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Veröffentlicht am 15.07.2017

Trotz des ernsten Themas eine abwechslungsreiche, amüsante Geschichte um eine chaotische Protagonistin, die erwachsen wird.

Das Leben fällt, wohin es will
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Marie ist 29 Jahre alt, lebt in Hamburg und jobbt, obwohl sie Betriebswirtschaftslehre studiert hat und ihr Vater Inhaber einer familiengeführten Werft ist, in einem Café im Kiez. Sie wohnt zusammen mit ...

Marie ist 29 Jahre alt, lebt in Hamburg und jobbt, obwohl sie Betriebswirtschaftslehre studiert hat und ihr Vater Inhaber einer familiengeführten Werft ist, in einem Café im Kiez. Sie wohnt zusammen mit ihrer Freundin Hanna in einer WG und lebt mehr oder weniger in den Tag hinein, um an den Wochenenden Party im Schanzenviertel zu machen.
Sie mag ihr unbeschwertes Leben, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen, bis die Krebsdiagnose ihrer Schwester Christine ihr Leben komplett durcheinander wirft.

Christine ist Mutter zweier Kinder und frisch von ihrem Ehemann Robert getrennt, der nach Frankfurt/ Main gezogen ist. Um ihrer Schwester unter die Arme zu greifen, während diese ihre Chemotherapie beginnt, zieht Marie bei ihr ein und wird auch noch gezwungen, Christines Position in der Werft zu übernehmen. Marie ist zunächst völlig überfordert, lässt den Kindern ihren Willen, möchte in der Firma nur gut aussehen und den Anschein eines Familienbetriebs wahren und möglichst wenig mit Daniel zu tun haben, der Streber, der in Vertretung für Christine die Geschäfte übernommen hat.

Unter dem Druck der schweren Erkrankung der Schwester, die von den Nebenwirkungen der Chemotherapie völlig ausgelaugt ist, kann Marie ihre Fassade als schönes Dummchen nicht lange aufrechterhalten. Sie sagt sich von ihrem oberflächlichen Partyleben los, übernimmt Verantwortung in der Werft, entwickelt sogar eigene Ideen und hat beim Anblick von Daniel plötzlich Schmetterlinge im Bauch.

Ich hatte bereits "Glück ist, wenn man trotzdem liebt" von Petra Hülsmann gelesen und auch bei "Das Leben fällt, wohin es will" bleibt die Autorin ihrem Stil treu. Wieder geht es um eine junge Frau, die Single ist und in Hamburg wohnt und ihren Platz im Leben noch finden muss. Und wieder verwendet die Autorin kreative Sprachbilder und in Teilen der Dialoge das norddeutsche Platt, das das Buch sehr eingängig und unterhaltsam zu lesen macht. Zudem begegnet man dem Taxifahrer Knut und seiner Freundin, der Kiezkneipenkönigin Irina wieder.

Marie hat sich das Image eines oberflächlichen Partymädchens gegeben, das nicht an die Liebe glaubt und sich gern darauf beruft, die jüngere Tochter zu sein, die bloß keine Verantwortung in dem Familienunternehmen übernehmen möchte.
Tatsächlich hat Marie nach wie vor eine versteckte Leidenschaft für das Segeln und ist ganz und gar nicht so einfältig wie sie sich aus Schutz vor Enttäuschung gibt. Als 17-Jährige wurde sie von ihrer großen Liebe sitzengelassen und auch der Vater hat seiner jüngeren Tochter nicht so viel wie der Ältesten zugetraut. Jetzt hat sie Angst, wieder verletzt zu werden und Probleme damit, anderen Menschen Vertrauen entgegenzubringen.
Nachdem nun die Rollen getauscht werden und die beruflich erfolgreiche Vorzeige-Mutter Christine durch die Krebserkrankung außer Gefecht ist, kann Marie endlich zeigen, was in ihr steckt und damit auch noch das Herz von Daniel erobern bzw. ihres endlich verschenken.

Trotz des ernsten Themas der Brustkrebserkrankung ist der neue Roman von Petra Hülsmann wieder eine sehr abwechslungsreiche, amüsante Geschichte, auch wenn das Ende von Anbeginn vorhersehbar ist. Die Erzählung und die Protagonisten sind dabei aber so authentisch und aus dem Leben gegriffen, das man als Leser gerne in das chaotische Leben von Marie eintaucht und ihre Entwicklung gespannt mitverfolgt.
Es ist eine Geschichte über Familie und Zusammenhalt, über Freundschaft und Verantwortung und das Erwachsenwerden, wobei die Liebe nicht zu kurz kommt und man locker-leicht unterhalten wird, da die Erkrankung selbst nur den Rahmen für die Veränderung Maries gibt.

Veröffentlicht am 03.07.2017

Traurig-schöner Roman über eine Liebe, bei der man bis zum Schluss auf ein Wunder hofft

So blau wie das funkelnde Meer
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Als Callum und Lilah sich auf der Fähre im Stadtteil Manly von Sydney begegnen, ist es - zumindest für Callum - Liebe auf den ersten Blick. Er ist fasziniert von der kleinen, selbstbewussten Frau, die ...

Als Callum und Lilah sich auf der Fähre im Stadtteil Manly von Sydney begegnen, ist es - zumindest für Callum - Liebe auf den ersten Blick. Er ist fasziniert von der kleinen, selbstbewussten Frau, die ihn direkt angesprochen hat, als er irritiert ihre nackten Füße anstarrte. Sie verbringen sodann den Abend und die Nacht miteinander, doch am nächsten Morgen ist Lilah einfach verschwunden, ohne auch nur eine Handynummer hinterlassen zu haben. Callum ist enttäuscht, dass es für Lilah nur ein One-Night-Stand gewesen sein soll und findet bei einer Recherche nach ihr nur heraus, dass er nicht einmal ihren richtigen Namen kennt.

Zufällig begegnen sie sich in Callums Mittagspause wieder, so dass er auf ein weiteres gemeinsames Abendessen drängen kann. Nur zögerlich stimmt Lilah zu und auch aus diesem Abend wird nicht nur eine gemeinsame Nacht, sondern ein ganzes Wochenende, während dem sie sich näher kennenlernen.

Lilah ist Rechtsanwältin, die sich für den Umweltschutz stark macht und annähernd 16 Stunden am Tag arbeitet. Die überzeugte Veganerin lebt für ihren Beruf und ihr Engagement und ist ein völlig rast- und ruheloser Mensch. Sie gönnt sich keine Pause, statt auszuschlafen, geht sie morgens lieber joggen. Callum ist erstaunt über ihr Arbeitspensum und ihre lückenlose Freizeitgestaltung, macht bei ihren spontanen Ausflügen aber mit, um Zeit mit ihr zu verbringen, da sie ihn emotional auf Distanz hält. Lilah betont, dass sie nicht für eine Beziehung geeignet ist und sich auch nicht an Callum binden werde.

Callum nimmt ihre abweisende Art hin, ist überzeugt, dass er Lilah noch um stimmen werden kann und genießt solange die gemeinsame Zeit und seine Verliebtheit.
Was er nicht ahnt ist, dass Lilah sich nicht auf eine Liebe einlassen möchte, da sie weiß, dass ihnen mehr viel gemeinsame Zeit vergönnt sein wird.

"So blau wie das funkelnde Meer" - so beschreibt Callum Lilas Augen bei ihrer ersten Begegnung und genauso bildhaft und emotional setzt sich der Schreibstil der Autorin fort. Der Roman ist aus Sicht von Callum geschrieben und wird abwechselnd durch Tagebucheinträge von Lilah ergänzt.

Der Klappentext verrät es bereits, dass Lilah ein Geheimnis in sich trägt, dass nicht für ein Happy End dieser Liebesgeschichte spricht. Als Leser weiß man durch die Tagebucheinträge, dass Lilah Callum aus einem bestimmten Grund auf Distanz hält und nicht möchte, dass er sich zu sehr an sie bindet, auch wenn der Grund lange nicht konkret benannt wird.
Dennoch erahnt man die Tragödie, zu der es kommen wird und das Lilah Callum unweigerlich das Herz brechen wird, da sie nicht konsequent genug ist, sich von ihm fernzuhalten und sie selbst die Nähe zu ihm und die Liebesbeziehung genießt, die sie sich eigentlich verboten hat.

"So blau wie das funkelnde Meer" ist ein unbeschreiblich tragischer Roman, der zu Tränen rührt. Auch wenn sich die Geschichte nur auf zwei Protagonisten und den Zeitraum von wenigen Monaten beschränkt, wird der Roman zu keiner Zeit eintönig. Man spürt diese intensive Lebe, die so schnell wie ein Blitz zwischen den beiden eingeschlagen ist, bangt mit ihrem Schicksal mit und hat von Anfang an das ungute Gefühl, dass es zu keinem glücklichen Ende kommen wird.
Spannend bleibt zu erfahren, was Lilah verschweigt und ob sie so viel Vertrauen zu Callum gewinnen kann, dass sie sich ihm öffnet. Als Leser gibt man die Hoffnung nicht auf, dass sich trotz aller Vorzeichen noch ein Wunder ergibt und das unterschiedliche Paar die Chance auf eine gemeinsame Zukunft haben wird.

Das Debüt von Kelly Rimmer ist ein sehr gefühlvoller, trauriger Roman, der bewegt und den ich nicht weglegen konnte. Ich hoffe, dass wir von der Autorin bald mehr lesen können.

Veröffentlicht am 24.06.2017

Gelungene Mischung aus Biographie und Fiktion über eine starke Frau, die sich für die Anti-Sklavereibewegung stark gemacht hat.

Die Erfindung der Flügel
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Sarah Grimké, Tochter eines Plantagenbesitzers in den Südstaaten der USA, bekommt zu ihrem elften Geburtstag im Jahr 1803 eine fast gleichaltrige Sklavin als Kammerzofe geschenkt. Sie möchte dieses Privileg ...

Sarah Grimké, Tochter eines Plantagenbesitzers in den Südstaaten der USA, bekommt zu ihrem elften Geburtstag im Jahr 1803 eine fast gleichaltrige Sklavin als Kammerzofe geschenkt. Sie möchte dieses Privileg gar nicht haben, kann sich aber aufgrund ihres Standes nicht dagegen wehren und beschließt, dieser eines Tages die Freiheit zu schenken. Hetty "Handful" schläft von nun an vor der Tür von Sarahs Zimmer, die ihr verbotenerweise das Lesen und Schreiben beibringt, bis ihr selbst die Bücher aus der Bibliothek des Vaters verboten werden.
Handful ist die Tochter einer Näherin im Haushalt der Grimkés, die mit Tricks klammheimlich gegen das Sklaventum aufbegehrt. Handful lernt von ihrer Mutter und erhält von Sarah Passierscheine, so dass sie den Hof verlassen kann und, nachdem ihre Mutter fliehen konnte, an Treffen von aufständischen Sklaven teilnehmen kann und diese unterstützt.

Sarah träumt seit ihrer Kindheit davon, wie ihr ältere Bruder Thomas Rechtsanwalt zu werden und äußert sich schon früh kritisch gegen die Sklavenhaltung. Gerade von ihrem Vater wird sie für ihr Engagement als Frau nur belächelt. Sie begleitet ihn, als ihm wegen einer Lungenerkrankung ein Aufenthalt im Nordern der USA empfohlen wird.
Als Sarah nach seinem Tod allein auf der Rückreise nach Charleston ist, lernt sie auf dem Schiff den Quäkerprediger Israel kennen. Sie fühlt sich zu dem verheirateten Mann hingezogen, der ihr ein Buch über die Quäkerbewegung schenkt.
Zurück bei ihrer Mutter ist sie erschrocken darüber, wie es Handful ohne sie ergangen ist. Nach einer Bestrafung ist sie körperlich massiv gezeichnet und muss am Stock gehen.
Sarah schafft es lange nicht, in Briefkontakt mit Israel zu treten, fühlt sich aber berufen, selbst Predigerin zu werden.
1827 schreibt sie einen Brief an Handful

"Nun drängt es mich, Predigerin bei den Quäkern zu werden. Dies wird mir zumindest einen Weg aufzeigen, das zu tun, was ich an meinem elften Geburtstag versucht habe, als Du mir so grausam übereignet wurdest. Es wird mir gestatten, alle, die es hören wollen, zu sagen, dass ich so etwas nicht hinnehmen kann, dass wir die Sklaverei nicht hinnehmen dürfen, dass sie ein Ende haben muss. Dafür bin ich geboren - nicht für das Amt der Predigerin, auch nicht für das Rechtswesen, sondern für die Abschaffung der Sklaverei."

Als Israels Frau verstorben ist, zieht Sarah in seinen Haushalt, um die Kinder zu unterrichten. Aufgrund Israels Schwester Catherine und der streng gläubigen Gemeinde der Quäker hat ihre Liebe aber trotz der räumlichen Nähe keine Chance. Später lehnt sie einen Heiratsantrag von Israel ab, um sich ganz für ihre Ideale einzusetzen. Zusammen mit ihrer kleinen Schwester Nina engagiert sie sich für die Abschaffung der Sklaverei und geht sogar noch einen Schritt weiter, für die Gleichstellung der Sklaven und der Frauen mit den Männern. Sie nimmt dafür in Kauf, dass sie nie eine eigene Familie gründen kann und auch aus ihrem Heimatort Charleston verstoßen wird. Die Bewegung ist allerdings nicht aufzuhalten. Bei öffentlichen Auftritten, zunächst in Krichen, später unter freiem Himmel, haben die beiden Schwestern bei ihren Reden einen massiven Zulauf von Frauen und dann selbst von Männern.

Der Roman "Die Erfindung der Flügel" handelt von zwei Schwestern, die tatsächlich im 19. Jahrhundert existierten. Die Grimké-Schwestern, Sarah und Nina, lebten in Charleston im Bundesstaat South Carolina und waren die ersten offiziellen Rednerinnen der Anti-Sklaverei-Bewegung und zählten in den USA in den 1830er-Jahren zu den bedeutendsten Frauenrechtlerinnen.

Es ist eine Biographie, die nicht nur die Geschichte von Sarah Grimké im Zeitraum von 1803 bis 1838 erzählt, sondern auch die Situation der schwarzen Sklaven in den Südstaaten der USA und die ungerechte Ausbeutung und Herabwertung vermeintlich minderwertiger Menschen sehr eindrucksvoll verschreibt.

Als Roman werden die Lebensgeschichten von Sarah und Handful verknüpft und jeweils abwechselnd aus deren Sicht erzählt, wobei Handful eine fiktive Figur ist, die die Autorin bewusst gewählt hat, um die Situation der Sklaven noch lebensnaher und brutaler darzustellen.

"Die Erfindung der Flügel" ist eine gelungene Mischung aus Biographie und Fiktion und in Bezug auf die Anti-Sklavereibewegung sehr lehrreich. In dem Buch werden zwei (nimmt man Sarahs zwölf Jahre jüngere Schwester Angelina, "Nina", noch dazu, drei) starke Frauen porträtiert, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz für ihre Ideale einsetzen und für ihre persönliche Freiheit, aber auch für eine ganze Freiheitsbewegung einsetzen und Vorbildcharakter haben.

Als (Unterhaltungs-)roman fand ich es schade, dass der Roman bereits im Jahr 1838 endete und nicht noch bis zum Tod von Sarah weitererzählt wurde. Im Gegensatz zu Handful fehlte mir bei ihr ein Abschluss ihrer Geschichte, die dann aber zumindest im Nachwort von Sue Monk Kidd nachzulesen ist

Veröffentlicht am 19.06.2017

Spannender Roman über Mutterliebe und eine langjährige Freundschaft zweier Frauen, die nachhaltig erschüttert wird

Die Bucht, die im Mondlicht versank
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Sarah und Isla waren seit ihrer Kindheit beste Freundinnen. Sie teilten gemeinsame Interessen, hatten in jungen Jahren beide mit Schicksalsschlägen innerhalb ihrer Familien zu kämpfen, als sie ihre Mutter ...

Sarah und Isla waren seit ihrer Kindheit beste Freundinnen. Sie teilten gemeinsame Interessen, hatten in jungen Jahren beide mit Schicksalsschlägen innerhalb ihrer Familien zu kämpfen, als sie ihre Mutter bzw. ihre Schwester verloren haben. Sie wurden fast zeitgleich schwanger und erfüllten sie beiden den Traum einer Strandhütte, in denen sie auch heute noch die Sommer verbringen.

Nach Abschluss der Schule ging Isla auf Weltreise und trennte sich vor ihrer Abreise von ihrem Freund Nick, mit dem sich Sarah während Islas Abwesenheit verlobte. Die Freundschaft zwischen den beiden hatte jedoch weiter Bestand. Zu einem Riss kam es erst zehn Jahre später, als Islas Sohn Marley beim Spielen mit Sarahs Sohn Jacob im Meer ertrank.

Sieben Jahre später verschwindet Sarahs Sohn am Todestag von Marley spurlos. Sarah macht sich Vorwürfe, da sie sich am Abend noch mit Jacob heftig gestritten hatte. Auch von Isla hatte sie sich zuvor im Streit getrennt. Es beginnt eine Zeit des Hoffens und Bangens und einer Suche, bei der so manche Ungereimtheiten und Halbwahrheiten zutage kommen. Während die Polizei auch ohne Leiche von einem Selbstmord ausgeht, verdächtigt Sarah den Vater von Jacobs Freundin Caz, ihren Sohn getötet zu haben. Caz war von Jacob schwanger und die letzte, die ihn lebend gesehen hat.

"Die Bucht, die im Mondlicht versank" ist der vierte Roman von Lucy Clarke und besticht wie die Romane zuvor durch eine gefühlvolle, ruhige und sehr bildhafte Sprache, dass man sich problemlos in die Charaktere hineinversetzen kann uns sich selbst im Setting der Sandbank von Longstone einfindet.

Der Roman ist abwechselnd aus der Sicht von Sarah bzw. Isla geschrieben, wobei beide immer wieder Bezug auf die gemeinsame Vergangenheit nehmen und in Rückblenden von ihrer Freundschaft ab 1991 und den tragischen Ereignissen, die sie durchlebten, erzählen.
Aus Isla hört man eine Bitterkeit und eine Enttäuschung über Sarah heraus. Sarah selbst schein ein dunkles Geheimnis zu hüten und ist ihrerseits enttäuscht von Isla, die nach der Abreise in diesem Sommer nicht auf ihre Anrufe reagiert.

"Aber der Traum von Perfektion ist ein Drahtseilakt in immensen Höhen - und darunter lauert nichts als der Abgrund..."

Dieses tiefgehende Familiendrama ist durch die unterschwelligen Geheimnisse und Lügen, die vor allem Sarahs Seele belasten, ein wenig nebulös, unvorhersehbar und deshalb unheimlich spannend zu lesen. Man bangt einerseits mit Sarah als Mutter, die einen Sohn vermisst, weiß aber nie genau, wie viel Schuld sie möglicherweise selbst an der Situation hat. Zudem wird immer wieder Bezug auf die Ereignisse im Jahr 2000, als Marley ertrunken ist Isla nach all den Jahren nach Erklärungen sucht, warum der Fischer Isaac Jacob retten konnte, nicht aber ihren Sohn Marley, der zudem auch noch ein guter Schwimmer war.

Lange wird man im Dunkeln gelassen, was es mit dem ominösen Verschwinden von Jacob auf sich hat. Als Leser ahnt man nur, dass er nicht tot sein kann, sondern dass sich in der Nacht etwas Einschneidendes ereignet haben muss, dass dazu geführt hat, dass er nicht mehr auf der Sandbank bleiben konnte.
Ganz am Schluss klären sich auch die Ereignisse um den Tod Marley auf, die der Leser so nicht hat ahnen können.

"Die Bucht, die im Mondlicht versank" ist erneut ein spannender Roman von Lucy Clarke, der sich um (Mutter-)liebe, Freundschaft und Vertrauen handelt sowie Ereignisse erzählt, die diese nachhaltig erschüttern können und erst Jahre später aus einem Geflecht aus Lügen, Schuld und Vertuschung aufgeklärt werden. Und am Ende gelangt man immer wieder zu der Frage: Wie viel Wahrheit verträgt eine Freundschaft?

Veröffentlicht am 31.10.2024

Die Erwartung der Mutter an ihre Töchter - wenn Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen und Beziehungen über Generationen hinweg belasten

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
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Bielefeld, 1998: Regina ist 50 Jahre alt, verheiratet und Mutter zweier fast erwachsener Töchter. Nachdem sie selbst zugunsten der Erziehung ihrer Kinder auf eine Karriere verzichtet hat, setzt sie all ...

Bielefeld, 1998: Regina ist 50 Jahre alt, verheiratet und Mutter zweier fast erwachsener Töchter. Nachdem sie selbst zugunsten der Erziehung ihrer Kinder auf eine Karriere verzichtet hat, setzt sie all ihre Hoffnung auf ihren Nachwuchs, der es besser machen soll.
Die ältere Tochter Antonia hat gerade ihr Abitur bestanden und soll studieren, ist sich aber unschlüssig, was sie beruflich machen möchte. Wanda ist anderthalb Jahre jünger und steckt in den Abiturvorbereitungen. Beide gehen mit dem Druck der Mutter unterschiedlich um und leiden auf ihre Weise darunter. Während Antonia gerne im Hintergrund verschwindet und sich im Vergleich zu ihrer Mutter und jüngeren Schwester plump und unzulänglich fühlt und der Meinung ist, es ihrer Mutter nie recht machen zu können, ist Wanda der Augenschein der Mutter. Sie hat einen festen Freund, ist ehrgeizig und sportlich und trimmt sich selbst zu Höchstleistungen. Neben guten Noten zu haben, möchte sie möglichst dünn, um zu gefallen.
Unzufrieden mit ihrem Leben und dem, was sie (nicht) erreicht hat, merkt Regina, selbst Psychotherapeutin mit eigener Praxis, nicht, was sie ihren Töchtern antut, wie sie sie überfordert, verunsichert und letztlich krankmacht.

Der Roman wird im schnellen Wechsel aus den Perspektiven der drei weiblichen Hauptfiguren geschildert. Auf diese Weise kann man tief in Mutter und Töchter hineinblicken und ihre Gedankengänge, was sie über sich selbst und über andere denken, nachvollziehen. Die Geschichte erstreckt sich in drei Etappen über mehrere Jahre, so dass auch die Entwicklung der drei Frauen und ihre Beziehung zueinander anschaulich verfolgt werden kann.
Selbst wenn jede von ihnen mit ihren extremen Ansichten mitunter überspitzt dargestellt ist, wirken sie in dem Familiengefüge authentisch. Der Roman weckt damit unweigerlich Emotionen und lässt in Bezug auf die Figuren stetig zwischen Mitleid und Wut schwanken.
Regina ist derart dominant, dass ihr Ehemann als Mann und Vater nur eine Nebenrolle spielt. Sie ist die Matrone, die alle Geschicke lenkt, Entscheidungen trifft und ihren Töchtern ihre gutgemeinten Ratschläge und Ansichten aufzwingt. Dabei erscheint es öfter ungewollt komisch, dass sie Fehler, die sie bei anderen mokiert, selbst macht. Ihre treffsicheren, gemeinen Kommentare machen sprachlos.
Während Antonia einerseits auf Distanz zu ihrer Mutter geht, andererseits aber auch eine Sehnsucht nach Geborgenheit spürt, tut Wanda alles, um Reginas Ansprüche zu erfüllen und macht sich damit nicht nur seelisch, sondern auch körperlich kaputt.

Auch ohne große Dramen und laute Auseinandersetzungen zeigt die Geschichte eindrücklich, wie weit Wunsch und Wirklichkeit auseinanderliegen und welche Hoffnungen und Erwartungen auf nachfolgende Generationen übertragen werden und welche Folgen das für die gesamte Familiendynamik haben kann. Regina fühlte sich selbst von ihren Eltern ungeliebt und hat ihren Töchtern kein warmherziges Zuhause bieten können.

Intensiv und schmerzhaft werden die unterschiedlichen Beziehungen zwischen Mutter und Tochter und zwischen den beiden Schwestern dargelegt, die sich, entfacht von den Erwartungen der Mutter und dem Streben nach Anerkennung, im ständigen Vergleich zueinander sehen. Geprägt von einer überbehüteten, aber unfreien Kindheit können sich die Töchter selbst nach dem Verlassen des Elternhauses dem erdrückenden Einfluss der Mutter, die mit zunehmendem Alter unzufriedener und launischer wird, nicht entziehen.

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