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Veröffentlicht am 19.09.2020

Ein intelligent durchdachter Krimi mit einer interessanten Erzählweise

Mord in Highgate
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Inhalt: Ein Scheidungsanwalt wird tot in seinem Haus in Highgate aufgefunden; erschlagen mit einer sündhaft teuren Weinflasche. Auf seine Wand ist eine rätselhafte Zahlenfolge geschmiert worden. Wer von ...

Inhalt: Ein Scheidungsanwalt wird tot in seinem Haus in Highgate aufgefunden; erschlagen mit einer sündhaft teuren Weinflasche. Auf seine Wand ist eine rätselhafte Zahlenfolge geschmiert worden. Wer von den vielen Verdächtigen hat ihn ermordet? Hängt der Mord mit einem anderen Todesfall (ein potenzieller Unfalltod in der Londoner U-Bahn) zusammen? Ein neuer Fall für Privatdetektiv Hawthorne und seinen Chronisten Anthony Horowitz.

Persönliche Meinung: „Mord in Highgate“ besitzt – wie auch schon sein Vorgänger „Ein perfider Plan“ – eine besondere Erzählsituation: Anthony Horowitz, der Autor des Romans, tritt zugleich als Ich-Erzähler und handelnde Figur auf. Dies führt einige interessante (literarische) Kniffe mit sich. Einerseits spielt Horowitz mit den Leserinnen, indem er immer mal wieder Authentizitätsfiktionen einstreut, in denen er beteuert, es habe alles so stattgefunden. Andererseits nutzt der Erzähler Horowitz häufiger die Form des autobiografischen Erzählens (eigene Erlebnisse in der literarischen Szene, eigene literarische Werke), wobei dies teilweise auch ein Versteckspiel sein kann: Der Figur/der Erzähler Horowitz muss nicht vollends identisch mit dem Autor Horowitz sein. Zuletzt wird häufiger die vierte Wand durchbrochen: Horowitz thematisiert häufig den Schreibprozess von „Mord in Highgate“, diskutiert das Genre „Kriminalroman“, beleuchtet den Literaturbetrieb und kommuniziert insgesamt auf einer Metaebene mit den Leserinnen über das Schreiben. Die Beziehung des von Hawthorne und Horowitz ist vergleichbar mit Holmes und Watson. Hawthorne ist der brillante Detektiv; Hawthorne der Chronist. Hawthorne ist skurril bis (bewusst) unsympathisch/unausstehlich gezeichnet; den anderen immer einige Schritte voraus. Seine Vergangenheit ist mysteriös und wird hoffentlich in weiteren Bänden nähergehenden beleuchtet. Horowitz ist gewissermaßen sein Gegenteil: Trotz der (literarischen) Erfolge bescheiden, eher unsicher und ehrlich. Die Handlung ist die eines klassischen Krimis mit viel Ermittlungsarbeit, unzähligen Indizien, mehreren Verdächtigen und Aufdeckungen unterschiedlicher Art. Der Fall ist insgesamt eine Hommage an „Sherlock Holmes“ – sowohl auf inhaltlicher Ebene, worauf ich wegen Spoilergefahr nicht eingehe, als auch in der Konstruktion des Falls. Es gibt unzählige Indizien, die es zu finden und bewerten gilt, die aber zugleich mehrdeutig sind, sodass man sie auch falsch interpretieren kann (das wird in Form eines kleineren und eines größeren Twist am Ende des Romans auch vorgeführt). Die Handlung ist dabei klug konstruiert und intelligent durchdacht, sodass die Auflösung des Falls bis zuletzt spannend bleibt und überraschend ist. Insgesamt ist „Mord in Highgate“ ein Kriminalroman mit einer außergewöhnlichen, literaturwissenschaftlich spannenden Erzählweise und einem intelligent durchdachten, spannenden Fall.

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Veröffentlicht am 17.09.2020

Ein phantastischer Steampunkroman

Castle Rose
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Inhalt: Der Aether hat Tales End in seinem Griff. Nur durch ihn ist Luxus und Wirtschaft im großen Stil möglich. Doch zugleich birgt er ein großes Risiko: Kommen die Menschen mit ihm in Kontakt, fallen ...

Inhalt: Der Aether hat Tales End in seinem Griff. Nur durch ihn ist Luxus und Wirtschaft im großen Stil möglich. Doch zugleich birgt er ein großes Risiko: Kommen die Menschen mit ihm in Kontakt, fallen sie in einen lebenslangen Schlaf; werden zu Sleepern. Auch der Bruder von Julianna, der Protagonistin von „Castle Rose“, ist indirekt mit Aether in Kontakt gekommen, sodass er tödlich erkrankt. Seine Heilung kostet Unsummen. Julianna ist verzweifelt, bis ihr die undurchsichtige Phoebe die rettende Idee bringt: Ein Einbruch in Castle Rose. Dort lebte die Königsfamilie, ehe sich ein Aether-Unfall ereignete. Jetzt ist Castle Rose ein rosenumranktes Schloss, in dem nicht nur immense Schätze schlummern, sondern auch der gesamte Hofstaat.

Persönliche Meinung: Der Erzählstil von „Castle Rose“ ist flott und lässt sich angenehm und flüssig lesen, sodass „Castle Rose“ eine erfrischend kurzweilige Lektüre ist. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive von Julianna, einer starken jungen Frau, die sich nach dem Verschwinden der Eltern um ihren Bruder kümmert. In „Castle Rose“ fließen einige Motive aus dem Dornröschenstoff ein: der nahezu unendliche Schlafzustand, ein verwunschenes Schloss und der Bann brechende Kuss. Interessant ist dabei, wie die verschiedenen Motive neuinterpretiert werden. So stammt z.B. der aufweckende Kuss nicht vom Prinzen: Der Prinz ist ein Sleeper, den Julianna (versehentlich) erweckt. Auch den Grund für den Schlaf, der Aether, fand ich originell. Daneben finden sich in „Castle Rose“ einige Steampunk-Elemente (verschiedene Gadgets, Maschinen und Anubis, das mechanische Gürteltier). Das titelgebende Schloss ist detailliert gezeichnet: Einerseits erinnert es an ein verwunschenes Märchenschloss, andererseits kommen durch die vielen Sleeper im Schloss auch leichte Gruselvibes auf. Die Handlung ist insgesamt rund und hält die eine oder andere Überraschung bereit, auf die ich jetzt nicht näher eingehen kann/möchte. Das Ende ist etwas rasch erzählt und es bleiben kleinere Fragen offen, allerdings fand ich das nicht sonderlich schlimm. Insgesamt ist „Castle Rose. Das schlafende Schloss“ ein flott erzählter und origineller Fantasy-Steampunk-Roman, der schön mit der Dornröschenmotivik spielt.

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Eine Dystopie im Setting der Eifel

Wir Verlorenen
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Inhalt: Die Eifel nach der Apokalypse. Nachdem die Welt von der „Plage“, die die Bevölkerung merklich dezimiert hat, heimgesucht worden ist, ist nichts mehr so, wie es war. Die Nahrungsmittelversorgung, ...

Inhalt: Die Eifel nach der Apokalypse. Nachdem die Welt von der „Plage“, die die Bevölkerung merklich dezimiert hat, heimgesucht worden ist, ist nichts mehr so, wie es war. Die Nahrungsmittelversorgung, die gesellschaftliche Ordnung, Elektrizität und Internet sind zusammengebrochen. Allein das Recht des Stärkeren gilt, das vor allem von den „Verlorenen Jungs“ durchgesetzt wird, einem Fußballverein, der zur Zeit des Ausbruchs der „Plage“ in der Eifel war. Die Protagonistin Smilla kämpft in dieser Welt mit ihrer Gruppe täglichs ums Überleben. Doch die Eintönigkeit wird durchbrochen, als sie einen Bekannten aus dem alten, normalen Leben trifft: Falk, ihren ehemaligen Nachbarn, der ihr zwar neue Hoffnung gibt, allerdings auch eine brutale Seite hat.

Persönliche Meinung: „Wir Verlorenen“ ist ein dystopischer Jugendroman, der gleichzeitig eine Liebesgeschichte thematisiert. Dabei geht „Wir Verlorenen“ aber interessante und erfrischende Wege. Die Dystopie spielt nicht in einer fiktionalen Welt (oder einer dystopischen Variante der USA), sondern direkt vor unserer Haustür: in der Eifel. Dabei werden mehrere bekannte Orte wie die Wüstung Wollseifen, Monschau oder die Ordensburg Vogelsang in die Handlung eingewoben und erhalten einen spezifischen postapokalyptischen Charakter. Andererseits diskutiert „Wir Verlorenen“ auch mehrmals die philosophisch-ethische Frage, inwiefern man in Zeiten, in denen es ums blanke Überleben geht, überhaupt noch moralisch gut handeln könne. Die Liebesgeschichte war für mich ebenfalls authentisch: emotional, unschuldig und jung, ohne kitschig oder übertrieben zu sein. Der Erzählstil ist angenehm zu lesen und fesselnd; die Handlungsorte plastisch und detailliert beschrieben (man merkt dabei, dass die Autorin die Eifel intensiv erwandert hat). Auch Smilla ist – mit ihren Sorgen und Ängsten, Hoffnungen und Träumen – lebendig charakterisiert. Viele der Nebenfiguren greifen die oben genannte philosophische Frage durch ihre Gestaltung, die oft nicht schwarz-weiß ist, auf und diskutieren sie so implizit. Insgesamt ist „Wir Verlorenen“ eine fesselnd geschriebene Dystopie mit einer schönen Liebesgeschichte und einem interessanten Handlungsort.

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Veröffentlicht am 24.08.2020

Eine Novelle mit einem schönen Plottwist

COMING HOME
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Inhalt: Seit einem Sturz auf dem Laufsteg leidet Ji unter Agoraphobie und verlässt das Haus, in dem sie mit ihrem Ehemann Adan wohnt, nicht mehr. Ihren Ehemann umsorgt sie mit Inbrunst, wobei Adan aber ...

Inhalt: Seit einem Sturz auf dem Laufsteg leidet Ji unter Agoraphobie und verlässt das Haus, in dem sie mit ihrem Ehemann Adan wohnt, nicht mehr. Ihren Ehemann umsorgt sie mit Inbrunst, wobei Adan aber immer stärkeren Druck in seinen Vorlieben ausübt, sodass Ji zwanghaftes Verhalten zeigt. Als Ji eines Morgens blutüberströmt und versehrt mit Stichwunden erwacht, beginnt sie immer stärker an Aden zu zweifeln und hinterfragt ihr bisheriges Leben.
Persönliche Meinung: Erzählt wird „Coming Home“ aus der Perspektive Jis, die besonders dadurch plastisch wird, dass wir ihre Gedankenwelt detailliert kennenlernen. Dabei wird das Gehetzte und Zwanghafte Jis und das Toxische der Beziehung glaubhaft und dicht beschrieben. Der Schreibstil ist generell sehr angenehm und flüssig lesbar, wobei besonders die Dialoge natürlich und lebendig formuliert sind. Mit der Entdeckung der Stichwunden entwickelt sich die Handlung immer mehr zu einem Psychothriller, gespickt mit Science-Fiction-Requisiten, in dem Ji verzweifelt versucht herauszufinden, woher die Wunden kommen. Dabei treten immer wieder seltsame Situationen auf, die aus dem Rahmen fallen, sodass man beim Lesen zusammen mit Ji bis zum Finale im Dunkeln tappt und eine schöne Spannungskurve mit Irritationsmomenten entsteht. Das Ende zeichnet sich durch einen schönen Plottwist aus, der die Thrillerhandlung endgültig in Sphären der Science-Fiction erhebt (eigentlich sind es sogar zwei Plottwists, wobei aber der zweite im Windschatten des ersten steht, da dieser stärker mit Lesegewohnheiten bricht). Insgesamt ist „Coming Home“ eine schlüssige Novelle, die besonders durch authentische Dialoge und einem tollen Handlungsbogen besticht.

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Veröffentlicht am 12.08.2020

Eine gelungene Fortsetzung

Pages & Co. (Band 2)
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Inhalt: Die Underlibrary steht nach den Ereignissen von Band 1 Kopf. Das Vertrauen ist zerrüttet, die BibliothekarInnen in der Sache uneins und ein neuer Direktor möchte das freie Buchwandeln verbieten. ...

Inhalt: Die Underlibrary steht nach den Ereignissen von Band 1 Kopf. Das Vertrauen ist zerrüttet, die BibliothekarInnen in der Sache uneins und ein neuer Direktor möchte das freie Buchwandeln verbieten. Für Tilly und Oskar steht ein Familienbesuch bei Oskars Vater in Paris an, wo sich für beide eine einmalige Gelegenheit bietet: Ein Buchwandel in die Welt der Märchen, der waghalsig und ganz anders als vermutet ist. Dabei treffen sie auf neue Freunde, alte Feinde und ein Geheimnis, das den Buchwandel verändern wird.

Persönliche Meinung: „Matilda und das Verschwinden der Buchmagie“ ist eine gelungene Fortsetzung des ersten Bandes, die schöne, neue Wege geht. Einerseits wird die Underlibrary ausführlicher vorgestellt, was der Welt mehr Tiefe gibt. Andererseits wandelt Tilly in eine andere Buchwelt jenseits der Klassiker der Kinderliteratur: Im Fokus steht die Welt der Märchen, die einige Besonderheiten besitzt, die mir gut gefallen haben. Da Märchen ursprünglich mündlich tradiert worden sind, existieren keine „echten“ Primärausgaben, sodass die Märchenwelt chaotischer und unberechenbarer als die Welt der Kinderliteratur ist. Zudem geht Anna James mit Märchenstereotypen wie „Die Prinzessin muss den sie rettenden Prinzen heiraten und lieben“ augenzwinkernd um, sodass sie spielerisch (aber deutlich) hinterfragt werden. Die Handlung selbst bricht mit dem Märchenstereotyp, dass es immer nur richtig oder falsch, gut oder böse gibt. So entziehen sich einige Figuren einer eindeutigen Schematisierung und auch Tilly selbst fragt sich häufig, ob ihre Position denn jetzt „gut“ ist. Der Schreibstil ist wie im ersten Band metaphernreich und detailliert, sodass er sich sehr schön lesen lässt und eine tolle Atmosphäre erzeugt wird. Die Charaktere sind wieder liebevoll gezeichnet, wobei mir diesmal Oskar mit seiner leicht verpeilten Art am besten gefallen hat. Wir treffen auch wieder auf einen alten Bekannten aus dem ersten Band, wobei er diesmal aus einem anderen Blickwinkel gezeigt wird. Insgesamt ist „Matilda und das Verschwinden der Buchmagie“ ein schönes und innovatives Kinder- und Jugendbuch, das sich auch für erwachsene LeserInnen eignet.

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