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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.05.2021

Familie

Sturmvögel
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Mittlerweile ist Emmy fast 90 und kann auf ein bewegtes und ereignisreiches Leben zurück blicken. Aufgewachsen auf einer kleinen Nordseeinsel wird das aufgeweckte und wissbegierige Mädchen von der Großmutter ...

Mittlerweile ist Emmy fast 90 und kann auf ein bewegtes und ereignisreiches Leben zurück blicken. Aufgewachsen auf einer kleinen Nordseeinsel wird das aufgeweckte und wissbegierige Mädchen von der Großmutter als undankbare Göre bezeichnet. Nach dem Krieg und Tod der Eltern ist das gewohnte Leben vorbe, sie wird von ihren Geschwistern getrennt und soll als Dienstmädchen nach Berlin. Auch dort wird sie von der Hausherrin und deren Tochter als ungebildet und schmutzig bezeichnet und als Abschaum behandelt. Als sie Hauke kennen lernt und schwanger wird, steigt sie auf in die vornehme Gesellschaft Berlins, doch sie fühlt sich nie wirklich richtig in diesen Kreisen, die ihr verbieten wollen, so zu sein, wie sie will. Kurz vor ihrem Geburtstag entdecken ihre Kinder im Keller alte Dokumente und plötzlich erscheint die Vergangenheit ihrer Mutter in einem ganz anderen Licht und zwei ihrer Kinder sehen sich schon im Geld schwimmen. Doch Emmy hat eigene Pläne.

Ich hatte ehrlich gesagt gar keine allzu großen Erwartungen, das Cover und der Titel weckten bei mir das Gefühl einer leichten Lektüre. Und sprachlich liest es sich auch wirklich sehr leicht und flüssig aber ohne dabei irgendwie belanglos zu wirken. Mit sehr schönen Worten webt Manuela Golz eine sehr berührende Familiengeschichte, aber v.a. schildert sie ein sehr bewegtes Leben einer mutigen Frau, die sich nicht verbiegen lässt und so lebt, wie sie ist. Sie liebt und leidet und gibt doch nie auf, das hat mir sehr gut gefallen. Sehr einfühlsam und menschlich schreibt Golz ihre Geschichte.

"Sturmvögel" ist aufgeteilt in zwei Erzählstränge: In Rückblenden erfährt man von Emmys Kindheit und ihrem Aufwachsen, von ihrer Zeit in Berlin und schließlich auch vom Krieg. Man geht mit ihr durchs Leben um schließlich in der Gegenwart mit dem zweiten Erzählstrang zusammen zu kommen. Ihre Kinder sind mittlerweile festgefahren in ihren eigenen Lebensumständen, die Beziehungen sind teilweise geprägt von Neid und Geschwisterrivalität und so kommt es immer wieder zu Spannungen. Und zwischen allem steht Emmy, die auch im Alter noch ihre Träume verwirklichen möchte und sich gleichzeitig um ihre Kinder sorgt. Ich fand wirklich alle Figuren sehr glaubhaft und vielschichtig. Man kann sich in ihnen wiederfinden.

Abschließend bleibt nur zu sagen, dass "Sturmvögel" eine berührende Lebens- und Familiengeschichte voller Höhen und Tiefen ist, in denen die Menschen verbunden sind durch Liebe und Hoffnung auch wenn es Streitereien gibt.

Veröffentlicht am 12.05.2021

Eine besondere Geschichte

Schlief ein goldnes Wölkchen
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Erstmals 1987 erschienen, machte es Anatoli Pristawkin bekannt. Dieses Jahr ist es im Aufbau Verlag in aktualisierter und überarbeiteter Übersetzung neu erschienen. Ich muss gestehen, mir war das Buch ...

Erstmals 1987 erschienen, machte es Anatoli Pristawkin bekannt. Dieses Jahr ist es im Aufbau Verlag in aktualisierter und überarbeiteter Übersetzung neu erschienen. Ich muss gestehen, mir war das Buch vorher kein Begriff, doch der Klappentext hat mich sehr angesprochen. Es geht um die beiden Zwillinge Saschka und Kolka, die unzertrennlich sind und im Waisenhaus aufwachsen. Das Leben ist geprägt von Hunger und Verzicht. Sie halten stets zusammen, sie sind wie eine Person, einer der Kopf und einer der Körper. 1944 werden sie zusammen mit 500 anderen Kindern in den Kaukasus geschickt um dort die Gegend zu besiedeln. Doch die dort lebenden Tschetschenen setzen sich mit aller Macht zur Wehr.

Saschka und Kolka sind zwei unglaubliche Kinder, ich hab sie direkt in mein Herz geschlossen. Sie sind mutig, halten zusammen und haben mich so manches Mal zum Schmunzeln gebracht. Pristawkin beschreibt das Leben der beiden, den Hunger und was er in den Kindern auslöst, auf sehr eindringliche Weise. Man hat fast das Gefühl selbst dort in diesem Waisenhaus zu sein. Dennoch blieb mir die Geschichte im Allgemeinen etwas fern.

Das hat sich jedoch nach und nach geändert, nachdem sie im Kaukasus angekommen sind. Die Sinnlosigkeit der Kriege und der Kämpfe werden aus Kindersicht so schonungslos gezeigt, dass man sich fragt, warum kommen da die Leute, die das sagen haben, nicht drauf? Das letzte Drittel hat mich dann schließlich zu Tränen gerührt, was die beiden durchmachen müssen ist so traurig, berührend und erschütternd und es sollte eigentlich niemand erleben müssen.

"Schlief ein goldnes Wölkchen" ist ein ganz besonderes Buch, das das Schicksal dieser Kinder in sehr emotionaler Weise beschreibt. Es ist ein Buch, das die Kriege anprangert und mit Kinderaugen auf eine Welt voller Entbehrungen und Bedrohungen blickt. Kurz: Es ist ein Buch vom Überleben.

Veröffentlicht am 12.05.2021

Monster?

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte
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Linus Baker arbeitet bei der Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger, eine Art Jugendamt für alle Kinder und Wesen die anders sind als die gewöhnlichen Menschen. Er ist der Inbegriff des braven ...

Linus Baker arbeitet bei der Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger, eine Art Jugendamt für alle Kinder und Wesen die anders sind als die gewöhnlichen Menschen. Er ist der Inbegriff des braven Beamten, der stets objektiv bleibt, sich an die Regeln aus dem Wälzer "Vorgaben und Verordnungen" hält und die Distanz zu seinen Fällen wahrt. Beste Vorraussetzungem für einen Spezialauftrag denkt sich das höchste Management. Linus macht sich also zusammen mit seiner Katze Calliope, seinem Pyjama mit Monogramm und natürlich seinem geliebten Regelwerk auf den Weg zum Waisenhaus von Mr. Parnassus, auf einer kleinen Insel am Meer.

Dort trifft er nicht nur auf die Kinder sondern natürlich auch auf Mr. Parnassus höchstpersönlich, sowie eine Inselelementarin, die mit Argusaugen über ihre Schützlinge wacht. Über die Kinder möchte ich an dieser Stelle nicht viel mehr verraten, da es mir sehr viel Spaß gemacht hat, sie zusammen mit Linus zu entdecken. Doch so viel sei gesagt, Linus fand sie sehr furchteinflösend, er kam dem Boden so manches Mal vor Schreck ziemlich nahe. Nur langsa und sehr widerwilig gewöhnt er sich an seine neue Umgebung und die Menschen und Wesen darin.

TJ Klune hat einen herausragenden Schreibstil voller Witz und Überraschungen ohne dabei die nötige Tiefe zu verlieren. Schon lange hat mich ein Buch nicht mehr so zum Lachen gebracht beim Lesen. Jede Figur ist etwas ganz Besonderes, sehr vielschichtig und charakterilicher Tiefe, die ich in so manchn Büchern vermise. Klune denkt wirklich an jede Figur. Zusammen mit Linus entdeckt man so ihre Eigenheiten, ihre Träume und Wünsche und ihre Liebenswürdigkeit. Die Kinder wurden weggesperrt, weil sie anders sind, man hat ihnen eingeredet, dass sie böse sind, dass sie Monster sind, die eine Gefahr für alle anderen darstellen. Aber eigentlich sind sie einfach nur Kinder, die sich nach Liebe und Familie sehnen.

Auch wenn ich von den Kindern und anderen Figuren wirklich rundum begeistert war, hat mir am Ende trotzdem etwas gefehlt um ein Highlight zu werden. V.a. den Anfang empfand ich als etwas langweilig, generell war Linus für mich der schwächste Charakter. Irgendwie konnte ich zu ihm keine wirkliche Bindung aufbauen und er war mir fast schon ein bisschen zu überzeichnet. Ab der Hälfte etwa baut Klune eine, zugegebenermaßen sehr zarte und rührende, Liebesgeschichte ein, die es für mich nicht gebraucht hätte. "Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte" ist ein wundervolles Buch über Freundschaft und Anderssein, für mein Empfinden hätte es dabei bleiben sollen. Der Liebesaspekt war mir etwas zu vorhersehbar aber im Endeffekt hat es mich auch nicht allzu sehr gestört.

Mr. Parnassus zeigt uns in diesem Buch, dass jeder das Recht hat so zu sein, wie er will und dass man sich nicht von dem klein kriegen lassen sollte, was andere über einen denken. Jeder kann seinen Lebensweg selbst bestimmen, jeder hat eine Chance verdient, egal wie man aussieht oder für was man steht. Sein Heim ist eine Hommage an Wahlfamilien, Freundschaft, Zusammenhalt und ein Leben voller Toleranz und Hoffnung.

Veröffentlicht am 04.05.2021

Hannah Arendt

Was wir scheinen
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Mit "Was wir scheinen" nimmt Hildegard E. Keller den Leser mit auf eine Reisen in die Vergangenheit von Hannah Arendt. Arendt selbst ist wohl den meisten ein Begriff, doch vieles war zumindest mir auch ...

Mit "Was wir scheinen" nimmt Hildegard E. Keller den Leser mit auf eine Reisen in die Vergangenheit von Hannah Arendt. Arendt selbst ist wohl den meisten ein Begriff, doch vieles war zumindest mir auch nur vage bekannt. Keller schickt die jüdische Theoretikerin, Philosphin und Journalistin hier 1975 in einen letzten Urlaub in das Tessiner Dorf Tegna. Dabei komme ihr allerhand Erinnerungen an ein bewegtes Leben, v.a. auch an den Eichmann-Prozess 1961 und ihr anschließendes Buch, aber auch an Freunde und Verwandte.

Keller wirft hier mit Informationen zu Hannah Arendt nur so um sich, doch ohne Vorwissen waren v.a. Hannahs Bekannte, die sie (logischerweise) nur mit dem Vornamen anspricht, für mich v.a. am Anfang nur schwer zuordenbar. Diese Informationsflut schildert Keller allerdings mit einer solch tollen und einnehmenden Sprache, dass ich "Was wir scheinen" wirklich gerne gelesen habe. Sprachlich sind diese fast 600 Seiten ein Genuss! Dennoch braucht man Ruhe und Geduld um dieses Buch in seiner Gesamtheit zu erfassen und keine der Informationen zu verpassen.

Nicht alles was sie schildert, ist wirklich so passiert, "Was wir scheinen" bleibt am Ende 'nur' ein Roman, der von einer fiktiven Geschichte erzählt. Diese fiktive Geschichte basiert jedoch auf wahren Begebenheiten und Dokumenten, eingebaut in Dialoge und Briefe, die Hannah Arendt hier führt.

"Was wir scheinen" hat mich sehr begeistert, berührt auch wenn ich mich manchmal von der Fülle an Informationen erschlagen gefühlt habe. Ich habe nun nicht unbedingt das Gefühl, schlauer zu sein als vorher und doch habe ich ein interessantes Portrait einer sehr interessanten Frau erhalten. Es ist ein anspruchsvoller Roman, an der Grenze zur Biografie, aber auch ein sehr lesenswerter und sprachlich herausragender.

Veröffentlicht am 14.04.2021

Eine Reise

Der Schneeleopard
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Der Schriftsteller Sylvain Tesson wird von dem Tierfotografen Vincet Murier eingeladen, ihn nach Tibet zu begleiten um Schneeleoparden zu beobachten. Zusammen mit zwei anderen machen sie sich also auf ...

Der Schriftsteller Sylvain Tesson wird von dem Tierfotografen Vincet Murier eingeladen, ihn nach Tibet zu begleiten um Schneeleoparden zu beobachten. Zusammen mit zwei anderen machen sie sich also auf die Reise in die schneebedeckten Berge Tibets.

Wenn man einen spannenden Bericht über Schneeleoparden erwartet, wird einen dieses Buch enttäuschen. Tesson schreibt hier viel mehr in sehr philosophischer Art über das Leben, über die Menschen und die Tiere, die auf unserer Erde leben. Es hat manchmal den Eindruck, als würde er eine philosphisches Manifest oder eine wissenschaftliche Abhandlung schreiben, doch dann wird es auch immer wieder unterbrochen von Szenen der Reise und sehr poetischen und eindrucksstarken Tierbeobachtungen. Viele dieser Beschreibungen sind sehr bildgewaltig und gleichzeitig auch sehr einfühlsam und mit einem Gespür für das Wesentliche der Natur und der Tiere, denen die vier auf ihrer Reise begegnen.

Mir persönlich hat die Sprache sehr gut gefallen, ich habe mich mitnehmen lassen von Tesson auf eine Reise, die nicht nur nach Tibet, sondern auch in seine innersten Gedanken führt. Dafür muss man in der richtigen Stimmung sein, das gebe ich zu, denn es passiert eigentlich nicht viel in diesem schmalen Buch. Alles in allem hat es für mich jedoch gut funktioniert und hat mir eine schöne und fast schon meditative Lesezeit beschert.