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Veröffentlicht am 01.03.2022

sprachlich brillant, inhaltlich extrem düster und verstörend

Der fürsorgliche Mr. Cave
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Matt Haigs Roman „Der fürsorgliche Mr. Cave“ gehört zu seinen frühen Romanen, ist aber jetzt erstmals in deutscher Übersetzung erschienen.
Im Mittelpunkt steht der Antiquitätenhändler Terence Cave, der ...

Matt Haigs Roman „Der fürsorgliche Mr. Cave“ gehört zu seinen frühen Romanen, ist aber jetzt erstmals in deutscher Übersetzung erschienen.
Im Mittelpunkt steht der Antiquitätenhändler Terence Cave, der in seinem Leben schon einige Tragödien verkraften musste. Als Kind hat er seine Mutter durch Selbstmord verloren, nach dem Tod seiner Frau bei einem Raubüberfall auf das Antiquitätengeschäft blieb er als alleinerziehender Vater eines Zwillingspärchens im Säuglingsalter zurück. Als sein Sohn Reuben auf tragische Weise ums Leben kommt und in seinen Armen stirbt, setzt Terence alles daran, seine Tochter vor allen Bedrohungen des Lebens zu schützen. Bryony war schon immer das Kind, dem er am meisten Aufmerksamkeit geschenkt hat, mit ihrem sanften Wesen, ihrer Klugheit und ihrer Liebe zur Musik stand sie ihm immer näher als der verschlossene und rebellische Reuben.
Doch je stärker Terence versucht, Bryony an sich zu binden, je mehr Regeln er aufstellt, um sie auf dem rechten Pfad zu halten, ums mehr verschließt sich Bryony vor ihm und versucht, seinem Gefängnis zu entfliehen.
Dieser Roman ist das düsterste Werk, das ich von Matt Haig gelesen habe, viele Szenen wirken verstörend, Terence erscheint traumatisiert durch die Schicksalsschläge, die er erlitten hat, er lebt zurückgezogen ohne soziale Kontakte, wenn man von seiner Schwiegermutter Cynthia absieht, die in seinem Laden mitarbeitet. Auch wenn der Roman in Form eines Briefes verfasst ist, in dem Terence seiner Tochter sein Verhalten zu erklären versucht, konnte ich trotz der direkten Ansprache keine Nähe zu den Figuren entwickeln und kein Mitgefühl für Terence und seine Verzweiflung empfinden. Seine Wahnvorstellungen sind zu obskur und gleichzeitig abschreckend.
Es ist mir selten so schwergefallen, einem Buch eine Bewertung zu geben. Sprachlich ist es brillant und das sich steigende Unbehagen von Terence ist deutlich spürbar, von Lesevergnügen kann ich in diesem Fall aber nicht sprechen, dazu wirkt es auf mich zu verstörend düster. Die Intensität der Gefühle, die dieser Roman auslöst, spricht für seine Qualität, ich habe eine andere Umsetzung erwartet. Denn auch in Matt Haigs anderen Romanen herrscht oft eine düstere Grundstimmung, jedoch werden diese durch phantasievolle Rahmenhandlungen und eine spitzfindige Sicht auf Familie und Gesellschaft gebrochen. Diese Elemente fehlen hier völlig, so dass ich als Leser eher ratlos und verstört zurück geblieben bin. Die deutsche Übersetzung des Titels finde ich irreführend, „The Possession of Mr Cave“ im Original trifft es besser.

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Veröffentlicht am 06.02.2022

spannender Norwegenkrimi mit kleinen Schwächen

Ein Grab für zwei
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Selma Falck, Hauptfigur in dem Auftakt einer neuen Krimireihe der norwegischen Autorin Anne Holt mit dem Titel „Ein Grab für zwei“, hat nicht nur eine erfolgreiche Karriere as Handballerin hinter sich, ...

Selma Falck, Hauptfigur in dem Auftakt einer neuen Krimireihe der norwegischen Autorin Anne Holt mit dem Titel „Ein Grab für zwei“, hat nicht nur eine erfolgreiche Karriere as Handballerin hinter sich, sondern zählt als Staranwältin und Teilnehmerin an TV-Shows zu den bekannten Persönlichkeiten Norwegens. Doch das alles hat sie leichtsinnig aufs Spiel gesetzt, so dass ihre Familie ihr den Rücken zukehrt und sie sich in einer schäbigen Wohnung zurück zieht, mit einer Katze als einziger Begleitung.
Da steht der wohlhabende und einflussreiche Geschäftsmann Jan Morell vor ihrer Haustür mit einem Auftrag für sie. Ausgerechnet der Mann, der sie dazu gezwungen hat, alles aufzugeben, was sie besitzt, ist jetzt bereit, ihr eine zweite Chance zu geben. Seine Tochter Hege und Norwegens beste Langläuferin wurde bei einer Dopingkontrolle aufgedeckt, und Selma soll vor Beginn der Olympischen Winterspiele die Unschuld seiner Tochter beweisen. Selma hat kaum begonnen, sich dieser kaum lösbaren Aufgabe zu stellen, als ein männlicher Langlaufprofi tot aufgefunden wird, auch er mit dem gleichen Dopingmittel im Körper. Das Desaster für die norwegischen Langlauf-Nationalmannschaft ist total, und Selma muss bald feststellen, dass es hier um mehr geht, als nur das Doping zweier Spitzensportler.
Das Buch ist spannend und komplex mit verschiedenen Erzählebenen, neben der Hauptgeschichte gibt es Kapitel um einen Mann in Gefangenschaft und Auszüge eines sogenannten Drehbuchs, bei denen sich erst im Verlauf ergibt, wie sie in den Kontext passen.
Der Einstieg ist aufgrund der Vielzahl der Personen und ungewohnten norwegischen Namen nicht einfach, dennoch hat die Geschichte schnell mein Interesse geweckt. Es ist jedoch eines der Bücher, bei denen mir ein abschließendes Urteil schwer fällt. Die Mischung aus Krimi und Kritik an dem System des Spitzensports ist interessant, die raffiniert konstruierte Handlung sorgt dafür, dass man trotz einiger Längen dabei bleibt. Die Charaktere konnten mich jedoch nicht wirklich überzeugen. Selma Falck ist einerseits kühl und unnahbar, hat dann wieder eine ausgeprägte soziale Ader. Es wirkt unglaubwürdig, dass sie einerseits eine der bekanntesten Persönlichkeiten Norwegens ist, ihr persönlicher Absturz aber von den Medien jedoch komplett unbeachtet bleibt. Auch die anderen Charaktere blieben für mich zu unnahbar und fremd, so dass mich eine weitere Verfolgung dieser Reihe nicht reizt.
Katja Bürkle hat mir als Sprecherin des Hörbuchs sehr gut gefallen, sie liest die Personen mit unterschiedlichen Betonungen und den Szenen angepasst, so dass klare Bilder vor Augen entstehen.

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Veröffentlicht am 10.01.2022

zu sehr Rätselraten als schlüssiger Fall

Im Auge des Zebras
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Nachdem sich ihr Mentor Severin Bösherz aus dem Dienst zurückgezogen hat, muss Kommissarin Olivia Holzmann vom BKA Berlin in Vincent Klieschs aktuellem Thriller „Im Auge des Zebras“ allein einen rätselhaften ...

Nachdem sich ihr Mentor Severin Bösherz aus dem Dienst zurückgezogen hat, muss Kommissarin Olivia Holzmann vom BKA Berlin in Vincent Klieschs aktuellem Thriller „Im Auge des Zebras“ allein einen rätselhaften Fall lösen. Sieben Jungen wurden gleichzeitig vom nachweislich selben Täter an unterschiedlichen Orten Deutschlands entführt. Wie kann das sein? Die Eltern der Jungen wurden wenige tage später grausam ermordet und scheiden als Zeugen aus. Es gibt keine Lösegeldforderungen sondern nur Hinweise, die die Polizei aber nicht weiter führen. Nachdem ein Ermittlungsansatz zu einem Tatverdächtigen im Drogenmilieu keinen Erfolg bringt, weiß Olivia sich keinen Rat mehr und hofft, dass Severin Bösherz mit seinen intuitiven Fähigkeiten einen neuen Hinweis zum Auffinden des Täters geben kann, denn den entführten Jungen läuft langsam die Zeit davon. Doch Bösherz sieht in diesem Fall Olivias Feuertaufe und bleibt bei seinem Entschluss, nicht mehr für die Polizei zur Verfügung zu stehen.
Der Thriller ist komplex aufgebaut, wartet mit einem extrem psychopathischen Täter auf sowie mit einigen Handlungstwists. Die Spannung wird jedoch immer wieder durch Rückblenden ausgebremst sowie durch einen weiteren Fall, den Severin Bösherz in einem Nervenstrang der Handlung als Gedankenspiel mit seinem Sohn Ferdinand durchgeht. Es gibt einige überraschende Wendungen, anderes ist aber sehr vorhersehbar.
Der Fall lebt nicht von verschiedenen Lösungsansätzen sondern ist eher als Rätsel angelegt, dass im Stil einer „Black Story“ aus einem Puzzle verschiedener Hinweise besteht, die richtig gedeutet werden müssen. Für mich ist es der erste Thriller des Autors, nach der Figur von Bösherz zu urteilen scheint dies ein besonderes Merkmal der Reihe zu sein. Meinen Geschmack trifft das nicht, ich kann die Charaktere nicht wirklich ernst nehmen und empfinde sie als wenig authentisch. Zudem hatte ich zu oft das Gefühl, dass der Autor versucht Spannung aufzubauen, in dem er die Charaktere bewusst ihr Wissen zurückhalten lässt, auch wenn dadurch Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden.
Auch wenn in diesem Reihen-Ableger Severin Bösherz eine untergeordnete Rolle spielt, erscheint er mir hier als sehr arrogant und unsympathisch. Wer den Stil des Thrillers mag, der wird mit einem interessanten Fall gut unterhalten, mich konnte der Thriller nicht wirklich begeistern und nicht dazu verlocken, weiteres des Autors zu lesen.
Die Hörbuchfassung mit Uve Teschner als Sprecher habe ich als gelungene Umsetzung empfunden, er lässt mit seiner angenehmen und wandelbaren Stimme die Figuren lebendig werden und erleichtert es, in den manchmal wirr durcheinander gehenden Handlungssträngen den Überblick zu behalten.

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Veröffentlicht am 13.12.2021

eine beklemmende und atmosphärisch dichte Geschichte

Spätsommermord
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„Spätsommermord“ ist der zweite Krimi aus dem „Jahreszeiten-Quartett“ des schwedischen Autors Anders de la Motte. Die 4 Bände enthalten voneinander unabhängige Geschichten, gemeinsam ist ihnen zum einen, ...

„Spätsommermord“ ist der zweite Krimi aus dem „Jahreszeiten-Quartett“ des schwedischen Autors Anders de la Motte. Die 4 Bände enthalten voneinander unabhängige Geschichten, gemeinsam ist ihnen zum einen, dass sie alle in der südschwedischen Region Schonen angesiedelt sind, zum anderen greifen alle Mordfälle auf, die schon einige Jahre zurück liegen aber nie zufriedenstellend aufgeklärt wurden.
Die Rückblenden führen diesmal in den August des Jahres 1990 als fünf Jugendliche in einem ehemaligen Steinbruch das Ende des Sommers feiern und zum letzten Mal dort gemeinsam Baden gehen, bevor sich nach Abitur ihre Wege trennen. Doch der Abend verläuft nicht so harmonisch wie geplant und endet tragisch, denn am nächsten Morgen finden Sie einen ihrer Freunde tot im Wasser des Sees treibend. Die polizeiliche Ermittlung ergibt, dass es sich um einen unglücklichen Unfall gehandelt hat, doch nicht alle in der kleinen Gemeinde Nedanås glauben daran, insbesondere die Familie des Opfers hegt einige Zweifel.
Das spürt auch Anna Vesper schnell, die 27 Jahre später von Stockholm nach Schonen zieht, um in Nedanås die Leitung des Polizeireviers zu übernehmen. Zunächst sind es kleine Hinweise zu dem Fall, mit denen sie konfrontiert wird, dann geschieht ein Mord, der mit den damaligen Ereignissen in Verbindung zu stehen steht.
Der Krimi beginnt eher ruhig, entwickelt aber zunehmend Spannung bis hin zu einigen dramatischen Ereignissen. Mir hat aber auch diesmal wieder insbesondere die psychologische Ebene gut gefallen. In der Zeitschiene in der Vergangenheit sind die wechselnden Stimmungen zwischen den Jugendlichen gut dargestellt, die Szenen wirken lebendig und glaubhaft. Ähnlich sorgen in der Gegenwart die Vorbehalte, die Anna bei der Polizei in Nedanås entgegengebracht werden, für eine sehr beklemmende Stimmung. Die Charaktere polarisieren zum Teil, sind aber alle stimmig entwickelt, die durch jahrelange Schuldgefühle geprägte angespannte Atmosphäre wirkt sehr greifbar und schlüssig. Die Geschichte ist fesselnd geschrieben, liefert einige falsche Fährten und ebenso überraschende Entwicklungen. Für mich steht fest, dass ich „Bluteiche“ den mir noch fehlenden letzten Band der Reihe, unbedingt auch noch lesen möchte.

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Veröffentlicht am 11.12.2021

mehr spannende Milieustudie als Krimi

Was wir verschweigen
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Der Spannungsroman "Was wir verschweigen" von Arttu Tuominen ist keine leichte Lektüre. Ich habe bewusst nicht die Bezeichnung Krimi aufgegriffen, denn das trifft es meiner Meinung nach nicht, auch wenn ...

Der Spannungsroman "Was wir verschweigen" von Arttu Tuominen ist keine leichte Lektüre. Ich habe bewusst nicht die Bezeichnung Krimi aufgegriffen, denn das trifft es meiner Meinung nach nicht, auch wenn die Geschichte mit einem Mord beginnt.
In einem Wochenendhaus am Rande der finnischen Stadt Pori wird mitten in einem Saufgelage ein Mann niedergestochen. Der Leser ist Zeuge der Tat und kennt den Mörder, auch für die hinzugerufene Polizei ist der Täter schnell ausgemacht.
Bei Jari Paloviita, zur Zeit vertretungsweise Leiter des Kriminalkommissariats, werden alte Wunden der Vergangenheit aufgerissen, als er in dem Tatverdächtigen Antti Mielonen seinen besten Freund aus Kindertagen wiedererkennt. Damals haben sie sich ewige Treue geschworen, tragische Ereignisse haben jedoch dazu geführt, dass sich ihre Wege getrennt und völlig unterschiedliche Richtungen eingeschlagen haben. Während Jari bei der Polizei Karriere gemacht hat, ist Antti ins kriminelle Milieu abgerutscht. Doch Jari steht offenbar immer noch in Anttis Schuld, und sein Versuch der Wiedergutmachung bringt ihn in Konflikt mit seiner Position bei der Polizei.
In diesem Roman ist der Kriminalfall zu Beginn der Geschichte nur ein Randthema, das die Ereignisse in der Gegenwart im Jahr 2018 ins Rollen bringt. Der Schwerpunkt liegt in der zweiten Erzählebene im Sommer 1991 und Themen wie Freundschaft, Loyalität und Schuld. Der Leser erfährt, wie die Sommeridylle der beiden Jungen immer mehr ins Wanken gerät und schicksalhafte Ereignisse ihre Freundschaft auf die Probe stellt. Die Stärke des Romans liegt eindeutig auf diesem Teil in der Vergangenheit, die Stimmungen, Gedanken und Gefühle sind gut eingefangen und sorgen für eine zum Teil bedrückende Atmosphäre. Mit den Charakteren in der Gegenwartsebene konnte ich nicht warm werden, sie sind alle mehr oder weniger traumatisiert und leben nebeneinander her. Die hier beschriebene finnische Gesellschaft, dominiert von Gewalt, Alkoholexzessen und dunklen Stimmungen, ist so weit weg von meinem Leben und meinen Werten, dass ich mich nicht mit den Figuren identifizieren kann. Ihre Beweggründe und Handlungen sind für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Die Geschichte stimmt dennoch nachdenklich, mir macht es die für mich völlig fremde Welt aber schwierig, die Thematik auf mich zu übertragen und mich in die Figuren hineinzuversetzen. Ich habe nach einem Drittel überlegt, das Buch beiseite zu legen, bin am Ende aber froh, mich weiter darauf eingelassen zu haben, da die Spannung im Verlauf durchaus steigt und mit einigen Überraschungen aufwartet.

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