Platzhalter für Profilbild

pajo47

Lesejury Star
offline

pajo47 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit pajo47 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.09.2021

Satzakrobatik

Fanzi
0

Abwechselnd werden die Geschichten von Franz und Astrid erzählt. Astrid ist die Enkelin von Franz, der in Österreich im Mühlviertel lebt. Franz hat den Hof von seinem Vater übernommen. Dabei war Franz ...

Abwechselnd werden die Geschichten von Franz und Astrid erzählt. Astrid ist die Enkelin von Franz, der in Österreich im Mühlviertel lebt. Franz hat den Hof von seinem Vater übernommen. Dabei war Franz eigentlich nur der "Notnagel". Er musste den Hof übernehmen, weil zwei ältere Brüder im Krieg gefallen waren.

Astrid ist Biologin und lebt sehr zurückgezogen ohne persönliche Kontakte. Auch als sie einen jungen Mann kennenlernt, der ein Shakespeare Fan ist, bleibt Astrid zunächst reserviert.

Der Titel Fanzi ergibt sich aus dem Roman. Franz hat eine kleine Schwester Elfi, die als Kleinkind kein "r" aussprechen kann und ihn deshalb einfach Fanzi nennt. Die Erinnerung an diese Schwester verursacht bei Franz ein schweres seelisches Trauma. Elfi istals Kind nach einer Gehirnhautentzündung behindert und kommt deshalb während der Nazizeit in ein Heim. Dort stirbt sie unter mysteriösen Umständen. Franz macht sich sein ganzes Leben lang Vorwürfe, dass er sich nicht genug um sie gekümmert hat und sie nicht hat retten können.

Erst spät öffnet er sich und erzählt von der damaligen erbarmungslosen Zeit.

Satzakrobatik habe ich über diesen Text geschrieben. Elisabeth Schmidauer ist Meisterin darin, sehr lange, verschachtelte Sätze zu bilden. Dabei sieht es oft so aus, als wären die Satzzeichen ziemlich willkürlich gesetzt. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie reiht Gedankensplitter, die ihr gerade durch den Kopf gehen, munter hintereinander. Ich war zu Beginn versucht, das Buch wegzulegen. Aber ich gebe jedem Buch eine Chance und lese auf jeden Fall die ersten 100 Seiten. Danach hatte ich mich einigermaßen an den speziellen Stil gewöhnt. Trotzdem bin ich mehr für kürzere, überschaubarere Sätze, die sich flüssiger lesen lassen.

Wenn man sich an den eigenwilligen Stil gewöhnt hat, ist Fanzi ein angenehmer und anrührender Roman.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.09.2021

Pedro und sein Postmotorrad

Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García
0

Pedro lebt mit Frau und Sohn als Postbote auf Lanzarote. Dabei braucht er immer weniger Post zuzustellen. Deshalb fährt er regelmäßig längere Strecken mit dem Motorrad, um seinen Vorgesetzten anhand der ...

Pedro lebt mit Frau und Sohn als Postbote auf Lanzarote. Dabei braucht er immer weniger Post zuzustellen. Deshalb fährt er regelmäßig längere Strecken mit dem Motorrad, um seinen Vorgesetzten anhand der Tankquittungen belegen zu können, dass sein Posten nicht wegrationalisiert werden darf. Eines Tages verlässt ihn seine Frau Carlotta und zieht mit seinem Sohn Miguel zusammen zu ihrem Geliebten nach Barcelona. Pedro setzt alles daran, wenigstens für einen Tag nach Barcelona zu kommen und mit Miguel zusammen den von Miguel verehrten Fußballstar im Stadion zu bewundern.

Moritz Rinke beschreibt seinen Protagonisten Pedro zwiespältig. Pedro ist zwar von seiner Grundeinstellung her ein herzensguter Mann. Aber Rinke beschreibt ihn mal als einen tumben Postboten ohne eigenen Antrieb, der sich nur willenlos nach dem richtet, was ihm von seiner Frau oder seinen Freunden gesagt wird. Dann wieder beschreibt er ihn als ruhigen aber raffinierten Zeitgenossen, der seine Vorstellungen mit List und Tücke umzusetzen weiß.

Lustige und traurige Stellen wechseln sich im Buch ab. Es dürfte also nicht langweilig werden. Aber der Roman hat doch an einigen Stellen deutliche Längen. Da zieht es sich. Und man wartet darauf, dass es weiter geht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.07.2021

Ist so Afrika?

Wild Card
0

Weston Kogi kommt nach vielen Jahren wieder zurück nach Westafrika. Er gibt sich als Police Detective aus. Eigentlich hat er in London einen Job als Wachmann in einem Einkaufszentrum. Doch zwei rivalisierende ...

Weston Kogi kommt nach vielen Jahren wieder zurück nach Westafrika. Er gibt sich als Police Detective aus. Eigentlich hat er in London einen Job als Wachmann in einem Einkaufszentrum. Doch zwei rivalisierende Rebellengruppen und auch der Geheimdienst der Regierung nehmen seine Aufschneiderei für bare Münze und zwingen ihn, den Mord an einem Politiker aufzuklären, der sich für die Einigkeit des Landes stark gemacht hatte. Damit befindet sich Kogi in einer schwierigen Situation.

Ein interessanter Plot. Der Thriller entwickelt sich rasant. Dabei erhält man einen guten Einblick in den Kampf ums tägliche Überleben in tiefer Armut, in Bandenkriege, in Korruption auf allen Ebenen. Grausame Szenen spielen sich ab. Vielleicht hat Tade Thompson die Situation wegen der Spannung hoch gepuscht. Schlimm wäre es, wenn das der echte Zustand in Afrika ist. Thompson ist aber Yoruba und in Nigeria aufgewachsen. Er kennt also die Zustände, über die er schreibt.

Es war zunächst nicht so einfach, sich in den Roman einzufinden. Manches blieb einfach fremd. Viele Begriffe aus der Yoruba Sprache blieben unklar. An einigen Stellen hätte etwas weniger Brutalität auch gereicht, denke ich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.07.2021

Erschreckend

Die Morgenröte – Sie nehmen dir dein Leben
0

Hoffentlich kommt sowas nicht, oder nicht wieder. Denn Noah Richter beschreibt in seinem Roman eine Situation und Entwicklung, wie sie ähnlich 1933 bereits einmal gewesen ist. Die Situation ist aber beklemmend ...

Hoffentlich kommt sowas nicht, oder nicht wieder. Denn Noah Richter beschreibt in seinem Roman eine Situation und Entwicklung, wie sie ähnlich 1933 bereits einmal gewesen ist. Die Situation ist aber beklemmend realistisch auf die heutige Zeit projiziert.

Georg Herzfeld, ein erfolgreicher YouTouber verbreitet eine Fake Nachricht über den Chef der Deutschen Bank und muss mit hohen Schadenersatzforderungen oder Gefängnis rechnen. Hilfe erhofft er sich vom charismatischen Popstar Götz Wolf. Wolf hat die Bewegung "Morgenröte" gegründet, die sich mit allen Mitteln damit beschäftigt, in einer Art umfassenden subtilen Gehirnwäsche mit den modernen Kommunikationsmitteln oder auf Massenveranstaltungen immer neue Anhänger zu gewinnen und auf ihre Ziele einzuschwören. Das Hauptziel ist die Machtübernahme bei der Bundestagswahl am 26. September.

Richters Roman ist gut zu lesen und spannend. Dabei aber ungeheuer beklemmend. Er zeigt sehr realistisch mit welchen raffinierten Mitteln gearbeitet wird, wie mit schamloser Ignoranz idiotische Behauptungen aufgestellt und verbreitet werden. Man fühlt sich an manche Äußerungen von Teilnehmern an AFD oder Querdenker Demonstrationen erinnert.

Das Ende ist etwas unverständlich und mysteriös, außerdem ein Cliffhänger am Schluss. Habe ich nicht so gern.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.07.2021

Spannend aber etwas durcheinander

Der Nachlass
0

Beim Nachlass, der im Romantitel gemeint ist, handelt es sich um das Erbe von Hedda Laurent, die etliche Millionen hinterlassen hat. Im Testament ist festgelegt, dass sich Ihr Mann, ihre vier Kinder, deren ...

Beim Nachlass, der im Romantitel gemeint ist, handelt es sich um das Erbe von Hedda Laurent, die etliche Millionen hinterlassen hat. Im Testament ist festgelegt, dass sich Ihr Mann, ihre vier Kinder, deren Partner und Partnerinnen und Heddas Bruder einem Wettbewerb stellen sollen. 27 Aufgaben und Wettbewerbe sind in den Tagen nach dem Tode zu lösen. Wer als Sieger daraus hervor geht, soll alles erben. Die Aufgaben sind zunächst harmlos, werden dann aber immer seltsamer und grausamer. Bis die ganze Situation bei den letzten Aufgaben eskaliert.

Der Plot ist genial und das Buch ist ungeheuer spannend. Die Anzahl der handelnden Personen ist einigermaßen überschaubar. Dabei hilft auch eine Familienübersicht, die dem Roman vorangestellt ist. Die Auflösung zum Schluss äußerst überraschend.

Was ich etwas unangenehm fand, ist die Tatsache, dass Jonas Winner sehr oft in den Erzählebenen hin und her springt. Das passiert nicht nur zwischen den 1960er Jahren und der heutigen Zeit. Das wäre ja sinnvoll, da sich vieles aus der damaligen Zeit auf das Heute auswirkt. Aber auch innerhalb der Jetztzeit springt Winner gern mal unvermittelt vor und zurück. Daraus ergibt sich zum Beispiel die absurde Situation, dass jemand, der am Ende eines Kapitels tot im Garten liegt, im nächsten Kapitel wieder auftritt, als ob nichts passiert wäre.

Eine "geschichtliche" Zusammenfassung am Ende des Romans klärt die Leserin oder den Leser über die Hintergründe auf, die zu dem furiosen Ende führten. Das ist zwar nicht mehr spannend, lässt aber niemanden mit ungelösten Fragen zurück.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere