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Veröffentlicht am 31.12.2022

Von Doppelmoral und Scheinheiligkeit

Charlotte Löwensköld
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Schweden im Jahr 1820: Charlotte Löwensköld ist seit Jahren mit dem Pfarrer Karl-Artur Ekenstedt verlobt, der aus bescheidenen Verhältnissen kommt. An der Verbindung hält sie fest, selbst als ihr der reiche ...

Schweden im Jahr 1820: Charlotte Löwensköld ist seit Jahren mit dem Pfarrer Karl-Artur Ekenstedt verlobt, der aus bescheidenen Verhältnissen kommt. An der Verbindung hält sie fest, selbst als ihr der reiche Bergwerksdirektor Schagerström einen Antrag macht. Dennoch steigert sich Karl-Artur in seine Eifersucht hinein. Eine Katastrophe bahnt sich für Charlotte an…

„Charlotte Löwensköld“ ist ein Roman von Selma Lagerlöf, der erstmals im Jahr 1925 erschienen und der zweite Teil einer Trilogie ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus mehr als 20 Kapiteln, die in sich geschlossen sind und zum Teil in weitere Abschnitte untergliedert sind. Der Aufbau ist wohl durchdacht und funktioniert hervorragend.

Obwohl der Roman bereits vor fast 100 Jahren geschrieben wurde, kommt der Schreibstil angenehm modern daher. Der teils süffisante Erzählton sorgt für eine unterhaltsame, jedoch nicht zu seichte Lektüre. Immer wieder zeigt es sich, dass die Autorin trefflich mit Sprache umgehen konnte. Die Neuübersetzung erscheint mir geglückt.

Auffällig im positiven Sinne ist, dass die weiblichen Figuren die Handlung dominieren. Sie stehen - neben Karl-Artur - im Vordergrund des Geschehens.

Im Hinblick auf den Inhalt ist der Roman außerordentlich gesellschaftskritisch. Er legt den Finger in die Wunde, indem er Systemfehler und Missstände, Doppelmoral und Scheinheiligkeit anprangert. Immer wieder tritt die feministische Perspektive der Autorin zutage. Sie weist auf Misogynie und die Situation der Frauen in einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft hin. Zwar haben sich die Umstände in Schweden in vielerlei Hinsicht mittlerweile geändert. In einigen Aspekten ist der Roman allerdings nach wie vor zeitgemäß.

Die Handlung basiert auf einer wahren Begebenheit. Sie ist kurzweilig und bietet überraschende Wendungen.

Besonders erhellend und auf den Punkt ist das gelungene Nachwort von Mareike Fallwickl, die die Autorin Lagerlöf in all ihren Facetten beleuchtet und die Romanhandlung in den historischen Kontext einordnet.

Das hübsche Cover und die sonstige Anmutung der gebundenen Manesse-Ausgabe machen einen hochwertigen Eindruck. Für mich hätte das Format lediglich etwas weniger handlich ausfallen dürfen.

Mein Fazit:
„Charlotte Löwensköld“ von Selma Lagerlöf ist ein ungemein lesenswerter Klassiker, der im Laufe der Zeit nichts von seinem Unterhaltungswert eingebüßt hat und sowohl in sprachlicher als auch inhaltlicher Hinsicht erstaunlich aktuell ist. Uneingeschränkt empfehlenswert!

Veröffentlicht am 22.12.2022

Die neue Freiheit der 1960er-Jahre

Der Salon
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Bayern im Jahr 1963: Marlene Landmann, genannt Leni, hat einen Praktikumsplatz in einem Starsalon in London ergattert. Für die junge Friseurin wird damit ein Traum Wirklichkeit. Doch ein Versprechen, das ...

Bayern im Jahr 1963: Marlene Landmann, genannt Leni, hat einen Praktikumsplatz in einem Starsalon in London ergattert. Für die junge Friseurin wird damit ein Traum Wirklichkeit. Doch ein Versprechen, das sie ihrer Mutter gegeben hat, bedroht ihre gewonnene Freiheit. Aber sie ist nicht die einzige, deren Vergangenheit zu Problemen führt…

„Der Salon - Ein hoffnungsvoller Aufbruch“ ist der zweite Band einer Dilogie von Julia Fischer.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der im März 1963 zeitlich verortet ist. Daran schließen sich 38 Kapitel und der Epilog an. Erzählt wird die Geschichte aus sich abwechselnden Perspektiven, beispielsweise aus der Sicht von Leni und der von Schorsch. Der Aufbau ist schlüssig und funktioniert gut.

Der Schreibstil ist - wie im ersten Band - sehr anschaulich, atmosphärisch und bildhaft. Authentische Dialoge und gelungene Beschreibungen lassen das Geschehen vor dem inneren Auge lebendig werden. Wer den Auftakt verpasst hat, kann auch dem zweiten Teil sehr gut folgen. Dennoch empfiehlt es sich, die Geschichte von Anfang an zu lesen.

Protagonistin Leni ist ein sympathischer und interessanter Charakter geblieben. Sie durchläuft nun eine realitätsnahe Entwicklung. Auch die übrigen Figuren wirken lebensnah und verfügen über ausreichend psychologische Details. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich nachvollziehen.

Die Autorin beweist zum wiederholten Mal, dass sie nicht nur mit ihren Liebesromanen, sondern auch mit einer historischen Familiensaga überzeugen kann.

Mit seinen vielfältigen Themen bietet auch der zweite Band der „Salon“-Reihe interessante Fakten zu unterschiedlichen Facetten des Lebens im historischen München und darüber hinaus. So werden Unterhaltung und Wissenswertes auf angenehme Weise verknüpft. Politische, gesellschaftliche und kulturellen Ereignisse fügen sich wunderbar ein. Dabei tritt die gründliche und umfassende Recherche der Autorin zutage. Auch diesmal lässt uns Julia Fischer an ihren Quellen teilhaben und stellt Hinweise zu weiterer Literatur zur Verfügung. Ein schönes Extra ist das Rezept für Bayrisch Creme.

Auf den rund 500 Seiten ist der Roman abwechslungsreich und kurzweilig. Die Handlung ist durchweg schlüssig und kohärent, aber dank mehrerer überraschender Wendungen nicht zu durchsichtig. Zudem konnte mich die Geschichte immer wieder berühren.

Das stimmungsvolle, nostalgisch anmutende Cover gefällt mir sehr und passt hervorragend zum ersten Band. Auch der Titel fügt sich gut ein.

Mein Fazit:
Mit „Der Salon - Ein hoffnungsvoller Aufbruch“ ist Julia Fischer eine lesenswerte Fortsetzung gelungen, die meine Erwartungen in vollem Umfang erfüllt hat. Ein Roman, den ich sehr gerne weiterempfehle, und ein Lesehighlight in diesem Jahr.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 14.11.2022

Aus der französischen Provinz

Connemara
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Karriere, Ehe, Kinder, Haus: Mit Ende 30 hat Hélène ihre Träume erreicht. Doch richtig glücklich ist sie nicht. Christophe Marchal ist hingegen nicht erfolgsverwöhnt. Er hat die kleine Stadt im Osten Frankreichs, ...

Karriere, Ehe, Kinder, Haus: Mit Ende 30 hat Hélène ihre Träume erreicht. Doch richtig glücklich ist sie nicht. Christophe Marchal ist hingegen nicht erfolgsverwöhnt. Er hat die kleine Stadt im Osten Frankreichs, in dem er und Hélène aufgewachsen sind, nie verlassen. Dann treffen die beiden wieder aufeinander…

„Connemara“ ist ein Roman von Nicolas Mathieu.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst 21 Kapitel und endet mit einem Epilog. Erzählt wird aus der Perspektive von Hélène und Christophe. Die Geschichte springt zwischen gegenwärtigen Ereignissen und Vergangenem hin und her. Dennoch lässt sich der Handlung sehr gut folgen.

Die Sprache ist schnörkellos. Anschauliche Beschreibungen und plastische Dialoge wechseln sich ab.

Vor allem Hélène und Christophe stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Die Protagonisten weisen menschliche Schwächen auf und sind mit psychologischer Tiefe gezeichnet. Sie sind keine typischen Sympathieträger, wirken aber realitätsnah und klischeefrei.

Inhaltlich bietet der Roman nicht nur ein breites Themenspektrum, sondern auch viele Anknüpfungspunkte. Alltägliche Probleme, viel Zwischenmenschliches, Zeitgenössisches und gesellschaftskritische Aspekte ergeben einen unterhaltsamen Mix, der gedankliche Impulse liefert.

Auf den etwas mehr als 400 Seiten ist das Erzähltempo nicht immer hoch. Dennoch konnte mich die Geschichte schnell für sich einnehmen und fast durchgängig fesseln.

Der französische Originaltitel, der gut zum Inhalt passt, wurde glücklicherweise übernommen. Das Cover ist ansprechend und aus thematischer Sicht sehr geeignet.

Mein Fazit:
Mit „Connemara“ hat mich Nicolas Mathieu überzeugt. Ein lesenswerter Roman, der einzelne Lebensgeschichten und das große Ganze in trefflicher Weise verbindet.

Veröffentlicht am 07.11.2022

Die (Ge)Zeiten ändern sich

Zur See
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Auf einer kleinen Nordseeinsel irgendwo zwischen Jütland, Friesland oder Zeeland: Hier ist das Klima rau - und manchmal auch der Umgang der Menschen miteinander. Viele Familien leben hier seit Generationen. ...

Auf einer kleinen Nordseeinsel irgendwo zwischen Jütland, Friesland oder Zeeland: Hier ist das Klima rau - und manchmal auch der Umgang der Menschen miteinander. Viele Familien leben hier seit Generationen. So auch Hanne Sander, ihre drei erwachsenen Kinder und Mann Jens. Aber es gibt auch die Zugezogenen wie der Inselpfarrer.

„Zur See“ ist ein Roman von Dörte Hansen.

Meine Meinung:
14 Kapitel umfasst der Roman, wobei jedes von ihnen den Schwerpunkt auf eine der Figuren legt. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge, allerdings mit diversen Rückblicken. Die Handlung erstreckt sich über etliche Monate.

Sprachlich hat mich der Roman begeistert. Starke, teils ungewöhnliche Bilder, viel Atmosphäre und eindringliche Beschreibungen prägen ihn. Der Schreibstil ist unaufgeregt und dennoch fesselnd. Da lässt es sich auch über die eine und andere allzu pathetische Passage hinwegsehen.

Die Figuren sind eine weitere Stärke des Romans. Die Erzählstimme ist nahe bei den Charakteren und blickt in ihre Seelen. Alle Protagonisten sind mit psychologischer Tiefe ausgestattet. Sie wirken lebensnah und überaus menschlich. Bei ihren Figuren beweist die Autorin, dass sie sich auf Grautöne versteht. Den Finger legt der Roman immer wieder in die Wunden, beleuchtet die Schwächen und Macken. Dennoch: Keine der Personen ist durchweg böse oder missraten.

Thematisch ist die Geschichte sehr facettenreich, ohne zu überladen zu wirken. Es geht um Naturschutz, Tourismus, menschliche Beziehungen, das oft entbehrungsreiche Inselleben und einiges mehr. Erwartungsgemäß nimmt die See breiten Raum ein, jedoch nicht in ihrer romantisierten Version, sondern vielmehr mit ihren Schattenseiten.

Wie schon das Cover vermuten lässt, bietet die Geschichte Tragik und Melancholie. Ein klassischer Spannungsbogen ist nicht vorhanden. Aber mehrere Überraschungen auf den rund 250 Seiten steigern den Lesegenuss.

Der Titel passt hervorragend zum Inhalt. Auch das etwas übertrieben dargestellte Cover spricht mich an.

Mein Fazit:
Mit „Zur See“ hat mich Dörte Hansen zum wiederholten Male überzeugt. Ein Lesehighlight 2022 und ein sehr empfehlenswerter Roman, nicht nur für Inselfans.

Veröffentlicht am 06.11.2022

Das harte Leben am Polarkreis

Das Leuchten der Rentiere
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Winter 2008 am nördlichen Polarkreis: Hier liegt Sápmi, das Land der Samen, der Ureinwohner Skandinaviens. Die neunjährige Elsa, die Tochter eines Rentierbesitzers, wächst auf mit dem Gefühl ständiger ...

Winter 2008 am nördlichen Polarkreis: Hier liegt Sápmi, das Land der Samen, der Ureinwohner Skandinaviens. Die neunjährige Elsa, die Tochter eines Rentierbesitzers, wächst auf mit dem Gefühl ständiger Bedrohung. Eines Tages wird sie Zeugin einer brutalen Tat: Ein Mann tötet ihr geliebtes Rentierkalb. Er droht ihr. Sie darf ihn nicht verraten…

„Das Leuchten der Rentiere“ ist der Debütroman von Ann-Helén Laestadius.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus mehreren Teilen, die wiederum in Kapitel untergliedert sind.
Die Handlung umfasst einige Jahre, beginnend im Jahr 2008, wobei Orts- und Zeitangaben für Orientierung sorgen. Erzählt wird aus der Perspektive von Elsa.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman nicht enttäuscht. Der Schreibstil ist sehr eindrücklich und anschaulich.

Im Mittelpunkt des Romans steht Elsa, eine sympathische und mutige Protagonistin, deren Gefühle sehr gut deutlich werden. Der Charakter wirkt ebenso wie die anderen Figuren authentisch.

Inhaltlich finde ich das Buch sehr wichtig. Es lenkt den Blick auf ein indigenes Volk, das diskriminiert und missachtet wird. Gerne habe ich über die Geschichte, Kultur und Strukturen der Sámi gelesen und so meinen Horizont erweitert. Mich persönlich hat der Roman immer wieder zum Nachdenken angeregt. Das Setting ist zudem sehr reizvoll.

Auf den mehr als 400 Seiten ist die Geschichte trotz des Kriminalfalls nicht durch und durch spannungsgeladen, aber dennoch fesselnd und nicht langatmig.

Den deutschen Titel empfinde ich für den Roman als zu romantisierend und weniger passend als das Original. Ähnliches gilt für das sehr hübsche Cover, das auf einen anderen Inhalt schließen lässt.

Mein Fazit:
„Das Leuchten der Rentiere“ von Ann-Helén Laestadius gehört zu meinen Lesehighlights in diesem Jahr. Eine durchweg empfehlenswerte Lektüre mit einer wichtigen Botschaft.