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Veröffentlicht am 17.10.2021

Unterhaltsam, erhellend, aber kein Highlight

Every
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„Every“ ist die Fortsetzung von „The Circle“. Dave Eggers erledigt das hier mit Konsequenz, Ideenreichtum und Ausdauer.
Das Überwachungssystem vom Circle hat sich weiterentwickelt. Every überwacht nicht ...

„Every“ ist die Fortsetzung von „The Circle“. Dave Eggers erledigt das hier mit Konsequenz, Ideenreichtum und Ausdauer.
Das Überwachungssystem vom Circle hat sich weiterentwickelt. Every überwacht nicht nur alles sondern dirigiert dich auch. Die Everyones werden z.B. bei jeder Tätigkeit von OwnSelf begleitet, dem persönlichen Manager, der körperliche, ethische oder auch logistische Befindlichkeiten des Users begleitet, überwacht und berät. Kannst du nicht einschlafen? Auf, auf, lauf eine Runde um dem Block. Du willst nicht? OwnSelf weiß, was gut für dich ist.

So geht es weiter, immer absurder werden die Neuerungen, es wird alles durchgenommen, womit uns Technik terrorisieren könnte, Augenscannen, Schlafverhalten, Wasserkonsum, sogar der Toilletteninhalt wird analysiert, bist du wirklich ehrlich, ökologisch achtsam, interessiert genug, aufmerksam, anteilnehmend, ein echter Freund oder jemand, der nur so tut?
In allerbester Shitstormmanier verbannen die Everyones nach und nach alles, was irgendwo Anstoß erregen könnte, entwerfen markige Parolen, folgen dem Strom, werden immer beliebiger, weil das sicherer ist.
Das liest sich nett, ist sogar oft witzig, nur wirklich überraschend ist es auch nicht. Es wirkt ein bisschen wie eine Generalabrechnung mit allen socialmedialen Verirrungen, die trotzdem im Grunde vorhersehbar ist. Wundert es irgendjemanden, wenn Siri uns tatsächlich abhören würde? Solche Ideen sind befremdlich, aber nicht neu, müssen hier aber dennoch behandelt werden, der Vollständigkeit halber.
Auch der Hang zum Dozieren, dem hier einfach alle Protagonisten nur zu gern verfallen, ist erhellend, aber auch etwas zäh und moralinsauer.
Dieses Buch behandelt wichtige Themen, führt unterhaltsam moderne Trends ad absurdum, schafft es aber nicht, ein gesundes Gleichgewicht von Moralpredigt zu spannender Romanhandlung herzustellen.
Es macht Spaß, dieses Hörbuch zu hören, aber es hat auch ein paar Längen. Ein echtes Highlight ist es nicht.

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Veröffentlicht am 28.09.2021

Kunstvoll und episch

Wenn wir heimkehren
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Dieses Buch hat auf jeden Fall Qualitäten. Ich mag den Erzählstil sehr, der originell und eindringlich Atmosphäre schafft. Die Beschreibungen sind lebendig, man hat das jeweilige Ambiente plastisch vor ...

Dieses Buch hat auf jeden Fall Qualitäten. Ich mag den Erzählstil sehr, der originell und eindringlich Atmosphäre schafft. Die Beschreibungen sind lebendig, man hat das jeweilige Ambiente plastisch vor Augen. Nur macht das allein noch kein gutes Buch.

Der Kern der Geschichte ist spannend. Margot war es gewohnt, als Tochter aus gutem luxemburger Hause behandelt zu werden, bis der Krieg und ein uneheliches Kind ihr Leben auf den Kopf stellt und sie nach Nazideutschland vertreibt. Künftig ist es klüger, sich Margarete zu nennen.

In den 50er Jahren heißt sie wieder Margot, mit „t“, und landet in einer tragischen Dreiecksbeziehung, hin- und hergerissen zwischen Liebe, Verlangen und Versorgtseinwollen. Ihr Sohn Fred hatte bis dahin auch einiges zu erdulden.

Das ist der Teil des Buches, der anrührt und fesselt und darauf hätte man es vielleicht beschränken sollen. Das letzte Drittel möchte daraus aber ein Familienepos machen und spinnt die Geschichte noch über zwei Generationen weiter mit großen Zeitsprüngen, im Schnelldurchlauf, was die Aussage verwässert und auch nicht mehr sehr interessiert, lernt man doch die weiteren Figuren kaum kennen.

Generell finden sich in diesem Buch einige Stilmittel, die zwar klug erdacht, dann aber überstrapaziert werden. Man wird regelmäßig in eine neue Situation geworfen, eine neue Zeit, ein neuer Ort, unbekannte Personen, die natürlich einfühlsam und auch ausführlich beschrieben werden, nur wie es dazu kam erfährt man durch die Gedanken der Protagonisten, Reflexionen, Erinnerungen, manchmal nur hingetupft, impressionistisch. Natürlich ist so etwas kunstvoll, hinterlässt aber den Eindruck, es passiert rein gar nichts in diesem Buch. Die Gegenwart besteht im Grunde nur aus Ambiente und die Handlung ist schon passiert. Der Leser weiß längst, wie es ausgeht, bevor er weiß, was geschah. Besser kann man Spannung nicht ausbremsen.

Authentische Musik durchweht das Geschehen zu jeder Zeit, auch das ist eine hübsche Idee, die schnell verpufft und dann nervt, wenn man sie zu exzessiv einsetzt.

Obwohl dieses Buch schön geschrieben ist und eine fesselnde Geschichte erzählt, fand ich es leider zäh und zu ausführlich. Vielleicht hat es sich ein bisschen zu viel vorgenommen.

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Veröffentlicht am 09.09.2021

Teenagerliebe mit ein bisschen Fantasy

Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann
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Ein neues Buch von Kerstin Gier, sogar ein Dreiteiler soll es werden, die Welt hält den Atem an und ich durfte es vorab lesen. Danke!

Quinn und Matilda erzählen uns die Geschichte abwechselnd. Sie sind ...

Ein neues Buch von Kerstin Gier, sogar ein Dreiteiler soll es werden, die Welt hält den Atem an und ich durfte es vorab lesen. Danke!

Quinn und Matilda erzählen uns die Geschichte abwechselnd. Sie sind Teenager, Nachbarn, Schüler derselben Schule und hatten trotzdem nie viel miteinander zu tun, bis Quinn einen schlimmen Unfall erleidet und plötzlich auf Hilfe angewiesen ist.

Während beispielsweise die Edelsteintrilogie auch wunderbar für Erwachsene geeignet ist, merkt man hier sofort, das ist eine Liebesgeschichte ausdrücklich für Teenager. Quinn ist so cool und Matilda sooo süß, das ist wundervoll, fängt aber vermutlich nur einen Teil der Gier-Fans ein.

Die anderen warten auf atemraubende Fantasy, die es auch sicherlich geben wird, nur hier im ersten Band der Reihe tritt sie noch sehr hinter der Liebesgeschichte zurück.

Es ist mysteriös, originell, gruselig und zauberhaft, was sich Frau Gier hat einfallen lassen. Es gibt sprechende Statuen, Wesen aus einer Zwischenwelt, Feen, wie man sie noch nie gesehen hat, Schicksalhaftes, Prophezeiungen, Gefahr und auch Action. Aber über all dem steht hier ganz dick LIIIEEBE, Matildas Grübchen und Quinn mit dem dunkelblauen Kapuzenpulli und der Ukulele (Dunkelblau ist doch einfach DIE Farbe. Ja, teenagerfreundliche Klischees werden hier auch gut bedient).

Also, dieser erste Band der neuen Reihe von Kerstin Gier ist hübsch zum Einleben. Man schnuppert kurz am eigentlichen Thema und wartet darauf, dass es bald losgeht. Hoffentlich.

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Veröffentlicht am 03.09.2021

Tolle Milieustudie, ein Roman mit Längen

Harlem Shuffle
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Colson Whitehead kann meisterhaft erzählen. Er kann sich in eine Zeit einfühlen und darin schwelgen, unfassbar detailreich Zeitkolorit und Atmosphäre erschaffen. Leider macht Atmosphäre allein noch kein ...

Colson Whitehead kann meisterhaft erzählen. Er kann sich in eine Zeit einfühlen und darin schwelgen, unfassbar detailreich Zeitkolorit und Atmosphäre erschaffen. Leider macht Atmosphäre allein noch kein gutes Buch.

Hier sind wir in Harlem in den 60er Jahren, wo eigene Regeln herrschen und sich Kleinkriminelle oder auch Größere tummeln und wo man sich behaupten muss.

Carney hat ein Geschäft für Gebrauchtmöbel und ab und an auch andere Gebrauchtwaren. Er möchte ein rechtschaffener Geschäftsmann sein, aber das ist nicht so leicht, wie man meint. Immer wieder kommt sein Cousin Freddie mit Ideen oder heißer Ware. Schnell wird man in krumme Dinge hineingezogen, manchmal kann man sich auch freikaufen, bis man sich schließlich freikaufen muss.

In Harlem ist es schwer, ein ehrlicher Mann zu sein und zu bleiben. Die Gesellschaft dort bildet ein kompliziertes Geflecht aus Abhängigkeiten, die sich nach Einfluss, Hautfarbe, Familie oder Muskelkraft richten. Da gibt es nicht nur schwarz und weiß, sondern auch kaffeebraun in allen Schattierungen.

Das ist hoch interessant, so etwa 150 Seiten lang, dann hat man es verstanden, hat aber noch nicht einmal die Hälfte des Buches gelesen. Immer mehr zwielichtige Gestalten treten auf, deren Background beleuchtet wird, aber es passiert nicht so wirklich was.
Es gibt zahlreiche Rückblenden, Hintergründe, familiäre Befindlichkeiten, historische und politische Analysen oder Anekdoten, nur Handlung gibt es kaum.

Vielleicht muss man dieses Buch als Milieustudie betrachten. In dieser Hinsicht ist es grandios. Als Roman hat es Längen. Zu viel Drumherum verschleiern die sparsame Handlung und dem Helden kommt man nicht so recht nahe.

Dieses Buch hat mich anfangs beeindruckt, dann aber sehr gelangweilt.

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Veröffentlicht am 03.09.2021

Weder Zeitverschwendung noch Mustread

Im Reich der Schuhe
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Eigentlich ist dieses Buch hoch interessant. Da kennt sich jemand aus und erzählt glaubhaft, wie es ist, in China zu leben.

Es geht um eine Schuhfabrik, um skrupellose Industrielle, die das Volk ausbeuten. ...

Eigentlich ist dieses Buch hoch interessant. Da kennt sich jemand aus und erzählt glaubhaft, wie es ist, in China zu leben.

Es geht um eine Schuhfabrik, um skrupellose Industrielle, die das Volk ausbeuten. So wie Alex Vater, der sein Unternehmen extra in China aufbaute, weil die politischen Strukturen höchst profitable Produktionsbedingungen bieten. Die Arbeiter werden mit gnadenloser Menschenverachtung behandelt, wogegen Alex etwas unternehmen möchte. Im Untergrund brodelt es eh schon.

Hier lernt man beide Seiten kennen. Alex, seinen Vater und familiären Hintergrund, aber auch die Arbeiterin Ivy, die Alex zeigt, wie ihr Leben aussieht, nur leider wird hier niemand lebendig.
Mit einiger Weitschweifigkeit aber nahezu ohne Emotionen berichtet Alex von den Ereignissen, von seiner Vergangenheit und von seinen Gedanken, aufschlussreich aber langweilig. Es ist erstaunlich, wie man ein hoch spannendes Thema so öde präsentieren kann. Der Erzählstil ist schön, aber man hat lange das Gefühl, man kommt gar nicht vom Fleck.

Im letzten Drittel des Buches nimmt die Handlung dann Fahrt auf, verliert aber auch jede Glaubwürdigkeit, wenn Alex trotz sorgfältig angelegter Hilflosigkeit zum Superhelden mutiert und mit einem neuen Schuhmodell die chinesische Politik reformieren will.

Dieses Buch hat gute Anlagen, schafft es aber nicht den Leser zu fesseln und geht zum Ende hin auch noch im Pathos unter. Es ist keine Zeitverschwendung, aber auch kein Mustread, immerhin ein aufschlussreicher Ausflug nach China.

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