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Veröffentlicht am 30.08.2017

Im Grunde eine schöne Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen, aber zu viel Schicksalsschläge, Drama und am Ende überwog der Kitsch.

Heute fängt der Himmel an
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Die Geschichte von Emily Emerson bzw. ihrer verstorbenen Großmutter Margaret Mae Evans wird auf zwei Zeitebenen erzählt.
Die Gegenwart handelt von Emily und wie sie einen anonymen Brief mit einem Bild ...

Die Geschichte von Emily Emerson bzw. ihrer verstorbenen Großmutter Margaret Mae Evans wird auf zwei Zeitebenen erzählt.
Die Gegenwart handelt von Emily und wie sie einen anonymen Brief mit einem Bild ihrer Großmutter erhält, durch den sie erfährt, dass ihr Großvater angeblich nie aufgehört hat, Margaret zu lieben. Das Bild wurde in einer Galerie in Deutschland restauriert, die ihr telefonisch jedoch keine weiteren Auskünfte erteilen kann, den Maler oder den Überbringer der Botschaft ausfindig zu machen. Emily nimmt sodann Kontakt mit ihrem Vater auf, der sie und ihre bereits vor einigen Jahren verstorbene Mutter verlassen hatte. Er erzählt ihr von einem Jeremiah, der ein guter Freund seiner Mutter war. Emily besucht ihn und kann so einiges von der Vergangenheit ihrer Großmutter in Erfahrung bringen und zumindest die Identität ihre Großvaters klären.
Sie begibt sich auf die Suche nach ihm und wird dabei von ihrem Vater, der offensichtlich von einem schlechten Gewissen geplagt Wiedergutmachung leisten möchte, bis nach Deutschland begleitet.

Die Geschichte der Gegenwart wird durch Kapitel unterbrochen, die in den Jahren 1944 bis 1946 spielen und in denen zu erfahren ist, wie Margarete im Jahr 1944 den Kriegsgefangenen Peter Dahler, der auf der Zuckerrohrplantage ihrer Eltern in Florida beschäftigt war, kennenlernte. Dieser hatte in Afrika unter Rommel gekämpft, bis die Alliierten die deutsch-italienische Allianz besiegten. Die beiden verlieben sich verbotenerweise ineinander und Margarete wird von ihm schwanger. Als der Zweite Weltkrieg vorbei ist, kehrt Peter wieder nach Deutschland zurück und verspricht, Margarete nachzuholen. Diese erhält aber lange keine Nachricht von ihm, bis er ihr in einem Brief mitteilt, dass er eine langjährige Freundin heiraten wird.

Von der Autorin habe ich bereits den gefühlvollen Roman "Über uns der Himmel" gelesen.

Wie auch der Roman auf zwei völlig unterschiedlichen Handlungsebenen spielt, lässt er mich mit gemischten Gefühlen zurück, was vor allem daran liegt, dass er in meinen Augen zu überladen ist.

[Achtung Spoiler]

Da ist zunächst Emily, die als Kind von ihrem Vater verlassen wurde und mit gerade einmal 18 Jahren ihre Mutter verloren hat, als sie selbst schwanger war. Sie verließ ihre große Liebe, um Nick nicht mit der Verantwortung einer ungewollten Schwangerschaft zu belasten, bringt das Kind ohne sein Wissen zur Welt und gibt es zur Adoption frei. Halt fand Emily bei ihrer Großmutter väterlicherseits, die sich ich in dieser schwierigen Zeit um sie kümmerte. Dies ist nun vor Kurzem verstorben und auch ihren Freund Scott hat Emily verlassen, weshalb sie sich ganz allein fühlt. Sie bereut es, ihre Tochter weggegeben zu haben und versucht sie über verschiedene Adoptionsforen ausfindig zu machen seit ihre Catherine volljährig ist.

Durch den Erhalt des Gemäldes mit dem geheimnisvollen Brief nimmt die gerade auch noch arbeitslos gewordene Journalistin Kontakt zu ihrem Vater auf. Nach wie vor hegt sie einen tiefen Groll gegen Victor, nimmt aber seine Unterstützung bei der Suche nach ihrem Großvater an. Bei ihren Begegnungen mit historischen Zeitzeugen kommen sich Vater und Tochter näher, bis das Schicksal ein weiteres Mal zuschlägt und Emily erfährt, dass Victor an Leberkrebs erkrankt ist.

Das Leben ihrer Großmutter wird interessanterweise rein aus der Perspektive von Peter erzählt. Einerseits habe ich dadurch einige Details über die Zet des Zweiten Weltkrieges und die Jahre danach erfahren, die mir noch nicht bekannt waren. Die Situation von Peter als deutschen Kriegsgefangenen in Amerika und späteren Zwangsarbeiter in England war interessant und lehrreich zu lesen, vor allem da die Autorin die Deutschen nicht per se als Nationalsozialisten abgestempelt hat. Auf der anderen Seite blieb mir Margaret, die sich nicht für die deutschen Kriegsgefangenen interessierte, sondern sich auch gegen den Rassismus in den Südstaaten einsetzte, fremd und die traurige Liebesgeschichte zwischen Peter und ihr konnte mich nicht berühren, da es schlicht zu wenig Kontakte zwischen den beiden gegeben hat. Dass beide von ihrer "großen Liebe" gesprochen haben, die aber unerreichbar war und sie nie wieder richtig glücklich geworden sind, konnte ich insofern nicht nachvollziehen.

[Spoiler Ende]

Emilys Ansichten sind sehr engstirnig, so kann sie lange sich selbst und auch ihrem Vater nicht verzeihen und macht sich damit das Leben unnötig schwer. In Männer hat sie jedwedes Vertrauen verloren, weshalb sie zu keiner glücklichen Beziehung fähig ist. Ihren Exfreund ruft sie nachts an, um körperliche Befriedigung zu erfahren, was nicht so richtig zu der sonst so sensiblen Emily passen wollte. Ich empfand den vom Schicksal gebeutelten Charakter schwierig und konnte mich nicht mit ihr identifizieren.

Dennoch ist es spannend zu erfahren, was es mit dem Gemälde auf sich hat, das die junge Margaret darstellt und ob es Emily gelingen wird, ihren Großvater zu finden, der inzwischen im hohen Alter von über 90 Jahren sein muss. Gegenwart und Vergangenheit werden dabei geschickt und in einem ausgewogenen Verhältnis miteinander verwoben. Die Geschichte von Emily und ihrer Großmutter bzw. ihren Großvater enthielt mit dennoch zu viele Schicksalsschläge, zu viel Drama und am Ende zu viel Kitsch. Die Charakteren wirkten in Teilen unglaubwürdig und unausgereift.

Den "himmlischen" Roman, den ich im letzten Jahr von der Autorin gelesen hatte, wusste mich insofern mehr zu überzeugen.

Veröffentlicht am 12.08.2017

Kompliziertes Beziehungsgeflecht ohne stringente Handlung, aber mit einem roten Faden

Mittelstadtrauschen
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Der Roman beginnt mit einer Szene in einem Café in Wien, als Marie irritiert von einer stillenden Mutter eine Tasse Kaffee umstößt und dabei Jakob kennenlernt, der sich auf den ersten Blick in Marie verliebt. ...

Der Roman beginnt mit einer Szene in einem Café in Wien, als Marie irritiert von einer stillenden Mutter eine Tasse Kaffee umstößt und dabei Jakob kennenlernt, der sich auf den ersten Blick in Marie verliebt. Jakob trennt sich daraufhin von seiner Freundin Sonja, die mit knapp 30 Jahren Torschlusspanik hat und nicht lange allein sein kann. So lernt diese bald Gery kennen, dessen bester Freund Joe sich bei einem Sprung von einer Brücke in die Donau vor Kurzem das Leben genommen hat. Joe ist wiederum der Exfreund von Marie, dessen Trennung sie nicht verwunden hatte.

Im Verlauf des Romans begegnet der Leser noch vielen weiteren Personen wie Maries Vater und Jakobs Eltern, Nachbarn und Bekanntschaften. Wie magisch scheinen alle Protagonisten in Wien auf irgendeine Art und Weise in Verbindung miteinander zu stehen. So ist beispielsweise Gery der Essen-auf-Rädern-Lieferant der Großmutter von Jakob, Hedi. Hedis Tochter Traude wird von ihrem Ehemann mit ihrer Schwester Anna betrogen.

Wie ein roter Faden zieht sich der Selbstmord von Joe durch das Buch, bis es am Ende zur kuriosen Testamentseröffnung im Wiener Prater kommt.

Ich hatte vor allem zu Beginn des Romans Probleme den Überblick über die handelnden Personen und weiteren Nebencharakteren zu behalten, die zum Teil nur einmalig auftreten, und in das Beziehungsgeflecht einzuordnen. "Mittelstadtrauschen" ist damit kein Roman für Zwischendurch, da man als Leser gezwungen ist, konzentriert den Seiten zu folgen, um keine Verbindung zwischen den Personen zu verpassen.

Aufgrund der Vielzahl der Charaktere ist keine stringente Handlung vorhanden, der man gespannt folgen könnte. Der Roman besticht jedoch durch die sinnreich gewählten Worte der Autorin, intelligente Wortspiele und anschauliche Metaphern, mit der sie dem Leser die sichtbaren und unsichtbaren Verbindungen der Menschen untereinander aufzeigt. Themen wie persönliche Enttäuschungen, Ängste, Liebe und Einsamkeit in einer Großstadt, in der sich Menschen flüchtig begegnen und nicht wirklich wahrnehmen und kennenlernen, stehen dabei im Vordergrund.

"Mittelstadtrauschen, hatte Joe es genannt. Die Menschen rauschen an dir vorbei, und die meisten von ihnen erkennst du schon am nächsten Tag nicht wieder. Mittelstadtrauschen, das war seine Bezeichnung für Wien. Weder Metropole noch Kleinstadt – Mittelstadt eben."

Veröffentlicht am 11.08.2017

Schicksalhaften Roman um Vergangenheitsbewältigung, Liebe und Vergebung - sehr melodramatisch

Die Zeit der Traubenblüte
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Caterina Rosetta bekommt im Jahr 1956 in San Francisco ein Baby. Die ungewollte Schwangerschaft hat sie sowohl gegenüber dem Vater des Kindes als auch gegenüber ihrer Mutter Ava verschwiegen. Nach der ...

Caterina Rosetta bekommt im Jahr 1956 in San Francisco ein Baby. Die ungewollte Schwangerschaft hat sie sowohl gegenüber dem Vater des Kindes als auch gegenüber ihrer Mutter Ava verschwiegen. Nach der Geburt bringt Caterina es allerdings nicht über das Herz, das Mädchen wie geplant zur Adoption freizugeben.

Sie fährt sodann nach Napa zum Weingut "Mille Étoiles" ihrer Mutter, um ihr von ihrer Enkelin zu erzählen. Diese empfindet das uneheliche Kind wie erwartet als Schande für die Familie und verweist Caterina aus ihrem Zuhause. Vor Ort trifft Caterina auf Santo Casini, ihren Schwarm aus Jugendtagen und Vater des Kindes, der aber inzwischen verlobt ist, weshalb sie ihm gegenüber weiter verschweigt, dass er Vater geworden ist. Zwischen Santo und Caterina knistert es und sie kommen sich sogar während eines Erdbebens wieder näher, aber sie macht sich keine Hoffnungen auf eine Beziehung mit ihm.
Fast zeitgleich erfährt Caterina, dass sie von ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter Violetta Maria Romagnoli Rosetta ein Haus in der Toskana geerbt hat. Caterina ist erschüttert. Sie ist bis zuletzt davon ausgegangen, dass ihre Großmutter wie ihr Vater schon seit Jahren tot ist und dass sie keine Verwandten mehr in Italien hat.

Nach und nach kommen immer mehr Lügen und Halbwahrheiten ihrer sonst so integeren Mutter ans Licht - Familiengeheimnisse, die Caterina endlich lüften möchte. Zusammen mit ihrer Tochter Marisa bricht sie nach Italien auf, um dort das nicht ganz einfache Erbe anzutreten und Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu bringen.

"Die Zeit der Traubenblüte" ist eine Familiengeschichte, die sich von 1929 bis zum Ende der 50er-Jahre erstreckt, wobei man nur in einzelnen Rückblenden die Vergangenheit ergründet, und die in Italien bzw. in Kalifornien spielt.
Ein Fokus des Romans liegt auf der detaillierten Schilderung der Bewirtschaftung eines Weinguts, des Lebens als Winzerin bzw. Sommelière und den Geschmäcken der Weine. Daneben gilt es, vertuschte Skandale zu offenbaren und lang gehütete Familiengeheimnisse zu lüften, die aufgrund der antiquierten Moralvorstellungen der damaligen Zeit im Verborgenen bleiben sollten. Da die Familiengeschichte aber prägend für das weitere Leben von Caterina ist, muss sie sich den unbequemen Wahrheiten stellen, um zu ihrem Glück zu finden, auch wenn sie dabei einen Bruch mit ihrer Mutter riskiert.

Mir war der Roman über die unerfüllte Liebe bzw. die Emanzipation von Caterina einen Hauch zu melodramatisch dargestellt. Sowohl Mutter als auch Tochter haben mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen und es scheint sogar, als würde sich die Geschichte wiederholen, als beide alleinerziehend und ohne Partner, die Verantwortung für eine Weingut übernehmen. Zudem finden sich auch beide nur zu gern in ihrer Märtyrerrolle wieder, indem sie Dinge verschweigen, um andere zu schützen und damit aber selbst die ganze Last tragen müssen, für die sie nicht allein verantwortlich sind.

Die Geschichte hätte man deutlich kürzer fassen können, wenn die Autorin nicht in epischer Breite jeden Tag aufs Neue beschrieben hätte, für welche Kleidungsstücke sich Caterina morgens für sich und Marisa entscheidet oder wie friedlich Marisa mit dem Windelhintern in die Höhe in ihrem Bettchen schläft bzw. freundlich vor sich hinquäkt. Das "dunkle Geheimnis" um das Erbe deutet sich auch schon früh an, so dass der Roman etwas langatmig zu lesen ist. Das Ende ist dann an Dramatik kaum mehr zu überbieten und übertrieben Schwarz-Weiß-Malerisch als Duell Gut gegen Böse dargestellt.

Wer allerdings Familiengeschichten mag, die sich über mehrere Generationen erstrecken und in denen starke Frauen die Hauptrolle spielen und dann noch ein Interesse für guten Wein hat, wird sich - bis zum letzten Schluck - mit dem schicksalhaften Roman um Vergangenheitsbewältigung, Liebe und Vergebung gut unterhalten fühlen.

Veröffentlicht am 21.07.2017

Paartherapeutin verhilft ihren Patienten zum Happy End und findet endlich selbst ihr Glück - sehr klischeehafte Erzählung

Risiken und Nebenwirkungen der Liebe
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Annie ist Paartherapeutin und verdient ihr Geld damit, angeknacksten Beziehungen wieder auf die Sprünge zu helfen.
Ihr eigenes Liebesleben liegt seit der Scheidung von ihrem Mann vor knapp zehn Jahren ...

Annie ist Paartherapeutin und verdient ihr Geld damit, angeknacksten Beziehungen wieder auf die Sprünge zu helfen.
Ihr eigenes Liebesleben liegt seit der Scheidung von ihrem Mann vor knapp zehn Jahren brach und ihre jüngere Schwester Holly versucht sie deshalb immer wieder mit den in ihren Augen geeigneten Single-Männern zu verkuppeln. Dabei bemerkt Annie lange nicht, dass ihr Liebesglück gar nicht so weit von ihr entfernt ist - auch wenn es sich "bloß um [Büronachbar] Jamie" handelt...

Was mir vor der Entscheidung, das Buch zu lesen nicht aufgefallen war ist, dass der Roman als Paperback bereits vor über einem Jahr unter dem Titel "Verliebte Frauen ticken anders" erschienen ist und nun mit einem ganz anderen offensichtlich weniger anzüglichen und eher romantisch gestaltetem Cover neu aufgelegt wurde.

In "Risiken und Nebenwirkungen der Liebe" wird der Leser mit Pärchen konfrontiert, bei denen mindestens ein Partner in der Beziehung unzufrieden ist und Hilfe bei Annie sucht. "Witzigerweise" vermuten die Patienten, dass es sich bei Annie um eine Sexpertin handelt, die ihnen anschauliche Ratschläge erteilt und diese auch noch praktisch demonstriert oder mit ihnen einübt.
Ist erst einmal geklärt, dass Annie die jeweilige Beziehung analysiert und die Paare durch ihre Tipps und Hausaufgaben selbst zu einer Problemlösung finden müssen, kommen die mitunter schwierigen und einer Paartherapie skeptisch gegenüberstehenden Partner ins Spiel. Wie im Klappentext beschrieben geht es hauptsächlich um drei Paare verschiedenen Alters und in unterschiedlichen Stadien der Beziehung, die sich hilfesuchend an Annie richten.

Dabei reihen sich zahlreiche Klischees aneinander, wobei in der Regel die eher romantisch veranlagten, liebesbedürftigen Männer unter ihren dominanten, egoistischen Frauen zu leiden haben und offensichtlich bisher nicht das Gespräch mit ihren (Ehe-)frauen gesucht haben.
Die Geschichte der 34-jährigen Annie kommt dabei leider sehr kurz und ist sehr früh vorhersehbar, dass nur wenig Spannung aufgebaut wird. Bei ihren Patienten sind die Probleme eher trivial und die Protagonisten so eindimensional, dass deren Geschichten weder besonders einfallsreich amüsant und noch weniger emotional berührend sind.
Auch wenn Annie das Klischee der hoffnungslosen britischen Romantikerin verkörpert, die sich lieber in romantischen Liebesschnulzen verliert und ihren Beruf auch deshalb ergriffen hat, um Pärchen zu ihrem persönlichen Happy End zu verhelfen, hatte ich mir bei der Entscheidung für das Buch vorgestellt, mehr über sie zu lesen und mir bei dem Roman einen anderen Schwerpunkt gewünscht.

Veröffentlicht am 14.07.2017

Autobiographischer Roman, der ein Leben voller Einschränkungen schildert - die "Befreiung aus den Fesseln" war dagegen unspektakulär

Unorthodox
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"Unorthodox" ist ein autobiographischer Roman, der aus Sicht des Mädchens Devoiri das Leben innerhalb der chassidischen Satmar-Gemeinde, einer ultraorthodoxen jüdischen Sekte, in Williamsburg/ New York ...

"Unorthodox" ist ein autobiographischer Roman, der aus Sicht des Mädchens Devoiri das Leben innerhalb der chassidischen Satmar-Gemeinde, einer ultraorthodoxen jüdischen Sekte, in Williamsburg/ New York erzählt.

Devoiri lebt bei ihren streng religiösen Großeltern Bubby und Zeidi, die auch von ihrer Enkelin erwarten, dass diese sich an die Regeln der Gemeinde hält. Das Leben ist für die Teenagerin, die schon früh im Kleinen gegen die scheinbar absurden Regel aufbegehrt, voller Einschränkungen. Bücher lesen und Fernsehen sind verboten, das Tragen von Kleidung nur nach bestimmten Regeln erlaubt, Frauen müssen sich die Haare abrasieren und tragen stattdessen Perücken, Sexualität ist ein Tabuthema und Zwangsehen sind an der Tagesordnung. Wer die Regeln bricht, löse unweigerlich einen neuen Holocaust aus, wird schon den Kindern eingebläut, weshalb es auch für Devoiri ein Leben voller Verunsicherung und ständiger Angst ist, etwas falsch zu machen.

Devoiri leiht sich trotzdem in der Bibliothek verbotene Bücher, am liebste schmale Taschenbücher, die sie zwischen Bett und Matratze verstecken kann. Sie ist dann auch die Schülerin, die fast als einzige in der Lage ist, auf Englisch zu lesen und zu schreiben und entwickelt so viel Ehrgeiz, Grundschullehrerin zu werden.
Schon früh wird sie verheiratet und nachdem es zu Beginn der arrangierten Ehe enorme Schwierigkeiten in ihrem Sexualleben gegeben hat, da beiden jegliches Wissen über den Körper fehlte, degradiert sie Eli wenig später zum Objekt seiner Befriedigung. Einerseits ist Devoiri froh, den Akt schnell über sich ergehen lassen zu können und dass Eli immer seltener zu Hause ist, andererseits hat sie sich ihr Eheleben anders vorgestellt. Sie dachte irrtümlicherweise, dass sie als verheiratete Grau mehr Freiheiten haben würde, als bei ihren Großeltern, fühlt sich nun aber durch ihre Schwiegermutter, Schwägerin und den Rest der Gemeinde unter ständiger Beobachtung.

Die strenge Glaubensgemeinschaft der chassidischen Juden war mir bisher nicht bekannt, aber auch ohne (religiöses) Vorwissen fällt es einem nicht schwer, in diesen autobiographischen Roman einzutauchen.
Deborah Feldmann beschreibt ihr Leben als Teenager und junger frau innerhalb der Satmar-Gemeinde, das völlig abgeschottet von der Außenwelt ist. Es ist kaum zu begreifen, wie eine solche Parallelgesellschaft in einer Stadt wie New York möglich ist und dass es Menschen gibt, die dieses Leben voller Einschränkungen über Generationen hinweg aufrechterhalten, das einzig dazu zu dienen scheint, sich Gott unterzuordnen und seine Regeln kompromisslos zu befolgen. Die Satmar-Gemeinde geht sogar so weit, Zionismus und den Staat Israel abzulehnen, da dieser von Menschen errichtet wurde.

"Unorthodox" ist ein Bestseller, der die Befreiung von Deborah Feldman aus den Fesseln der Satmar-Gemeinde feiert. Ich fand diesen autobiographischen Roman aufgrund der mir fremden Thematik interessant zu lesen und in Teilen wirklich erschütternd zu erfahren, was Frauen dort über sich ergehen lassen müssen.
Dennoch kommt der Roman meiner Meinung nach nicht dem Hype gerecht. Ich fand den hochgelobten Roman nicht so überragend, da ich mir mehr von dem Befreiungskampf erhofft hatte. Letztlich ist die Satmar-Gemeinde aber eine nach Außen hin friedliche, gewaltfreie Glaubensgemeinschaft, in der eine Scheidung vom ungewollten Ehepartner und ein Austritt aus der Gemeinde nicht unmöglich ist - solange man mit einem Bruch mit der eigenen Familie leben kann.