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Veröffentlicht am 06.06.2018

Die Sprache der Blumen

Sommerglück und Blütenzauber
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Gemeinsam mit ihrer Großmutter steht die Floristin Rita tagtäglich in ihrem Geschäft Ritas Blütenzauber. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hat sie den Blumenladen im Herzen von Wien geerbt. Umgeben von ...

Gemeinsam mit ihrer Großmutter steht die Floristin Rita tagtäglich in ihrem Geschäft Ritas Blütenzauber. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hat sie den Blumenladen im Herzen von Wien geerbt. Umgeben von Rosen, Duftveilchen oder Lilien stellt Rita wunderschöne Sträuße und Blumenarrangements zusammen. Mit ihrer Kenntnis der Blumensprache verzaubert sie ihre Kunden. Auch für die Hochzeit ihrer Freundin Charlie und ihren zukünftigen Mann Daniel organisiert sie den gesamten Blumenschmuck, bevor sie selbst an den Feierlichkeiten teilnimmt. Als ihr Charlie verrät, dass sie nicht bei den Freunden, sondern am Singletisch Platz nehmen soll, ist Rita entsetzt. In ihrer Not erfindet sie einen neuen Partner - doch wo so schnell hernehmen? Freunde und Verwandte schicken sie zu Blind Dates, ihr Bruder quartiert seinen Eishockey-Kumpel René in der gemeinsamen Wohnung über dem Blumenladen ein und sogar ihre Stiefmutter möchte sie mit ihrem Lehrerkollegen verkuppeln. Als der charmante und gutaussehende Marcel eines Tages in ihrem Laden steht, ist Rita plötzlich sicher ihren Traummann gefunden zu haben. Er scheint der perfekte Mann für sie zu sein. Doch gibt es tatsächlich noch den "Prinzen auf dem weißen Pferd"?

Der erfrischende Roman der österreichischen Autorin Emilia Schilling lässt einem sofort eintauchen in die süße Liebesgeschichte, die zwischen zarten Blütenblättern und rauhen Eishockeyspielern angesiedelt ist. Rita ist nämlich, neben dem Blumenladen ihrer Mutter, in der Eishockeyhalle aufgewachsen. Ihr Vater ist Trainer einer Eishockeymannschaft und Bruder Clemens träumt schon Jahre von einer Profikarriere. Deshalb kommt auch für sie ein ruppiger Eishockeyspieler wie Bruder Clemens oder seine testosterongeschwängerten Kumpel als Hochzeitsbegleitung nie in Frage. Doch dann lässt ausgerechnet René Ritas Herz immer heftiger schlagen. Plötzlich hat sie zwei Männer zur Auswahl: Marcel und René.

Äußerst amüsant sind die Dates, die Freunde und Bekannte für Rita organisieren. Die Autorin hat die Suche nach dem Traummann humorvoll verpackt. Neben der Liebesgeschichte gibt es noch jede Menge andere Themen, die als Rahmenhandlung perfekt ins Bild passen und so die Geschichte ergänzen. Man fliegt hier wirklich durch die Seiten: Man sitzt als Zuschauer beim Eishockeyspiel, testet Rollschuhe auf der Donauinsel oder grillt Tofu im Garten von Ritas Vater.
Auch die Sprache der Blumen zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Über den einzelnen Kapiteln steht keine Zahl oder ein Datum, sondern der Name einer Blume und darunter ihre Bedeutung. Diese hat im darauffolgenden Kapitel eine bedeutende Rolle.

Die Charaktere sind allesamt liebenswert, haben aber ihre Ecken und Kanten. Clemens ist der Sunnyboy, der die Finger nicht von den Mädchen lassen kann und immer auf einen neuen Aufriss aus. Eine feste Beziehung kommt nicht in Frage. Eishockey ist sein Leben. Sein Freund René hingegen scheint einige verdeckte Talente zu haben. Tanja, die neue Lebensgefährtin ihres Vaters ist Lehrerin und überzeugte Vegetarierin. Ritas beste und ziemlich schrille Freundin Klara ist Überlebenskünstlerin und möchte einen Rollschuhladen eröffnen. Mit diesem etwas chaotischen Haufen wird sowohl Rita, als auch dem Leser nie langweilig.

Ein toller Wohlfühlroman für laue Sommerabende - zum Entspannen und genießen!

Schreibstil:
Emilia Schillings Schreibstil ist leicht, humorvoll und lässt sich wunderbar lesen. Man taucht sofort in die Geschichte ein und lebt mit den Figuren mit. Man erfährt mehr über die Sprache der Blumen und auch die Stadt Wien wird bildhaft beschrieben.

Fazit:
Auch wenn die Handlung teilweise etwas vorhersehbar ist, hat man hier den perfekten Wohlfühl-Sommerroman mit zauberhaftem Flair, amüsanten Charakteren und einem Hauch Romantik. Ich werde mir nun auch den ersten Roman der Autorin kaufen, der vom Brautpaar Charlie und Daniel handelt und deren Geschichte ich gerne nachlesen möchte.

Veröffentlicht am 26.05.2018

Sturz in den Tod

Playa de Palma
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Levke Sönkamp ist vor einem Jahr ein schwerer Schicksalsschlag widerfahren. Seitdem hat die junge Frau jeden Lebenswillen verloren und fliegt zum Jahrestag nach Mallorca um sich das Leben zu nehmen. Sie ...

Levke Sönkamp ist vor einem Jahr ein schwerer Schicksalsschlag widerfahren. Seitdem hat die junge Frau jeden Lebenswillen verloren und fliegt zum Jahrestag nach Mallorca um sich das Leben zu nehmen. Sie bereist nochmals alle Plätze, die sie mit ihrem Mann Max besucht hat, den sie auf der Insel kennen- und lieben gelernt hat. In Valldemossa erinnert sie ein junges Pärchen an sich selbst und ihren Mann. Insa, die junge Deutsche, ist jedoch am nächsten Tag tot. Sie stürzt im selben Hotel, in dem Levke abstieg, vom Balkon und fällt Rafael, einem Polizeireporter, fast vor die Füße. Als Chefinspektor Jordi Barceló eintrifft, geht er von einem Sebstmord aus. Doch Levke glaubt nicht daran. Insa war doch frisch verliebt und überglücklich. Sie nimmt mit Insas Freundin Anna Kontakt auf, die mit ihr zusammen angereist ist. Durch den sinnlosen Tod des Mädchens gewinnt Levke wieder ein bisschen Lebensmut und verbeißt sich in den Fall, der für sie eindeutig Mord war. Dabei begibt sie sich selbst in Lebensgefahr....

Mit Levke hatte ich anfangs ein bisschen Schwierigkeiten. Doch nachdem man nach und nach erfährt, welche Tragödie sie seit einem Jahr begleitet, beginnt man zu verstehen, dass sie sich auf eine Art Abschiedsreise begeben hat. Ihre Trauer fühlt sich real und greifbar an. Warum sie jedoch die Erinnerungen an die gemeinsam verbrachten Orte auslöschen möchte, war mir nicht ganz klar.
Mit Levke begibt man sich auf eine malerische Reise quer über die Insel. Die bildhaften Beschreibungen haben mich an meine beiden Urlaube auf Mallorca erinnert. Ich war mit Levke in Valldemossa und habe Chopin gelauscht, bin in Söller in die Straßenbahn gestiegen und bin in Palma durch die engen Gassen spaziert. Die Autorin hat mich mit ihrer Lektüre wieder von der Baleareninsel träumen lassen - trotz Mord- und Totschlag.
Der Krimi ist eher unblutig und der Spannungsaufbau beginnt gemächtlich. Die Ermittlungsarbeit tritt ein bisschen in den Hintergrund, den Levke nimmt ihre "Aufgabe" ernst und ist meist Kommissar Barceló einen kleinen Schritt voraus. Dieser kämpft mit den üblichen privaten Problemen eines Ermittlers...gescheiterte Ehe und Troubles mit den Kindern. Auch Polizeireporter Rafael scheint ein Geheimnis zu haben, das bis zum Ende hin nicht wirklich gelüftet wird (und hoffentlich in einem Folgeband meine Neugier befriedigt wird). Beide Männer wirken sehr authentisch. Besonders gut hat mir die konstante Entwicklung der Hauptcharaktere, besonders die von Levke, gefallen.

Der Krimi hat mich wunderbar unterhalten. Ich habe fleißig mitgerätselt und hatte bald einen Verdacht, der sich auch bestätigt hat. Hier hätte ich mir ein paar mehr überraschende Wendungen gewünscht, die den Leser in die Irre führen.
Der Krimi besticht vorallem durch seine Atmosphäre, den bildhaften Beschreibungen der Insel und den sehr authentischen Charakteren. Punkto Spannung hat er aber noch Luft nach oben.

Einen kleinen Minuspunkt muss ich erwähnen. Das Buch lässt sich furchbar schlecht lesen. Man muss es mit beiden Händen halten, um die Seiten ganz aufklappen zu können, um diese zu lesen. Es ist sehr fest gebunden und man benötigt viel Kraft, was über längere Zeit ziemlich mühsam wird.

Schreibstil:
Stina Jensen glänzt mit einem flüssigen und ansprechenden Schreibstil und hat in ihrem Debütkrimi sehr viel Lokalkolorit einfließen lassen. Man möchte am liebsten sofort den Koffer packen und der Baleareninsel einen Besuch abstatten. Auch die Charaktere sind lebendig und haben alle ihre Ecken und Kanten. Die Entwicklung jeder einzelnen Figur ist absolut gelungen.
Die Kapitel sind mit dem Namen der Person versehen, die wir als Leser in der dritten Person begleiten. Es gibt auch einige wenige Kapitel mit der Überschrift "Er", der kleine Einblicke in die Gedanken des Täters werfen lässt.

Fazit:
Ein unblutiger und ruhiger Krimi mit viel Lokalkolorit, toller Atmosphäre und sehr authentischen Figuren. Der Spannngsbogen steigt jeoch erst im letzten Drittel an. Hier gibt es noch Luft nach oben....
Für Mallorcaliebhaber und Krimifreunde sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 24.05.2018

On the Road again

Ans Meer
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Vom österreichischen Autor René Freund habe ich bereits "Liebe unter Fischen", "Niemand weiß, wie spät es ist" und seinen biografischen Roman "Mein Vater, der Desserteur" gelesen.
Mit seinem neuem Buch ...

Vom österreichischen Autor René Freund habe ich bereits "Liebe unter Fischen", "Niemand weiß, wie spät es ist" und seinen biografischen Roman "Mein Vater, der Desserteur" gelesen.
Mit seinem neuem Buch "Ans Meer" hat er auf nur 144 Seiten einen sehr bewegenden, zu Herzen gehenden, aber auch humorvollen Kurzroman geschrieben. Auf den wenigen Seiten des Roadtrips steckt sehr viel Inhalt und man findet wunderschöne Zitate, die ich mir laufend notieren musste. Trotzdem wünschte ich mir, dass der Roman mehr Seiten hätte und der Autor noch auf einige Handlungen und Personen mehr hätte eingehen können.

Anton ist Linienbusfahrer. Schon als Kind wollte er Busfahrer werden, doch die Realität hat ihn bald eingeholt. Durch die Privatisierung der Buslinie verlor er erst den Job und wurde dann von einer privaten Busgesellschaft übernommen....Auslagerung nannte man so etwas oder "Liberalisierung des öffentlichen Verkehrs". Nun fährt er mit einem alten, klappernden Fahrzeug seine tägliche Strecke und trifft auf dieselben Menschen. Anton ist ein freundlicher und gutmütiger Mensch, der das Essen, im Speziellen seine Butterbrezeln, und gute Manieren mag. Außerdem ist er in seine Nachbarin Doris verliebt und erhält täglich mehrere Anrufe seiner Mutter, die ihn kontrolliert.
An einem Tag steigt Annika mit ihrer krebskranken Mutter Carla zu, die im Rollstuhl sitzt und während der Fahrt den Wunsch äußerst vor ihrer letzten Chemo noch einmal das Meer sehen zu wollen. Die gebürtige Italienierin möchte ein allerletztes Mal in ihr Heimatdorf San Marco und dort an den kleinen Strand, den sie als Kind immer besuchte. Anton lässt sich zuerst nicht auf Carlas Wunsch ein, doch nach einem Anruf, der ziemlich sicher seinen Arbeitsplatz kosten wird und der Aussage von Doris, dass sie echte Helden mag, setzt er seine Fahrt fort...ab ans Meer...

Als Leser befindet man sich inmitten der Fahrgäste und erlebt bei diesem Roadtrip quer durch Österreich und anschließend nach Italien jede Menge Überraschungen. Man lernt die Mitfahrer, ihre Ängste und Sorgen, besser kennen und es bildet sich eine wundervolle Gemeinschaft, die einigen Widrigkeiten trotzt. Die Geschichte und der Schreibstil sind herrlich erfrischend. Anton wächst jeden Kilometer, den er zurücklegt, mehr aus sich heraus. Einzig die kleine Liebesgeschichte zwischen Anton und Doris konnte ich nicht wirklich nachempfinden. Mir fehlte es am Zwischenmenschlichen. Außerdem war mir nicht wirklich klar, warum Doris gleich zu Beginn des Romans so reagiert, wie sie es tat....mehr kann ich dazu leider nicht sagen, um nicht zu spoilern.

"Manchmal muss man vielleicht ein bisschen von der Linie abweichen, um das Glück zu finden" - Seite 29

Obwohl der Roman nicht viele Seiten hat, wird er mir trotzdem in guter Erinnerung bleiben. Die vielen wunderschönen Zitate und Sprüche laden zum Notieren ein und haben mich auch des öfteren sehr nachdenklich gemacht.
Gerne hätte ich weitere 144 Seiten mehr davon gelesen - eines der wenigen Makel des Romans: er ist eindeutig zu kurz!

Schreibstil:
Der Autor hat einen sehr bildhaften und warmherziger Schreibstil, der immer wieder durch humorvolle Passagen aufgelockert wird. René Freund schreibt erfrischend und kurzweilig. Die Charaktere sind sehr liebevoll gezeichnet, haben aber auch Ecken und Kanten.
Der Roman wird großteils aus der Sicht von Anton erzählt, manche Teile auch aus der von Doris.

Fazit:
Ein Roman, den man gerne weiterschenkt, der warmherzig und bildgwaltig erzählt wird. Die Geschichte berührt, während auch der Humor immer wieder durchblitzt. Leider ist er etwas zu kurz geraten und ich hätte mir gewünscht, dass der Autor noch etwas mehr auf einige Handlungen eingegangen wäre.
Ein berührender Roman über Mut, Freundschaft und "von der Linie abweichen"

Veröffentlicht am 14.05.2018

Vielschichtiger Krimi, der in der Nachkriegszeit spielt

Kaltenbruch
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Die Geschichte aus der Nachkriegszeit ist eine Mischung aus Roman und Krimi, der mich ein bisschen an die Bücher von Mechthild Borrmann erinnerte. Wer also ihre Bücher mag, den kann ich auch "Kaltenbruch" ...

Die Geschichte aus der Nachkriegszeit ist eine Mischung aus Roman und Krimi, der mich ein bisschen an die Bücher von Mechthild Borrmann erinnerte. Wer also ihre Bücher mag, den kann ich auch "Kaltenbruch" von Michaela Küpper empfehlen.

Frühsommer 1954. Der Düsseldorfer Kommissar Peter Hoffmann erhofft sich einen Karrieresprung, doch durch eine unbedachte Aussage wird er statt der erwarteten Beförderung in die rheinische Provinz strafversetzt. Als in dem kleinen Dorf Kaltenbruch der junge Heinrich Leitner mit der Axt erschlagen wird, soll Hoffmann den Täter finden. Schnell hat er einen Verdächtigen bei der Hand: Gruber, ein Alkoholiker und Raufbold, der bei Schlüter, dem größten Arbeitgeber im Ort, angestellt ist. Kröger, der örtliche Polizist, ist jedoch skeptisch, ebenso wie Hoffmanns neu eingestellte Schreibkraft Lisbeth Pfau. Doch dann passiert ein weiterer Mord und Hoffmann steht wieder am Anfang seiner Ermittlungen....

Zu Beginn hatte ich kleine Probleme mit der Zuordnung der vielen Namen, doch nach kurzer Zeit war ich mitten im Geschehen. Traumatische Kriegserlebnisse, Flucht und düstere Geheimnisse verstecken sich hinter der Fassade der Dorfbewohner von Kaltenbruch...nichts ist, wie es scheint. Mit Rückblenden zu einzelnen Figuren des Ortes erfährt man nach und nach mehr über dessen Vergangenheit. Besonders die Bewohner des Leitner Hofes scheinen einige Geheimnisse zu haben. Gertrude Starck, die neue und begüterte Frau an Altbauer Leitners Seite und ihre Tochter Dana, sind genauso Flüchtlinge, wie die armen Kaminskis, die jedoch Außenseiter im Dorf bleiben. Marlene, die ihre Eltern im Krieg verloren hat und am Leitnerhof wohnt, hat gleich zwei Verehrer, wobei einer davon geheim gehalten wird. Aber auch der größe Arbeitgeber während des Krieges, die reichen Schlüters, sind weiterhin dick im Geschäft. Sie scheinen die richtigen Fäden zur richtigen Zeit gezogen zu haben....oder etwa doch nicht?

Die Autorin siedelt ihre Geschichte in einem kleinen rheinischen Dorf in den Fünfziger Jahren an und hat die Atmosphäre der Nachkriegszeit hervorragend eingefangen. Auf der einen Seite herrscht Aufbrauchsstimmung, auf der anderen leiden die Menschen noch immer an den Auswirkungen des Krieges. Viele von ihnen haben ihre alte Heimat verloren, mussten fliehen. In der neuen Heimat sind sie ausgegrenzt, wie die aus Schlesien kommenden Kaminskis. Und so fällt auch rasend schnell der Verdacht auf die Zugezogenen...

Auch der Großstädter Hoffmann spürt bald, dass er hier nicht wirklich willkommen ist und möchte den Fall so schnell wie möglich lösen. Dabei prallen die Dörfler und der Ermittler aus der Stadt immer wieder aneinander. Wäre nicht Lisbeth Pfau, das "Pfauenküken", wie Hoffmann sie nach Aufgabe seiner anfänglichen Abneigung nennt, wäre er wohl noch immer am ermitteln...;)
Wie die Beiden sich langsam zusammenraufen und der hochnäsige Hoffmann etwas von seinem hohen Ross fällt, zauberte einige Male ein Lächeln in mein Gesicht und hat die manchmal düstere Atmosphäre aufgelockert. Besonders die Rückblenden in die Vergangenheit einzelner Protagonisten sind erdrückend, konnten mich aber mehr abholen, als das Geschehen in der Gegenwart. Ich hatte dabei das Gefühl wirklich mitten im Geschehen zu sein und mit der Geschichte zu verschmelzen, während sich die Gegenwart einfach "nur" gut lesen lies.
Leider hatte ich viel zu schnell einen Verdacht in die richtige Richtung und wurde am Ende nicht wirklich überrascht, aber bestätigt.

Schreibstil:
Michaela Küpper schreibt wunderbar flüssig und dialoglastig. Ihre Figuren sind authentisch und vielschichtig dargestellt. Die Autorin hat die Zeitepoche der spießigen Fünfziger Jahre mit den neuen technischen Errungenschaften, wie die Stenorette (Diktiergerät), sehr atmosphärisch eingefangen.
Die einzelnen Kapitel werden mit dem Namen der erzählenden Figur gekenntzeichnet und erleichtern dem Leser die Frage, aus welcher Sicht erzählt wird.

Fazit:
Ein vielschichtiger Krimi, der die Traumata und Folgen des Krieges eindringlich aufzeigt. Die Nachkriegszeit wurde sehr atmosphärisch eingefangen. Gerne würde ich das anfangs unfreiwillige Team Kommissar und Schreibkraft beim ermitteln neuer Mordfälle begleiten und hoffe auf Nachfolgebände.

Veröffentlicht am 07.05.2018

Tschechiche Zeitgeschichte spannend eingefangen

Das hungrige Krokodil
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Die Autorin erzählt in diesem Roman die wahre Geschichte des Arztes Pavel Vodák, dessen Tagebuchaufzeichnungen jahrelang in seiner Arzttasche geschlummert haben. Diese Zeitdokumente hat sie gemeinsam mit ...

Die Autorin erzählt in diesem Roman die wahre Geschichte des Arztes Pavel Vodák, dessen Tagebuchaufzeichnungen jahrelang in seiner Arzttasche geschlummert haben. Diese Zeitdokumente hat sie gemeinsam mit Vodáks Tochter Pavli gesichtet und daraus eine interessante Familiengeschichte geschrieben, die den politischen Umbrauch der damaligen Tschechoslowakei beschreiben.

Nach dem Lesen der Leseprobe, die einen kleinen Einblick in die Vorbereitungen Pavels gibt, sein Land zu verlassen und in den Westen zu flüchten, wollte ich unbedingt bei der Lovelybooks Leserunde mitlesen. Genau dieser Abschnitt nahm mich auch sofort gefangen. Man konnte die Angst und Unsicherheit von Pavel spüren und im Laufe des Romans auch seine Erkenntnis, dass er nicht nur seine Zukunft mit der Flucht verändert hat, sondern auch die seiner ganzen Familie, begreifen.

Nach dem Abschnitt aus dem Jahre 1970, in dem Pavel seine Flucht aus Prag vorbereitet, blendet die Autorin zurück ins Jahr 1939. Pavel ist 18 Jahre alt und lebt in Budweis. Seine Mutter ist Deutsche und sein Vater tschechischer Militärangehöriger. Pavel hat eben sein Medizinstudium angefangen, als der Krieg seine Pläne durchkreuzt.
Der Titel "Das hungrige Krokodil" erklärt sich daraufhin bald. Pavel erkennt zuerst in der deutschen Besatzung und danach durch das russische Regime "die Gefräßigkeit des Krokodils", die Gefahr die von der jeweils politischen Lage ausgeht. Als Regimegegner und einem Bruder, der sich für den Kommunismus einsetzt, steckt er in einer Zwangslage. Erst Jahre später kann er sein Studium fortsetzen, heiratet und bekommt seine Tochter Pauline, genannt Pavli. Seiner Frau wird das Studium jedoch im neuem Regime verwehrt....
Wir erleben mit Pavel den Prager Frühling und seine Bemühungen unauffällig zu bleiben. Doch er erkennt, dass er nicht in Prag bleiben und ihm nur die Flucht in den Westen helfen kann, einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Er sieht in der Tschechoslowakei keine Zukunft mehr.
Doch auch nach der Flucht ist er getrieben und fühlt sich heimatlos und entwurzelt. Seine Gefühle und Gedanken werden sehr authentisch erzählt und man zieht direkte Vergleiche zur heutigen politischen Situation und den Flüchtlingen in unserem Land. Einzig Pavli, die noch als Kind nach Deutschland kam, findet hier eine neue Heimat.

Ich fand den Part am Beginn und am Ende, der sich mit der Flucht auseinandersetzt und bei dem wir Familie Vodák begleiten, sehr emotional und eindringlich. Hingegen kamen mir die Erzählungen der 30 Jahre dazwischen etwas nüchtern und distanziert vor. Hier hatte ich eher das Gefühl einer Aneinanderreihung von Ereignissen, mit Ausnahme der Beschreibung des Prager Frühlings. Diese Gewalt machte mich schier sprachlos.... Zum Ende hin erleben wir noch den Fall der Mauer und die Möglichkeit die alte Heimat wieder zu besuchen. Diesen Moment fand ich sehr emotional.

Der Autorin gelingt es Pavel sehr authentisch darzustellen. Das liegt aber auch daran, dass es eigentlich seine Notizen sind und seine Tochter ein lebendiges Bild ihres Vaters abgeben konnte. Pavel hatte Humor, setzte sich für die Schwachen ein, war kritisch und hatte einen guten Blick für die politische Lage. Manche seiner Handlungen konnte ich, vorallem da er Kinderpsychologe war, nicht verstehen. Außerdem empfand ich wichtige Personen rund um Pavel etwas zu blass und nicht wirklich greifbar dargestellt. Trotzdem nahm mich Pavels Lebensgeschichte gefangen.

Fazit:
Sandra Brökel hat die Stimmung der damaligen Zeit sehr gut eingefangen. Wir erleben hier 50 Jahre tschechoslowakische Zeitgeschichte, die bewegt und einen Einblick in die politische Lage und die Veränderungen im Leben der Tschechen gibt. Ein ergreifender biografischer Familienroman.