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Veröffentlicht am 02.05.2023

Gar nicht happy - trübsinnige und melodramatische Geschichte über brüchige Freundschaften und mangelnde Selbstliebe.

Happy Place
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Seit ihrer Jugend hat Harriet die Sommer zusammen mit ihren Freundinnen und später mit ihren Partnern im Cottage von Sabrinas Vater in Maine verbracht. Auch in diesem Jahr ist sie wieder eingeladen, weiß ...

Seit ihrer Jugend hat Harriet die Sommer zusammen mit ihren Freundinnen und später mit ihren Partnern im Cottage von Sabrinas Vater in Maine verbracht. Auch in diesem Jahr ist sie wieder eingeladen, weiß aber nicht, dass auch ihr Ex-Verlobter Wyn da sein wird, von dem sie seit sechs Monaten getrennt ist, was sie ihren Freunden bisher verschwiegen haben. Da es der letzte Urlaub in dem zum Verkauf stehenden Cottage sein wird und Sabrina und Parth zudem eröffnen, dass sie in dieser Woche gemeinsam mit ihren vier besten Freunden ihre Hochzeit feiern möchten, beschließen Harrie und Wyn, weiter das glückliche Paar vorzuspielen, für das sie alle halten. Sie haben jedoch nicht geahnt, wie schwierig es ist, so zu tun, als wäre man ein Paar, wenn man gleichzeitig den anderen auf Abstand halten möchte, da der Trennungsschmerz zu tief sitzt und noch so viel Ungesagtes zwischen ihnen steht.

Anders als der Titel und das quietschpinke Cover mit den ausgelassenen Badenden vermuten lässt, ist "Happy Place - Urlaub mit dem Ex" keine unbeschwerte, fröhliche RomCom.

Die Geschichte handelt auf zwei Zeitebenen über eine jahrelange Freundschaft und die darin entstandene Beziehung von Harriet und Wyn. Diese waren seit Jahren verlobt, bevor sie sich trennten. Der Grund dafür bleibt lange rätselhaft und selbst als man in Kombination der Erzählstränge aus Vergangenheit eine Erklärung erhält, will diese nicht so richtig einleuchten.

Der Urlaub unter Freunden ist anstrengend. Sabrina dominiert die Gruppe, gibt den Takt und die Tagesabläufe vor. Offensichtlich ist, dass sie die alten Zeiten wieder aufleben lassen möchte, dass sich die Freunde als Erwachsene jedoch auseinandergelebt haben und die gute Stimmung erzwungen ist.

Harriets und Wyns Trennung drückt die Stimmung des Buches weiter nach unten, zumal einfach zu lange nicht deutlich wird, warum sie getrennt sind, nicht zusammen sein können, aber trotzdem so innige Gefühle für einander haben, die sie nur schwer unterdrücken können. So zieht sich die Handlung mit vielen Fragezeichen in die Länge bis es endlich zum großen Knall kommt, der so manches Verhalten der Figuren erklärt.

Ich hatte eine andere Erwartungen an den Roman, hatte mir Humor und Unbeschwertheit statt entfremdeter Freunde und unglücklicher Charaktere, die sich selbst und ihr Leben in Frage stellen, erhofft. "Happy Place - Urlaub mit dem Ex" ist eine trübsinnige Geschichte über brüchige Freundschaften, über belastete familiäre Bindungen, über mangelndes Selbstvertrauen und Selbstliebe.

Die Charaktere haben hohe Erwartungen an sich, streben nach Glück und hadern damit, dass sie ihre Vorstellungen und Träume nicht erfüllen können. Die Liebesgeschichte ist melodramatisch und erscheint nicht schlüssig, da der Grund für die Trennung nach so einer langen Beziehung keinen Sinn macht. Auch das Schauspiel des Paares wirkt letztlich albern, da man unter langjährigen Freunden Ehrlichkeit und Offenheit erwarten sollte.

Neben den eigenen Unzulänglichkeiten, mit denen sich die Figuren belasten, ist die allgemeine Sprachlosigkeit und Kommunikationsproblem ein roter Faden, der sich durch das gesamte Buch zieht.

Die Charaktere bleiben dabei blass und austauschbar. Auch der Erzählstrang in der Vergangenheit, der die Entwicklung von Harriets und Wyns Liebe und der Freundschaft mit den anderen vieren skizziert, konnte die Charaktere nicht näher bringen. Die zahlreichen schwierigen Themen wie Tod und Trauer, physische und psychische Krankheiten, vergängliche Freundschaften und Ungeliebtsein deprimieren und werden überwiegend nur oberflächlich erwähnt, statt tiefer und lösungsorientiert mit der Geschichte verbunden.

Im letzten Drittel wird nicht mit Melodramatik und Plattitüden gespart und das Ende erscheint auf der unveränderten Situation, die für das Dilemma von Harriet und Wyn verantwortlich ist, nicht glaubwürdig.

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Veröffentlicht am 04.04.2023

Schöne Botschaft über die heilende Wirkung von Büchern, aber eine Geschichte ohne Charme und Kreativität

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
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Vor vier Jahren hatte Jean Perdu sein Leben als Buchhändler in Paris zurückgelassen, um mit seiner Lebensgefährtin Catherine ein neues Leben in der Provence anzufangen.
Kurz vor seinem 55. Geburtstag ...

Vor vier Jahren hatte Jean Perdu sein Leben als Buchhändler in Paris zurückgelassen, um mit seiner Lebensgefährtin Catherine ein neues Leben in der Provence anzufangen.
Kurz vor seinem 55. Geburtstag erhält er Post von einem inzwischen verstorbenen Schriftsteller, der ihm sein letztes Manuskript anvertraut, dessen Verwendung jedoch an eine Bedingung geknüpft ist.
Gleichzeitig spüren seine Freunde, dass Jean mit seinem Leben in der Provence nicht ganz glücklich ist und geben ihm seine fahrende Buchhandlung - sein Bücherschiff - zurück, das in der Zwischenzeit als Bistro fungiert hatte. Zusammen mit Max Jordan, dem Freund seiner potentiellen Tochter, der sich in einer persönlichen Krise befindet, überführt Jean das Bücherschiff über die Kanäle Frankreichs zurück nach Paris. Auf ihrem fast zweiwöchigen Weg begegnen sie Menschen, die verloren oder auf der Suche sind, weshalb Jean wieder das Potential seiner literarischen Apotheke herausholen kann und andere die Magie und machtvolle Heilung durch Bücher erfahren lässt.

"Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" ist die Fortsetzung des Bestsellers "Das Lavendelzimmer". Die Geschichte ist jedoch in sich geschlossen, so dass der Roman auch ohne Vorkenntnisse zu lesen ist, hilfreich ist aber in jedem Fall, den Kern der Vorgeschichte zu kennen, um Monsieur Perdu, seine Weggefährten und die Geschichte des Bücherschiffs als fahrende literarische Apotheke besser nachvollziehen zu können.

Die Geschichte ist dialoglastig, wenig ereignisreich und wirkt eher wie ein Konzeptbuch als eine lebendige Erzählung.
Die Kapitel werden am Ende mit Abdrucken aus Monsieur Perdus Aufzeichnungen, der "Großen Enzyklopädie der Kleinen Gefühle", einem Handbuch für "Literarische Pharmazeut:innen", ergänzt. Diese Einträge sind manchmal fast so lang wie das Kapitel selbst und haben für die Geschichte keinen Mehrwert. Einzelne Wortdefinitionen und Erklärungen für "Seelen-Maladies" dieses Wörterbuchs fand ich eindrücklich und pointiert, andere wirkten viel zu bemüht auf Bücher bezogen und ermüdeten mit der Aufzählung einzelner Buchtitel, Autoren oder Helden aus Büchern.

Dass Bücher mehr als ein Hobby sind, Halt geben und Ratgeber sein können, dass Geschichten die Sorgen des Alltags vergessen lassen können, Stress lindern und entspannend wirken können, steht außer Frage. Dass Monsieur Perdu mit seiner literarischen Apotheke deshalb Menschen helfen kann, indem er sie an die für sie passenden Bücher heranführt, ist deshalb auch eine schöne Idee, die jedoch bereits in "Das Lavendelzimmer" erzählt wurde. So fehlte dem "Bücherschiff" eine neue Idee und wer "Das Lavendelzimmer" nicht kennt, für den mag die Geschichte zu oberflächlich erscheinen, da weder das Bücherschiff näher beschrieben wird, noch die Magie der Bücher durch konkrete Beispiele erfahrbar wird.

Mir ging zudem vieles zu leicht - das 16-jährige, von Liebeskummer geplagte Mädchen, das sich nach wenigen Tagen auf dem Schiff öffnet, sich Büchern anvertraut und dann selbst Buchhändlerin werden will - der verstummte kleine Junge, der nach wenigen Tagen auf dem Schiff und der Hilfe eines trauernden Hundes wieder zu sprechen beginnt - die Genesung der Schiffspassagiere empfand ich als zu idealistisch, zu romantisierend und zu gekünstelt dargestellt. Der Einfluss der literarischen Apotheke und der Kontakt zu höchster Prominenz erschien mir zu übertrieben.

Die Hauptfiguren sind wenig zugänglich. Jean Perdu wirkt wie ein ewig Gestriger, der sich hinter Büchern versteckt und lieber anderen hilft, als seine eigenen Probleme zu lösen. Dass er mit 55 Jahren und trotz neuer Liebe immer noch seiner Jugendliebe hinterhertrauert und nicht in der Lage ist zu klären, ob es sich bei Victoria um seine leibliche Tochter handelt, fand ich genauso befremdlich wie der schnelle Schluss von Freundschaften mit allen Besuchern des Bücherschiffs.

Die Botschaft der heilenden Wirkung von Büchern ist nach wie vor schön, die Geschichte dazu wirkte auf mich wenig durchdacht: Ein Schiff, das von heute auf morgen vom Bistro zur Buchhandlung wird? Ein Buchhändler, der offenbar vier Jahre lang den Buchmarkt nicht beobachtete und keine neuen Bücher gelesen hat? Jean Perdus übereilter Aufbruch nach Paris? Keine Diskussion über den zukünftigen Standort der Paarbeziehung?

"Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" und ich kamen einfach nicht wirklich zusammen. Dazu ein passendes Zitat aus dem Buch:

"(...) Man hat das Gefühl, man sei dem Buch verpflichtet, es zu Ende zu lesen, weil, da hat sich jemand Mühe gegeben, und schlecht ist es ja nicht, es ist nur so: Wir passen nicht zueinander, du und ich. Ich sehe nicht, dass wir Freunde, Vertraute, Liebende oder Komplizen werden. Du bist einfach nur Wörter auf Papier. (...)" (S. 182).

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Veröffentlicht am 15.02.2023

Lahmes Hin und Her um Liebe und Selbstliebe, nervenzehrend und gekünstelt ohne Empathie für die Figuren

Mit dir allein
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Cleo Wilder ist 29 Jahre alt, lebt in London und ist Autorin einer Single-Kolumne eines Online-Magazins. Unglücklich mit ihrem andauernden Single-Dasein, worunter ihre Kolumne leidet, überredet ihre Chefin ...

Cleo Wilder ist 29 Jahre alt, lebt in London und ist Autorin einer Single-Kolumne eines Online-Magazins. Unglücklich mit ihrem andauernden Single-Dasein, worunter ihre Kolumne leidet, überredet ihre Chefin sie zu einer Auszeit auf einer Insel vor der irischen Küste, wo sie das soziale Experiment der Selbstverpartnerung wagen und lernen, sich selbst zu lieben soll.
Mack Sullivan ist 35 Jahre alt, verheiratet, Vater zweier Kinder und arbeitet als Fotograf in Boston. Von seiner Ehefrau ist er getrennt, möchte aber seine Familie nicht aufgeben. Mit dem Aufenthalt auf Salvation Island kommt er dem Wunsch seiner Frau nach Abstand nach und arbeitet gleichzeitig an einem Fotoprojekt über seine familiären Wurzeln, die ihn mit Salvation Island verbinden.
Auf der Insel angekommen stellen beide fest, dass die Otter Lodge doppelt gebucht ist und da keiner von ihnen die Insel so schnell verlassen möchte, müssen sie sich das Ferienhäuschen gezwungenermaßen gemeinsam teilen. Nach Startschwierigkeiten und anfänglicher Antipathie kommen sich die unfreiwilligen Mitbewohner durch ihre nächtlichen Gespräche, in denen sie immer mehr über sich preis geben, näher als sie wollen - im Wissen, dass ihr Aufenthalt endlich ist und sie anschließend nichts mehr miteinander verbinden wird. Oder?

Männlein und Weiblein, beide einsam und zusammen auf engstem Raum - da ist vorprogrammiert, wie sich die Geschichte entwickeln wird, was bei Liebesromanen auch verzeihlich ist. Das Setting ist dennoch ein wenig einfallslos und konstruiert: eine Ferienunterkunft, die doppelt belegt ist und gleichzeitig die einzige Übernachtungsmöglichkeit ist; eine Insel, die nur einmal wöchentlich per Boot angesteuert wird, was aufgrund der Witterung aber derzeit unmöglich ist.

Abwechselnd aus beiden Perspektiven geschildert, ist die Geschichte klassisch aufgebaut, aber es fällt dennoch schwer, eine Verbindung zu den Hauptfiguren aufzubauen, deren Leben abseits der Insel fremd bleiben. Auch ist keine Chemie zwischen beiden spürbar. Einziges verbindendes Element ist die Lodge und der Versuch, tiefgehende Gespräche hinter ihrer Demarkationslinie zu führen.
Egal wie man zu Selbstverpartnerung und der inszenierten Ich-Heirat stehen mag, ist unverständlich, warum Cleo so zwanghaft an diesem Konzept festhält. Selbst für ihre Kolumne wäre es ehrlicher gewesen zuzugeben, dass sie allein einsam und sie sich selbst eben nicht genug ist. So kann man die Solo-Zeremonie mit Ring und weißem Kleid als Zeichen der Selbstliebe interpretieren, wofür man vermutlich etwas esoterisch angehaucht sein sollte. Macks Verhalten wirkt dagegen unentschlossen, was angesichts seiner familiären Konstellation aber glaubwürdiger ist. Die Beweihräucherung, wie sehr er seine Söhne liebt, ist als sein einziges Merkmal jedoch ermüdend.

Der Roman wird euphorisch als "die romantischste Geschichte des Jahres" angepriesen, was Erwartungen weckt, die die Geschichte nicht halten kann. Auch wenn die äußeren Umstände gegeben sind, kommen die Emotionen nicht an, die Charaktere bleiben blass und selbst die Insel entwickelt nicht den Charme, der die Geschichte etwas liebenswürdiger, facettenreicher und lebhafter gemacht hätte. Das andauernde Hin und Her um Liebe, Mikroliebe und Selbstliebe ist nervenzehrend und zu gekünstelt, als dass es ein warmes Gefühl und die Hoffnung auf ein Happy End wecken würde.

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Langweilige Geschichte ohne tiefergehende Auseinandersetzung mit den Problemstellungen

Frau in den Wellen
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Joni wird Mitte der 1960er-Jahre in Österreich als Tochter unkonventioneller Eltern geboren, die ihr Kind weitestgehend in der Obhut der Tante aufwachsen lassen. Sie heiratet früh den Diplomaten Dr. Georg ...

Joni wird Mitte der 1960er-Jahre in Österreich als Tochter unkonventioneller Eltern geboren, die ihr Kind weitestgehend in der Obhut der Tante aufwachsen lassen. Sie heiratet früh den Diplomaten Dr. Georg Lauba, wird schwanger und zieht mit ihm nach Ostberlin. Sie selbst macht Karriere als Wissenschaftlerin und Soziologin und trennt sich nach dem Fall der Mauer von ihrem Ehemann. Ihre Tochter Stefanie wächst beim Vater auf, während Joni wie eine Nomadin durch die Welt reist und nirgendwo ein festes Zuhause hat. Sie hat viele Freunde und Affären, kehrt jedoch zur Jahrtausendwende kurzzeitig zu Georg zurück und wird erneut schwanger. Auch der Sohn vermag die beiden nicht stärker zu verbinden, Joni bleibt rastlos und verlässt ihren Exmann abermals. Die beiden pflegen ein gutes Verhältnis, auch als Georg erneut heiratet, die Kinder empfängt Joni in Hotels oder bei ihren Freunden weltweit.
Trotz ihrer Bekanntheit als wissenschaftliche Beraterin hält sich Joni in der Öffentlichkeit zurück und geht Kritiken an ihrem Lebensstil als berufstätiger Frau, die ihre Kinder dem Mann überlässt, aus dem Weg. Doch als ein Foto von ihr zusammen mit einem Mann veröffentlicht wird und Wellen schlägt, muss sie sich mit ganz anderen unschönen und geradezu feindseligen Kommentaren auseinandersetzen und bekommt zu spüren, dass sie als Mutter gebraucht wird.

"Frau in den Wellen" ist die Lebensgeschichte einer Frau, angefangen von ihrer Kindheit in Österreich in den 1960er-Jahren, bis als erwachsene Frau mit Anfang 50 Jahren im Jahr 2018. Auch wenn ihre Geschichte im Wesentlichen chronologisch erzählt wird, gibt es innerhalb der Kapitel zahlreiche Zeitsprünge in Form von Erinnerungen - bruchstückhafte Gedanken oder Episoden über Treffen mit ihren Freunden und Aufenthalte in verschiedenen Ländern - die ein flüssiges Lesen erschweren.

Der Schreibstil ist nüchtern und distanziert, eher berichtend statt erzählend. So fällt es schwer, sich in Joni, die als so charismatisch und königlich beschrieben wird, hineinzuversetzen oder gar zu bewundern. Auch ihre beruflichen Erfolge und was sie umtreibt, bleiben vage.
Der Handlungsstrang wird durch kursive Texte unterbrochen - mehrere Briefe über die Jahre hinweg, die an Joni gerichtet sind und wie eine Art Rechtfertigung zu lesen sind und eigentlich nur von ihr selbst stammen können.

Die Geschichte plätschert dahin, ohne dass sie wirkliches Interesse für Joni oder ihr Leben wecken kann. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Dasein zwischen Beruf und Mutter findet nicht statt. Joni zeigt wenig Empathie für ihre Familie und Freude, kümmert sich nur halbherzig um sie. Es ist dabei nicht so, dass ihr Beruf so erdrückend ist oder im Vordergrund steht - Joni kann es einfach nicht besser. Sie wirkt rastlos, heimatlos und getrieben.

Auch wenn Joni als Frau, die sich scheiden lässt und die Erziehung der Kinder ihrem Exmann überlässt, nicht dem klassischen Rollenbild entspricht, in den 1990er-Jahren als Ausnahme gelten mochte und mit ihrem Verhalten in der Gesellschaft aneckt, ist ihre Lebensgeschichte langweilig geschrieben und gibt zu wenig Preis aus ihrem Leben als berufstätiger Frau und den Spannungen, die sich daraus ergeben.
Lange sorgt einzig der Handlungsstrang "Dr. Joni Lanka vs. Unbekannt" für Interesse, der Einsichten von Dritten über Joni zeigt und dessen Hintergrund erst später bekannt wird. Dieser von Rechtspopulismus und Rassismus geprägte Konflikt ist eine Folge der Flüchtlingskrise 2015/2016 und nicht Ausprägung von Jonis Lebensentwurf, weshalb er zum Rest der Handlung nicht wirklich passen mochte und wie alle anderen Facetten des Romans nur oberflächlich bleibt.
Der Klappentext weckt mit "mitreißende Geschichte einer willensstarken, unkonventionellen Frau, die stets auf dem Drahtseil zwischen Unabhängigkeit und Eingebundensein balanciert" hohe Erwartungen, die jedoch weder mit der Art der Erzählweise noch mit Jonis Persönlichkeit erfüllt werden.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Nach einem packenden Einstieg zu verwirrend, nicht plausibel und vor allem zu spannungsarm.

Pretty Girls
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Am 4. März 1991 verschwindet die 19-jährige Julia spurlos, die Ermittlungen bleiben ergebnislos, eine Leiche wird nicht gefunden. Weder die Eltern noch die beiden Schwestern Lydia und Claire haben den ...

Am 4. März 1991 verschwindet die 19-jährige Julia spurlos, die Ermittlungen bleiben ergebnislos, eine Leiche wird nicht gefunden. Weder die Eltern noch die beiden Schwestern Lydia und Claire haben den Verlust verkraftet. Die Familie zerbrach an der Tragödie.
24 Jahre später wird der Ehemann Paul von Claire vor ihren Augen brutal ermordet. Nach der Beerdigung und einem Einbruch in ihrem Haus findet Claire verstörende Videos, Snuff-Pornos, auf einer externen Festplatte in Pauls Garage. Entsetzt übergibt Claire das Videomaterial der Polizei, die ihr versichert, dass die Filme nicht echt sind. Claire wendet sich hilfesuchend an ihre Schwester Lydia, die vor 18 Jahren behauptet hatte, Paul hätte versucht, sie zu vergewaltigen. Zusammen versuchen sie zu recherchieren, wer Paul wirklich war und was er mit den Morden vor laufender Kamera zu tun gehabt haben könnte. Was sie dann - ohne Vertrauen auf Polizei und FBI entdecken, führt sie noch weiter zurück in die Vergangenheit.

"Pretty Girls" ist in der Gegenwart abwechselnd aus der Perspektive von Lydia und Claire geschrieben, die beide noch als Erwachsene vom Verlust ihrer Schwester Julia traumatisiert sind. Eine dritte Sicht ist die des Vaters Sam, der sich in der Vergangenheit an seine vermisste Tochter richtet.

Es ist ein Thriller, der viele brutale und widerliche Szenen enthält, die so explizit nicht unbedingt nötig gewesen wären.
Das Buch beginnt spannend mit dem Mord an Claires Ehemann und dem anschließenden Fund der gewalttätigen Videos. Die Aufklärung, wie Paul damit in Zusammenhang steht, verläuft jedoch sehr zäh. Die Charaktere und ihre Motivation - egal ob von staatlicher Seite, von Opfer oder Täter - sind sehr undurchsichtig. Die Geschichte kommt trotz des vielversprechenden Szenarios nicht in Fahrt und langweilt durch Wiederholungen und Szenen, in denen zu wenig passiert. Einige Details, vom plötzlichen Auftreten der Mutter über das problemlose Knacken von Passwörtern durch die bisher eher naive Claire bis hin zu ihrem Alleingang in der Aufklärung einer jahrzehntelangen Mordserie wirkten arg konstruiert. Dazu kommt, dass es - wie so häufig in Thrillern - keinen sympathischen Protagonisten gibt, mit dem man mitfühlen könnte.
"Pretty Girls" war mir nach einem packenden Einstieg zu verwirrend, nicht plausibel und vor allem zu spannungsarm.

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