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Veröffentlicht am 12.09.2021

Schwere Familiengeschichte

Die Überlebenden
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"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das ...

"Eins weiß ich über Wälder", sagte Papa. "Und zwar, dass jeder seinen eigenen Wald in sich trägt, den er in- und auswendig kennt und der ihm Geborgenheit gibt. Und einen eigenen Wald zu haben, ist das Schönste, was es gibt. Wenn du oft genug durch diesen Wald läufst, kennst du bald jeden Stein, jeden schwierigen Weg..."
Wir sind mitten in Schweden, vor einem roten Sommerhaus – doch nichts mit Idylle. Drei Brüder liegen sich prügelnd in den Armen. Die Gefühle sind übergekocht. Sind sie doch eigentlich aus einem Grund hier: Die Asche ihrer Mutter verstreuen und damit ihren letzten Wunsch erfüllen.
In seinem Roman „Die Überlebenden“ erzählt Alex Schulmann abwechseln in der Gegenwart und Vergangenheit wie es zu dieser Situation kam. Es ist eine bedrückende, schwere Familiengeschichte über drei Brüder, unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Um einen alkoholkranken Vater, eine in sich gekehrte und aggressive Mutter. Alle Jungs wirken um Anerkennung buhlend, angestrengt und ein bisschen verloren. Pierre, Benjamin und Nils – die Brüder – sind sich fremd geworden. Zwischen ihnen viel Ungesagtes, viel liegt in der Luft. Es geht um das Miteinander, den Bruch der Brüder, viel Zwischenmenschliches.
Die Überlebenden liest sich nicht einfach, aber die Geschichte zieht den Leser mit. Schulman erzählt unaufgeregt, bildhaft, ruhig. So bedrückend die Stimmung ist, so sehr kann man den Sommer, die Hitze und den Wald förmlich spüren. Obwohl die Geschichte so bedrückt, spürt man förmlich eine träge Kindheit, warme Sommerabende und das kindliche Freisein. Es ist eine Geschichte über Familie, Beziehungen, aber vor allem auch über Schuld, Verdrängung und Trauma.

Absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 30.08.2021

Österreichischer Sherlock

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Deduktion, moderne Ermittlungsmethoden, drei bis vier Mal um die Ecke denken - das sind die typischen Merkmale der Detektivarbeit von Sherlock Holmes und wer ist bitte ist kein Fan von dem so berühmten ...

Deduktion, moderne Ermittlungsmethoden, drei bis vier Mal um die Ecke denken - das sind die typischen Merkmale der Detektivarbeit von Sherlock Holmes und wer ist bitte ist kein Fan von dem so berühmten Ermittler? Bücher und Filme, die nicht zwangsweise von Sherlock Holmes handeln, aber sich den gleichen Methoden und Erzählarten bedienen, sind immer wieder ein Genuss.
So ist es auch mit „Das Buch des Totengräbers“ von Oliver Pötzsch, welches nicht in Großbritannien spielt, sondern in Wien um 1893. Auch gibt es hier nicht den altbekannten, berühmten Ermittler, aber einen der es mit ihm aufnehmen kann: Leopold von Herzfeldt. Leopold ist seiner Zeit voraus, nutzt Fotoapparate, ermittelt mit Schlussfolgerungen und Laborergebnissen. Seine Arbeit wird nun in Wien gebraucht, wo er sich als neuer Ermittler erst positionieren muss und das zwischen all den alteingefahrenen Polizisten, die „wie immer“ arbeiten.
Nun wurden mehrere Dienstmädchen ermordet – jede von ihnen brutal gepfählt. Augustin Rothmayer, der städtische Totengräber – etwas schrullig, aber sehr hilfreich, hat schon Leichen in jeder Form gesehen, kennt alle Todesursachen und Verwesungsstufen. Schreibt sogar ein Buch darüber. Er weiß auch, dass das Pfählen eine uralte Methode ist, um Untote unter der Erde zu halten. Geht in Wien also ein abergläubischer Serientäter um? So entwickeln Leopold von Herzfeld und August Rothmayer gemeinsam und bilden ein seltsames, aber effektives Duo, das einen famosen Auftakt für eine neue Krimi-Reihe.
…und für einen Auftakt, einen ersten Band, leistet Pötzsch hier super Arbeit. Grundlegend sind Krimis, die nicht in der jetzigen Zeit spielen, für mich persönlich immer schwierig zu lesen. „„Das Buch des Totengräbers“ macht es einem aber sehr einfach. Die Charaktere sind angenehm, haben schon erste Tiefe und sind sympathisch, bzw. klassisch „schwierig“ angehaucht. Der Schreibstil ist fließend, leicht und hilft dem Leser schnell durch die Seiten zu fliegen. Und noch ein großes Plus: der Täter war nicht direkt bekannt und kam mir zwar nicht erst bei Auflösung in den Sinn, aber doch später als gedacht.
Von daher: vielversprechender Anfang für eine neuen Krimi-Reihe, der Lust auf mehr macht!

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Veröffentlicht am 03.05.2021

Zauberhafte Geschichte

Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz
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Zeldas Herz schlägt für Wikinger. Am liebsten wäre sie selbst einer. Furchtlos, stark und bereit für eine holde Maid in den Kampf zu ziehen. Sie liebt klare Strukturen, Regeln und vor allem ihre Sippe, ...

Zeldas Herz schlägt für Wikinger. Am liebsten wäre sie selbst einer. Furchtlos, stark und bereit für eine holde Maid in den Kampf zu ziehen. Sie liebt klare Strukturen, Regeln und vor allem ihre Sippe, in die sie aber nur ganz besondere Personen aufnimmt.
Zelda ist mit dem fetalem Alkoholsyndrom geboren, weil ihre Mutter noch während der Schwangerschaft getrunken hat. Ärzte haben ihr attestiert, dass sie womöglich niemals schreiben, lesen oder selbstständig sein kann – aber Zelda beweist es allen. Sie kann sehr wohl, auf ihre Weise. Und so erzählt „Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ von Andrew David MacDonalds auf eine ganz wunderbare Weise von dieser starken, furchtlosen Frau und ihrer Bewältigung des Alltags. Auf der einen Seite ist dort ihr Bruder Gert, aber auch ihr Freund Marxy, den sie aus einer Gruppe für Menschen mit speziellen Bedürfnissen kennt und mit ihm eine Beziehung führt. Alles klingt nach einem soliden, bodenständigen Leben, wäre ihr Bruder nicht ein bisschen vom richtigen Weg abgekommen. So aufopferungsvoll er für seine kleine Schwester auch ist, hat er doch bei den falschen Menschen um Hilfe gefragt. Immer mehr driftet er auf die falsche Bahn ab und scheint sogar das Studium samt Stipendium zu verlieren. Wäre da nicht Zelda, die für ihn in den Kampf zieht.
Zelda ist schon eine außergewöhnliche, absolut großartige Protagonistin und übernimmt die Erzählung für sich selbst. Aus der Ich-Perspektive erzählt Zelda von ihrem Leben als Wikinger, von Erfahrungen mit Sex, Gefühlen und was es bedeutet Verantwortung zu übernehmen. Der deutsche Titel „Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ sollte nicht über das absolut großartige Buch hinwegtäuschen, dass den Interessierten wohl sehr schnell auf eine Fährt bringt. Wir haben hier weder ein Young Adult-Buch, noch einen romantischen Roman. Vor einem liegt ein Buch über einen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, der jeden Tag über sich selbst hinauswächst, sich reflektiert und dem Leben mutig gegenübersteht.
Schonungslos ehrlich geht es hier um die Integration behinderter bzw. gehandicapter Personen, um Themen wie Sex und Drogen. Durch Zeldas Sprache und ihre Sicht auf das Leben erschließen sich viele Dinge erst nach und nach und man leidet als Leser oft mit, weil man Warnzeichen natürlich schon viel öfter erkennt als eine Zelda es wahrnehmen kann.
Einzig und allein das Ende war mir teils zu extrem, zu überspitzt, während im mittleren Teil der Erzählung streckenweise leicht langatmige Passage zu finden sind.
Alles in allem aber jede Leseminute wert! Zauberhafte Geschichte!

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Veröffentlicht am 26.04.2021

Die unausgesprochenen Dinge

Die Geschichte von Kat und Easy
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Ein Buch, das sich ein bisschen so anfühlt als könnte man den Geruch seiner eigenen Jugend noch einmal in der Nase haben. Als wüsste man schlagartig wie man unbesiegbar und wichtig man sich mit 16/17 Jahren ...

Ein Buch, das sich ein bisschen so anfühlt als könnte man den Geruch seiner eigenen Jugend noch einmal in der Nase haben. Als wüsste man schlagartig wie man unbesiegbar und wichtig man sich mit 16/17 Jahren gegeben hat und wie unsicher man doch eigentlich war.

Susann Pasztor beschreibt ganz wunderbar die tägliche Teenager-Scharade, die man eben so spielt, wenn man noch so jung ist und sich der Welt beweisen will. Doch was dann passiert, wenn man viele Jahre später wieder mit dieser Zeit konfrontiert wird, erzählt sie in dem sie Kat und Easy gemeinsam nach Kreta schickt. Viele, viele Jahre später, als gestandene Frauen, die sich vielleicht auch bewusst aus den Augen verloren haben.

Das Buch hat mir - ohne, dass ich jegliche Erwartungen daran hatte - absolut gut gefallen. Pasztor schreibt so schön leicht, dass das Buch gerade zu verfliegt. Kat und Easy sind beide nicht wirklich Sympathieträger, aber ihre Geschichte ist so nachvollziehbar, dass es ein Genuss war diese zu lesen.

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Fesselnder, psychologischer Thriller

Trauma – Kein Entkommen
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Was ist, wenn dein schlimmstes Erlebnis, dein Trauma dir noch einmal passiert und dich noch einmal einholt?
Was absolut furchtbar klingt, fasst den Plot von "Trauma - Kein Entkommen" geschrieben von Christoph ...

Was ist, wenn dein schlimmstes Erlebnis, dein Trauma dir noch einmal passiert und dich noch einmal einholt?
Was absolut furchtbar klingt, fasst den Plot von "Trauma - Kein Entkommen" geschrieben von Christoph Wortberg bündig zusammen. Es geht um die Ermittlerin Katja Sand, die zusammen mit ihrem Kollegen Rudi Dorfmüller, Hals über Kopf in einem schwierigen Fall landen. Alles wirkt wie ein Selbstmord, wenn nicht das Opfer unter den höchst unwahrscheinlichsten diesen begangen hätte. Denn, wie wahrscheinlich ist, dass sich das Opfer dafür entscheidet sich durch Ertrinken das Leben zu nehmen, wenn er durch einen tragischen Unfall in seiner Vergangenheit panische Angst vor Wasser hat. Plötzlich gibt noch einen ungeklärten Fall und für die Ermittler fangen langsam die Puzzle-Stücke an sich zusammenzufügen.
Wortberg bindet neben die Gegenwart, in der Katja Sands ermittelt, die Kindheit des Täters ein, so dass ein guter Wechsel zwischen beiden Zeitsträngen entsteht.
Die Charaktere sind leider nicht ganz so tiefgreifend und ausgeschmückt, wie es hätte sein können.
Jedoch ist der Fall gut konstruiert. Die Nebenstorys in Form von Katjas Familienleben als auch die Kindheit des Täters machen das Ganze lesenswert und fördern den Lesefluss. An sich ist „Trauma“ kein wirklich spannender Roman, der einen mitreißt, jedoch versteht sich Wortberg wunderbar darauf psychologische Themen, wie das verschiedener Traumata, einzubinden und den Leser dadurch zu fesseln.
Die Geschichte ist gut durchdacht und macht Spaß zu lesen. Gute Unterhaltung für zwischendurch. Trauma ist der erste Band einer anstehenden Trilogie. Band 2 wird schon in diesem Jahr noch erscheinen und wird definitiv bei mir einziehen.

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