Profilbild von milkysilvermoon

milkysilvermoon

Lesejury Star
offline

milkysilvermoon ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit milkysilvermoon über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.01.2023

Von den Risiken einer Geburt

Untenrum offen – Der Beckenboden nach der Geburt
0

Für viele Frauen wird der Beckenboden erst dann zum Thema, wenn er bereits arg in Mitleidenschaft gezogen wurde: nach der Geburt. Selbst in der Fachwelt ist das Problem oft noch tabuisiert. Das muss sich ...

Für viele Frauen wird der Beckenboden erst dann zum Thema, wenn er bereits arg in Mitleidenschaft gezogen wurde: nach der Geburt. Selbst in der Fachwelt ist das Problem oft noch tabuisiert. Das muss sich dringend ändern, meint Dr. med. Martina Lenzen-Schulte.

„Untenrum offen - Der Beckenboden nach der Geburt“ ist ein Sachbuch von Dr. med. Martina Lenzen-Schulte.

Meine Meinung:
Das Buch beginnt mit einem kurzen Vorwort, an das sich sechs Teile mit mehreren Unterpunkten anschließen. Angefügt sind ein Glossar mit medizinischen Begriffen sowie weiterführende Literatur und Quellen, thematisch angeordnet gemäß der unterschiedlichen Teile des Buches. Dieser Aufbau ist schlüssig und funktional.

Ein weiteres sinnvolles Extra: Das Buch beinhaltet mehrere bildliche Darstellungen, vor allem der weiblichen Intimzone.

Die Sprache des Buches ist sehr konkret und schonungslos. Medizinische Aspekte werden detailliert und mit Fachvokabular, aber gleichzeitig gut verständlich formuliert.

Inhaltlich ist das Buch nichts für schwache Nerven. Es geht um das Tabu Beckenbodenschäden, den Beckenboden an sich, Geburtsverletzungen und deren Folgen wie Gebärmutterprolaps und Inkontinenz, den Kreißsaal als Tatort sowie Geburtsrisiken. Wer selbst betroffen ist, erkennt sich darin vermutlich wieder. Wer nicht selbst eine (oder mehrere) der beschriebenen Beschwerden ertragen muss, wird aufrüttelt. Drei Fragen stehen im Vordergrund: Wie funktioniert der Beckenboden? Wie kann frau ihn in der Schwangerschaft und unter der Geburt schützen? Was ist zu tun, wenn es zu Schäden und Verletzungen gekommen ist?

Mit Ärzten, Hebammen und sonstigem Personal in der Geburtshilfe geht die Autorin nicht zimperlich um und übt an ihnen deutliche Kritik. Sie legt den Finger in die Wunde und zeigt Fehler im System auf. Zugleich macht sie Frauen Mut und motiviert sie, für ihre Rechte einzutreten, sich zu informieren, ihre Beschwerden in Angriff zu nehmen und vorzubeugen.

Untermauert werden die Passagen mit Studien, Zitaten von Experten und Fallbeispielen. Immer wieder wird deutlich, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt, und auf diesem Gebiet eine große Expertise besitzt.

In aufklärerischer Sicht leistet das Sachbuch mit seinen mehr als 200 Seiten wertvolle Arbeit. Allerdings darf sich die Leserin kein Patentrezept dazu erwarten, auf welchem Weg sie Schäden an ihrem Beckenboden künftig komplett vermeiden kann. Ein paar konkretere Tipps hätte ich mir gewünscht. Anmerken muss ich jedoch auch, dass die Studienlage wohl noch nicht in allen Bereichen so umfassend ist, dass sich in jeglicher Hinsicht widerspruchsfreie Handlungsempfehlungen ableiten lassen.

Mein Fazit:
Mit „Untenrum offen - Der Beckenboden nach der Geburt“ hat Dr. med. Martina Lenzen-Schulte ein erschütterndes und in Teilen schockierendes Sachbuch geschrieben. Eine aufklärende Lektüre, die nicht nur für Betroffene interessant ist, sondern vor allem auch von der medizinischen Fachwelt beachtet werden sollte.

Veröffentlicht am 31.12.2022

Unter dem Radar

Unsre verschwundenen Herzen
0

Die Stadt Cambridge in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Zukunft: Noah Gardner, genannt Bird, führt mit seinem Vater Ethan ein einfaches Leben. Der Zwölfjährige und der ehemalige Linguistik-Professor ...

Die Stadt Cambridge in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Zukunft: Noah Gardner, genannt Bird, führt mit seinem Vater Ethan ein einfaches Leben. Der Zwölfjährige und der ehemalige Linguistik-Professor müssen in einem Studentenwohnheim unterkommen. Seit Noahs Mutter, die Dichterin Margaret Miu, verschwunden ist, versuchen sie, unter dem Radar zu bleiben, denn besonders durch die asiatischen Wurzeln der Mutter und ihre aufrührerischen Aktivitäten stehen auch sie unter Beobachtung. Schuld daran sind Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass die amerikanische Kultur geschützt wird…

„Unsre verschwundenen Herzen“ ist ein Roman von Celeste Ng.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, die in verschiedene Kapitel untergliedert sind. Erzählt wird im Präsens: einerseits aus der kindlichen Perspektive von Bird, andererseits aus einer weiteren Perspektive. Der Aufbau ist durchaus schlüssig.

In sprachlicher Hinsicht kommt der Roman nicht an frühere Werke der Autorin heran und schwankt in seiner Qualität. Allerdings gibt es einige sehr gelungene Passagen, die ich als poetisch und besonders ansprechend empfunden habe. Leider stören mehrere Übersetzungsfehler den Lesefluss.

Die Figur Bird steht im Mittelpunkt der Geschichte. Durch seine kindlich-naiven Augen lernt die Leserschaft die dystopische Welt kennen.

Wie schon frühere Romane Ngs ist die Geschichte gesellschaftskritisch angelegt, dieses Mal jedoch in der Zukunft verortet. Ausgangspunkt der Handlung sind anti-asiatische Hetze und Diskriminierung in den USA, nicht nur, aber vor allem als Folge der Pandemie. Auch weitere politisch rechte beziehungsweise faschistische Strömungen spielen eine Rolle, die ich an dieser Stelle nicht vorwegnehmen möchte.

Ein weiterer Schwerpunkt sind Bücher, Märchen und die Kunst im Allgemeinen. Konkret werden die Fragen aufgeworfen, wie sich diese Ausdrucksformen für den Protest nutzen lassen, welche Kraft in ihnen steckt und wie sie sich unterdrücken lassen.

Im Zentrum des Romans steht zudem ein Mutter-Sohn-Konflikt, der aufgrund der sonstigen Themenvielfalt allerdings bisweilen etwas in den Hintergrund tritt. Insgesamt wirkt der Roman auf mich recht überladen, denn das breite inhaltliche Spektrum sorgt dafür, dass sich die Geschichte nicht so intensiv und tiefschürfend entfaltet, wie ich es von der Autorin gewohnt bin.

Das deutsche Cover ist geheimnisvoll und ein wenig düster, weshalb es gut passt. Der englischsprachige Originaltitel („Our missing hearts“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt.

Mein Fazit:
Mit „Unsre verschwundenen Herzen“ hat Celeste Ng meine sehr hohen Erwartungen nicht in Gänze erfüllt. Dennoch ist auch ihr neues Buch ein lesenswerter Roman.

Veröffentlicht am 20.12.2022

Was mit Annies Schwester passiert ist

Café Leben
0

Im Jahr 1974 ist ihre Schwester aus ungeklärter Ursache ertrunken. Jetzt ist die unheilbare kranke Annie im Hospiz und weicht Fragen über ihre Vergangenheit aus. Die 32-jährige Henrietta Lockwood, die ...

Im Jahr 1974 ist ihre Schwester aus ungeklärter Ursache ertrunken. Jetzt ist die unheilbare kranke Annie im Hospiz und weicht Fragen über ihre Vergangenheit aus. Die 32-jährige Henrietta Lockwood, die selbst von früheren Geschehnissen verfolgt wird, trifft auf die 66-jährige Krebskranke, um deren Geschichte für die Nachwelt festzuhalten. Wird sie das Rätsel lösen?

„Café Leben“ ist der Debütroman von Jo Leevers.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog, dem 45 Kapitel folgen. Erzählt wird im Wechsel aus der Perspektive von Henrietta und Annie. Der Aufbau ist einfach, aber sinnvoll.

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman unauffällig, gleichzeitig jedoch angemessen. Der anschauliche und bildhafte Schreibstil erzeugt einen angenehmen Lesefluss.

Annie und Henrietta stehen im Fokus der Geschichte. Die Ausgestaltung der Charaktere ist für mich nicht komplett gelungen, denn es fiel mir anfangs schwer, mit den Protagonistinnen warm zu werden. Ihre Gedanken und Gefühle werden allerdings sehr gut deutlich.

Thematisch werden die existenziellen Herausforderungen behandelt: Leben und Tod, Krankheit und Verlust, Schicksalsschläge und Traumata. Inhaltlich ist die Geschichte nicht besonders originell. Sie schafft aber viele Anknüpfungspunkte und bietet viel Stoff zum Nachdenken.

Gut gefallen hat mir, dass der Roman mich emotional berühren konnte und dabei auf kitschige Passagen verzichtet hat. Auf den rund 300 Seiten hält er Überraschungen bereit. Die Auflösung konnte mich ebenfalls überzeugen.

Der englischsprachige Originaltitel („Tell me how this ends“) ist aus meiner Sicht passender zum Inhalt. Auch das hübsche Cover ist ein wenig irreführend.

Mein Fazit:
Mit „Café Leben“ ist Jo Leevers ein unterhaltsamer und bewegender Roman gelungen. Ein empfehlenswertes Debüt.

Veröffentlicht am 19.12.2022

Ein großes Format für kleine Entdecker

Mein Sachen suchen Riesenbilderbuch
0

Wo hat sich der Hase versteckt? Wo ist die Wasserwaage? In der Stadt und auf dem Land gibt es viel zu entdecken!

„Mein Sachen suchen Riesenbilderbuch“ ist ein Bilderbuch für Kleinkinder ab zwei Jahren.

Meine ...

Wo hat sich der Hase versteckt? Wo ist die Wasserwaage? In der Stadt und auf dem Land gibt es viel zu entdecken!

„Mein Sachen suchen Riesenbilderbuch“ ist ein Bilderbuch für Kleinkinder ab zwei Jahren.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus sieben Doppelseiten. Jede von ihnen ist einem Thema gewidmet. Das Wimmelbild erstreckt sich über eineinhalb Seiten. Jeweils links steht ein kleiner Text. Immer darunter sind Gegenstände, Tiere und Personen abgebildet, die man suchen soll. Dieser Aufbau ist übersichtlich und schlüssig.

Die Texte von Susanne Gernhäuser sind altersgerecht formuliert - mit einer einfacher Syntax und frei von Fremdwörtern. Sie eignen gut sich zum Vorlesen. Das Bilderbuch ist zudem hilfreich beim Ergänzen des Wortschatzes. Die Suchgriffe sind größtenteils der Alltagssprache zuzuordnen und daher absolut tauglich für die Altersgruppe. Lediglich die Vogelnamen und das Hermelin sind nach meiner Meinung zu speziell für Kleinkinder.

Die bunten Illustrationen von Anne Ebert, Stefan Seidel und Ursula Weller sind im typischen Wimmelbuchstil gehalten. Sie wirken weder zu modern noch zu altbacken. Auch bei den Details wurde das richtige Maß erwischt. Ebenfalls erfreulich: Die Abbildungen sind weitestgehend klischeefrei und verfestigen keine Rollenstereotype, unter anderem arbeiten auch Frauen auf der Baustelle.

Thematisch deckt das Bilderbuch viele Bereiche ab: das Leben in der Stadt, den Bauernhof, eine Baustelle auf dem Spielplatz, einen Waldlehrpfad, den Bahnhof, den Zoo und den Wald im Winter. Somit dürfte für unterschiedliche Interessen etwas dabei sein. Besonders kreative Einfälle sollte man jedoch nicht erwarten.

Das Cover gefällt mir gut. Das Bilderbuch ist aus stabiler Pappe gefertigt und dementsprechend ausreichend robust für Kleinkinder. Allerdings gilt es zu bedenken, dass das große Format recht schwer ist und sich daher von kleinen Kindern nicht einfach tragen lässt.

Mein Fazit:
Mit dem „Mein Sachen suchen Riesenbilderbuch“ machen Eltern nichts falsch. Wer ein solides Wimmelbuch sucht, das Kleinkindern Freude bereitet, wird nicht enttäuscht. Mir hat lediglich das gewisse Extra gefehlt, um mich vollends zu begeistern.

Veröffentlicht am 06.12.2022

Unter der Oberfläche

Die Sehnsucht nach Licht
0

Das Schlematal im Erzgebirge: Luisa arbeitet in einem Besucherbergwerk.So weit sie zurückdenken kann, waren ihre Vorfahren im Bergbau tätig. Als Luisa Nachforschungen über ihre Familie anstellt, drängt ...

Das Schlematal im Erzgebirge: Luisa arbeitet in einem Besucherbergwerk.So weit sie zurückdenken kann, waren ihre Vorfahren im Bergbau tätig. Als Luisa Nachforschungen über ihre Familie anstellt, drängt Verborgenes an die Oberfläche…

„Die Sehnsucht nach Licht“ ist ein Roman von Kati Naumann.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst 35 Kapitel mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird auf zwei Zeitebenen: einmal im Jahr 2019, einmal in den Jahrzehnten zuvor, angefangen im Jahr 1908. Zeitangaben zu Beginn der Kapitel erleichtern die Orientierung.

Der Schreibstil ist unspektakulär, aber anschaulich und lebhaft. Dialektale Einschübe und ein zeitgenössisches Vokabular machen die Geschichte authentisch.

Die Familie Steiner steht im Mittelpunkt des Romans. Vor allem auf Luisa liegt der Fokus. Die Figuren sind grundsätzlich interessant, lassen jedoch etwas Tiefe vermissen.

Inhaltlich beschäftigt sich auch der neue Roman der Autorin mit deutsch-deutscher Geschichte. Erneut hat es Kati Naumann geschafft, auf unterhaltsame Weise die Historie erlebbar zu machen und Verknüpfungen in die Gegenwart sichtbar werden zu lassen. Zugleich wird die Geschichte einer Familie dargestellt.

Die Zeittafel zum Bergbau im Erzgebirge ist ein ebenso hilfreiches Extra wie die Landkarte und der abgedruckte Stammbaum der Familie Steiner. Einen Blick wert ist zudem das Interview mit der Autorin, das mehr zu den Hintergründen der Geschichte erläutert und die fundierte Recherche belegt.

Auf den rund 400 Seiten gibt es nur wenige Längen. Größere Überraschungen hält die Handlung allerdings nicht bereit.

Das stimmungsvolle Cover gefällt mir sehr. Der poetisch anmutende Titel mag ein wenig kitschig klingen, passt thematisch aber tatsächlich.

Mein Fazit:
Mit „Die Sehnsucht nach Licht“ ist Kati Naumann erneut ein unterhaltsamer und interessanter Roman gelungen. Eine empfehlenswerte Lektüre für schöne Lesestunden.