - na? - genau, ein Unterseeboot haben. So eins hat Nick, und es trägt sogar seinen Namen: Nautilus. Zwei gute Freunde hat er auch. Die heißen Emilio und Ava. Während Emilio von Bord des Piratenschiffs seiner Eltern gespült wurde und deshalb ganz alleine mit Rick übers Meer schippert, ist Ava eine Ausreißerin. Eine Ozeanerin ist sie obendrein, das heißt, an Land hat sie Beine und im Wasser eine Flosse.

Das ungleiche Trio trifft in seinem ersten Abenteuer auf Professor Albert Aronnax, den Leiter einer Forschungsstation tief unten auf dem Meeresboden. Die ist natürlich ganz geheim. Darum ist das Problem auch so groß, als Riesenquallen dem Wissenschaftler und seinen Mitarbeitern ihre Nahrungsmittel streitig machen wollen. Rick, Ava und Emilio sind zur Stelle und lösen das Problem mit Mut und Cleverness.

Autor Ulf Blanck kann sich hier auf seine große Erfahrung als Autor der erfolgreichen Serie „Die drei ??? Kids“ stützen. Kurze Kapitel, einfache Sätze und eine übersichtliche Personenzahl auf schlanken 130 Seiten machen aus „Rick Nautilus“ ein rundum gelungenes Kinderabenteuer für Jungleser von sieben bis neun. Fesselnd und authentisch gelingen ihm insbesondere die vielen maritimen Beschreibungen.

Der Autor macht Anleihen bei den Romanen des frühen Science-Fiction-Autors Jules Verne, der 1869/1870 sein Buch „20.000 Meilen unter dem Meer“ veröffentlichte und darin die tatsächliche Erfindung des Unterseebootes vorweggenommen hat. Nautilus hieß das U-Boot damals schon, gesteuert von Kapitän Nemo, und auch den Namen des Professors Aronnax hat Ulf Blanck in seinem Kinderbuch wiederverwertet.

„Rick Nautilus - SOS aus der Tiefe“ ist das erste Buch einer Serie. Folge eins bleibt in der Ausgestaltung der Figuren und in der Preisgabe ihrer Hintergründe erstmal vage, sodass auf jeden Fall noch viele Fortsetzungen möglich sind, in denen die Zusammenhänge weiter aufgefächert werden können.

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Veröffentlicht am 29.10.2020

Umzug wider Willen: ein wichtiges Thema

Ellas verrückt-verrutschtes Leben
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Ella ist kreuzunglücklich, denn sie muss mit ihrer Familie umziehen – in ein Dorf ans andere Ende von Deutschland. Während ihre Stiefschwester Dodo sich schnell auf die neue Situation einstellt und Freunde ...

Ella ist kreuzunglücklich, denn sie muss mit ihrer Familie umziehen – in ein Dorf ans andere Ende von Deutschland. Während ihre Stiefschwester Dodo sich schnell auf die neue Situation einstellt und Freunde findet, bleibt Ella komplett im Gestern hängen. Sie trauert ihrem alten Zuhause nach und den Freunden, die sie zurücklassen musste.

Stoff genug für ein Kinderbuch, aber dann kommt noch eine verhexte Kinderrutsche dazu: Sie steht auf dem Bauernhof, den die Eltern gekauft haben, und als Ella mit Dodo die Rutsche hinunterrutscht, fliegt doch glatt die Zeit um eine halbe Stunde zurück.

Die neuen Möglichkeiten findet vor allem Ella vielversprechend. Wer „Zurück in die Zukunft“ gesehen hat, ahnt es allerdings: Die Mädchen verändern damit die Gegenwart – nicht immer zum Besten. Und spätestens beim Mehrfach-Hintereinander-Rutschen und dem Versuch, rückwärts zu rutschen, wird die Sache logisch herausfordernd.

„Ellas verrückt-verrutschtes Leben“ behandelt ein wichtiges Familienthema und koppelt es geschickt an unerklärliche Vorgänge, die der Geschichte zusätzlichen Reiz verpassen.

Das Seriengucken im Buchformat scheint allerdings immer mehr um sich zu greifen, denn wie die Zeitrutsche funktioniert, was der verstorbene Bauer Kamitzki damit zu tun hat und was seine unfreundliche Schwester in Wahrheit auf dem Bauernhof sucht, bleibt leider unerklärt. Das kommt dann hoffentlich im zweiten Teil, der für April 2021 angekündigt ist.

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