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Veröffentlicht am 21.09.2020

Roadtrip mit den Geistern der Vergangenheit

Volkswagen Blues
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Bereits 1984 wurde „Volkswagen Blues“ von Jacques Poulin in zahlreichen Sprachen veröffentlich. Erst 36 Jahre später erscheint der Roman nun auch auf Deutsch. Zurecht, denn in diesem nur 246 Seiten dünnen ...

Bereits 1984 wurde „Volkswagen Blues“ von Jacques Poulin in zahlreichen Sprachen veröffentlich. Erst 36 Jahre später erscheint der Roman nun auch auf Deutsch. Zurecht, denn in diesem nur 246 Seiten dünnen Buch steckt bei genauer Betrachtung weitaus mehr als es auf dem ersten Blick scheint.

Jack Waterman ist ein schweigsamer Träumer in der Schreibkrise. Als er es in Montréal nicht mehr aushält, macht er sich auf die Suche nach seinem verschwundenen Bruder Théo. Dessen letzte Spur führt ihn nach Gaspé im Osten Québecs, wo 1534 der französische Entdecker Jacques Cartier landete. Hier begegnet Jack der rastlosen und lesewütigen Halb-Innu Pitsémine, die wegen ihrer langen, dünnen Beine auch die Große Heuschrecke genannt wird und mit einem kleinen schwarzen Kater unterwegs ist. Mit einer Nähe, die nur Fremde verbindet, tun sie sich zusammen. Sie sichten alte Karten und Bücher, suchen nach Hinweisen zu Théos Verbleib und folgen dessen Spur entlang des Oregon Trails quer durch den Kontinent bis nach San Francisco. Doch da geht es schon längst nicht mehr nur um Théo.

Im realen Leben hätten die wenigen wagen Hinweise auf Théos Verbleib sicherlich nie zum Erfolg geführt, aber das hat mich beim Lesen in keinster Weise gestört. Vielleicht macht gerade das diesen besonderen Zauber des Buches aus. Neben den liebenswerten Charakteren, die ohne Frage speziell sind und nicht unterschiedlicher sein könnten. Doch dadurch ergänzen sie sich nicht nur ideal, sondern unterstützen sich auch mental ungemein. Denn zu Beginn ihrer Reise sind beide auf der Suche nach ihren Platz im Leben, stecken voller Zweifel und kämpfen mit den Geistern der Vergangenheit: Jack unter anderem mit dem seines verschwundenen Bruders, der teilweise übermächtig erscheint; Pitsémine mit ihren familiären Wurzeln, die eng mit der Geschichte der Ureinwohner und der ersten Siedler Amerikas verknüpft sind.
Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir viele amüsante Dialoge, in denen sich beide Charaktere gegenseitig einen fantasievollen Schlagabtausch liefern. Und auch wenn sie sich während ihrer Reise in vielerlei Hinsicht sehr nahekommen (es ist keine Liebesgeschichte!), bleiben sie bis zum Schluss beim „Sie“. Überhaupt sind Namen eher Nebensache. Pitsémine wird immer nur liebevoll Große Heuschrecke genannt, Jack überwiegend als „der Mann“ betitelt. Aber auch das passt zur Geschichte und zu den Protagonisten.

Es war ein Vergnügen, diesen Roman zu lesen. Gerade weil der Roadtrip in einer analogen Welt stattfindet, lange bevor das Internet, GPS und Social-Media zur Normalität wurden. Stattdessen ist es eine Hommage an Bücher, Karten und Geschichten. Sowie eine Erinnerung an vergangene Zeiten, die auch noch Generationen später Auswirkungen auf die Menschen haben. Der Roman ist bereichert mit zahlreichen historischen Fakten zur Geschichte der Ureinwohner Amerikas und der ersten Siedler sowie zu den frankophonen Einflüssen auf das Land – ohne dabei belehrend zu wirken. Vielmehr ruft der Autor ins Gedächtnis, auf welchen Hoffnungen und welchem Unrecht das Land gegründet wurde, verbindet das aber immer mit der Leichtigkeit einer Entdeckungsreise. Eine gekonnte Mischung, die wieder einmal folgenden Satz bestätigt: Der Weg ist das Ziel.

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Veröffentlicht am 14.09.2020

Für kleine Nachwuchs-Klimaretter

Groß genug, die Welt zu retten
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Schon das Cover des wunderschön illustrierten Bilderbuchs „Groß genug, um die Welt zu retten“ fällt einem sofort ins Auge. Das Buch ist qualitativ sehr hochwertig und liebevoll gestaltet, auf den Seiten ...

Schon das Cover des wunderschön illustrierten Bilderbuchs „Groß genug, um die Welt zu retten“ fällt einem sofort ins Auge. Das Buch ist qualitativ sehr hochwertig und liebevoll gestaltet, auf den Seiten können die kleinen Leser beim Betrachten der Bilder immer wieder Neues entdecken und die Texte sind kurzgehalten. Insgesamt werden in dem 36 Seiten starken Buch zwölf Kinder vorgestellt, die in ihrem sehr jungen Alter schon erfolgreiche Umwelt- oder Naturschutzprojekte auf die Beine gestellt haben. Jede Doppelseite ist einem Kind und dem jeweiligen Projekt gewidmet. So lernen die Leser zum Beispiel Felix aus Deutschland kennen, der mit seiner Organisation schon mehrere Millionen Bäume gepflanzt hat. Shalise aus Australien sammelt Müll am Strand, um die Meere sauber zu halten. Eunita aus Kenia hat einen Gemeinschaftsgarten angelegt und erklärt anderen die Bedeutung von Insekten und Blütenbestäubung. Die Geschichten und Bilder ermutigen die Kinder, sich selbst zum Thema Umweltschutz Gedanken zu machen und zusammen mit der Hilfe der Erwachsenen kleine Projekte zu starten bzw. bei bereits existierenden Projekten mitzumachen. Soweit ich gesehen habe, wird im Buch allerdings nicht erklärt, dass es die Kinder und ihre Umweltprojekte wirklich gibt. Das finde ich schade. Darüber hinaus hätte ich es toll gefunden, wenn es noch mehr Infos zu den Kindern und ihren tollen Aktionen gegeben hätte. Und auch, was genau die Kinder auf ihre Ideen gebracht hat. Die Texte sind dafür leider zu knapp.

Da das Buch vom Verlag für Kinder ab 4 Jahren eingestuft wird, ist davon auszugehen, dass es auch zum Vorlesen gedacht ist. Das ist auch eine super Idee, der Vorleser muss allerdings damit rechnen, dass er eine Menge zu erklären hat, da Begriffe wie Biodiversität, Stiftung, Chemikalien und Palmöl vorkommen. Und ich denke auch, dass Kinder nicht wissen, was zum Beispiel der Satz „Ich bin findig (…)“ bedeutet. Und noch etwas ist mir aufgefallen: Überall auf den Seiten sind kurze Beschreibungen, Erklärungen etc. verteilt. Allerdings in einer sehr kleinen Schrift, damit sie die Harmonie der Illustrationen nicht stören. Ich befürchte allerdings, dass viele Eltern und Großeltern beim Vorlesen mit der Größe der Buchstaben ihre Schwierigkeiten haben werden.

Nichtsdestotrotz ist das Bilderbuch aufgrund seiner tollen Bilder und seiner Thematik absolut empfehlenswert und schafft es auf spielerische Art und Weise, Kinder für Umwelt-, Klima- und Tierschutz zu sensibilisieren. Denn wenn viele kleine und große Leute an vielen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Suche nach sich selbst

Die Stunde der Liebenden
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Ich lese generell sehr gern Romane, in denen die Handlungsstränge der Gegenwart und Vergangenheit aufeinandertreffen. Auch im Roman „Die Stunde der Liebenden“ von Lucy Foley wurde ich diesbezüglich nicht ...

Ich lese generell sehr gern Romane, in denen die Handlungsstränge der Gegenwart und Vergangenheit aufeinandertreffen. Auch im Roman „Die Stunde der Liebenden“ von Lucy Foley wurde ich diesbezüglich nicht enttäuscht. Geschickt hat die Autorin beide Zeitebenen zu einer gefühlvollen und mitreißen Geschichte verflochten, die ich sehr gern gelesen habe. Das Buch ist kurzweilig und eignet sich ideal für die eine oder andere Lesestunde in der Sonne auf dem Balkon oder der Terrasse. Waren einzelne Handlungsstränge beim Lesen leicht vorhersehbar, schaffte die Geschichte es dennoch, mich das eine oder andere Mal zu überraschen. Einzig und allein vom Ende war ich ein wenig enttäuscht, da dieser meiner Meinung nach ein wenig kurzgehalten war.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Eine etwas andere Liebesgeschichte

Der Blumensammler
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Verwirrung und viele Fragezeichen waren vorherrschend beim Lesen der ersten Kapitel des Romans „Der Blumensammler“ von David Whitehouse. Nichts passte augenscheinlich zusammen. Doch nach und nach setzen ...

Verwirrung und viele Fragezeichen waren vorherrschend beim Lesen der ersten Kapitel des Romans „Der Blumensammler“ von David Whitehouse. Nichts passte augenscheinlich zusammen. Doch nach und nach setzen sich alle Puzzleteile an ihren Platz und die auf angenehme Art etwas verrückte Geschichte zog einen mehr und mehr in seinen Bann – nicht, ohne das eine oder andere Mal den detektivischen Spürsinn zum Leben zu erwecken. Die etwas verschrobene Art und das große Herz des Hauptprotagonisten rührten mich, ebenso seine Fähigkeit, in allem etwas Schönes zu sehen. Auch seine Entwicklung im Buch fand ich gelungen umgesetzt. Am Anfang einsam und zurückhaltend, aber mit dem Willen etwas zu verändern. Schritt für Schritt wächst er über sich hinaus, erweitert seinen Horizont, wie er es nie für möglich gehalten hat, verliert sich dabei aber nie selbst. Auf der Suche nach sechs besonderen Blumen reist er um die ganze Welt und findet mehr, als er zu hoffen gewagt hat. Doch das Glück hat Licht- und Schattenseiten… Fazit: Unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Tolle Kombi aus Spannung und Ruhe

Die Ermordung des Commendatore Band 1
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„Die Ermordung des Commendatore I – Eine Idee erscheint“ ist meine erste Begegnung mit Haruki Murakami. Und es wird sicherlich nicht die letzte sein. Ich kann gar nicht so genau sagen, was mich an diesem ...

„Die Ermordung des Commendatore I – Eine Idee erscheint“ ist meine erste Begegnung mit Haruki Murakami. Und es wird sicherlich nicht die letzte sein. Ich kann gar nicht so genau sagen, was mich an diesem Buch so fasziniert hat. Vielleicht diese unglaubliche Ruhe, die von ihm ausgeht. Denn oberflächlich betrachtet läuft das ganze Geschehen eher langsam und gemächlich ab. Angefangen bei der Krise, in die der Protagonist gerät, nachdem sich seine Frau nach sechs Jahren Ehe unerwartet von ihm trennt. Anstatt sich mit der Situation und seiner Frau auseinanderzusetzen, packt er ein wenig Habseligkeiten zusammen, um mit dem Auto ziellos durchs Land zu reisen. Nur der Anfang seiner gedanklichen und künstlerischen Entwicklung, die noch weiter reift, als der bis dahin wenig bekannte Porträtmaler in einem abgelegenen Atelier Unterschlupf findet und dort seinen geheimnisvollen reichen Nachbarn kennenlernt, der ihn bittet, ein letztes Porträt zu malen. Ausgelöst durch diese Begegnung findet der Protagonist zu einem vorher nie dagewesenen künstlerischen Schaffensdrang, gleichzeitig geschehen aber um ihn herum auch viele merkwürdige Dinge, bei denen sich Realität und Einbildung miteinander vermischen. So erzeugt das Buch ganz ohne Action und Tempo eine ganz eigentümliche Spannung, in die viele kulturelle und historische Aspekte Japans mit einfließen. Ich habe es genossen, beim Lesen nie zu wissen, was als Nächstes passiert, auch wenn am Ende des ersten Bandes eigentlich alle Fragen offengeblieben sind. Welche Rolle spielt der geheimnisvolle Nachbar? Wer ist der Mann ohne Gesicht? Was ist real? Welche Bedeutung hat das Gemälde „Die Ermordung des Commendatore“? Doch das sind gute Gründe, die Fortsetzung zu lesen…

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