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Veröffentlicht am 30.09.2019

Leseempfehlung für wahre Freunde des historischen Romans

Der Fluch des Blutaltars
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Es sind die Anfangsjahre des Dreißigjähriges Krieges. Im Odenwald ist der Aberglaube tief verwurzelt. Philipp Juncker ist der begabte Sohn eines Bildhauers, der einen Reliquienaltar für die Wallfahrtskirche ...

Es sind die Anfangsjahre des Dreißigjähriges Krieges. Im Odenwald ist der Aberglaube tief verwurzelt. Philipp Juncker ist der begabte Sohn eines Bildhauers, der einen Reliquienaltar für die Wallfahrtskirche in Walldürn bauen soll. Doch bei einem furchtbaren Unglück erblindet Philipp und sein älterer Bruder Zacharias soll nun an seiner statt den Altar schnitzen. Philipp hadert mit seinem Schicksal und fällt in eine tiefe Depression. Er verfällt zusehends in Selbstmitleid und schikaniert seine Familie, bis Zacharias ihm ein Ultimatum stellt....

Ich habe bereits "Das Heilige Blut" der Autorin gelesen und war begeistert. Es ist schade, dass Anne Grießer auch bei Liebhabern des historischen Romans noch sehr unbekannt ist. Sie schreibt fesselnd und versteht Spannung aufzubauen, denn auch in "Der Fluch des Blutadlers" kommt eine kleine kriminelle Prise durch. Auch diesmal greift die Autorin auf das Blutwunder von Walldürn zurück. Neben der Religion, die den einfachen Leuten zu dieser Zeit oft Hoffnung gibt, gewinnt der Aberglauben immer mehr an Bedeutung.
Durch Missernten und den andauernden Krieg verfallen die Menschen immer mehr dem Wunderglauben. Hexenprozesse häufen sich und auch auf dem Bau des Altars scheint ein Fluch zu liegen. Merkwürdige Zwischenfälle, die den Bau immer weiter verzögern, lassen die Menschen immer misstrauischer werden. Heimlich flüstern sie vom Blutaltar, der plötzlich fürchterlich stinken und über und über mit Blut besudelt sein soll. Hat hier etwa der Teufel seine Hand im Spiel?

Die Stimmung im Roman ist düster. Der anhaltende Krieg und der immer stärker werdende Aberglauben stürzt die Menschen oftmals ins Verderben. Zusätzliche Missernten und darauffolgende Hungersnöte sind ebenso Zunder für Hexenprozesse und -verbrennungen. Menschen, die andere anprangeren und sie in den Tod treiben gibt es leider seit Menschengedenken. Ob Philipp seiner großen Liebe Katharina helfen kann, als sie plötzlich ebenfalls als Hexe angeklagt wird? Muss er seine eigenen Überzeugungen nun überdenken?
Und warum bringt der Bau des Reliquienaltars immer wieder ungewollte Verzögerungen mit sich?

Was dahintersteckt und wer hier seine Hände im Spiel hat, müsst ihr aber selber lesen! Ich konnte das Buch - kaum angefangen - nicht mehr aus der Hand legen....

Generell sind die letzten Romane und Krimis, die ich aus dem eher unbekannten Silberburg Verlag gelesen habe, allesamt richtig tolle Bücher gewesen!

Charaktere:
Die Charaktere wurden bis hin zu den Nebenfiguren liebevoll ausgearbeitet und sind lebendig dargestellt. Die Entwicklung der Figuren, vorallem von Philipp, ist absolut gelungen. Emilia, die das Herz auf den rechten Fleck hat und Philipp immer treu zur Seite steht, ist zu meiner Lieblingsfigur geworden. Sie versucht Philipp zu überzeugen, dass hinter jedem mysteriösen Vorfall ein Mensch aus Fleisch und Blut steckt.

Schreibstil:
Anne Grießer schreibt fesselnd und bildhaft. Die Sprache ist der damaligen Zeit angeglichen. Die Charaktere sind facettenreich und lebendig dargestellt, haben Ecken und Kanten. Philipp ging mir anfangs mit seinem Selbstmitleid und seiner Ungerechtigkeit anderen Menschen gegenüber ganz schön auf die Nerven. Er entwickelt sich allerdings bis zum Ende hin weiter und wird erwachsen.

Der Roman wird aus der Sicht eines allwissenden Erzählers in der 3. Person erzählt. Über den jeweiligen Kapiteln stehen Orts- und Zeitangabe. Im Nachwort geht die Autorin noch näher auf die Hexenprozesse, das Stadtbild zu dieser Zeit und die Wallfahrtskirche ein und erzählt was Dichtung und Wahrheit ist.

Fazit:
Ein großartiger historischer Roman mit einer kleinen Kriminote und viel Aberglauben, der uns in die dunkle Zeit des Dreißigjährigen Krieges bringt. Facettenreiche Charaktere runden den fesselnden und bildhaften Schreibstil der Autorin ab. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für wahre Freunde des historischen Genres.

Veröffentlicht am 28.09.2019

Auftakt einer tollen Reihe

Die Hafenschwester (1)
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Bewertung: 4 1/2 Sterne

In der Geschichte befinden wir uns im Hamburger Gängeviertel Ende des 19. Jahrhunderts. Martha ist gerade erst 14 Jahre alt geworden, als ihre kleine Schwester Anna an der Cholera ...

Bewertung: 4 1/2 Sterne

In der Geschichte befinden wir uns im Hamburger Gängeviertel Ende des 19. Jahrhunderts. Martha ist gerade erst 14 Jahre alt geworden, als ihre kleine Schwester Anna an der Cholera erkrankt. Sie ist eine der ersten Erkrankten der verheerenden Epidemie, über die zuerst Stillschweigen verbreitet wird. Doch die Zahl der Infiszierten und Toten steigt innerhalb kurzer Zeit in besorgniserreichende Höhe. Als auch Marthas Mutter erkrankt, pflegt sie Martha liebevoll, kann sie aber nicht retten. Ihr Vater beginnt zu trinken und ihr kleiner Bruder Heinrich muss seine Zukunftspläne einer weiteren Schulausbildung begraben.
Martha muss vortan für die Familie sorgen und nimmt den Rat des Arztes an, sich als Krankenwärterin am St. Georg Hospital zu bewerben. Wegen ihrer Pflegekenntnisse wird Martha aufgenommen. Ihr Interesse, ihr logisches Denken und ihr Wille fallen bald einem jungen Arzt auf, der sich für sie einsetzt. Martha erhält einen Platz im Eppendorfer Krankenhaus bei den Erika-Schwestern, der eigentlich nur Töchtern aus gutem Hause "zusteht". Und so sehen es nicht alle wohlwollend, dass eine Frau aus dem Gängeviertel dieselben Chancen erhält....

Die Charaktere sind individuell und entwickeln sich weiter. Martha ist ein starkes Mädchen, das sich aus ihrer Not heraus entwickelt und zu einer engagierten jungen Frau heranwächst. Ihr Vater, gefangen in seiner Trauer, versucht im Alkohol zu vergessen und vergisst dabei seine eigenen Kinder. Vater und Tochter entwickeln sich in gegensätzliche Richtungen, Marthas Bruder versucht sobald wie möglich auf eigenen Füßen zu stehen und aus dem Viertel zu fliehen.
Besonders gut gefallen hat mir die Figur von Millie. Sie ist von Kindesbeinen an Marthas beste Freundin, erwartet jedoch ein schlimmes Schicksal. Ihre Stärke ist bewundernswert und die bedingungslose Freundschaft der Beiden wird oftmals auf die Probe gestellt. Melanie Metzenthin baut neben ihren fiktiven Charakteren auch reale Figuren dieser Zeit geschickt in den Roman ein, wie die Frauenrechtlerin Lida Gustava Heymann oder die Werftsbesitzer Gustav Wolkau und Hermann Blohm.

Melanie Metzenthin, die selbst Medizin studierte, hat sich bei ihrem Roman vom Leben ihrer Urgroßmutter inspirieren lassen. Diese lebte zur selben Zeit wie Martha, überlebte ebenfalls die Cholera-Epidemie, arbeitete aber als Näherin.
Eigentlich dachte ich, dass der Schwerpunkt des Romans im medizinischen Bereich liegt, doch die Autorin hat uns auch in der Leserunde hingewiesen, dass ihr Hauptaugenmerk bei der Cholera-Epidemie und dem größten Hafenarbeiterstreik Deutschlands lag. Es ist das Ende des vorletzten Jahrhunderts und es ist eine Zeit des Umbruchs und des Umdenkens. Die Gesellschaft ist im Aufbruch, denn die Schere zwischen Arm und reich wird immer größer. In der Mitte des Romans nahm mir die politische Sicht, sowie die Reden der Sozialdemokraten, etwas zu viel Raum ein.
Durch die Cholera haben viele Familien ihre Ernährer verloren. Die Armen werden immer ärmer und kaum eine Familie hat mehr genug zu Essen. Die Mieten werden erhöht, ein 72 Stunden-Arbeitstag wird zur "Normalität". Unfälle häufen sich und kaum jemand wird mehr satt. Dies führt zum Streik, der sich immer mehr ausweitet und in die Geschichte als größter deutscher Hafenarbeiterstreik eingeht. Auch Martha unterstützt die Streikenden, engagiert sich für Rechte der Frauen und wird Mitglied bei den Sozialdemokraten. Dort lernt sie bei einer politischen Veranstaltung einen jungen Mann kennen, der dieselben Interessen und Ziele wie Martha vertritt. Als Erika-Schwester ist ihr allerdings der nähere Umgang mit Männern und eine Hochzeit untersagt....

Der erste Teil dieser Reihe konnte mich begeistern und ich freue mich schon auf die beiden Nachfolgebände.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist fesselnd, atmosphärisch und lässt sich wunderbar lesen. Es ist mein zweites Buch der Autorin und ich bin genauso begeistert, wie schon bei "Mehr als die Erinnerung". Die bildhafte Beschreibung der Stadt Hamburg zu dieser Zeit ließ mich selbst durch das Gängeviertel und den Hafen wandern.
Die Figuren sind lebendig und facettenreich und entwickeln sich weiter. Sie wirken glaubhaft und man fühlt sich ihnen nahe.
Die politischen und historischen Begebenheiten wurden akribisch recherchiert. Die eigenen medizinischen Kenntnisse der Autorin sind wunderbar integriert.
Im Nachwort findet man weitere Erklärungen zur damaligen Zeit bzw. zur Cholera-Epidemie und dem Streik der Hafenarbeiter.

Fazit:
Ein wundervoller Auftakt der neuen Reihe von Melanie Metzenthin, der mich in das Hamburg des vorletzten Jahrhundert katapultiert hat und deren Protagonisten ich gerne begleitet habe. Die interessanten Themen rund um die Cholera-Epidemie und den Kampf der Armen um mehr Rechte und Lohn haben der Geschichte rund um Martha's Leben nochmehr Tiefe gegeben. Ich freue mich schon auf den Folgeband!

Veröffentlicht am 13.09.2019

Das Leben der Daisy von Pless

Die englische Fürstin
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Im historischen Roman "Die englische Fürstin" - zwischen Glanz und Rebellion, begleiten wir Daisy von Pless durch ihr bewegtes Leben am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts.

Mary Theresa Olivia ...

Im historischen Roman "Die englische Fürstin" - zwischen Glanz und Rebellion, begleiten wir Daisy von Pless durch ihr bewegtes Leben am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts.

Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt Daisy, stammt aus altem verarmten englischen Adel. Sie wächst eher ungezwungen und mit wenig Bildung auf, obwohl sie zum elitärsten Kreis der englischen Aristokratie gehört. Ihre Schönheit lässt sie zum strahlenden Mittelpunkt werden, als sie debütiert. Die Männer umschwärmen sie wie Motten das Licht und Daisy träumt von einer Liebesheirat, doch ihre Mutter hat eigene Pläne. Sie verheiratet ihre Tochter an den 12 Jahre älteren und schwerreichen Hans Heinrich von Pless. Der Deutsche bringt das gewünschte Geld ins Haus und die "von Pless" steigen in der Gunst des deutschen Kaisers auf. Daisy muss ihr Leben in England hinter sich lassen und kommt völlig unvorbereitet im pompösen Schloss Fürstenstein an. Sie hat weder Ahnung vom Eheleben, noch von der strengen Etikette des deutschen Adels. Das Personal wird ignoriert und nicht angesprochen, ganz anders als sie es von ihrem Zuhause gewohnt ist. Daisy fühlt sich einsam und unglücklich an der Seite des strengen und kühlen Hans. Bei Bällen und Pferderennen verzaubert sie die Aristokratie und selbst den Kaiser, einzig Hans bleibt steif und zurückhaltend. Als sie mitbekommt, wie die Arbeiter in den Kohlegruben ihres Mannes ausgebeutet werden, beginnt sie sich sozial zu engagieren. Ihr Mann versucht mit vielen Mitteln ihre Hilfsbereitschaft und ihre Anteilnahme zu unterbinden. Doch Daisy findet Mittel und Wege den Ärmsten der Armen zu helfen.Als der Erste Weltkrieg ausbricht ist sie trotz ihrer Stellung am Hofe plötzlich die Feindin im eigenen Land. Daisy, die sich immer für Frieden einsetzte, gerät zwischen die Fronten....

In einem zweiten Handelungsstrang lernen wir Joschi Siebenbürger kennen. Als sein Vater bei einem Grubenunglück in der Grube bleibt, ist es an ihm die Familie zu ernähren. Der erst 9jährige wird ebenfalls unter Tag geschickt, wird jedoch Pferdebursche. Die aufkeimende Liebe zu den Pferden ist für Joschi wie ein Lebensexelier. Er wird zum Pferdeflüsterer und landet schlussendlich in den Stallungen von Hans von Pless, wo auch Daisy auf ihn aufmerksam wird.
Sabine Weigand hat sich in ihrem neuem historischen Roman dem Leben dieser interessanten Frau angenommen, die Ende des 19. Jahrhunderts debütiert und nach Deutschland verheiratet wird. Sie hält sich dabei sehr nah an die historischen Fakten. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist unbeschreiblich. Während Hans und Daisy in Indien auf Tigerjagd gehen und der Schlossumbau Millionen verschlingt, leben achtköpfige Familien in zwei Räumen und nagen am Hungertuch. Krankheiten und harte Arbeit, Seuchen und Hungersnöte sind allgegenwärtig, während der Adel rauschende Feste feiert. Durch ihren Stallburschen Joschi kommt sie mit der ärmlichen Bevölkerung in Berührung und versucht den Armen zu helfen und unter die Arme zu greifen.
Daisy von Pless entwickelt sich im Laufe der Jahre von einem naiven jungen Ding zu einer beeindruckenden jungen Frau, die die strengen Fesseln des Adels zu sprengen versucht. Ihre politische Weitsicht hat mich ebenfalls beeindruckt.

Sabine Weigand hat wieder einen beeindruckenden und informativen historischen Roman geliefert, der das Leben von Daisy von Pless schildert. Ihre Geschichte wird in verschiedenen Erzählformen vermittelt. Die Autorin lässt die Hauptprotagonistin aus ihrer Sicht, aber auch aus der von Joschi erzählen. Ebenso gibt es einen allwissenden Erzähler. Zeitungsausschnitte, Briefe von Daisy an ihre Familie in England und Auszüge aus ihrem Tagebuch runden die Geschichte ab und geben ihr noch mehr Authentizität. Durch einige Wiederholungen und etwas ausschweifende Erzählungen haben sich leider auch ein paar kleine Längen in den Roman geschlichen und eine kleine (fiktive) Episode fand ich unglaubwürdig.

Schreibstil:
Die Autorin schreibt lebendig und detailliert. Man merkt sofort, dass Sabine Weigand Historikerin ist. Die gekonnte Verknüpfung von Historie und Fiktion ist ihr absolut gelungen.
Auf dem Cover des Romans befindet sich ein Foto der Hauptprotagonistin, als auch vor jedem größeren Abschnitt des Buches, das in vier Teile gegliedert ist. Über den Kapitel befinden sich Zeit- und Ortsangaben.

Im Nachwort informiert Sabine Weigand den Leser darüber, welche Passagen historisch belegt sind und welche ihrer schriftstellerischen Freiheit entspringen. Ein Personenverzeichnis rundet dieses wunderbare Buch noch ab.

Fazit:
Ein gelungenes und informatives Portrait einer starken Frau, die sich gegen die Konventionen auflehnt und die Ärmsten unterstützt. Sabine Weigand hervorragend recherchierter Roman, der gekonnt Historie und schriftstellerische Freiheit verknüpft, lässt einem tief in die Zeit, wo Frauen keinerlei Rechte hatten, blicken. Für Freunde historischer Romane, die über das Schicksal einer starken Frau ihrer Zeit lesen möchten.

Veröffentlicht am 11.09.2019

Spannender historischer Krimi

Rheinlandbastard
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Coblenz am Rhein, 1924. Sechs Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ist das Rheinland von den französischen Soldaten besetzt. Der Hass und das Misstrauen schwelt noch immer zwischen Deutschland und ...

Coblenz am Rhein, 1924. Sechs Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ist das Rheinland von den französischen Soldaten besetzt. Der Hass und das Misstrauen schwelt noch immer zwischen Deutschland und Frankreich. Aber auch die Rheinländer sind sich nicht wirklich einig, welchen Weg sie gehen wollen: Monarchie oder Republik? Franzose sein oder Deutscher? Durch den andauernden Kampf um dieses Gebiet herrscht große Unsicherheit.
Auf der Festung Ehrenbreitstein, die ich schon von einem historischen Roman "kenne", dessen Handlung ein Jahrhundert früher gespielt hat, befinden sich die französischen Besatzungssoldaten, die die Region bewachen.
Als einer ihrer Kameraden mit durchschnittener Kehle aufgefunden wird, denken alle zuerst an Widerstandskämpfer aus den deutschen Reihen. Als das Morden jedoch weiter geht, sieht der französische Ermittler Didier Anjou ein, dass er deutsche Amtshilfe benötigt. Er rechnet mit einem erfahrenen deutschen Kriminalkommissar, erhält jedoch den frisch von der Polizeischule kommenden Adalbert Wicker. Für ihn ein Affront, denn Anjou hat seit seinen Kriegserlebnissen an der Front für die Deutschen nicht viel über. So fällt es ihm schwer Vertrauen zu Wicker zu fassen. Zusätzlich verdächtigt der junge Kommissar eher die französische Seite, was Anjou noch mehr aufbringt. Doch zu seiner Überraschung freundet er sich nicht nur mit dem jungen Wicker an, sondern auch mit dem deutschen Rechtsmediziner von Hohenstetten.
Durch Adalberts französische Freundin Babette, die im Lazarett als Krankenschwester tätig ist, erhält er bald interessante Informationen und dén richtigen Fingerzeig, was hinter den Morden stecken könnte....

Dieter Aurass hat einen sehr temporeichen historischen Krimi geschrieben, der von der ersten Seite an spannend zu lesen ist. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen und wieder einmal etwas dazugelernt, denn der historische Hintergrund war mir nicht wirklich bekannt. Es ist ein schwarzes Kapitel in der Geschichte, das noch immer totgeschwiegen wird. Mehr darf ich dazu nicht verraten, sonst würde ich spoilern.

Die Charaktere sind facettenreich und wunderbar gezeichnet. Ich konnte mir alle Figuren lebhaft vorstellen und habe besonders den jungen Adalbert Wicker ins Herz geschlossen. Dieter Aurass hat hervorragend recherchiert und ein Thema aufgerollt, das viel mehr an die Öffentlichkeit transportiert werden sollte. Man fiebert mit Babette und Adalbert, als auch mit Didier Anjou mit, während man einige grausame Morden mitverfolgt.

Mir waren die 272 Seiten fast zu kurz und ich hätte noch gerne etwas ausführlicher über die Hintergrunde oder die Aufklärung der Morde gelesen. Ein historischer Krimi, der gut und gerne noch 100 Seiten länger hätte sein können.

Fazit:
Ein spannender historischer Krimi, der ein bisher kaum bekanntes Thema aufgreift und wieder einmal die Grausamkeit der Menschen aufzeigt. Vielschichtige Charaktere und ein rasanter Schreibstil haben mich durch die - meiner Meinung fast zu wenig Seiten - durchrasen lassen. Wer gerne spannende historische Krimis liest, dem kann ich "Rheinlandbastard" auf jeden Fall empfehlen!

Veröffentlicht am 31.08.2019

Der Dynamit Teufel

Träume von Freiheit - Flammen am Meer
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"Flammen am Meer", so der Untertitel zum Debütroman von Silke Böschen und gleichzeitig der Auftakt einer Trilogie über wahre Schicksale von amerikanischen Frauen in Deutschland.

Dezember 1875 in Bremerhaven.
Die ...

"Flammen am Meer", so der Untertitel zum Debütroman von Silke Böschen und gleichzeitig der Auftakt einer Trilogie über wahre Schicksale von amerikanischen Frauen in Deutschland.

Dezember 1875 in Bremerhaven.
Die "Mosel", ein Auswandererschiff liegt bereit zum Auslaufen im Hafen, als ein lauter Knall ertönt. Die darauffolgende Druckwelle wirbelt Menschen, Tiere und sogar ganze Fuhrwerke durch die Luft. Wer nicht sofort tot ist, wird durch herumfliegene Teile erschlagen oder verletzt. Die Bilanz nach dem Unglück ist verheerend: Mehr als 200 tote oder verletzte Menschen.
Eine davon ist Johanne Clausen. Gemeinsam mit ihrem Mann, der kleinen Tochter und ihrer Familie war sie am Hafen, um ihren Bruder Gustav zu verabschieden, der sich an Bord der Mosel befand. Sie und ihre kleine Tochter Elsie sind die einzigen Überlebenden der gesamten Familie. Der Attentäter ist schnell gefunden. William King Thomas hat sich in seiner Kabine eine Kugel in den Kopf geschossen. Er verstirbt wenige Tage später und hinterlässt seine Frau Cecilia und ihre vier gemeinsamen Kinder. Als Ehefrau des "Dynamit-Teufels" hat sie in Deutschland keine Zukunft mehr und flüchtet unter falschen Namen mit den Kindern nach New York. Dort möchte sie einen Neuanfang wagen, doch die Vergangenheit holt sie auch tausende Kilometer weit entfernt ein....

Silke Böschen hat für ihren Roman die sogenannte "Thomas-Katastrophe" als Ausgangspunkt genommen. Es ist eine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht. In akribischer Recherche hat die Autorin geschickt Fakten und Fiktion miteinander verwoben und einen wunderbaren historischen Roman geschaffen, den man kaum aus der Hand legen kann. Durch die Einbindung realer Personen wird die Geschichte noch authentischer.
Wir lesen abwechselnd aus der Sicht von Johanne und Cecilia. Orts- und Datumsangabe unter der Kapitelüberschrift sind dabei hilfreich. Die beiden Frauen sind sehr unterschiedlich und dennoch verbindet sie diese Katastrophe aus dem Dezember 1875. Während Johanne durch das Unglück einen Teil ihrer rechten Hand verliert und zusätzlich in ihrer Trauer gefangen ist, versucht Cecila sich und die Kinder durchzubringen. Dabei ist ihr ihr Status immer wichtig und sie gibt das Geld, wie sie es gewohnt war, mit vollen Händen aus. Richtig sympathisch ist mir Cecilia nicht geworden, jedoch sind beide sehr starke Frauen, die ihren Weg gehen...komme, was wolle.
Johanne findet lange nicht zurück ins Leben. Einzig ihre kleine Tochter hält sie aufrecht. Durch den Verlust der rechten Hand muss sie wieder schreiben lernen, um ihren Schwiegervater im Kontor zu helfen. Die Arbeit bringt sie auf andere Gedanken, denn die Menschen neiden ihr die finanzielle Unterstützung, die alle Opfer der Katastrophe erhalten. Doch ihre Lieben ersetzt es nicht...
Was im Klappentext angedeutet wird, passiert allerdings spät, denn die beiden Frauen treffen erst im letzten Viertel des Buches aufeinander. Das fand ich schade, denn hier hätte ich gerne eine längere Zeit verweilt.
Am Ende des Romans gibt es einen kleinen Zeitsprung. In einer Art Rückblick der gealterten Johanne erfährt der Leser, wie ihr und Cecilias Leben am Ende ihres Weges ausgesehen hat.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Silke Böschen lässt sich wunderbar lesen. Er ist flüssig und der Zeit angepasst, aber nicht sperrig. Man hat absolut nicht das Gefühl einen Debütroman zu lesen. Die Kapitel sind eher kurz gehalten. Die Charaktere sind ausdrucksstark und facettenreich.
Das wunderschöne Cover ist zusätzlich ein Eyecatcher.

Am Ende des Romans befindet sich nach dem Nachwort ein Personenregister der handelnden Figuren. Dabei erhält man als Leser Einblicke in die historischen Personen und erfährt, was Fakt und was Fantasie ist. Es handelt sich dabei um fast gesamte Lebensläufe, die sich interessant lesen lassen.

Fazit:
Ein bewegender Schicksalsroman, der die Thomas-Katastrophe als Ausgangspunkt für diese komplexe Geschichte über zwei starke Frauencharaktere verwendet. Akribisch recherchiert und großartig umgesetzt. Diesen Debütroman kann ich aus vollem Herzen weiterempfehlen!