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Veröffentlicht am 24.09.2019

Ein spannender Thriller, in dem vieles ganz anders ist, als es anfänglich scheint

Tagebuch meines Verschwindens
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In dem kleinen Ort Ormberg haben Malin und ihre Freunde vor acht Jahren bei einer Geröllhalde ein Kinderskelett gefunden. Aber da niemand wusste, wer das kleine Mädchen war und niemand es als vermisst ...

In dem kleinen Ort Ormberg haben Malin und ihre Freunde vor acht Jahren bei einer Geröllhalde ein Kinderskelett gefunden. Aber da niemand wusste, wer das kleine Mädchen war und niemand es als vermisst gemeldet hat, blieben die intensiven Ermittlungen erfolglos.
Jetzt ist Malin als Polizistin in ihr Heimatdorf zurückgekehrt mit und wird erneut mit diesem Fall konfrontiert. Nach der Abschaffung der Verjährungsfrist für Mord, wird der Tod des Mädchens noch einmal untersucht. Bereits zu Beginn der Untersuchung verschwindet die Verhaltensforscherin Hanne, die als Unterstützung bei den Ermittlungen mitarbeitet. Als sie im Wald aufgegriffen wird, kann sich niemand erklären, was passiert ist, Hanne selbst, kann sich an den Verlauf der letzten Tage nicht erinnern. Auch von Hannes Partner und Lebensgefährten Peter Lindgren, der ebenfalls mit dem Fall gearbeitet hat, gibt es keine Spur.
„Tagebuch meines Verschwindens“ ist eine Geschichte, die aus drei Perspektiven von drei Menschen erzählt wird, die alle mit ihren geheimen Dämonen ringen. Malin, die geprägt von ihrer Vergangenheit in die Heimatstadt zurückkehrt, Hanne, die ihre Krankheit vor der Umwelt zu verbergen versucht und Jake, der sich komisch und irgendwie falsch fühlt. Dazu kommt das fiktive Dorf Ormberg als düstere und winterkalte Kulisse. Im Ort sind alle Läden und Fabriken geschlossen, den übrig gebliebenen verbitterten Bewohnern stößt das in den ehemaligen Gebäuden des Trikot-Königs ansässige Flüchtlingslager sauer auf, sie betrachten die wechselnden fremden Bewohner mit Argwohn und stehen ihnen feindlich gegenüber. Selbst Malin geht es nicht viel anders, auch in ihrem Kopf haben sich Vorurteile den Flüchtlingen gegenüber festgesetzt, gleichzeitig löst die Rückkehr nach Hause eine Flut von Gedanken über ihr eigenes Leben aus und macht es ihr schwer, unvoreingenommen die Ermittlungen anzugehen.
Camilla Grebe hat nicht nur einen Krimi geschrieben, sie möchte mit dieser Geschichte den Leser sensibilisieren, sich in die hinein zu versetzen, die als Fremde in unser Land kommen. In ihrem Kommentar am Ende des Buches zitiert sie einen Ausspruch ihrer Krimifigur Malin, der mich während der Lektüre schon sehr bewegt und nachdenklich gestimmt hat. "Du könntest die sein, die vor Krieg und Hunger geflohen ist, sagt Andreas zu Malin." Dieser Satz gilt nicht nur Malin, sondern allen von uns. Es ist immer einfacher, dem zu Misstrauen, den man nicht kennt, als sich einzugestehen, sich im eigenen Menschenverstand getäuscht zu haben.
Der Krimi ist ganz anders, als ich es erwartet hätte, Hanne spielt eine deutlich kleinere, aber dennoch bedeutsame Rolle im Vergleich zu dem ersten Band „Wenn das Eis bricht“. Mir gefällt die komplexe und tiefgreifende Geschichte, der Verlauf hat mich an vielen Stellen überrascht, ich werde der Reihe auf jeden Fall treu bleiben und habe erfreut gesehen, dass im schwedischen Original Ende des Jahres bereits Teil 4 um die Profilerin Hanne veröffentlicht wird.

Veröffentlicht am 17.09.2019

grandios erzählter Krimi voll schwarzem Humor

Achtsam morden
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Wieso habe ich um „Achtsam Morden“ von Karsten Dusse eigentlich so lange einen Bogen gemacht? Das frage ich mich, nachdem ich das grandiose Hörbuch dazu gerade beendet habe. Mich hat in erster Linie der ...

Wieso habe ich um „Achtsam Morden“ von Karsten Dusse eigentlich so lange einen Bogen gemacht? Das frage ich mich, nachdem ich das grandiose Hörbuch dazu gerade beendet habe. Mich hat in erster Linie der Titel abgeschreckt und in die Irre geführt, Achtsamkeit war mir zu esoterisch, hier wird das Thema jedoch ausgesprochen humorvoll neu interpretiert.
Björn Diemel ist ein hochbezahlter Anwalt in einer renommierten Kanzlei, sein Job nimmt ihn derart mit Beschlag, dass wenig Zeit für seine Frau Katharina und die kleine Tochter Emily bleiben. Björn wird deshalb von seiner Frau ein Achtsamkeits-Seminar aufgezwungen, um seine innere Balance wiederzufinden und sich wieder mehr auf seine Familie besinnen zu können. Nach anfänglichen Vorbehalten bekommt Björn immer mehr Gefallen an den Prinzipien der Achtsamkeit, er fühlt sich entspannt und genießt die intensiven „Zeitinseln“ mit seiner Tochter. Gerade will er mit Emily zu einem Wochenendausflug starten, als sein Hauptmandant, ein brutaler Mafiaboss, in einer dringenden Angelegenheit seine Dienste benötigt. Nach 12 Wochen Achtsamkeitstraining ist Björn in der Lage, den aufkommenden Stress einfach weg zu atmen und sich ebenso ruhig wie selbstbewusst des Problems anzunehmen.
Es ist grandios, wie Karsten Dusse, selbst von Haus aus Jurist, hier seinen eigenen Berufsstand aufs Korn nimmt, aber auch andere Bevölkerungsgruppen bekommen ihr Fett weg.
Als roter Faden ziehen sich durch den Krimi einige Tipps zum Thema Achtsamkeit in Form von Zitaten aus dem Ratgeber von Björn Diemels Coach Joschka Breitner, die hier auf amüsante Weise sehr frei ausgelegt werden und in konsequenter Auslegung im Zweifelsfall auch zu einen Mord als logische Lösung eines Problems führen.
Björns innere Ruhe und bedächtige Handlungsweise steht im Kontrast zu den eskalierenden Umständen, es ergeben sich groteske und zum Teil brutale Szenen, der schwarze Humor hat mich an vielen Stellen an Filme von den Brüdern Ethan und Joel Cohen erinnert.
Matthias Matschke liest das Buch und insbesondere die Figur Björn Diemels überzeugend ruhig und tiefenentspannt, aber auch den anderen Figuren verleiht er glaubhafte Stimmen und Akzente, so dass das Hören der Geschichte zum Genuss wird. Ich habe mich so köstlich amüsiert, dass ich meinem Mann und meinem 17-jährigen Sohn unbedingt ein paar Stellen habe vorspielen müssen und sie davon überzeugen, sich den Krimi ebenfalls anzuhören. Die Geschichte ist nichts für zartbesaitete Seelen, Liebhabern schwarzen Humors kann ich insbesondere das Hörbuch wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 27.07.2019

urkomisch und tragisch zu gleich

Wanka würde Wodka kaufen
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In den Romanen um „Max Leif“ spielt Jekaterina Poljakow nur eine Nebenrolle, hinterlässt dort aber schon einen bleibenden Eindruck mit ihrer direkten Art und dem Herz am rechten Fleck. In „Wanka würde ...

In den Romanen um „Max Leif“ spielt Jekaterina Poljakow nur eine Nebenrolle, hinterlässt dort aber schon einen bleibenden Eindruck mit ihrer direkten Art und dem Herz am rechten Fleck. In „Wanka würde Wodka kaufen“ steht sie nun im Mittelpunkt des Geschehens und der Leser erfährt mehr über ihren persönlichen Hintergrund.
Sie wurde in Leningrad geboren als Wanka Nikolajewna Iwanowa, ihr Herz gehört Russland und dem Zirkus. Doch nach einem folgenschweren Zusammentreffen mit der russischen Mafia ist sie gezwungen, im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes nach Deutschland zu ziehen, dort einen neuen Namen anzunehmen und eine Scheinehe einzugehen.
Wanka sieht sich sich mit einer fremden Kultur konfrontiert, deren Regeln und Sprache sie vor einige Herausforderungen stellen, ihr Ehemann Vladimir und seine beiden halbwüchsigen Kinder kümmern sich ebenso wenig um sie wie ihr Betreuer Herr Lehmann. Im Arbeitsleben eckt Wanka mit ihrer direkten und unverblümten Art ebenso schnell an, wie sie ihre Jobs wieder los wird.
Doch nach und nach lernt sie, mit ihrem neuen Umfeld umzugehen, sich in das Herz ihrer neuen Familie zu schleichen und sich mit ihrer neuen Identität als Jekaterina Poljakow anzufreunden.
Wie schon in den Geschichten um Max Leif hat mich auch hier wieder begeistert, wie lebensnah die Autorin ihre Charaktere erschafft, man spürt beim Lesen immer wieder, wie sehr ihr ihre Figuren ganz offensichtlich ans Herz gewachsen sind. Dazu kommt eine ausgewogene Mischung aus humorvollen und traurigen bis tragikomischen Szenen. Ich habe mehrfach lauthals gelacht, mir aber ebenso oft Tränen der Rührung aus den Augen wischen müssen, die Geschichte dabei aber nie als kitschig empfunden. Wanka eröffnet dem Leser eine ganz andere Sicht auf unsere Sitten und Gebräuche, hinter den komisch anmutenden Szenen steckt eine Menge Gesellschaftskritik.
Mich hat dieser neue Roman von Juliane Käppler alias Jule Kaspar rundum begeistert.

Veröffentlicht am 24.07.2019

eine außergewöhnliche Geschichte, bewegend und verstörend zugleich

Harz
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Es wundert mich nicht, dass „Harz“ von Ane Riel in Skandinavien alle Krimipreise abgeräumt hat. Die Geschichte ist ebenso außergewöhnlich wie der eindringliche und zugleich einfühlsame Schreibstil der ...

Es wundert mich nicht, dass „Harz“ von Ane Riel in Skandinavien alle Krimipreise abgeräumt hat. Die Geschichte ist ebenso außergewöhnlich wie der eindringliche und zugleich einfühlsame Schreibstil der Autorin. Es gibt kaum ein Buch, dass mich derart zu Tränen gerührt hat, wie die letzten Kapitel dieses Buchs. Ich habe mich anfangs gefragt, ob ich es nicht eher als Roman einordnen würde, statt als Thriller, doch insbesondere gegen Ende nimmt die Spannung stark zu, die aus der psychologischen Dichte der Ereignisse und Umstände generiert wird.
Im Mittelpunkt steht die sechsjährige Liv, die in vielen Kapiteln aus der Ich-Perspektive die Geschichte schildert. Sie lebt mit ihrem Vater Jens Haarder, Mutter Marie und einigen Tieren auf einem abgeschiedenen Teil einer Insel. Offiziell hat ihr Vater sie seit ihrem sechsten Lebensjahr für tot erklären lassen, da er befürchten musste, die Behörden könnten sie ihm wegnehmen. Die Familie lebt isoliert auf der Insel, einzig Vater Jens hält zunächst noch über seine Geschäfte Kontakt zu Bewohnern der Hauptinsel, zieht sich jedoch zunehmend in sein Refugium zurück. Als Teenager hat Jens den unerwarteten Tod seines Vaters nicht verkraftet, zu dem er eine außergewöhnlich enge Bindung unterhielt. Er hat eine ausgeprägte Verlustangst entwickelt, sammelt unkontrolliert Gegenstände an und versucht tote Lebewesen in Harz zu konservieren wie die in Bernstein eingeschlossene Ameise, die er von seinem Vater geerbt hat.
Insbesondere die Passagen aus der Sicht Livs, die mit kindlicher Naivität ihr Leben schildert, ihr so natürlich wirkendes Vertrauen in das Handeln ihrer Eltern, ist oft ebenso anrührend wie befremdlich und erschütternd. Jens und Marie sind zunehmend vom Alltagsleben überfordert, dennoch versuchen sie beide verzweifelt, ihre Tochter auf das Leben vorzubereiten und sie gleichzeitig vor der Welt draußen abzuschirmen. Liv ist noch zu klein, um die Lebensumstände ihrer Familie in frage zu stellen, auch wenn sie aus Streifzügen in die Hauptinsel und aus Romanen eine andere Wirklichkeit kennen lernt. Es ist verstörend, von den grausamen Handlungen Jens’ zu lesen und gleichzeitig zu wissen, dass er nicht aus Boshaftigkeit handelt, sondern eher Verzweiflung hinter ihnen steckt und in gewisser Weise auch Liebe zu seiner Familie. Liv, deren Name übersetzt „Leben“ bedeutet, ist in ihren jungen Jahren von einer viel zu sehr durch den Tod geprägten Atmosphäre umgeben.
Ane Riel versteht es meisterhaft, die Stimmungen einzufangen, sie wertet nicht direkt, und doch schwingt deutliche Kritik mit an den Bewohnern der Hauptinsel, die zwar ahnen, dass bei Familie Haarder einige seltsame Dinge zugehen und Jens zunehmend verwahrlost, sie erfinden jedoch lieber wilde Geschichten, statt ihre Hilfe anzubieten.
Die Spannung der Geschichte baut sich langsam auf und erreicht gegen Ende ihren Höhepunkt, als Jens’ Besessenheit droht, in einer Katastrophe zu enden.
Mit rund 300 Seiten ist das Buch nicht lang, die Intensität seiner Geschichte macht es jedoch in meinen Augen zu etwas besonderem, ich werde mir die Autorin auf jeden Fall merken.

Veröffentlicht am 07.07.2019

gelungene Umsetzung in eine märchenhafte Geschichte

Das Labyrinth des Fauns
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Cornelia Funke ist bekannt für ihre zum Teil sehr märchenhaften Geschichten und ihre bildhafte Sprache. In „Das Labyrinth des Fauns“ hat sie zwar keine eigene Welt erschaffen, sondern Guillermo del Toros ...

Cornelia Funke ist bekannt für ihre zum Teil sehr märchenhaften Geschichten und ihre bildhafte Sprache. In „Das Labyrinth des Fauns“ hat sie zwar keine eigene Welt erschaffen, sondern Guillermo del Toros Film „Pans Labyrinth“ in Worte gefasst, dabei hat sie jedoch der Geschichte mit ihrem besonderen Erzähltalent auf einfühlsame Art eine persönliche Note gegeben.
Wer den Film kennt, dem wird die Handlung sehr bekannt vorkommen. Cornelia Funke ist eine Bewunderin des Films und hat den Verlauf im Kern nicht verändert, sondern durch kleine Geschichten um die magischen Figuren herum ergänzt, die der ohnehin märchenhaften Atmosphäre neue Impulse und Tiefe gibt.
Gegen Ende des 2. Weltkriegs zieht die 13-jährige Ofelia in Spanien mit ihrer hochschwangeren Mutter in die Berge zu ihrem Stiefvater, der als Offizier Francos dort mit großer Grausamkeit die Partisanen bekämpft. Ofelia spürt das Böse, das nicht nur von ihrem Stiefvater sondern auch von der alten Mühle auszugehen scheint, in der er sein Hauptquartier aufgeschlagen hat. Während sie bei ihrer Mutter auf Unverständnis stößt, findet sie in Mercedes, einer der Dienerinnen, eine Verbündete. Ablenkung bietet Ofelia ein verwunschenes Labyrinth in der Nähe der Mühle, in der sie auf magische Wesen trifft und vor eine besondere Prüfung gestellt wird.
Trotz des märchenhaften Charakters ist dieses Buch weit davon entfernt, eine Kindergeschichte zu sein. Der spanische Bürgerkrieg mit seinen dramatischen Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung spielt eine zentrale Rolle, drastische und brutale Szenen untermalen die Grausamkeit dieser geschichtlichen Epoche. Die Märchenwelt bildet eine Parallele zur Wirklichkeit, in beiden Welten ist nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich, was gut und was böse ist.
Um die bildhafte und fantasievolle Welt des Films herum, hat Cornelia Funke in ergänzenden Geschichten, die als solche in den Kapitelüberschriften deutlich gekennzeichnet sind, die märchenhafte Ebene weiter gesponnen, die Geschichte der Figuren verdeutlicht und auf teils spitzbübische Art weiteres Leben eingehaucht.
Mir hat das Buch inhaltlich und sprachlich sehr gut gefallen, man spürt, dass Cornelia Funke und Guillermo del Toro auf gleicher Wellenlänge liegen. In meinen Augen ist die Umsetzung der Geschichte in Buchform gelungen, es wurde ein modernes Märchen geschaffen mit einer zeitlosen sozialkritischen Botschaft.