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Veröffentlicht am 18.07.2018

Keine wirkliche Liebesgeschichte

Monstratorem
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Das Buch hat einen sehr aussergewöhnlichen Titel und ein sehr schönes Cover. Der Titel gehört zu der Kategorie, die man erstmal googelt, um zu sehen ob es ein tatsächlich existierender Begriff ist, oder ...

Das Buch hat einen sehr aussergewöhnlichen Titel und ein sehr schönes Cover. Der Titel gehört zu der Kategorie, die man erstmal googelt, um zu sehen ob es ein tatsächlich existierender Begriff ist, oder es sich um eine Wortschöpfung der Autorin handelt.

Grob aus dem lateinischen übersetzt bedeutet es so etwas wie Wegweiser und bildet damit schonmal einen Bezug zum Cover, einem Ausschnitt aus dem weltbekannten Gemälde "Die Erschaffung des Adam" von Michelangelo.

Dieser berühmte Fingerzeig, diese beinahe Berührung von Gott und Adam, was hat das nun mit dem Buch zu tun? Nun dafür muss man es lesen, denn zum Glück erklärt eine der Hauptfiguren was es damit auf sich hat und so wird der Bezug zum Buch verdeutlicht.
Der Untertitel - Eine unbeschreibliche Liebe - gibt dem Buch eine Richtung vor, ein Genre. Leider ist diese Richtung für mich beim Lesen nicht ganz eindeutig zu erkennen gewesen. Aber vielleicht ist das ja das Unbeschreibliche daran.

Ja, es geht um eine Liebesgeschichte, eine ziemlich stürmische, konfuse und unglaubliche Liebesgeschichte, aber es geht auch um so viel mehr.
Und genau das ist das Problem. Dieses ganze Drumherum. Die Story um einen Auftragskiller, einen verschwunden Schlüssel, ein Verbrechersyndikat, die Eheprobleme eines Bauern, die Geheimnisse seiner Tochter, ein Mord, ein Unfall, ein Selbstmord und mittendrin eben diese Liebesgeschichte. Das Ganze ist irgendwie nicht Fisch, nicht Fleisch, keine wirkliche Liebesgeschichte aber auch kein Krimi oder Agententhriller. Es hat von Allem etwas, aber der rote Faden, die Verbindung, fehlt.

Dabei ist die Grundidee durchaus gut und hat Potential. Der Auftragskiller, der mit seinem Leben hadert, die große Liebe sucht und diese bei einer seiner Zielpersonen findet. Auch der Schreibstil der Autorin ist Klasse. Sie zeichnet in ihren Wortgebilden farbenprächtige, ausschweifende, intensive Bilder für den Leser. Ihre Landschaftsbeschreibungen sind pures Kopfkino, aber trotzdem passt es nicht, es behindert die Geschichte sogar ein bisschen, weil dadurch teilweise die Spannung auf der Strecke bleibt.
Die ganzen Nebenschauplätze, so toll sie erzählt sind, haben nicht wirklich Bedeutung für die eigentliche Geschichte. Sie lenken ab und das Ganze zieht sich dadurch eher in die Länge.

Auch bei den teils philosophischen Dialogen der Liebenden stört dieses "Übervolle". Ich empfand es beim Lesen manchmal als zu viel, einfach drüber. Es erinnert mich an Texte aus Shakespeare's Tragödien und passt nicht in die jeweilige Situation, oder zu den Charakteren der Figuren.

Während man von den Nebenfiguren teilweise die komplette Lebensgeschichte erfährt, bleiben die beiden Hauptfiguren eher flach. Ihr Verhalten passt nicht immer zu den Charaktereigenschaften, die beschrieben wurden. Darüber habe ich beim Lesen das ein oder andere Mal den Kopf schütteln müssen. Die Geschichte wirkte auf mich dadurch unrund und es kam keine emotionale Nähe zu den Figuren auf.

Für mich ein schwer zu beschreibendes Buch.
Die Idee der Geschichte nicht neu, aber super und mit viel Potential.
Das Buch leicht und flott zu lesen, der Schreibstil bildhaft, leichtgängig und voluminös, genau was ich mag, aber trotzdem gab es in der Umsetzung für mich zu viele Ecken und Kanten.
Eigentlich haben wir hier mehrere Geschichten in Einer und der rote Faden darin hat leider ein paar Knoten.

Veröffentlicht am 25.06.2018

Auge um Auge

Der Pflegefall
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Als Anna Zerbst das Angebot bekommt, den alten Herrn Brunt in seiner Villa zu pflegen, sagt sie nicht nein, schließlich war ihre berufliche Laufbahn bisher nicht besonders rosig. Schon nach kürzester Zeit ...

Als Anna Zerbst das Angebot bekommt, den alten Herrn Brunt in seiner Villa zu pflegen, sagt sie nicht nein, schließlich war ihre berufliche Laufbahn bisher nicht besonders rosig. Schon nach kürzester Zeit wird allerdings ihr und dem Leser klar, dass dies kein Traumjob werden würde. Im Haus herrscht eine merkwürdige Stimmung, der Patient wird vom Hausmeisterehepaar als sehr speziell und schwierig beschrieben, man warnt Anna sogar vor seinem cholerischen Wesen und der Angewohnheit seine Pflegerinnen zu begrabschen.

Der alte Herr ist tatsächlich nicht einfach und fordert Anna körperlich wie mental, nicht zuletzt mit der Aussage, sein Sohn und das Hausmeisterehepaar wolle ihn vergiften.
Verständlicherweise ist die Hauptfigur nun genauso verunsichert wie der Leser. Wem soll man glauben? Welche Geschichte entspricht der Wahrheit? Wie bösartig ist Herr Brunt wirklich? Könnte das nette Paar den alten Herren tatsächlich ermorden? Und natürlich - wie soll Anna sich verhalten?

Die Geschichte bietet eine gute Grundlage für einen spannenden Krimi. Erzählt wird von Anna, so kennt der Leser nur ihre Sicht der Dinge und muss genau wie sie mit den widersprüchlichen Informationen zurechtkommen.
Die Autorin stürzt ihre Hauptfigur sofort mitten ins Geschehen, gleich am ersten Tag wird sie in die Abgründe des Hausherrn eingeweiht, und belauscht das Mordkomplott. Mir geht das fast zu schnell und ich empfinde es ein wenig unglaubwürdig. Keine der Figuren macht sich wirklich Mühe irgendetwas zu verheimlichen.

Der Schreibstil kam mir anfangs etwas zackig vor, wie eine Aufzählung folgt ein kurzer Satz dem Nächsten. Das Buch liest sich recht einfach und schnell.
Der Charakter der Hauptfigur Anna hat mich nicht wirklich erreichen können, ihr ganzes Wesen wird als sehr unsicher beschrieben, ängstlich, leicht zu verunsichern, ohne Selbstbewusstsein, naiv, ich hatte den Eindruck es mit einem jungen Mädchen zu tun zu haben und nicht mit einer gestandenen Frau. Ich empfinde ihre Figur unpassend für den Beruf der Pflegekraft. Ihre Reaktionen auf Herrn Brunt's Anfeindungen sind unangebracht für jemanden, der schon seit Jahren in diesem Beruf tätig ist.
Die Beschreibung von Herrn Brunt als bösartiger Alter, ist dagegen besser gelungen. Der Sohn, als Beteiligter am Mordkomplott, wird nur am Rande erwähnt, das Hausmeisterpaar bleibt seltsam blass.

Die ganze Geschichte wirkt auf mich leider etwas unrund, die Beziehung der Personen untereinander und die Gründe für den geplanten Mord. Ich persönlich hätte etwas mehr Heimlichkeit besser gefunden, als direkt auf die Schandtaten gestoßen zu werden. Es ist für mich nicht ganz plausibel, dass die Beteiligten jemand Fremden gegenüber sofort bereitwillig Details preisgeben, die sie später in einem schlechten Licht erscheinen lassen könnten.

Das Buch enthält einige heftigere Stellen wenn bestimmte körperliche Zustände beschrieben werden, oder das Gebaren von Herrn Brunt, entsprechend seiner Erkrankung. Dies passt wiederum gut zum Kontext des Buches und in die jeweilige Szene.
Am Ende hat die Autorin mich überrascht. Mit einem Finale in dieser Form hätte ich nicht gerechnet.

Letztlich konnte mich die Geschichte nur zum Teil mitnehmen, ich bin mit der Hauptfigur und der Erzählweise nicht ganz warm geworden. Trotzdem ein solider Krimi für zwischendurch.

Veröffentlicht am 13.03.2024

Das Unaussprechliche

Ein falsches Wort
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Bergljot meidet den Kontakt zu ihrer Familie schon seit einigen Jahren, zu ihren Eltern hat sie ein schwieriges Verhältnis, lediglich mit einer ihrer jüngeren Schwestern tauscht sie ab und zu Emails aus. ...

Bergljot meidet den Kontakt zu ihrer Familie schon seit einigen Jahren, zu ihren Eltern hat sie ein schwieriges Verhältnis, lediglich mit einer ihrer jüngeren Schwestern tauscht sie ab und zu Emails aus. Nachdem die Eltern Details zu ihrem Nachlass andeuten kommt es zu neuerlichen Konfrontationen, aber der Streit um die Überschreibung der Ferienhütten der Familie ist nur die Spitze des Eisbergs.

Ich-Erzählerin Bergljot ist das zweitälteste von vier Kindern der Familie. Zum Zeitpunkt, an dem der Leser in die Geschichte einsteigt, hat sie bereits lange mit ihrer Familie gebrochen, lediglich ihre erwachsenen Kinder haben Kontakt zu den Großeltern und den Tanten. Der Grund für den Bruch wird nicht angesprochen, aber der Leser hat schnell eine Vorstellung vom "Elefanten im Raum" wie die "Sache" im Buch oft genannt wird. In der Familie ist etwas unaussprechliches vorgefallen und der Großteil der Familie hat sich sprichwörtlich dafür entschieden, es nicht aus-, bzw. anzusprechen. Der sich anbahnende Streit ums Erbe bringt nun lange Verschüttetes wieder an die Oberfläche, alte Wunden reißen auf, alte Verletzungen beginnen wieder zu schmerzen. Der Wunsch endlich gehört zu werden, die "Sache" endlich beim Namen nennen zu können, wird immer stärker und als der Vater dann plötzlich stirbt, ist die Gelegenheit gekommen.

In ihren hochgelobten und vielfach ausgezeichneten Roman hat Vigdis Hjorth eine schwierige Thematik eingearbeitet. Wäre Familie allein nicht schon Stoff genug für Dramen und Krisen, spricht die Autorin auch das Thema Gewalt und Missbrauch innerhalb der Familie an, wobei ansprechen nicht unbedingt die richtige Bezeichnung ist, den lange gibt es nur vage Andeutungen. Diese Andeutungen, dieses Umschreiben der Thematik, dieses nicht direkt ansprechen ist quasi ein Stilmittel, mit dem die Autorin den Umgang der Familie mit den Vorwürfen verdeutlicht. Es wird totgeschwiegen, was nie passiert sein kann, es wird verdrängt, Schuld und Verantwortung auf andere verschoben, dem Opfer ein schlechtes Gewissen gemacht, die Geschehnisse seiner blühenden Fantasie, seinem Hang zur Theatralik zugeschrieben.

Leider konnte mich die Autorin, trotz des brisanten Themas, nicht erreichen. Ich habe den Schreibstil als sehr anstrengend empfunden, wie viel davon der Übersetzung geschuldet ist kann ich natürlich nicht sagen. Ich-Erzählerin Bergljot ist in ihrer Art eher nervig und suhlt sich seitenweise in Selbstmitleid. Sie macht es dem Leser sehr schwer sie zu mögen. auch die anderen Figuren, allen voran die Mutter mit ihren ständigen Selbstmordankündigungen und ihrer manipulativen Art, sind durchweg unsympatisch. Vom Vater erfährt man fast nichts, aber das Buch ist durchzogen von einer permanenten Angst vor ihm. Die Geschichte springt immer wieder unvermittelt aus der Gegenwart zu Erinnerungen an vergangene Ereignisse. Diese Sprünge sind nicht direkt zu erkennen, die einzelnen Abschnitte sind nicht betitelt, oder datiert, man muss sich immer erstmal in die neue Situation einfinden. Oft sind die Abschnitte extrem kurz, manchmal nur wenige Sätze, nur ein kurzer Gedanke. Das wörtliche Rede nicht gekennzeichnet ist macht es ebenso schwer lesbar, wie auch die Vielzahl an Personen, bei denen man teilweise nicht genau weiß in welchem Verhältnis sie zur Hauptfigur stehen. Man muss sich das als Leser mühsam erarbeiten und immer aufpassen nicht den Faden zu verlieren.

Recht schnell nach Beginn der Lektüre habe ich begonnen mit dem Buch zu hadern. Da es ja oft so ist, dass man erstmal eine Beziehung zur Geschichte herstellen muss, wollte ich dem Ganzen natürlich eine Chance geben. Leider hat sich mein erster Eindruck aber nicht wirklich geändert. Ich konnte mich schwer auf die Geschichte konzentrieren, war mehr als einmal kurz davor das Buch abzubrechen. Bei Büchern, die von der Kritik so hochgelobt sind wie dieses, suche ich dann meist den Fehler bei mir und versuche noch intensiver die Geschichte zu erfassen, gelungen ist mir dies aber nur zum Teil. Ich verstehe die Intention der Autorin, die Brisanz der Thematik, die daraus resultierenden Auswirkungen auf die einzelnen Personen und letztlich die ganze Familie, komme mit der Umsetzung aber überhaupt nicht klar. Schade.

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Veröffentlicht am 23.08.2023

Nicht meins

Weil da war etwas im Wasser
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Tief unten im Ozean zieht ein Riesenkalmar seine Bahnen, mit seinen Armen erkundet er die Umgebung und eines Tages berührt einer dieser Arme etwas. Am Grund des Meeres schlängelt sich ein weiterer Arm, ...

Tief unten im Ozean zieht ein Riesenkalmar seine Bahnen, mit seinen Armen erkundet er die Umgebung und eines Tages berührt einer dieser Arme etwas. Am Grund des Meeres schlängelt sich ein weiterer Arm, glatt, pulsierend und von unbekanntem Geschmack. Der Riesenkalmar folgt diesem unbekannten Arm ohne zu wissen, dass es sich nicht um einen Artgenossen handelt, sondern um ein Unterseekabel. Auf seiner Reise am Kabel entlang gerät er schließlich in das Netz eines Krillfängers und macht die Bekanntschaft mit dem schlecht schmeckenden Gas oberhalb des Wassers und dem hellen Ball der in den Augen schmerzt, aber auch mit Sanja, die sich während der Gefangenschaft um ihn kümmert.

Der Klappentext des Buches hatte ebenso wie das tolle Cover sofort mein Interesse geweckt, ich fand die Idee spannend etwas aus der Sicht eines Riesenkalmars zu lesen, diesem einzigartigen, noch total unerforschten Wesen, um das sich seit Jahrhunderten Mythen und Legenden ranken. Das Buch beginnt dann auch ganz gut, obwohl es etwas merkwürdig ist die Gedanken des Kalmars und die seiner verschiedenen Arme zu verfolgen. Wir erleben die schicksalhafte Begegnung mit dem Kabel, eine Art Paarung, den unser Riesenkalmar ist eine Sie und lernen Sanja, die junge Praktikantin auf dem Krillfänger kennen.

Bis zu diesem Punkt war es zwar teilweise schon so, als würde eine Kindergartengruppe darum konkurrieren, wer der Erzieherin als Erster seine Erlebnisse vom Wochenende erzählen darf, aber man konnte der Geschichte noch gut folgen. Je weiter die Story aber voranschreitet, um so konfuser und weitschweifender wurde das Ganze. Leider drifftet die Geschichte auch immer weiter von unserer Riesenkalmarin und Sanja ab, die mittlerweile die Bekanntschaft von Dagmar auf einem anderen Schiff gemacht hat und der Autor verliert sich in Rückblenden. Intensiv erzählen die Arme, allen voran der Süsse, wie der Mythos Meeresungeheuer zustande kam, als der Riesenkalmar neugierig ein Boot verfolgt und von den Seeleuten angegriffen wird. Man erfährt wie Jules Verne so zu seinem Roman 20.000 Meilen unter dem Meer inspiriert wurde, lernt den Autor der Vorlage zum "Weißen Hai" kennen, liest über Walt Disney und über einen der Seeleute auf dem Schiff von damals, der nach der Begegnung mit dem Riesenkalmar eine tief Angst vor dem Meer entwickelt und an Generationen seiner Nachfahren weitergegeben hat - Den da war was im Wasser.

An diesem Punkt hat mich der Autor leider schon zum größten Teil verloren, bei der Stange gehalten haben mich nur noch die Ereignisse um Sanja und Dagmar, die stillschweigend zu Komplizen werden. Diese Ereignisse enden dann aber relativ abrupt und plötzlich liest man über die Probleme die ein junger Mann mit seinem Penis hat, um dann noch einige Seiten aus Sanjas Tagebuch vorgelegt zu bekommen. Sorry, hier war ich dann komplett raus und hab absolut nicht mehr verstanden, was der Autor mir eigentlich sagen möchte.

Das Buch ist rein durch seine Sprachgewalt und die philosophische Kraft hinter Teilen des Textes durchaus eine Entdeckung und damit wahrscheinlich auch zu Recht für einen Preis nominiert. Allerdings machen diese Teile für mich leider nur einen sehr geringen Teil des Buches aus. Der Rest ist oft konfus, unstrukturiert, verwirrend, sprunghaft und langatmig. Über weite Strecken habe ich mich schlicht überfordert gefühlt, ich wollte unbedingt die Botschaft verstehen und war am Ende frustriert, weil es mir nicht gelungen ist. Natürlich kann ein Buch mich fordern, es sollte mich sogar fordern, es sollte aber nicht den Eindruck erwecken, als wollte der Autor mich mit seiner Geschichte absichtlich überfordern.

Leider war das innerhalb weniger Tage bereits das zweite hochgelobte und für Preise nominierte Buch, das mich mit dem frustrierenden Gefühl zurücklässt nicht gut genug dafür zu sein. Schade!

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Schwierig

Der Kaninchenstall
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In einem heruntergekommenen Apartmentkomplex im fiktiven Vacca Vale lebt die 18jährige Blandine mit drei jungen Männern in einer WG. Jeder der Jungs glaubt in das blasse unnahbare Mädchen verliebt zu sein, ...

In einem heruntergekommenen Apartmentkomplex im fiktiven Vacca Vale lebt die 18jährige Blandine mit drei jungen Männern in einer WG. Jeder der Jungs glaubt in das blasse unnahbare Mädchen verliebt zu sein, diese ist allerdings am liebsten für sich und fröhnt ihrer Obsession für die Mystikerinnen und Hildegard von Bingen. Neben der ungewöhlichen WG gibt es noch andere Bewohner im sogenannten "Kaninchenstall", jungen Eltern mit ihrem Baby, ein altes Ehepaar mit Mäuseproblem, oder die einsame 40jährige, mit einer Vorliebe für Maraschino-Kirschen.

Einige der Bewohner lernt der Leser direkt zu Beginn kennen, von manchen erfährt er die Namen, andere bleiben bis zum Schluß namenlos. Manche werden nur kurz erwähnt, Andere bekommen einen längeren Auftritt zugestanden. Nach welchen Kriterien die Autorin die Präsenz der Figuren innerhalb der Geschichte vergeben hat, bleibt leider bis zum Schluß unklar. Genauso ist leider nicht immer erkennbar, welchen Zusammenhang es zwischen den einzelnen Nebenschauplätzen und der Hauptstory gibt, ausser, dass das junge Paar sein Baby in eben dem Hotelzimmer gezeugt hat, in dem später eine der Hauptfiguren absteigt.

Klingt jetzt vielleicht etwas verwirrend, was ich hier gerade von mir gegeben habe, spiegelt aber eigentlich ganz gut den Zustand, in dem ich mich beim Lesen befunden habe, ständige Verwirrung.

Zu Beginn der Geschichte war ich erstmal etwas erschlagen von der Sprachgewalt der jungen Autorin. Schreiben kann sie, gar keine Frage, allerdings fiel es mir zunehmend schwer ihrem Geschriebenem zu folgen. Ich habe es stellenweise als sehr anstrengend empfunden mich durch die verschiedenen Handlungsstränge zu manövrieren, es gibt zwar einen roten Faden, allerdings ist der an vielen Stellen so ausgefranst, dass er zwischen den Zeilen fast nicht mehr zu finden ist. Natürlich bringt die Autorin zum Ende hin einiges zusammen. Da erklärt sich irgendwann die Rolle von Moses, dem Sohn einer gerade verstorbenen Filmdiva, aber auch hier bleibt die Frage, warum die Autorin gerade dieser Figur so viel Raum, soviel Tiefe eingeräumt hat. Die Figuren sind oft sehr skuril gezeichnet, fast überzeichnet. An sich mag ich solche "Freaks" ganz gern, aber hier hatte ich oft ein ungutes Gefühl, so als würde dieses "freakige" zur Lachnummer verkommen. Mit der auf dem Buchrücken erwähnten "beißenden Komik" hat das für mich leider nicht viel zu tun.

Generell finde ich mich in den Pressestimmen, die den Schutzumschlag zieren, nicht wirklich wieder. Ich möchte der Autorin nicht absprechen, dass sie den National Book Award zu Recht gewonnen hat, wie gesagt, schreiben kann sie und ihr Porträt einer sterbenden Industriestadt ist so auf den Punkt, dass es weh tut, aber die Art und Weise ihrer Umsetzung ist mir einfach to much. Ich weiß nicht wirklich, was die Autorin mir jetzt mit ihrer Geschichte sagen will, ja, sie ist eine Gesellschaftskritik, eine Kritik an vielem, was in den USA derzeit im Argen liegt, am Bildungssystem, am Gesundheitssystem, an der Sozialpolitik, am kommunalen Wohnungsbau, an der Umweltpolitik großer Firmen und und und. Zuätzlich werden auch Themen wie Mißbrauch, Vernachlässigung, Einsamkeit und Armut eingebunden. Alles wichtige Themen, Themen, die ohne Probleme mehrer Bücher füllen könnten, hier aber eben in eine einzige Geschichte gequetscht wurden.

Ich bin Leser von der Sorte "ottonormal", natürlich mag ich Bücher mit Tiefgang, mit einer Message, aber es muss mir eben auch möglich gemacht werden diese Message zu verstehen und das ohne das ich vorher Literaturwissenschaften studiert habe. Bei der Lektüre dieses Buches hab ich mich irgendwie fehl am Platz gefühlt, als wäre das Buch eigentlich nicht für mich gemacht. Ich hab mich so ein bisschen gefühlt wie früher in der Schule, wenn ich bei einer Buchinterpretation so überhaupt nichts von dem herausgelesen hatte, was laut Lehrer herauszulesen war.

Ich möchte dem Buch in keinster Weise seine Genialität absprechen, seine Tendenz zum modernen Klassiker, ich bin mir aber sicher, dass das Buch sich letztlich nur einem begrenzten Leserkreis erschließen wird. Wahrscheinlich wird das Buch eins von denen, die man entweder liebt, oder hasst. Während die Einen sich mit immer neuen Interpretationen überschlagen, werden sich die Anderen durchquälen und am Ende mit einer Unmenge an Fragezeichen im Kopf zurückbleiben. Um zu wissen, zu welcher Kategorie man selber gehört muss man das Buch aber erstmal lesen. Viel Spaß im Kaninchenstall.

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