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Veröffentlicht am 26.06.2019

ein temporeicher und spannender Thriller aus Spanien

Die Stille des Todes
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Eva García Sáenz‘ neuer Thriller „Die Stille des Todes“ ist für mich eine der Entdeckungen dieses Jahres. Die Geschichte ist vielschichtig, temporeich und sehr lebendig geschrieben.
Der Thriller spielt ...

Eva García Sáenz‘ neuer Thriller „Die Stille des Todes“ ist für mich eine der Entdeckungen dieses Jahres. Die Geschichte ist vielschichtig, temporeich und sehr lebendig geschrieben.
Der Thriller spielt in Vitoria, der Heimatstadt der Autorin im spanischen Baskenland. In vielen kleinen Details und geschichtlichen Hintergründen spielgelt sich ihre Verbundenheit zu dieser Region wieder.
In dieser Geschichte ist Vitoria Schauplatz einer grausamen Mordserie, die die ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt. In einer Kathedrale werden die Leichen eines nackten Paares entdeckt, die dort jeweils Hände an Wange des anderen abgelegt wurden. Beide sind gleichalt, haben ansonsten keine Beziehung zueinander. Erschreckender Weise gleicht diese Tat einer Mordserie, von der Vitoria 20 Jahre zuvor heimgesucht wurde, und deren Täter seit 20 Jahren im Gefängnis sitzt.
Der Fallanalytiker Unai Ayala wird mit der Lösung des Falls betraut, eine Aufgabe, die er mit Ehrfurcht annimmt, denn es war dieser Fall, der ihn damals zum Eintritt in den Polizeidienst bewegt hat.
Der Druck auf die Ermittler ist hoch, es kommt schnell zu einem weiteren Mordfall und es drängt sich immer mehr die Frage auf, ob der verurteilte Täter unschuldig in Einzelhaft sitzt.
Die Geschichte hat mich schnell in den Bann gezogen, mir gefällt die Atmosphäre, die Hauptfigur Inspector Unai López de Ayala alias Kraken ist mit seiner sensiblen Art ein Sympathieträger. Der Fall um die Doppelmorde ist sehr komplex, da der Roman in erster Linie aus der Sicht Unais erzählt wird, ist man als Leser dicht am Geschehen dran und wird mir ihm auf die verschiedenen oft falschen Fährten geführt.
Durch Rückblenden in die 70er Jahre erfährt der Leser einiges über die Hintergründe zu involvierten Familien, der Leser gewinnt einen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern, dennoch gibt es immer wieder überraschende neue Details, die Aufklärung lässt bis kurz vor Ende der Geschichte auf sich warten.
Mich hat das Buch sowohl inhaltlich als auch stilistisch begeistert, es hebt sich erfreulich ab aus der Masse von Thrillern und Krimis. Spannung wird aus dem Zusammenspiel der Figuren und den intelligenten Spielchen generiert, die der Täter mit den Beteiligten spielt. Trotz grausiger Morde ist das Buch erfreulich unblutig und verzichtet darauf, sich an grausamen Details auszuweiden, wie man es leider in vielen Thrillern findet. Nebenbei habe ich viel über die Stadt Vitoria, ihre Geschichte und die der umliegenden Region gelernt aber auch über die Lebensweise der Basken. Mich fasziniert zum Beispiel, wie fest viele der Einwohner offenbar mit ihrer Stadt und deren Traditionen verwurzelt sind, wie wichtig die „Cliquen“ im Alltag für die Einzelnen sind.
„Die Stille des Todes“ ist der Auftakt zu einer Trilogie um Inspektor Ayala, ich freue mich schon sehr auf die Veröffentlichung des zweiten Bandes „Das Ritual des Wassers“ im Oktober 2019.

Veröffentlicht am 05.04.2019

ein erschreckend düsterer aber realistischer historischer Krimi aus Stockholm

1793
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Der Roman „1793“ von Niklas Natt och Dag fällt ins Auge durch sein schlichtes und doch prägnantes Cover. In Schweden ein Erfolgsroman wird er vom Piper Verlag stark beworben und hat bei mir als Liebhaber ...

Der Roman „1793“ von Niklas Natt och Dag fällt ins Auge durch sein schlichtes und doch prägnantes Cover. In Schweden ein Erfolgsroman wird er vom Piper Verlag stark beworben und hat bei mir als Liebhaber sowohl skandinavischer Krimis als auch historischer Romane Neugier geweckt. Die Beschreibungen als düsterer und sehr brutaler Roman haben mich abgeschreckt eine Weile zögern lassen, inzwischen bin ich froh, der Geschichte doch eine Chance gegeben zu haben.
Dieser Roman lässt sich schwer in eine Schublade stecken; für mich ist er in erster Linie ein historischer Roman mit einer Kriminalgeschichte als Rahmenhandlung, anhand derer die zu dieser Zeit herrschenden Lebensbedingungen und politischen Entwicklungen im Stockholm des Jahres 1973 geschildert werden. Es entsteht ein sehr düsteres Bild, viele Menschen leben in Armut unter sehr schwierigen Bedingungen, Unrat verdreckt die Stadtviertel, Krankheiten breiten sich aus, daneben lebt der Adel im Überfluss und herrscht mit Willkür über die einfacheren Menschen, die sich nicht wehren können.
Cecil Winge ist ein für diese Zeit ungewöhnlicher Jurist, der den Angeklagten Gelegenheit geben möchte, sich zu erklären und zu verteidigen. Als im sogenannten „Fatburen“, einem verdreckten See in der Stockholmer Innenstadt, der Mitte des 19. Jahrhunderts zugeschüttet wurde, ein grausam zugerichteter Leichnam gefunden wird, bekommt Winge den Auftrag, den Fall aufzuklären. Die Zeit ist knapp zum einen aufgrund drohender Machtverschiebungen in der Stadt aber auch durch seine fortschreitende TBC Erkrankung. Unterstützung bekommt Winge durch den ehemaligen Soldaten Mickel Cardell, einem Einzelgänger, dem die Praktiken der Stadtwache ein Dorn im Auge sind und dem das Schicksal des Toten keine Ruhe lässt, nachdem er zur Bergung des Leichnams hinzugerufen wurde.
Das Buch ist in 4 Teile untergliedert, im ersten und vierten stehen Cecil Winge und Mickel Cardell mit der Aufklärung des Falls um den Toten im Fatburen im Mittelpunkt. Der 2.Teil stellt einen Bruch dar mit einem überraschenden Rückblick, einer anderen Erzählperspektive und einer neuen Hauptperson. In beiden Mittelteilen stehen die historischen Umstände im Mittelpunkt, die Missverhältnisse unter den verschiedenen Gesellschaftsschichten. Nach und nach erschließen sich die Zusammenhänge und die Bedeutung der scheinbar zufällig auftretenden Figuren für die Entwicklung des Kriminalfalls.
Mich hat der Roman nach meinen anfänglichen Vorbehalten positiv überrascht und sowohl sprachlich als auch inhaltlich begeistert. Man spürt dem Roman an, dass dem Autor die Geschichte Stockholms und besonders dieser Zeit sehr am Herzen liegt, in der zum ersten Mal von Teilen der Bevölkerung die bis dahin übliche Vererbung von Macht infrage zu stellen, und in der der Grundstein für unsere heutige Demokratie gelegt wurde. Der Roman wirkt sehr gut recherchiert, die Darstellungen sind sehr detailliert, sehr bildhaft, die verschiedenen Erzählperspektiven machen sie Geschichte lebendig und ergeben eine vielschichtige Sicht auf die Situation. Es entsteht ein deutliches wenngleich erschreckend düsteres Bild dieser Stadt, die heute so viel leuchtender und freundlicher erscheint. Wenn ich im Sommer ein paar Tage in Stockholm verbringe, werde ich einige Straßen und Viertel mit ganz anderen Augen betrachten.
Ich habe mich gefreut zu lesen, dass Niklas Natt och Dag bereits an einem weiteren historischen Roman arbeitet, der im Folgejahr 1794 angesiedelt sein soll.

Veröffentlicht am 18.03.2019

eine wundervoll erzählte Geschichte über die Verbindung zwischen Bienen und Menschen

Der Honigbus
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Der Roman „Der Honigbus“, erschienen im März 2019 bei S.Fischer, ist eines meines Lese-Highlights des Jahres. Meredith Mays Erzählung überzeugt sowohl sprachlich als auch inhaltlich, die Tatsache, dass ...

Der Roman „Der Honigbus“, erschienen im März 2019 bei S.Fischer, ist eines meines Lese-Highlights des Jahres. Meredith Mays Erzählung überzeugt sowohl sprachlich als auch inhaltlich, die Tatsache, dass es sich hier um eine autobiographische Geschichte handelt, unterstützt die Intensität der Aussagen und ihre Authentizität.
Meredith ist gerade 5 Jahre alt, als ihre Eltern sich trennen und ihre Mutter mit ihr und dem jüngeren Bruder Mathew von der Ostküste zu den Großeltern nach Kalifornien zieht. Meredith‘ Mom ist mit der Trennung überfordert, sie versinkt in einer Depression, unfähig sich um ihre Kinder zu kümmern. Die Großmutter ist keine große Hilfe, sie schützt ihre Tochter, schirmt sie gegen die Kinder ab und zeigt wenig Einfühlungsvermögen. Zum Glück gibt es noch Meredith Grandpa, ein bodenständiger Mensch und Bienenzüchter in vierter Generation. Er nimmt sie mit, wenn er sich um seine Bienenstöcke kümmert, erklärt ihr nach und nach die sozialen Strukturen und Aufgaben innerhalb des Bienenstocks, als Krönung darf Meredith sogar in seinem selbst umgebauten Honigbus bei der Gewinnung des Honigs mithelfen.
Meredith fühlt sich von ihren Eltern allein gelassen, sie versteht die Situation nicht, abgesehen von ihrem Grandpa hat sie niemanden, mit dem sie über ihre Ängste und Gefühle sprechen kann. Die Bienen und ihre Lebensweise werden zu ihrem Ratgeber und Spiegel ihrer Umwelt. Auch in der Schule ist sie eine Außenseiterin, erst auf der High-School findet sie eine Freundin, die ihr ein Ausbrechen aus dem eintönigen Alltag und der angespannten Beziehung zu ihrer Mutter bietet.
Mich hat die Intensität der wechselnden Stimmungen beeindruckt. Aufgrund der Ich-Perspektive fühlt man sich als Leser der Erzählerin Meredith sehr verbunden, ich habe mit ihr gelitten und ihre Begeisterung über die kleinen Wunder innerhalb des Bienenstocks mitverfolgt. Das Buch erzählt eine persönliche Geschichte über ein außergewöhnliches Schicksal, das bewegt und mir Bewunderung abringt für die Stärke, die Meredith im Laufe der Jahre entwickelt hat. Ihre Rettung waren neben ihrem Großvater die Bienen, die ihr gezeigt haben, dass es auch in widrigen Situationen immer einen Weg gibt weiter zu machen. Das Buch stimmt nachdenklich nicht nur im Hinblick auf unseren Umgang mit der Natur und den Bienenvölkern, mit denen unsere Zukunft und unser Fortbestand eng verknüpft sind, sondern auch für den Umgang der Menschen miteinander.

Veröffentlicht am 07.11.2018

ein Krimi aus Norddeutschland: spannend, mit einer tragikomischen Geschichte und viel trockenem Humor

Sörensen fängt Feuer
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Drei Monate nachdem Kommissar Sörensen mit seinen Ermittlungen Unruhe in die scheinbare Idylle Katenbülls gebracht hat, haben sich die Wogen noch nicht ganz geglättet, noch immer sind ihm einige Mitbürger ...

Drei Monate nachdem Kommissar Sörensen mit seinen Ermittlungen Unruhe in die scheinbare Idylle Katenbülls gebracht hat, haben sich die Wogen noch nicht ganz geglättet, noch immer sind ihm einige Mitbürger nicht wohl gesonnen. Während einer kurzen Stippvisite Sörensens in seine alte Heimat Hamburg bahnt sich jedoch ein neuer Fall an, als Ole Kellinghusen mitten in der Nacht eine junge Frau vors Auto läuft: blind, unterernährt und barfuß im Nachthemd irrt Jette mitten im Winter kurz vor Weihnachten über die Landstraße. Sörensens gute Vorsätze, die Tabletten gegen seine Angststörung abzusetzen, geraten ins Wanken, als er bei der Suche nach Jettes Herkunft auf eine Leiche trifft. Doch damit nicht genug, da Jette nicht zurück nach Hause kann, sieht Sörensen keinen anderen Ausweg, als seinen Vater zur Hilfe zu holen, und je tiefer er die Hintergründe der Tat beleuchtet umso mehr Details kommen zum Vorschein über den religiösen Wahn und gut gehütete Geheimnisse, die sich um Jettes Geschichte ranken.
Wie schon im ersten Band „Sörensen hat Angst“ hat mir auch hier wieder die Mischung des Krimis gefallen. Sven Stricker hat ein Händchen dafür, die Charaktere und Szenerien so lebendig zu schildern, dass man den Eindruck bekommt, mitten in Katenbüll zu stehen und ihnen beim Agieren zu sehen zu können.
Sörensen ist kein einfacher Charakter, er wird von seiner Angststörung beherrscht, steht sich oft selbst im Weg mit seiner umständlichen Art und seinem mangelnden Selbstbewusstsein. Dass er nicht perfekt ist und an sich zweifelt, macht ihn aber auch sympathisch. Sörensens persönliche Geschichte nimmt neben dem Kriminalfall viel Raum ein, gerade seine Persönlichkeit, sein manchmal unkonventionelles Handeln und Denken, machen aber den Charme der Geschichte aus. Es gibt eine ordentliche Prise trockenen norddeutschen Humors mit herrlichen Dialogen, die mich beim Lesen immer wieder haben auflachen lassen.
Der Fall um Jette birgt jedoch einige Tragik, er offenbart die Verzweiflung und Desillusion einiger Beteiligter, hier kommt Sörensen seine sensible Seite zu Gute.
Mich hat der Krimi von Anfang bis Ende gut unterhalten, der Fall ist spannend, und wartet mit einigen überraschende Entwicklungen auf, die Charaktere sind mir weiter ans Herz gewachsen, und ich bin sehr gespannt darauf, wie sich Sörensen in (hoffentlich) folgenden Bänden weiter entwickeln wird.

Veröffentlicht am 08.10.2018

ein wichtiger Teil deutscher Geschichte wird lebendig

Deutsches Haus
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Eva Bruhns ist Anfang 20, lebt wohl behütet mit ihrer Familie in einer Wohnung über der titelgebenden Gastwirtschaft ihrer Eltern in Frankfurt am Main und steht kurz vor der Verlobung mit dem Unternehmersohn ...

Eva Bruhns ist Anfang 20, lebt wohl behütet mit ihrer Familie in einer Wohnung über der titelgebenden Gastwirtschaft ihrer Eltern in Frankfurt am Main und steht kurz vor der Verlobung mit dem Unternehmersohn Jürgen. Eva zweifelt manchmal, ob der biedere Jürgen wirklich der Richtige für sie ist, aber sie fügt sich den Erwartungen und die Verbindung bietet ihr einen gesellschaftlichen Aufstieg.
Als gelernte Dolmetscherin für Polnisch wird Eva kurzfristig zur Übersetzung einer Zeugenaussage hinzu gerufen. Erst, als sie am nächsten Morgen in den Tageszeitungen über die Ankündigung der bevorstehenden Auschwitz-Prozesse liest, wird ihr klar, womit sie am Vortag konfrontiert wurde. Da sie zuvor nie etwas von Auschwitz gehört hat, sucht sie das Gespräch mit ihren Eltern, doch diese reagieren abweisend und raten ihr ebenso wie ihr Verlobter davon ab, sich für den Prozess engagieren zu lassen. Eva folgt jedoch ihrem Bauchgefühl, will sich nicht bevormunden lassen und nimmt die Stelle als Dolmetscherin an. Im Verlauf des Prozesses, der sich über 20 Monate hinzieht, gibt sie vielen der Zeugen ihre Stimme und wird in eine Geschichte hinein gezogen, die nicht nur ihr Weltbild verändert sondern auch in unerwartetem Maß zu ihrer eigenen Geschichte wird.
„Deutsches Haus“ ist der erste Roman von Annette Hess, die sich bislang als Drehbuchautorin erfolgreicher Fernsehserien einen Namen gemacht hat. Man merkt dem Buch an, dass sie darin geübt ist, Geschichte und Geschichten lebendig werden zu lassen. Die Sprache ist der Zeit der 60er Jahre angepasst, die gesellschaftlichen Zwänge, das bürgerliche Spießbürgertum und das bewusste Verdrängen der eigenen Geschichte werden auf beklemmende Weise präsent. Beim Lesen werden die Figuren vor dem inneren Auge lebendig, die Beschreibungen von Schauplätzen und Charakteren sind zwar oft knapp aber dabei sehr präzise. Insbesondere die Szenen im Gerichtssaal verfügen über eine Intensität, die mich beim Lesen fast die Luft haben anhalten lassen. Die Autorin hält sich mit Wertungen zurück, sie beleuchtet die Ausmaße der Verbrechen und des Prozesses durch die Augen der zunächst unbedarften Eva, der Leser spürt durch sie das Unbehagen das entsteht durch das Bestreben vieler Beteiligter, ihre Schuld oder Mitschuld an den Vorgängen abzustreiten.
Annette Hess hat sich im Vorfeld des Romans intensiv mit dem Verlauf und den Aussagen der Frankfurter Prozesse beschäftigt, anhand des Schicksals Evas und ihrer Familie lässt sie diesen wichtigen Teil der deutschen Geschichte wieder aufleben und stimmt gleichzeitig nachdenklich auch über unseren heutigen Umgang mit aktuellen politischen Entwicklungen.