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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.11.2020

Für mich der falsche Fokus

Miss Guggenheim
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Die Geschichte über Peggy Guggenheim bleibt leider hinter meinen Erwartungen zurück. Zu sehr wird für meinen Geschmack die „Beziehung“ zu dem Maler Max Ernst in den Fokus gestellt und dabei kommt die Hauptprotagonistin ...

Die Geschichte über Peggy Guggenheim bleibt leider hinter meinen Erwartungen zurück. Zu sehr wird für meinen Geschmack die „Beziehung“ zu dem Maler Max Ernst in den Fokus gestellt und dabei kommt die Hauptprotagonistin nicht gut bei weg. Auch wenn Peggy Guggenheim in Sachen Kunst einen überragenden Weitblick gehabt zu haben scheint, hatte sie im Hinblick auf Max Ernst dann doch eine sehr rosarote Brille auf und wollte die Wahrheit nicht sehen. So zeigt es der Roman. Nicht nur, dass mich dieser Fokus beim Hören des Buches zunehmend gestört hat, so reduziert er meiner Ansicht nach auch das beeindruckende Werk dieser außergewöhnlichen Frau und lässt alles andere in den Hintergrund treten. Aber das ist wahrscheinlich Geschmackssache.

Und ja, dass Peggy Guggenheim ein abwechslungsreiches Leben hatte, wird in diesem Roman durchaus deutlich. Gerade in diesen geschilderten Kriegsjahren, die so viele Wendungen, Verluste und Neuanfänge mit sich brachten. Das hat mich auch sehr interessiert. Und genau aus diesem Grund finde ich es so schade, dass sich die Autorin so sehr auf die unglückliche Liebe zu Max Ernst zu fokussieren scheint und Peggy dadurch oft wirkt, als sei sie eine Person gewesen, die sich grundsätzlich leicht ausnutzen ließ und die zurücksteckte. Wenn, dann ist das aber nur eine Facette dieser Person und in Bezug auf Max Ernst nur eine kurze Episode ihres Lebens, die hier leider alles überstrahlt. Meines Wissens hat sie ihr Leben aber vor allem nach ihren eigenen Regeln gelebt, zahlreiche Affären gehabt und Grenzen sowohl der Kunstwelt als auch des damaligen Frauenbilds gesprengt.

Irritierend fand ich die Passagen, die in Venedig spielen. Sie hatten während des Hörens für mich absolut keinen relevanten Bezug zu der sonstigen Handlung, die zunächst in Paris, später dann in New York spielt, dienten lediglich manchmal als Einleitung zu den Rückblicken. Erst weitere Internetrecherchen meinerseits brachten Licht ins Dunkel und schlossen den Kreis – auch was ihre Entdeckung und Förderung des Malers Jackson Pollock und die Verbindung zu Venedig betrifft. Hier fehlt ganz eindeutig die Einordnung - sowohl in den Roman als auch in das weitere Leben der Kunstmäzenin.

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Veröffentlicht am 07.10.2020

Langsam zündende Rakete

Das verborgene Zimmer
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Ich muss zugeben, ich hätte das Buch am Anfang fast abgebrochen, da die Geschichte erst nach 80 bis 100 Seiten interessant wird und an Spannung zunimmt. Zuvor war es mir zu langatmig und monoton. Ich bereue ...

Ich muss zugeben, ich hätte das Buch am Anfang fast abgebrochen, da die Geschichte erst nach 80 bis 100 Seiten interessant wird und an Spannung zunimmt. Zuvor war es mir zu langatmig und monoton. Ich bereue aber nicht, das Buch dann doch noch weitergelesen zu haben. Letztendlich war es eine fesselnde Geschichte, die ich nach dem Lesen des Klappentextes so allerdings nicht erwartet hätte. Die aktuelle Handlung wird immer wieder durch umfangreiche Rückblicke unterbrochen, die nach und nach ein großes und verstörendes Familiengeheimnis preisgeben. Diese Flashbacks sind fesselnd geschrieben und geben sehr gut die Gefühlswelt der Protagonisten wider. Gestört hat mich allerdings, dass die Autorin von der Vergangenheit erzählt, als ob sie es ihrer jüngeren Tochter erklärt (die Ansprache lautet du), die von den schrecklichen Vorkommnissen aus ihrer Kindheit und der Zeit vor ihrer Geburt nichts weiß. Genau das tut die Mutter aber nicht, vielmehr versucht sie, alles vor ihrer Tochter zu verbergen. Das gelingt so lange, bis die Vergangenheit sie einholt. Und selbst dann sagt sie nur das Nötigste, obwohl die Tochter misstrauisch ist und immer wieder Fragen stellt. Und eigentlich sollte man meinen, dass gerade das unerwartete Ende (mehr wird nicht verraten) viele weitere Fragen und noch mehr Erklärungen nach sich zieht, doch hier endet das Buch, ohne dass dieser Punkt, um den sich die gesamte Geschichte dreht, noch einmal aufgegriffen wird.

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Veröffentlicht am 07.09.2020

Der Funke Magie sprang nicht über

Die Ermordung des Commendatore Band 2
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„Im Leben gibt es einige Dinge, die man nicht erklären kann, und auch einige, die man nicht erklären sollte. Denn in den meisten Fällen geht dabei das Wichtigste verloren“, schreibt Murakami in „Die Ermordung ...

„Im Leben gibt es einige Dinge, die man nicht erklären kann, und auch einige, die man nicht erklären sollte. Denn in den meisten Fällen geht dabei das Wichtigste verloren“, schreibt Murakami in „Die Ermordung des Commendatore II“. Auch wenn ich das beim Lesen des Buches im Hinterkopf behalten hatte, so gelang es mir leider nicht, die Magie, die Murakamis Erzählweise noch im ersten Teil der Geschichte ausgelöst hatte, auch diesmal zu empfinden. Denn Murakami sprengt auch hier wieder die Grenzen zwischen Realität und Fantasie, gerät aber schnell in eine Richtung, die ich in weiten Teilen als zu abgedreht/ zu überdosiert empfinde. Zum Beispiel als der namenlose Maler in sein Unterbewusstsein – seine Abgründe – hinabsteigt. Von Murakami in der Form dargestellt, dass sich dem Protagonisten während eines Besuchs im Altenheim eine Luke im Boden öffnet (die eigentlich nicht existiert), durch die er in eine Unterwelt gelangt, und dort unter anderem mysteriösen Gestalten begegnet, einen geheimnisvollen Fluss überqueren und sich durch eigentlich nicht bezwingbare Höhlen kämpfen muss. Nur um dann in der rätselhaften Steinkammer in seinem Garten anzukommen (die schon während der gesamten Geschichte eine entscheidende Rolle spielt) und von seinem Nachbarn aus dieser befreit wird. Im Buch wird das alles noch viel verrückter dargestellt als es hier eh schon erscheint.

Doch nicht nur diese Passage wirft Fragen auf und hinterlässt Verwirrung. Eine weitere Stelle ist neben Maries Verschwinden (Wie tragen ihr tatsächlicher Aufenthaltsort und ihre Erlebnisse dort zum Fortgeschehen der Geschichte bei?) auch das plötzliche Ende der Geschichte. Für Murakami scheint der Weg das Ziel zu sein. Anders lässt sich der mehr als 900 Seiten andauernde Anlauf der Handlung, gefolgt von einem abrupten Ende voller offener Fragen, nicht erklären. So bleibt mir u.a. ein Rätsel, warum der Maler zum Teil wieder zu den von ihm zuvor so verhassten Verhaltensweisen zurückkehrt (z.B. das klassische Porträtmalen). Denn wirklich geläutert scheint er nach der Erfahrung in den Abgründen seines Unterbewusstseins auch nicht zu sein. Letztendlich bleibt er meist passiv, wie er es eh und je war, und nutzt seine Potenziale nicht.

Fasziniert war ich wieder von der Atmosphäre der Geschichte und der detaillierten Beschreibung von Person, Orten, Tätigkeiten etc. Wobei Murakamis Roman dadurch an manchen Stellen etwas langatmig erschien. Und auch diesmal schaffte es der Autor wieder, Spannung zu erzeugen, wo eigentlich keine ist. Wenn er dabei nicht, wie schon gesagt, über das Ziel hinausschoss… Hinzu kommt, dass ich in dieser Fortsetzung die Fixierung der 13-jährigen Marie auf ihre nicht vorhandene Oberweite, die immer und immer wieder zur Sprache gebracht wird, als störend und unpassend empfinde.

Wie ihr seht, konnte Murakami mich mit dem zweiten Teil seines Künstlerromans nicht überzeugen. Vielleicht bräuchte es eine weitere Fortsetzung (soweit ich weiß, ist diese nicht in Planung), um all die offenen Fragen und Verwirrung zu klären.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Warten aufs große Ganze

Der Wörterschmuggler
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Der „Wörterschmuggler“ von Natalio Grueso nimmt den Leser mit auf eine Reise, auf der die einzelnen Städte nur Schauplätze sind. Schauplätze einer Vielzahl Kurzgeschichten, die oft melancholisch und rührend ...

Der „Wörterschmuggler“ von Natalio Grueso nimmt den Leser mit auf eine Reise, auf der die einzelnen Städte nur Schauplätze sind. Schauplätze einer Vielzahl Kurzgeschichten, die oft melancholisch und rührend anmuten, den einen oder anderen Funken Magie versprühen und dennoch unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie sind nur lose miteinander verwoben und dennoch bilden sie am Ende ein großes Ganzes, dessen Kern die Einsamkeit und die Sehnsucht nach Liebe ist. Denn wie heißt es gleich im ersten Satz des Romans? „Niemand versteht die Einsamkeit besser als ich.“ Und dennoch ist es nicht die Einsamkeit, die der Leser am Ende des Buches mitnimmt. Ganz im Gegenteil.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Was im Leben wichtig ist

Der Salzpfad
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Von jetzt auf gleich obdach- und mittellos. Die über Jahrzehnte aufgebaute Existenz mit einem Wimpernschlag zerstört. Zuhause und Zukunft sind nur noch Fremdwörter. Das allein ist schon kaum vorstellbar. ...

Von jetzt auf gleich obdach- und mittellos. Die über Jahrzehnte aufgebaute Existenz mit einem Wimpernschlag zerstört. Zuhause und Zukunft sind nur noch Fremdwörter. Das allein ist schon kaum vorstellbar. Was aber passiert mit einem, wenn man selbst oder der Ehepartner zusätzlich die Diagnose „unheilbar krank“ erhält? Aufgeben? Verzweifeln? Davonlaufen? Raynor und Moth Winn gehen mit diesem Schicksal auf eine ganz eigene und besondere Weise um: sie wandern mehr als 1.000 Kilometer den South West Coast Path, Englands bekanntesten Küstenweg, entlang. Denn das ist für sie der einzige Ausweg aus der momentanen Lage. Alles was ihnen augenscheinlich geblieben ist, sind der Inhalt ihrer Rucksäcke, ein billiges Zelt und so wenig Geld, das kaum zum Leben reicht. Doch neben all der Dämonen, die sie auf der Reise begleiten, haben sie vor allem einander und das Gefühl, nicht aufzugeben. Und tatsächlich bringt ihnen jeder Schritt mehr Kraft und Zuversicht. Das Auf und Ab der Gefühle ist beim Lesen spürbar. Kein Wunder, beruht der Roman „Der Salzpfad“ von Raynor Winn doch auf wahren Begebenheiten. Kaum zu glauben, was dieses Ehepaar alles durchmachen musste. Das Buch ist inspirierend, hat aber auch einige Schwachstellen. Mir war es teilweise zu langatmig und unübersichtlich bzw. sprunghaft. Dennoch ist es lesenswert, denn vor allem geht es weitaus tiefer als ein einfaches Reisetagebuch.

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