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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.06.2019

spannend und ungewöhnlich

Das Mädchen, das Geschichten fängt
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Stirbt ein Mensch, wird seine Erinnerung zur Chronik, die in einem Archiv aufbewahrt und von Bibliothekaren bewacht werden. Doch hin und wieder kommt es vor, dass eine Chronik aufwacht und entkommt. Für ...

Stirbt ein Mensch, wird seine Erinnerung zur Chronik, die in einem Archiv aufbewahrt und von Bibliothekaren bewacht werden. Doch hin und wieder kommt es vor, dass eine Chronik aufwacht und entkommt. Für diesen Fall gibt es die Wächter, deren Aufgabe es ist, die entflohenen Chroniken wieder zurück ins Archiv zu bringen. Mac ist eine solche Wächterin. Seit 4 Jahren geht sie dieser Aufgabe nach, doch plötzlich häufen sich die Zwischenfälle und noch dazu entdeckt sie in ihrem neuen Haus eine Reihe mysteriöser ungeklärter Morde.

Ich bin ein großer Fan von Victoria Schwab und auch hier hat sie mich wieder nicht enttäuscht. Die Geschichte liest sich sehr flüssig und ist durchgängig spannend. Die Entwicklungen waren für mich nicht vorhersehbar und ich habe lange gerätselt, wer hinter allem steckt. Die Charaktere fand ich sehr gut beschrieben und ich bin ihnen gerne gefolgt.

Bei der Handlung ist natürlich nichts tiefgründiges zu erwarten, dennoch wurde ich gut unterhalten. Die Grundidee fand ich sehr interessant und nichts alltägliches. Die Romanze steht nicht zu sehr im Vordergrund, was ich immer begrüße. Insgesamt fand ich es ein richtig tolles Buch über Geister, Jugendliche, die über sich hinauswachsen müssen und die Frage, wem man vertrauen kann.

Veröffentlicht am 21.06.2019

eine Dreiecksgeschichte

Der Zopf meiner Großmutter
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»Ich kann mich genau an den Moment erinnern, als mein Großvater sich verliebte. Es war klar, dass die Großmutter nichts davon mitkriegen sollte. Sie hatte schon bei geringeren Anlässen gedroht, ihn umzubringen, ...

»Ich kann mich genau an den Moment erinnern, als mein Großvater sich verliebte. Es war klar, dass die Großmutter nichts davon mitkriegen sollte. Sie hatte schon bei geringeren Anlässen gedroht, ihn umzubringen, zum Beispiel, wenn er beim Abendessen das Brot zerkrümelte.« Max lebt zusammen mit seiner Großmutter und dem Großvater in Deutschland, nachdem sie aus Russland geflohen sind. Die Großmutter hat alle im Griff wie es scheint, doch als sich der Großvater verliebt, beginnt die Fassade zu bröckeln.

Dies war mein erstes Buch von Alina Bronsky und es hat mich sehr begeistert. Die Großmutter wirkt zunächst etwas unsympathisch und die Menschen in ihrer Umgebung können einem Leid tun. Max und der Großvater werden als Nichtsnutze beschimpft und Max steht angeblich jeden Tag auf der Grenze zum Tod, da er ein so kranker und schwächlicher Junge ist, der ohne die Großmutter nichts auf die Reihe bekommt. Man könnte meinen, sie tue dies aus Bosheit aber nach und nach entwickelt sich ein Bild , das ganz anders ist. Die Großmutter ist eigentlich eine sehr zarte Frau, die versucht Fuß zu fassen in Deutschland, wo sie nichts versteht und das so anders ist als Russland. Sie kam nie so richtig über den Verlust ihrer Tochter hinweg und auch, dass sie zur Untätigkeit verdammt ist, macht ihr zu schaffen. Sie weiß sich nicht anders zu helfen, als andere herumzukommandieren. Dabei möchte sie einfach nur gebraucht werden und hat Angst, dass man ihr die letzte Erinnerung an ihre Tochter wegnehmen könnte: ihren Enkel Max.

Max entwickelt sich trotz der Bevormundung von seiner Großmutter zu einem intelligenten Jungen, der erstaunlich gut zurecht kommt. Trotz der seltsamen Art, liebt er seine Großmutter sehr. Als der Großvater sich in die Nachbarin verliebt, merkt er zum ersten Mal, wie wenig er von ihm weiß. "Der Großvater saß schweigend da. Ich fragte mich, ob es das erste Mal war, dass ich ihn einen Menschen so intensiv anblicken sah, oder ob ich sonst einfach nie auf ihn geachtet hatte, weil die Anwesenheit der Großmutter meine Sinne komplett in Beschlag nahm." Es entwickelt sich eine Dreiecksgeschichte, die für alle Beteiligten eine Herausforderung ist, die aber dennoch zu fiunktionieren scheint.

Bronskys Schreibstil ist sehr locker und ich hatte keinerlei Probleme, in die Geschichte hineinzufinden. Die Charaktere und Szenen sind mitunter sehr zynisch beschrieben und oftmals wusste ich nicht, ob ich jetzt lachen soll oder nicht. "Der Zopf der Großmutter" hat mich sehr oft zum Schmunzeln gebracht, hat mich jedoch auch auf eine Weise berührt, wie sie nicht oft vorkommt. Die Dinge, die hier nicht konkret beschrieben werden, sondern zwischen den Zeilen stehen haben mich sehr traurig gemacht. Aber auch stolz auf die Großmutter, die trotz einiger Rückschläge alles irgendwie zu meistern versucht, wenn auch manchmal auf etwas andere Art. Das demütige Verhalten von Max und seinem Großvater scheint auf den ersten Blick etwas irritierend, doch sie lieben die Großmutter und fügen sich deswegen in die Situation. "Warum wehrst du dich eigentlich nie? Gegen niemanden?" "Ich käme dann zu nichts anderem mehr."

Fazit:
Ein sehr gelungener Roman, der zynisch und berührend zugleich ist. Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 14.06.2019

erschütternd

Loyalitäten
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Théo ist 12 Jahre alt. Seine Eltern sind geschieden, der Vater verwahrlost in seiner Wohnung, doch niemand darf davo wissen und seine Mutter kommt nicht über die Trennung hinweg und lässt ihre Wut über ...

Théo ist 12 Jahre alt. Seine Eltern sind geschieden, der Vater verwahrlost in seiner Wohnung, doch niemand darf davo wissen und seine Mutter kommt nicht über die Trennung hinweg und lässt ihre Wut über den Vater oftmals verbal an ihrem Sohn aus. Théo kümmert sich um beide, versucht sich anzupassen, alles scheint zu funktionieren. Doch Théo trinkt heimlich Alkohol und braucht immer mehr davon um sich zu betäuben. Sein bester Freund Mathis macht zunächst mit, doch ihm fällt irgendwann auf, dass es für Théo kein Spiel mehr ist. Auch seine Lehrerin Hélène fällt eine Veränderung an dem Jungen auf, doch sie kann sie sich nicht erklären, vermutet Probleme zu Hause.

Delphine de Vigan schreibt mit einer solchen Eindringlichkeit und Intensivität, dass einen die Zeilen regelrecht in ihren Bann ziehen. Ich habe das Buch an einem Tag durchgelesen, da es mich so gefesselt hat. Die zwischenmenschlichen Bande, die sie knüpft sind faszinierend und jede der Figuren ist anders. Sie alle haben mit ihrer Vergangenheit oder Gegenwart zu kämpfen. Zwischendrin steht Théo, der sich nicht anders zu helfen weiß, als sich mit dem Alkohol zu betäuben und die Welt um ihn herum auszuschalten. Er möchte, "das Bewusstsein verlieren, völlig. Sich für ein paar Stunden oder für immer in das dicke Gewebe der Trunkenheit fallen, sich davon bedecken, begraben lassen".
Das Verhalten von Théos Eltern hat mich schwer getroffen. Beide denken sie nur an sich und verschließen die Augen davor, wie es ihrem Sohn geht. Der eine versinkt in Selbstmitleid, die andere ist zerfressen vom Hass auf ihren Ex-Mann. Sie sehen nicht, wie sich ihr Sohn verändert, wie sehr er versucht, der Sohn zu sein, den sich das jeweilige Elternteil wünscht, sehen nicht, wie sehr es ihn innerlich zerreist. Die Angst um seinen Vater, die Zurückweisung von seiner Mutter, die er doch beide gern hat.

In Loyalitäten geht es jedoch nicht nur um den 12-Jährigen Théo der Zuflucht im Alkohol sucht. Es geht auch um seine Lehrerin Hélène, die selbst eine schwere Kindheit hatte und deswegen meint, die Anzeichen auch bei Théo zu sehen. Doch in ihrem Drang zu helfen, verrennt sie sich und kommt nicht weiter, verliert fast den Halt. Sie ist allein mit ihren Vermutungen und wird schließlich vom Schulleiter ausgebremst.
Auch Mathis Mutter Cecile hat es nicht einfach. Sie kann den besten Freund ihres Sohnes nicht leiden, hat Angst, dass dieser ihn in den Abgrund zieht. Auch ihre Kindheit war nicht einfach, als Tochter eines alkoholkranken Vaters hat sie Angst, dass auch ihr Sohn ein Alkoholiker werden könnte. Doch sie denkt nur an Mathis, Théo ist ihr egal, sie fragt nicht nach, warum die beiden zur Flasche greifen.
Und dann ist da noch Mathis, Théos bester Freund. Er würde alles für ihn tun und fühlt sich gleichzeitig sicher bei ihm. Das Spiel mit dem Alkohol ist zunächst noch aufregend, doch Mathis wird es schnell zu viel. Und er merkt, dass sein Freund nicht damit aufhören kann und der Alkohol immer stärker wird. Doch er ist hilflos und will seinen Freund nicht verlieren. Er möchte ihm helfen, doch weiß nicht, wie er dies tun soll, ohne ihn zu verraten. So bleibt er an seiner Seite und versucht, ihn nicht alleine zu lassen. Doch es gelingt ihm immer weniger.

Jede dieser Figuren hat mich auf ihre eigene Art sehr berührt. Am liebsten würde man ihnen allen mal gehörig die Meinung sagen. Sie sind so lebensnah und realistisch beschrieben, dass ich das Gefühl hatte, ein Teil der Geschichte zu sein. Man fühlt sich hilflos ob der Entwicklungen, man möchte laut "Halt!" schreien, den Figuren zurufen "Schaut doch endlich mal hin!". Der Schluss des Buches hat mich nochmal extrem mitgenommen. Ich habe das Buch zugeklappt und mich gefragt: Wie hätte ich reagiert? Hätte ich die Anzeichen gesehen? Wie kann man so sehr in seiner eigenen Welt leben, dass man das eigene Kind nicht mehr wahrnimmt?
Selten hat mich ein Buch so zerüttet zurückgelassen. Loyalitäten ist ein Buch, das noch lange nachhallen wird und mich innerlich sehr berührt hat. Mit nur 176 Seiten ist es kein dickes Buch, doch Delphine de Vigan schafft es selbst auf diesen paar Seiten eine Geschichte zu weben, die bedrückender und einprägsamer ist als so mancher 600 Seiten starke Wälzer.

"Loyalitäten - Das sind die Sprungbretter, auf denen sich unsere Kräfte entfalten, und die Gruben, in denen wir unsere Träume begraben." Unbedingt Lesen!

Veröffentlicht am 07.06.2019

erschütternd

Die Nickel Boys
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Elwood bewundert Martin Luther King und freut sich auf seinen 1. Tag am College. Doch auf dem weg dahin gerät er durch Zufall in ein gestohlenes Auto und wird nach seiner Verurteilung in die Besserungsanstalt ...

Elwood bewundert Martin Luther King und freut sich auf seinen 1. Tag am College. Doch auf dem weg dahin gerät er durch Zufall in ein gestohlenes Auto und wird nach seiner Verurteilung in die Besserungsanstalt "Nickel Academy". Dass er nur durch Zufall in dem Auto saß und nichts mit der Sache zu tun hatte, hat niemanden interessiert. Im weiteren Verlauf schildert Whitehead Elwoods Zeit in der Nickel Academy, wo es sehr brutal zugeht - zumindest im Teil der Schwarzen. Wer nicht spurt, wird bestraft. Dabei ist die Härte der Strafe sehr willkürlich, wie Elwood schon sehr bald am eigenen Leib feststellen muss. Dennoch verliert er nie seinen Mut und versucht im Stillen weiterhin gegen die ungerechte Behandlung anzugehen.

Trotz der Kürze und obwohl es die Nickel Academy nicht wirklich gab, haben mich die geschilderten Szenen sehr entsetzt. Die Geschichte - die an einer realen Besserungsanstalt orientiert ist - ist geprägt von unbegründetem Hass und Gewalt gegen die Schwarzen. Die Sprache ist eher distanziert und nach dem Klappentext hätte ich mehr direkte Taten erwartet. Dennoch - oder gerade deswegen - hat es mich schockiert wie die Jungen behandelt wurden. Whitehead schafft es meiner Ansicht nach das Schicksal der Jungendlichen sehr eindrücklich zu schildern und gerade die Szenen am Anfang und zu lesen, dass sie selbst im Erwachsenenalter noch schwer anihrer Vergangenheit zu knabbern haben. Durch die Distanziertheit und fehlende Emotionalität rücken die Handlungen und nicht die Personen selbst in den Vordergrund. Nicht die Einzelschicksale, sondern die gesamte Situation muss betrachtet werden. Der Hass und die Willkürlichkeit haben mich tief erschüttert. V.a. der Schluss hat mich sehr traurig gemacht. Dennoch hat mich auch Elwood sehr beeindruckt, er hat stets an seiner Hoffnung festgehalten, egal, wie er behandelt wurde.

Die Geschichte ist nicht chronologisch aufgebaut, immer wieder springt die Handlung zwischen Vergangenheit und Gegenwart und manches hat sich für mich erst am Schluss aufgelöst. Dennoch konnte ich den einzelnen Handlungssträngen i.d.R. sehr gut folgen. Auch der Schreibstil war sehr flüssig und im Gegensatz zu anderen fand ich auch nicht, dass sich die Handlung in die Länge zieht. Eher im Gegenteil. Das Buch hat nur knapp 200 Seiten, dennoch glaube ich nicht, dass mehr Seiten das Buch besser (oder schlechter) gemacht hätten. Trotz der Kürze schildert Whitehead den Rassismus in Amerika sehr gut, ganz ohne spannende Handlungen oder große Dialoge. Es sind die stillen Momente und das tägliche Leben in der Besserungsanstalt die eine Zeit voller Hass wieder aufleben lassen.

Definitiv eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.05.2019

berührende Geschichte über Liebe und Trauer

Die Angehörigen
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Genes Frau Maida ist gestorben. Ihr Tod kam sehr plötzlich udn unerwartet und nun fehlt ihm etwas entscheidendes im Leben. Maida war lange Zeit sein Lebensmittelpunkt und auch irgendwie seine Verbindung ...

Genes Frau Maida ist gestorben. Ihr Tod kam sehr plötzlich udn unerwartet und nun fehlt ihm etwas entscheidendes im Leben. Maida war lange Zeit sein Lebensmittelpunkt und auch irgendwie seine Verbindung zu seinen Freunden und auch seiner Tochter. Ihm fehlt nun der Sinn seines Alltags, ja seines Lebens und er weiß nichts mit sich anzufangen. Maida fehlt ihm, denn er kann die alltäglichen Dinge nun mit niemandem mehr teilen.

Ich finde, der Klappentext ist bei diesem Buch sehr irreführend und man sollte sich beim Lesen davon unbeeindruckt lassen. Gene deckt nicht wie beschrieben irgendwelche Geheimnisse auf aus der Vergangenheit von Maida, vielmehr beginnt er sich zu fragen, was er im Leben noch erreichen möchte und wie es Maida damit ging. Er versucht einen Nachruf für sie zu schreiben, was ihm sehr schwer fällt. Er versucht sein Leben mit ihr zu rekapitulieren, doch das wichtigste was ihm dazu einfällt ist, dass mit ihrem Tod etwas wichtiges verloren gegangen ist. Er versucht irgendwie mit seiner Trauer und dem Verlust zurecht zu kommen. Dies fällt ihm nicht immer leicht, doch mit der Hilfe von seinen Freunden und einer Haushaltshilfe schafft er es, seinen Alltag zu bewältigen. Sehr beeindruckend fand ich bei seiner Trauerbewältigung folgendes Zitat: "Denn jeder Körper hatte nur eine begrenzte Kapazität für die vielen Tode, die man irgendwie verdauen musste, um weiterleben zu können." Es zeigt sehr berührend, wie nah ihm der Tod seiner Frau geht und wirft die Frage auf, wie viel ein Mensch aushalten kann in seinem Leben.

"Die Angehörigen" ist kein spannender Roman, Catherine Dion erzählt hier eine Geschichte über das Leben und die Liebe und wirft die Frage auf, warum wir leben und was Glück bedeutet. Sie erzählt sehr ruhig und leise aber dennoch sehr berührend. Genau das hat für mich auch diesen Roman ausgemacht: Die Stille und Ruhe, die er ausstrahlt. Es gibt dem Leser Raum über so manche Fragen nachzudenken. Bin ich glücklich? Und wie geht es dem Partner/der Familie, sind sie es ebenfalls. Oder lebt einer nur für den anderen? Wie geht man damit um, wenn ein geliebter Mensch plötzlich nicht mehr da ist? Gene udn seine Tochter gehen sehr unterschiedlich an die Trauerbewältigung heran und so trauert auch jeder Mensch auf seine eigene Weise.

Die nicht vorhandene Handlung und die fehlende Spannung werden oft kritisiert. Doch für mich sticht "Die Angehörigen" gerade deswegen aus der Masse heraus. Klare leseempfehlung, man sollte jedoch unvoreingenommen auf das Buch einlassen.