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Veröffentlicht am 07.02.2019

Der Grat zwischen Ego und Witz

Lange Beine, kurze Lügen
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Was soll der ganze Hype?
Vorne weg: Mir war Michael Buchinger vor seinem Buch „Lange Beine, kurze Lügen“ kein Begriff. Weder habe ich vorher ein Video gesehen, sein anderes Buch gelesen oder seinen instagram-Kanal ...

Was soll der ganze Hype?
Vorne weg: Mir war Michael Buchinger vor seinem Buch „Lange Beine, kurze Lügen“ kein Begriff. Weder habe ich vorher ein Video gesehen, sein anderes Buch gelesen oder seinen instagram-Kanal besucht. Die Worte Vice-Redakteur lösen in mir auch mehr Skepsis als Neugier aus, aber manchmal muss man tun, was man tun muss – und dann liest man das Ebook, obwohl die Leseprobe einen die Stirn hat runzeln lassen.
Denn um was geht es? Um Lügen. Um kleine Lügen oder auch Große – das alles gepaart mit einer Sammlung kleiner Anekdoten aus seinem Leben. Vorne weg: Die Leseprobe war wirklich nicht meins. Großkotzig und unsympathisch kam mir Buchinger vor, gerade nach der Geschichte als er seinen Ausweis vergessen hatte und trotzdem in ein Flugzeug gelassen werden wollte.
Aber die Mühe und auch meine Neugier haben sich doch belohnt – denn, was noch mau anfing, wird wirklich amüsant. Vielleicht war es einfach die falsche Auswahl an Geschichten oder Startschwierigkeiten oder Buchinger altes Problem á la „Zeig doch mal dein wahres Gesicht“.
Und nun? Den Hype verstehe ich immer noch nicht, schallend lachend saß ich bisher auch nicht auf der Couch, aber ich wurde die meiste Zeit des Lesens unterhalten. Gerade die kleinen Anekdoten in der Mitte des Buches, rund um sein Coming-Out oder über Blinddates, waren wirklich sympathisch, humorvoll und mit der gewissen Prise Etwas. An sich liest es sich recht zügig, da die einzelnen Abschnitte angenehm kurz sind und man schnell mal pausieren kann.
Trotzdem ist der Grat zwischen Humor und Ego an manchen Stellen sehr schmal und so war es eben kein Witz, sondern einfach nur Show und Egogehabe. Dahingehend leider nicht so rund wie ich mir gerade leichte, humorvolle Lektüre vorstelle.
Außerdem… Vielleicht ist es die Thematik. Aber ich hab es einfach nicht so mit Lügen und Lügnern. Buchinger präsentiert sich als schillernde Mediengestalt, die es halt „mal nicht so genau nimmt mit der Wahrheit“. Aber eben diesen Anspruch habe ich an mich und auch an die Menschen mit denen ich mich umgebe. Notlügen seien mal außen vor, wir alle sind nicht rund um die Uhr ehrlich. Aber mir bleibt der Lacher doch im Halse stecken, wenn er erzählt wie er jahrelang Geschichten um seine Wohnung oder Beziehungen konstruiert hat. Finden die BuchingerFans vielleicht witzig, ehrlich und sympathisch – ich eher fragwürdig.
Daher eine kurzweilige, streckenweise witzige Unterhaltung, die mir aber keinen Anlass gibt, auch noch das andere Buch in Windeseile zu kaufen. Wer leicht unterhalten werden möchte, aber auch kein Problem mit der Selbstdarstellung des Autors hat, wird hier auf seine Kosten kommen.

Veröffentlicht am 16.10.2017

Stiller Stillstand

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Man stelle sich vor – zwei bedeutende Denker hätten die Möglichkeit sich an einen Tisch setzen und über ihre Theorien zu plaudern. Genau das hat Ilona Jerger in ihrem Buch „Und Marx stand still in Darwins ...

Man stelle sich vor – zwei bedeutende Denker hätten die Möglichkeit sich an einen Tisch setzen und über ihre Theorien zu plaudern. Genau das hat Ilona Jerger in ihrem Buch „Und Marx stand still in Darwins Garten“ möglich gemacht. Sie hat die beiden Männer im Jahr 1881 an denselben Ort gebracht, London. Beide gebeutelt durchs Leben und durch Krankheit, haben sie den gemeinsamen Arzt Dr. Beckett, der immer wieder mit dem Gedanken spielt die zeternden, alten Herren in einen Raum zu kriegen.
Wirklich getroffen haben sich die beiden nie, doch Jerger versucht in ihrem Roman eine Mischung aus Fiktion und Fakten, ein Drahtseilakt, der ihr nur stellenweise gelingt. Die Grundidee, famos – zwei bedeutsame Männer, die damals wirklich so nah beieinander wohnten, miteinander zu verbinden, ihnen Raum zu geben und sich unterhalten zu lassen. Doch ist der Weg bis zu dem wirklichen Aufeinandertreffen eine schier endlose Einleitung. Seite um Seite vergeht, Darwin hadert, Marx zetert. Wirklich Neues erfährt man nicht. Man bekommt einen guten Einblick in die Leben der Beiden, in deren Sinnkrisen und deren Werke – aber auch nur oberflächlich. Das Treffen, auf das nach rund Hälfte des Buches nicht nur Doktor Beckett hin fiebert, verläuft hingegen fad. Zu kurz ist der Moment, in dem sich die brillanten Denker gegenüber stehen und noch kürzer der Moment, in dem sie sich wirklich unterhalten. Die Szene, in die beiden unter vier Augen Gedanken austauschen, schon durch Leseproben, Einleitungen und Kurzzusammenfassungen bekannt. Was das beim Leser auslöst? Vor allem Ernüchterung.
Trotzdem kann Ilona Jerger schreiben. Die Sätze sind leicht, schnell zu lesen, trotz der vermeintlichen Schwere des Inhaltes. Doch auch dieser Umstand hilft nicht über die Schwächen des Buches hinweg, denn wie man es dreht und wie man es wendet – die Erwartungshaltung war eine andere. Es ist viel mehr ein. Es ist viel mehr der Dialog Darwins und Marx‘ mit ihrem Arzt, als miteinander. Jerger hat viel mehr die beiden Genies als Romanfiguren erweckt, durch Briefe und Tagebücher eine Geschichte um sie herum konstruiert, leider hat sie dabei vergessen die Verbindungen zu knüpfen, zu stärken und ein bisschen mehr Spannung unterzumischen.
So bleibt am Ende ein guter Roman, mit Abstrichen. Ein Roman, der durch seinen wunderbaren Schreibstil überzeugt, aber durch die gelenkte Erwartungshaltung des Lesers den einen oder anderen verwirren, linken oder enttäuschen wird.

Veröffentlicht am 23.08.2017

Der Blick in dein anderes Leben

Der Brief
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"Was wäre wenn" - diese Frage haben wir uns sicherlich alle schon einmal gestellt. Was wäre, wenn ich damals das Studium abgebrochen hätte? Wenn ich woanders hingezogen wäre? Wenn ich mich für einen anderen ...

"Was wäre wenn" - diese Frage haben wir uns sicherlich alle schon einmal gestellt. Was wäre, wenn ich damals das Studium abgebrochen hätte? Wenn ich woanders hingezogen wäre? Wenn ich mich für einen anderen Partner entschieden hätte? Doch wir bekommen die Antworten nicht darauf.

Marie schon. Eines Tages erhält sie einen Brief ihrer alten Schulfreundin, die über ihren Alltag erzählt. Doch obwohl der Brief an sie adressiert ist, könnte ihr der Inhalt nicht fremder sein. Denn Christine erzählt von einer längst verstorbenen Freundin und angeblich würde Marie in Paris leben. Als sie Christine zur Rede stellt, will diese von dem Brief nichts wissen. Doch dabei bleibt es nicht. Es folgen Briefe, Anrufe, Bilder - Marie scheint ein alternatives Leben in Paris zu führen, das so ganz anders verlaufen ist als das, was sie jetzt lebt. Doch woher kommen diese Briefe?

Das versucht Marie in "Der Brief" von Carolin Hagebölling herauszufinden und reist an ihr unbekannte Orte, erlebt Déjà-vus und trifft auf Menschen, die ihr scheinbar bekannt vorkommen. Durch den kurzweiligen Schreibstil lässt sich Maries Reise durch eine gefühlte Paralellwelt, die voller "Waswärewenns" ist, schnell und flüssig lesen. Der Roman kommt knapper daher und umfasst gerade mal 219 recht groß geschriebene und sehr großzügig formatierte Seiten, die nur zwei Stunden Zeit beansprucht haben, um zwischen Paris und Hamburg umherzupendeln.

Der Einstieg ist schnell gegeben, die Geschichte startet sofort und auf knapp zweihundert Seiten ist leider auch kein Platz für zusätzliche Informationen. Hier liegt leider aber auch der größte Schwachpunkt des Buches. Weder Marie noch Christine noch deren Partner erhalten viele Details. Alles wirkt sehr oberflächlich, so als sei nur das Nötigste schnell zusammengeschrieben wurden. Marie, obwohl wir sie komplett begleiten, keine andere Sicht kennenlernen, wirkt mir am Ende des Buches kein Stück näher, kein bisschen sympathischer oder nachvollziehbarer. Entscheidungen oder Fragen sind viel zu oft viel zu schnell beantwortet. Briefe aus einer alternativen Zukunft? Kein Problem, aufkeimende Panik kommt zu keinem Zeit wirklich richtig rüber.

Dabei hat das Buch wirklich Potential. Marie wäre, mit ein paar Zusatzinformationen, eine formidable Protagonistin gewesen. Victor und Johanna hätten wunderbare Nebenschauplätze sein können. Doch bei keiner Person, bei keinem Ort kam Leidenschaft rüber. Das Ende hingegen hätte noch 50 Seiten mehr verkraften können. Carolin Hagebölling hätte hier etwas weiterspinnen können, die Geschichte dort noch mal aufgreifen. Doch da war das Ende viel zu offen, viel zu viele Fragen noch da. Daher war "Der Brief" leider eine kurzweilige, angenehme Unterhaltung, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck.

Veröffentlicht am 09.06.2017

Auf dem Weg verloren...

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
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Es gibt diese Bücher, die sieht man in den Verlagsvorschauen, liest die kurze Zusammenfassung und für einen Moment stimmt alles. So ging es mir mit „Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge“ von Ruth ...

Es gibt diese Bücher, die sieht man in den Verlagsvorschauen, liest die kurze Zusammenfassung und für einen Moment stimmt alles. So ging es mir mit „Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge“ von Ruth Hogan. Das Cover sprach mich an, der Inhalt klang wunderbar und überhaupt freute ich mich einfach die Möglichkeit zu haben, so schnell nach der Erscheinung das Buch zu lesen.

Die Idee fand ich niedlich, denn es geht um Anthony, der verlorene Dinge sammelt und hofft, dass er irgendwann diese seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben kann. Dieses Versprechen hat er sich selbst abgenommen, nachdem er selbst etwas so Wichtiges verloren hatte, dass er nie wieder zurückbekam.
…und dann lass ich voller Euphorie die ersten Seiten über Anthony, über Laura, weiterhin bis zu Eunice und Sunshine und ich merkte, wie die Ernüchterung sich nach kurzer Zeit einstellte. Sie Seiten wurden zäh und das Vorankommen dauerte. Ich wollte es mögen – wirklich. Ich wollte es so sehr. Ich dachte, es wäre das perfekte Buch für mich, mit der perfekten Geschichte über Trauer, schwere Entscheidungen, das Leben und wie man sich selber finden kann. Aber leider, so sehr ich es wollte, ist es nicht mein Buch. Da mag das Cover stimmen, da mag die Beschreibung stimmen, aber Mr. Peardew und ich, wir passen leider nicht.
Ich habe Rezensionen gewälzt, das Buch immer wieder neu aufgeklappt und selbst als ich es beendet habe, habe ich Stellen, Geschichten und Passagen nochmal gelesen. Aber ich kann das, was alle empfinden, nicht nachvollziehen.

Das Buch ist keineswegs ein Reinfall und Ruth Hogan ist auch keine schlechte Autorin. Der Schreibstil ist schön, flüssig und leicht zu lesen. Das ganze Buch steckt voller Details und die Charaktere sind wahrlich wunderbar erschaffen. Hogan platziert in die Geschichten noch Anthonys Erzählungen zu den gesammelten Dingen, was wirklich gut gelungen ist und dem Buch etwas mehr Tiefe gibt. Doch trotzdem fehlte mir etwas, vielleicht waren ein paar der Geschichten mir zu viel, ein paar Details zu wenig – die Fahrt kam einfach nicht auf. Immer wieder musste ich pausieren, das Buch weglegen und mir eine kleine Auszeit können. Schade, ich dachte Anthony und ich würden Freunde werden.

Veröffentlicht am 09.06.2017

Stürmischer Auftakt...

Stormheart 1. Die Rebellin
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Auf den Schultern der jungen Königstochter Aurora lastet eine riesen Bürde: sie soll ihr Volk vor den zerstörerischen Stürmen schützen. Dazu nutzt ihre Familie schon jeher ihre Sturmmagie. Was aber noch ...

Auf den Schultern der jungen Königstochter Aurora lastet eine riesen Bürde: sie soll ihr Volk vor den zerstörerischen Stürmen schützen. Dazu nutzt ihre Familie schon jeher ihre Sturmmagie. Was aber noch keiner weiß: Aurora scheint diese Gabe nicht vererbt bekommen zu haben. Daher erschien ihren Eltern eine arrangierte Heirat unerlässlich. Doch als sie ihren baldigen Ehemann kennenlernt, merkt sie, dass er nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Daher fliegt sie aus ihrem Königreich und schließt sich einer Gruppe von Sturmjägern an, denn diese können Stürme ohne Magie jagen…

Stürme, Herzen, magische Kräfte – das Erstlingswerk von Cora Carmack überzeugt durch andere Themen als die gängigen Jugendbücher. Allein schon das Setting durch Königreiche und eine kaum einzuordnenden Ära macht es interessanter als die typischen Dystopien, die seit den Hunger Games förmlich aus den Boden sprießen.

Aurora als Hauptcharakter wirkt stimmig. Sie scheint eigenständig, klug und nachdenklich zu sein, womit sie vielen Jugendbuchkollegen einiges voraushat. Natürlich ist da das Rebellische in ihr, dass sie dazu drängt ihre Familie zu verlassen, jedoch wirken ihre Handlungen wenig überspitzt und zu impulsiv, sondern durchdacht und wenn spontan, dann trotzdem nicht planlos.
Leider ist die Geschichte ab dem Moment, in dem Aurora bei den Sturmjägern ankommt, einer kleinen Flaute ausgesetzt. Im Palast, auf dem Markt und auch die anfängliche Zeit waren sehr, sehr interessant. Jedoch zieht sich ihre Ausbildung ein wenig in die Länge, so dass man hin und wieder auf die noch verbleibenden Seitenzahlen schaut. Mich persönlich stört – bei allen Arten von Büchern – der Fakt der Geheimnisse. Natürlich konnte ich Auroras Entscheidung, niemandem zu sagen, wer sie ist, sehr lange nachvollziehen, jedoch war es irgendwann wirklich anstrengend. Wenn durch einen so viele Steine ins Rollen kommen, dann legt man irgendwann die Karten auf den Tisch. Der letzte Kritikpunkt ist leider die Trilogie. Ich habe kein Problem mit Büchern, die dazu ausgelegt sind, Mehrteiler zu sein. Ein gutes Buch lese ich auch gerne in Fortsetzungen, dennoch glaube ich, dass ein Autor auch eine Idee für einen Abschluss haben sollte, damit man nicht mit einem unfertigen Buch auf dem Schoss sitzt. Stormhearts Ende war leider kein abgeschlossenes und leider auch kein Cliffhanger – es war einfach zu Ende, mitten in der Story. Inhaltlich gab es keinen Strich, der nachzuvollziehen war und natürlich ist mir bewusst, dass man darauf setzt damit Käufer zu finden. Aber ich bin eher genervt. Ich möchte wenigstens eine kohärente Geschichte lesen, die weiter gehen kann, aber nicht eine, die noch nicht einmal erzählt wurde.

Schade, denn wenn sich Cora Carmack mit dem Ende etwas mehr Mühe gegen hätte, dann hätte ich gut und gerne für die wunderbare Geschichte und den Ideenreichtum gerne vier Sterne gegeben. Jetzt sind es gute drei.