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Veröffentlicht am 19.09.2018

Wieder absolut TOP!

Liebe und Verderben
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Es sind die Siebziger Jahre des letztesn Jahrhunderts. Hippiekultur und Vietnamkrieg sind vorüber, aber die 12jährige Leni erlebt jeden Tag dieses Lebensgefühl aufs Neue. Seit ihrer Geburt ziehen ihre ...

Es sind die Siebziger Jahre des letztesn Jahrhunderts. Hippiekultur und Vietnamkrieg sind vorüber, aber die 12jährige Leni erlebt jeden Tag dieses Lebensgefühl aufs Neue. Seit ihrer Geburt ziehen ihre Eltern Cora und Ernt Allbright von Ort zu Ort. So findet sie schwer Anschluss und hat keine gleichaltrigen Freunde. Ernt leidet seit seiner Rückkehr aus dem Vietnamkrieg an einer posttraumatischen Störung. Er trinkt zu viel, wird gewalttätig und jobmäßig hält er es nie länger an ein und demselben Arbeitsplatz. Als er von einem befreundeten Vietnamveteran ein Stück Land in Alaska erbt, ist er erstmals voller Tatendrang. Er beschließt mit Frau und Tochter nach Alaska zu ziehen, um nochmals einen Neuanfang zu wagen. Als sie in Kaneq ankommen, werden die Allbrights herzlich aufgenommen. Gemeinschaft wird großgeschrieben und alle packen tatkräftig mit an, um ihre Blockhütte wintersicher zu machen. Hier hilft jeder jeden, denn nur gemeinsam kann man in der Wildnis überleben. Die Gastfreundschaft und die wunderbare Natur geben Leni Hoffnung, dass ihre Eltern endlich einen Platz gefunden haben, wo sie zusammen glücklich werden können. In Matthew findet sie endlich einen gleichaltrigen Freund. Doch die Familie ist nicht auf den langen und rauhen Winter vorbereitet. Es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser und der Weg in die Schule ist weit. Bald werden die Tage kürzer und während die Drei auf engen Raum zusammenleben, kehren die Depressionen und die schrecklichen Dämonen von Ernt zurück. Cora liebt Ernt und wie jede Frau, die geschlagen wird, sucht sie die Schuld bei sich selbst. Doch Ernts Aussetzer und Wahnvorstellungen werden immer schlimmer...

Kristin Hannah begeistert mich immer wieder aufs Neue! Nicht alle ihre Romane konnten mich überzeugen, aber diejenigen, die von mir 5 Sterne bekommen haben ("Die Nachtigall" und "Wie Blüten im Wind") sind Bücher, die mir immer im Gedächtnis bleiben werden und einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal haben. "Liebe und Verderben" gehört nun definitiv dazu!
Der Roman ist jedoch nicht einfach zu lesen, denn Leni muss so einiges in ihrem Leben verkraften. Wir begleiten sie über eine Zeitspanne von ungefähr fünfzehn Jahren und erleben so ihre Entwicklung hautnah mit. Dabei gewinnt sie an Stärke und verliebt sich in das rauhe Alaska. Sie findet endlich so etwas wie Heimat. Ihre einzige Stütze ist Matthew, doch sein Vater Tom ist Ernt's größter Feind. Es hat mir in der Seele weh getan, wie Leni sich nichts sehnlicher wünscht, als eine normale Familie, Liebe und Geborgenheit. Sie versucht so wenig wie möglich aufzufallen, um nicht den Ärger ihres Vaters heraufzubeschwören, während dieser immer verrücktere Wahnvorstellungen hat.

Die Charaktere sind sehr authentisch dargestellt. Cora ist eine eher schwache Frau, die ihren Mann abgöttisch liebt und ihm immer wieder verzeiht. Doch mit der Zeit entdeckt man, dass sie nicht so schwach ist, wie sie erscheint und vorallem ihre Tochter schützen will. Trotzdem konnte ich ihre Handlungen oft nicht verstehen.
Versöhnlich stimmen hingegen die einzigartigen Landschaftsbeschreibungen von Alaska. Die Autorin fängt die Atmosphäre wundervoll ein. Die ausdrucksstarken Beschreibungen der Umgebung, der Wildnis und der Tierwelt, sowie die Unterwerfung der Menschen an die Natur und die Jahreszeiten, werden hervoragend dargestellt. Der intensive und emotionale Schreibstil lassen einem in der Geschichte versinken. Meine Gefühle spielten verrückt, während ich darauf hoffte, dass Leni und Cora endlich nicht mehr leiden müssen. Der Roman ist tiefgründig und spricht einige Themen wie häusliche Gewalt, Eifersucht, das Schicksal der Kriegsveteranen, die unberührte Natur und Traumabewältigung an.Dieses Familiendrama fesselte mich so sehr, dass sich einige Thrillerautoren ein Beispiel nehmen könnten!

Mein einziger kleiner Kritikpunkt an diesem wundervollen Roman ist eine etwas unglaubwürdige Wandlung einer Figur am Ende des Buches. Mehr kann ich nicht dazu sagen, sonst würde ich spoilern.

Schreibstil:
Der emotionale Schreibstil von Kristin Hannah hat mich wieder sofort gepackt und an die Geschichte gefesselt. Die Autorin schreibt intensiv und ausdrucksstark. Die Spannung ist dauerhaft greifbar, lässt aber auch immer wieder nach, um den Leser verschnaufen zu lassen. Keine andere Autorin hat es bis jetzt geschafft mich emotional so zu packen!

Fazit:
Was für eine Achterbahn der Gefühle! Ein grandioses Buch mit unglaublicher Spannung und wunderbarer Landschaftsbeschreibung. Ein Familiendrama, das alles bietet, was man sich von einem 5 Sterne Buch erwartet. Kristin Hannah hat hier wieder ein Meisterwerk abgeliefert. Eine Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzähstil
  • Charaktere
  • Gefühl
Veröffentlicht am 27.08.2018

Tiefer Fall

Adlerschanze
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Ich liebe Krimis, die sich mit dem Wintersport befassen. Als Österreicherin wächst man praktisch mit dem Skisport auf und schon als Kind habe ich alle Skirennen verfolgt. Skispringen nicht so oft, da es ...

Ich liebe Krimis, die sich mit dem Wintersport befassen. Als Österreicherin wächst man praktisch mit dem Skisport auf und schon als Kind habe ich alle Skirennen verfolgt. Skispringen nicht so oft, da es mir meistens zu lange dauerte...;) Aber unsere eigenen Skisprung-Legenden kenne ich natürlich auch. In "Adlerschanze" befinden wir uns jedoch im Schwarzwald.

Im deutschen Hinterzarten, wo sich die titelgebende Adlerschanze befindet, wimmelt es ebenso von ehemaligen Skisprunglegenden: Georg Thoma, Dieter Thoma und Sven Hannawald. Zur Zeit des Skisprung-Sommer-Grand-Prix befindet sich der indischstämmige, aber in Deutschland geborene Kommissar Surendra Sinha im Schwarzwald. Seine Mutter Zenobia hält sich im Moment zur Kur in Hinterzarten auf. Sinha hat sich Urlaub genommen, um ein paar Tage in ihrer Nähe zu verbringen und sie zu besuchen. Doch dieser wird bald getrübt, denn vor dem großen Sportevent wird die Leiche eines junges Mädchen gefunden. Die englischen Walker-Zwillinge, die im selben Appartment wie Surendra untergebracht sind und große Skisprungfans sind, finden die Tote. Es ist Moira, die Freundin von Skisprung-Jungstar Daniel Schobinger, der seinerseits der Sohn des hiesigen Kommissars, Josef Schobinger ist. Eigentlich sind ja die Freiburger Kollegen für die Aufklärung des Falles zuständig, doch Schobinger fällt für einige Tage aus und seine Kollegin Michaela Lux ist alleine auf sich gestellt und völlig überarbeitet. Eigentlich will sich Surendra ja erholen und nicht ermitteln, aber seine Neugierde und ein Gespräch mit dem Trainer der Nachwuchsspringer verleitet ihn der Sache mehr auf den Grund zu gehen. Er erfährt von einem ungeklärten Unfall, der dem damals größten Talent der Mannschaft, Marc Wegener, galt. Seitdem ist dessen Karriere zerstört. Und es dauert nicht lange bis weitere Vorfälle den Skisprung-Wettkampf trüben....

Die Autorin versteht es sehr gut auch Lesern, die sich nicht mit dem Wintersport oder dem Skispringen befassen, diese Sportart näher zu bringen. Doch in "Adlerschanze" geht es nicht nur um das Skispringen, sondern wir genießen auch die indischen Küche, sowie die bildhaften Beschreibungen der wunderschönen Landschaft rund um Hinterzarten. Man rätselt fleißig mit, wer als Mörder von Moira in Frage kommt, die nicht gerade beliebt war. Doch auch in der Nachwuchsmannschaft gibt es weitere Vorkommnisse, die Sinha und seine Freiburger Kollegin Michaela Lux nicht zur Ruhe kommen lassen. Die falschen Fährten und überraschenden Wendungen, die Ingrid Zeller dabei legt, führen den Leser in die Irre und lassen den Spannungsbogen weiter ansteigen. Auch Skisprunglegende Georg Thoma durfte im Buch nicht fehlen und gab der Autorin die Erlaubnis, ihn als Figur miteinzubeziehen.....cool! Genaueres kann man im Nachsatz am Ende des Buches dazu lesen.

Ein Regionalkrimi, der nicht nur Wintersportfans überzeugen wird. Ein sympathischer Kommissar, ein interessanter und abwechslungsreicher Plot, Spannung, eine Prise Humor und Exotik runden das Gesamtbild hier ab.

Schreibstil:
Die lebendige und fesselnde Erzählweise der Autorin hat mich durch das Buch fliegen lassen. Ich wollte es gar nicht mehr aus der Hand legen. Ich habe mitgerätselt, mitgefühlt und bei den humorvollen Dialogen zwischen Sinha und seiner Mutter geschmunzelt. Die Charaktere sind authentisch dargestellt. Mein Kopfkino war immer am Laufen und hatte seine wahre Freude.
Kommissar Surendra Sinha ist eine sehr interessante und sympathischer Figur von ich gerne noch mehr lesen möchte.

Fazit:
Dieser Krimi hat alle Zutaten, die ein spannender und logisch aufgebauter Kriminalfall braucht. Nicht zu blutig, perfekt zum miträtseln, nicht konstruiert und das Ende schlüssig. Dazu eine kleine Portion Humor, wenn es um die Dialoge zwischen Sinha und seiner Mutter geht und einige überraschende Wendungen. Ein perfekter Mix für spannende Stunden! Bitte mehr davon!

Veröffentlicht am 08.08.2018

If I fall

Ein Song bleibt für immer
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Als musikbegeisterte Leserin (und nach dem Lesen der Leseprobe) wollte ich diesen Roman, der auf der wahren Geschichte von Alice Martineau basiert, unbedingt lesen. Der gefühlvolle und mitreißende Schreibstil ...

Als musikbegeisterte Leserin (und nach dem Lesen der Leseprobe) wollte ich diesen Roman, der auf der wahren Geschichte von Alice Martineau basiert, unbedingt lesen. Der gefühlvolle und mitreißende Schreibstil der Autorin macht die Handlung um eine sehr starke junge Frau zu etwas ganz Besonderem.
Denn Alice leidet seit ihrer Geburt an der unheilbaren Lungenkrankheit Mukoviszidose.
Da ich vor vielen Jahren einen Erfahrungsbericht einer Mutter in Buchform gelesen habe, wusste ich bereits was es mit dieser Krankheit auf sich hat und wie niedrig die Lebenserwartungen ohne einer Transplantation sind.

Zu Beginn lesen wir den Tagebucheintrag ihrer Mutter Mary, die mit Alice Geburt und der Diagnose Mukoviszidose beginnt. Jahre später lernen wir eine lebensfrohe und starke junge Frau kennen. Alice lebt ihr Leben in einem raschen Tempo, denn sie hat nichts zu verlieren - außer ihr Leben. Und dieses sieht durch ihre Lungenkrankheit ganz anders aus, als von uns gesunden Menschen. Ein strenger Tagesrhytmus ist Pflicht. Eine Krankenschwester, Medikamente, Therapien und viele Krankenhausaufenthalte sind für Alice ein notwendiges Übel. Nur so kann sie überhaupt überleben. Ihre Energie und ihre Lebensfreude bleiben jedoch unerschütterlich.
Seit ihrer Kindheit liebt Alice die Musik und schreibt eigene Songs. Ihren langgehegten Wunsch Karriere als Sängerin zu machen, schiebt sie allerdings immer vor sich her. Bereits in der Schule hat ihr diese Idee die Klavierlehrerin mit einer stark geschwächten Lungenfunktion singen zu wollen erfolgreich ausgeredet. So widmet sich Alice anderen Dingen, doch die Musik lässt sie nicht wirklich los... und Alice kämpft schlussendlich für ihre Leidenschaft. Sie schafft es tatsächlich einen Produzenten für ihre Songs zu begeistern. Ob sich ihr Wunsch nach einer eigenen Musikkarriere erfüllen wird?

„ Ich möchte, dass etwas von mir bleibt. ... Meine Musik wird weiterleben, ....“

Bei der Vernissage ihres Bruders lernt sie Tom kennen. Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, doch zuerst weiß er nichts von ihrer Krankheit. Im Gegensatz zu Alice Exfreunden lässt er sich jedoch darauf ein. Beide kämpfen darum ein annähernd normales Leben führen zu können. Doch die Krankheit lässt sich nicht aufhalten und Alice lässt sich schlussendlich auf die Warteliste für eine Herz-Lungen-Lebertransplantantion setzen. Sie spürt, dass Tom, wie alle ihre Freunde, eine Familie haben möchte und er sich zurückzuziehen beginnt. Gibt es überhaupt eine Chance für die Beiden?

Ihre Familie und Tom sind für Alice der Fels in der Brandung. Alle haben ihre Wünsche hintenangestellt, denn die Krankheit bestimmt den Lebensrhytmus der Familie. Gemeinsam kämpfen sie für eine annähernd normale Lebensqualität für Alice. Ihre Mutter und ihr Vater sind immer für sie da und ihr Bruder Jake ist ihr bester Freund. Die Selbsthilfegruppe, die Alice mit zwei anderen an Mukoviszidose erkrankten Mädchen gegründet hat, hilft den Freundinnen sehr. Sie machen sich gegenseitig Mut und sind Leidensgenossinen. Denn trotz der schweren Krankheit sind sie auch dem Spott anderer Menschen ausgeliefert... (wenn dich ein Taxifahrer als fauler Sack beschimpft, weil du keine Kraft mehr hast das letzte Stück zu Fuß zu gehen und kaum mehr Luft bekommst oder in der Schule wegen deinem Spezialessen ausgelacht wirst). Man erlebt hier als Leser eine wahre Gefühlsachterbahn.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Alice, Mary und Tom erzählt. Natürlich nimmt der Teil von Alice den größten Teil des Buches ein. Doch auch die Parts mit Tom's Sichtweise oder die Tagebucheinträge ihrer Mutter Mary offenbaren dem Leser neue Gedanken und Gefühle. Der Familienzusammenhalt ist einfach großartig.
Nach dem Lesen des Romanes werden sich hoffentlich ein paar mehr Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen.

Das Buch beruht auf der Geschichte der britischen Sängerin Alice Martineau und die Autorin hat ihr Schicksal als Gerüst für den Roman verwendet. Hört doch mal in "If I fall" bei YouTube hinein. Ich mag den Song sehr!
Googelt aber erst nach der Lektüre nach der Sängerin selbst, denn dies würde euch zu viel von der Geschichte verraten!

Schreibstil:
Alice Petersons Beschreibung des Lebens einer schwerkranken Frau, die nie die Hoffnung verliert und unheimlich stark ist, ist sehr emotional und berührend, verliert aber nie den Bezug zur Realität.
Die Charaktere sind allesamt authentisch beschrieben und haben Ecken und Kanten. Die Autorin schafft es wunderbar die Hoffnungen, Wünsche und Träume aller Beteiligten zu vermitteln. Die Höhen und Tiefen die hier fast alle Figuren durchmachen werden sehr emotional beschrieben. Alice Peterson hat hervoragend recherchiert und die Familie von Alice Martineau miteinbezogen.

Fazit:
Der Roman hat mich von der ersten Seite an begeistert. Alice Peterson erzählt mitreißend und einfühlsam über Wünsche und Träume einer schwerkranken jungen Frau, die unglaublich stark ist und die Hoffnung nie aufgibt. Sie hat das Schicksal der britischen Musikerin Alice Martineau dafür als "Vorlage" genommen. Ein Roman der noch lange in Erinnerung bleibt. Berührend und authentisch. Eine Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Authentizität
  • Charaktere
  • Gefühl
  • Thema
Veröffentlicht am 20.07.2018

Die Charité - der Anfang

Die Charité: Hoffnung und Schicksal
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Die Charité ist eine der bekanntesten Universitätskliniken Europas. Als ich letztes Jahr eine Serie im TV sah, die um die Jahrhundertwende spielte und die vorallem von Robert Kochs Forschungen erzählte, ...

Die Charité ist eine der bekanntesten Universitätskliniken Europas. Als ich letztes Jahr eine Serie im TV sah, die um die Jahrhundertwende spielte und die vorallem von Robert Kochs Forschungen erzählte, war ich begeistert. Ulrike Schweikert ist für mich keine unbekannte Autorin und nach der Leseprobe wusste ich, dass ich diesen Roman unbedingt lesen möchte.

In "Die Charité - Hoffnung und Schicksal" sind wir noch früher angesiedelt und zwar zu Anfang des 19. Jahrhunderts rund um die Jahre 1830-40. Die Cholera wütet in Teilen Osteuropas und auch in Berlin gibt es bereits die ersten Totesfälle. Die Menschen sind verängstigt und schreiben die Krankheit den giftigen Dämpfen, die aus dem Kanal aufsteigen zu. Zu dieser Zeit beginnt Elisabeth als Wärterin in der Charité zu arbeiten. Sie ist eine der wenigen Frauen und Männer, die diese schwere und kaum bezahlte Arbeit mit Herzblut verrichtet. Sie ist einfühlsam und kümmert sich liebevoll um die Patienten, aber auch wissbegierig und intelligent.
Gemeinsam mit Elisabeth beginnt auch Dr. Alexander Heydecker als angehender Arzt in der Charité zu arbeiten. Er ist noch in der Ausbildung, die ihm vom Militär gewährt wird und wird Doktor Diffenbach zugeteilt. Oft liegen sich Elisabeth und Alexander in den Haaren, aber die gegenseitige Anziehung ist groß....der Standesunterschied aber größer.

Gräfin Ludovia ist eine sehr interessante Frau, die ebenfalls ihrer Zeit weit voraus ist. Sie interessiert sich für Medizin und wäre es ihr zu der damaligen Zeit möglich gewesen, hätte sie studiert. So aber ist sie das Anhängsel eines schwachen Mannes, eines Hypochonders, der sich mit seinen eingebildeten Krankheiten das Leben schwer macht. Mit dem behandelnden Arzt des Grafen, Doktor Diffenbach, kann sie einige Stunden mit interessanten Unterhaltungen füllen und verliebt sich in ihn. Ludovica unterstützt daraufhin die Klinik mit finanziellen Mitteln für eine bessere Ausbildung der Wärterinnen.
Hebamme Martha ist die Dritte im Bunde der drei starken Frauen in dieser Geschichte. Durch einen Vorfall möchte sie nicht mehr als Hebamme praktizieren und verschreibt sich der Pathologie.
Doktor Diffenbach ist das Bindeglied dieser drei Frauen, die alle großes Interesse an der Medizin haben und von Diffenbach erkannt und unterstützt wird. Nur mit Ludovica verbindet ihn auch eine geheime Liebe.

Während wir die vier Figuren begleiten, erleben wir den täglichen Ablauf im Krankenhaus, aber vorallem bekommt man die damalige medizinische Realität vorgesetzt. Durch den sehr bildhaften Schreibstil befand ich mich selbst im Krankensaal, konnte den ekelhaften Geruch von Eiter und Bllut riechen und nur schwer atmen. Es ist kaum zu glauben, dass zu dieser Zeit bei einer Operation noch keine Betäubungsmittel eingesezt werden konnten und der Patient einfach nur festgehalten oder angebunden wurde, während er operiert wurde. Die Behandlungsmethoden der damaligen Zeit lassen den Leser dankbar sein, dass er im 21. Jahrhundert leben darf.
Auch Hygiene war ein Fremdwort! Nicht umsonst starben die meisten Patienten nach einer Operation an Wundbrand. Mit Professor Diffenbach, der sich auch der Forschung verschrieb, erleben wir einen sehr engagierten Arzt, der eigene Wege geht und nicht an althergebrachten medizinischen Irrtümern glaubte. Auch die Therapiemethoden von Patienten der psychiatrischen Klinik oder der Behandlung von Syphillis lassen einem beim Lesen die Haare zu Berge stehen...

Die Charaktere sind authentisch und wunderbar real dargestellt. Man erlebt ihre Angst, Wut oder Hoffnung hautnah mit. Die Eigenheiten der realen Personen hat die Autorin miteingeflochten. Alle haben Ecken und Kanten und wurden mit Liebe zum Detail gezeichnet. Man begegnet nicht nur bekannten Ärzten, sondern auch dem Dichter Heinrich Heine oder dem Brüderpaar Alexander und Wilhelm von Humboldt, Naturforscher und Gelehrter.

Ulrike Schweikert ist es wunderbar gelungen interessante Hintergrundinformationen zu vermitteln und dem Roman Leben einzuhauchen. Die fiktiven Figuren wie Elisabeth oder Martha stehen den realen Vertretern der Ärzteschaft, wie Dr. Diffenbach, gegenüber. Viele der angeführten Ärzte gab es wirklich und einige haben mit ihren Forschungen Geschichte geschrieben.
Fiktion und Wahrheit sind von der Autorin wunderbar verknüpft und mit einer dementsprechenden spannenden Rahmenhandlung perfekt umgesetzt worden.
Bezüglich Dichtung und Wahrheit gibt es am Ende des Romans noch einige Erläuterungen der Autorin.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr bildhaft und zeitgemäß, wobei er ruhig auch historischer hätte sein können. Die sachlichen medizinischen Informationen wurden mit einer spannenden Rahmenhandlung lebendig erzählt und wunderbar verknüpft.So fiebert man die 500 Seiten mit allen Figuren mit und erfährt nebenei wissenswertes über Medizin. Ulrike Schweikert hat wirklich hervorragend recherchiert.

Fazit:
Ein wunderbarer Roman, der den Leser aufzeigt, wie viel in den letzten zweihundert Jahren im medizinischen Bereich geforscht und erreicht wurde. Mit einer spannenden Rahmenhandlung und facettenreichen Figuren hat Ulrike Schweikert interessante medizinische Hintergrundinformationen zu einer fesselnden Geschichte verschmelzen lassen. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 14.07.2018

Ein richt toller Roman

Mehr als nur ein Traum
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Bereits im Roman "Gute Geister" von Kathryn Stockett hat mich der Rassismus in den 1960igern im Süden der USA schockiert. Ich konnte es nicht fassen, dass es vor rund 50 Jahren im "fortschrittlichen" Amerika ...

Bereits im Roman "Gute Geister" von Kathryn Stockett hat mich der Rassismus in den 1960igern im Süden der USA schockiert. Ich konnte es nicht fassen, dass es vor rund 50 Jahren im "fortschrittlichen" Amerika Zustände gab, die mich eher an die Zeit der Sklavenhaltung erinnerten. Die Gesichter derjenigen hätte ich gerne gesehen, als die USA den ersten schwarzen Präsidenten wählte! Nun...eine Frau hat es noch immer nicht geschafft...

Zurück zu den 1960igern. Zu dieser Zeit tritt Felicitas, eine junge Deutsche mit jüdischen Wurzeln, ein unverhofftes Erbe an. Als einzige Überlebende des Holocaust hält sie, außer ihrer Freundin Kerstin und ihrem Job als Fotografin, nichts mehr in Deutschland. Kerstin, die mit einem Piloten der US-Army liiert ist, überlegt allerdings ebenfalls mit Christopher nach Amerika auszuwandern. Als Felicitas in Wilkinson County, Mississippi ankommt, ist sie gänzlich unbefangen was Rassentrennung angeht - vorallem auch wegen ihrer eigenen Vergangenheit. Ihre offene und liebenswürdige Art hilft ihr schnell in der kleinen Stadt, sowie im eigens gelegenen Dorf der Schwarzen, Anschluss zu finden. Doch gerade ihre Unbeschwertheit den farbigen Menschen gegenüber ist manchen Bewohnern ein Dorn im Auge. Und so erhält Felicitas in ihrem neuen Heim, das zwar idyllisch, aber sehr abgeschieden liegt, bald Besuch von den berühmt berüchtigten weißen Kapuzenmännern, dem Klu-Klux-Klan. Als durchsickert, dass sie Jüdin ist, steht sie noch mehr im Zentrum der Vereinigung, die nicht nur auf Schwarze, sondern auch auf Juden und Katholiken Hatz macht. Nur durch die Hilfe der beiden engagierten Sheriffs Landon Brown und John Johnson ist sie erstmals sicher. Doch ihr fotografisches Gedächtnis erinnert sie an einen blinkenden Sheriffstern beim letzten Übergriff der Kapuzenmänner. Wen kann sie eigentlich noch trauen? Und was geschah mit der Frau, die vor ihr im Haus wohnte und auf mysteriöse Art gestorben ist? Als Kerstin in Deutschland auch noch Hinweise bekommt, dass die Nachlasspapiere Ungereimtheiten aufzeigen, sind beide Frauen mehr als beunruhigt...

Elisabeth Büchle ist mit "Mehr als nur ein Traum" ein wahrhaft großartiger Roman gelungen, der viele Themen beinhaltet und auch einen tollen Spannungsbogen aufweisen kann. In der Geschichte nehmen die Rassenunruhen in den Südstaaten der USA eine tragende Rolle ein. Dazu hat die Autorin auch einige historische Begebenheiten und Personen einflochten. J.F. Kennedy, Martin Luther King, sowie der bereits im Kern beginnende Vietnamkrieg sind genauso Themen, wie der Kampf gegen den Drogensumpf.
Mit dem Perspektivenwechsel nach Vietnam erzählt Büchle ebenso brilliant über den schwelenden Konflikt zwischen dem Norden und Süden des Landes, den Glaubenskriegen und dem Einsatz der US Army, sowie den beginnenden Drogenhandel und der Prostitution.

Charaktere:
Felicitas ist ein sehr vielschichtiger Charakter. Trotz ihrer schweren Kindheit ist sie eine offene, herzliche und hilfsbereite Frau. Sie hat ein fotografisches Gedächtnis und ist vollkommen unvoreingenommen. Auf der anderen Seite ist sie etwas tollpatschig, naiv und chaotisch. Sie hat Mut und lässt sich nicht so schnell von ihrem Weg abbringen. Sie setzt sich für Gerechtigkeit ein und nimmt auch selbst die Dinge in die Hand.
Sheriff Landon bleibt bis zum Ende hin ein undurchschhaubarer Charakter. Ich konnte ihn bis zum Ende nicht in Gut oder Böse einordnen, auch wenn ich immer etwas mehr zu den Guten tendierte. Das beruhte aber auch darauf, dass er ebenfalls den Schwarzen gegenüber gerecht und freundschaftlich gegenüber trat.
Kerstin und vorallem Christopher, den wir in einem eigenen Handlungsstrang nach Vietnam begleiten, nehmen ebenfalls einen Teil der Geschichte ein. Die restlichen Nebenfiguren sind ebenfalls sehr authenisch und sprühen teilweise nur so vor Leben. Besonders ans Herz gewachsen ist mir Birdie, die im Dorf der Schwarzen lebt.
Und noch kurz erwähnt...nicht nur der Inhalt, sondern auch das Cover ist einfach mehr als nur ein Traum!

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist einnehmend, lebendig und sehr bildhaft. Die beschriebene Zeitspanne wurde hervorragend recherchiert. Historische Persönlichkeiten wurden in die fiktive Geschichte miteinbezogen. Dadurch erhält man beim Lesen das Gefühl inmitten einer wahren Geschichte zu sein, die fesselt und mitreißt. Die wunderbare Erzählweise und Sprache der Autorin sind ein weiterer Pluspunkt.
Die Geschichte ist in fünf Teile aufgeteilt, die sich über die Jahre 1960-1964 aufteilen. Das Schriftbild des Buches ist eher klein und der Roman besitzt eine Dichte, die etwas mehr Lesezeit beansprucht. Zum einfach "kurz dazwischenlesen" ist die Geschichte nicht geeignet. Aber wer einmal begonnen hat, greift sowieso zu keinem anderen Roman.

Fazit:
Dieser tiefgründige Roman beinhaltet einfach alles, was man sich für einen bewegenden und interessanten Leseabend wünscht: spannende Handlung mit überraschenden Wendungen, lebendige Charaktere und Landschaften, sowie die hervorragende Recherche der Autorin.
Meiner Meinung ist "Mehr als nur ein Traum" das bisher beste Buch der Autorin! Von mir gibt es eine dicke Leseempfehlung und den "Lieblingsbuch" Status!