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Veröffentlicht am 23.10.2017

Wenn die Seele leidet

Seelenkinder
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Über tote Kinder zu lesen ist ja so eine Sache. Man weiß nie was einen erwartet. Oft schreckt einen schon allein ab, dass Kinder in einen Thriller involviert sind. Der Klappentext ist zwar recht kurz, ...

Über tote Kinder zu lesen ist ja so eine Sache. Man weiß nie was einen erwartet. Oft schreckt einen schon allein ab, dass Kinder in einen Thriller involviert sind. Der Klappentext ist zwar recht kurz, enthält aber schon eine recht gute Zusammenfassung über die Story.

Hinter der Geschichte verbirgt sich aber viel mehr als ein grausamer Thriller. Es ist eine Tragödie, was sich da abgespielt hat. Die Kinder, tragische Opfer. All das, wie es zu dieser Tat kommen konnte, wer dieser Tat fähig ist und wieso offenbar niemand etwas unternommen hat, dem kommen Detective Marnie Rome und ihr Team auf die Spur. Anfangs führen die Ermittlungen in eine ganz andere Richtung. Sogenannte “Prepper”, Menschen, welche jederzeit auf jegliche Art von Katastrophe vorbereitet sind, rücken in den Fokus der Ermittlungen. Auch Clancys leibliche Eltern scheinen dieser Gruppierung anzugehören. Der Junge ist diesem Wahnsinn mit seinen einzigen jugendlichen Möglichkeit entflohen: indem er sich quer gestellt hat und aufsässig wurde. So landete er auch bei den Doyles. Durch seine sture, teils aggressive Art, fällt er natürlich auch in seiner Umgebung auf und die Ermittler auch auf ihn aufmerksam.

Zu Beginn der Geschichte hatte ich einen dicken Kloß im Hals. Man erlebt die letzten Stunden der Kinder. Das war schon richtig bedrückend. Die eigentliche Geschichte entwickelt sich aber dann in eine Richtung, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hätte. Durch abweichende Erzählstränge führt einen die Handlung von den Ermittlungen in eine Psychiatrische Anstalt. Dort erzählt Alice über Esther und die Jungs. Anfangs verwirrend, doch allmählich lichtet sich auch dieser Vorhang. Dadurch ist man den Ermittlern dann auch voraus, gibt der Geschichte aber keinen Dämpfer. Im Gegenteil! Plötzlich ergeben sich neue Erkenntnisse und die ganze Tragödie, welche fünf Jahre vorher seinen unfassbaren Höhepunkt im Leben einer Familie erreichte, tut sich auf.

Mein Fazit:

Ein wirklich gut durchdachter Thriller, in denen es hauptsächlich Opfer gibt. Ja, sowas gibt es tatsächlich, auch Täter können Opfer sein. Was ich damit meine und was dahinter steckt? Postnatale Depression und ihre Auswirkungen, mehr kann ich an dieser Stelle nicht verraten, dafür muss man den Thriller schon selber gelesen haben.

Die Autorin ist mir noch unbekannt, auch wenn es sich bei Seelenkinder bereits um das zweite Buch um Detective Marnie Rome handelt. Es werden zwar einige Dinge aus dem ersten Band angesprochen, doch lässt sich die Geschichte auch ohne Vorkenntnisse zu Rome und den anderen Charakteren lesen. Diese fand ich auch ganz gut gewählt und ausgearbeitet. Ein Team das zusammenarbeitet, deren Ermittlungsarbeit man sich gut vorstellen kann und dessen Mitglieder sich wunderbar ergänzen

Veröffentlicht am 22.10.2017

Fragen über Fragen und doch unvergesslich

Und es schmilzt
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Und es schmilzt. Schon allein der Titel lässt einen nachdenken. Was schmilzt? Schnee schmilzt, Eis schmilzt. Auf dem Cover zeigen sich zarte Blüten und Zweige in Eis gefangen. Ich stelle mir eine Geschichte ...

Und es schmilzt. Schon allein der Titel lässt einen nachdenken. Was schmilzt? Schnee schmilzt, Eis schmilzt. Auf dem Cover zeigen sich zarte Blüten und Zweige in Eis gefangen. Ich stelle mir eine Geschichte vor, die einen Neuanfang darstellt. So wie der Frühling nach dem Winter ein Neuanfang im Jahreskreis ist. Handelt es sich um eine tragische Liebesgeschichte? Was symbolisiert der Eisblock, den Eva in ihrem Auto mit sich führt? Fragen über Fragen, bereits bevor man richtig in die Geschichte eintaucht und die Antworten auf tragische unfassbare Art vor die Augen geknallt bekommt!

In einer zeitlichen Abfolge erzählt Eva ihre tragische Geschichte. Es war anfangs nicht immer leicht dem zu folgen, denn die zeitlichen Abläufe werden besonders in der Vergangenheit nicht immer klar voneinander getrennt. In Evas Kindheit sind unfassbare Dinge geschehen, die mich als Leserin so manches mal ratlos innehalten ließen. Eva hatte keine behütete Kindheit. Geborgenheit und Liebe kannte sie nicht. Ihre Eltern: Alkoholiker, die Mutter noch dazu mit psychischen Problemen behaftet. Ihre kleine Schwester entwickelte ebenso eine Psychose, die nicht behandelt wurde. Ein großer Bruder war auch noch da. Die Geschwister hielten zusammen, waren mit der Familiensituation natürlich überfordert. Besonders Eva. Irgendwie wurde bei ihr alles abgeladen, erwartete von ihr, alles recht zu machen. Eva hatte nur zwei Freunde: Pim und Laurens. Die drei Musketiere wurden sie genannt. Als Elisa ins Dorf zog, freundete sich Eva das erste mal mit einem Mädchen an. Versuchte dem Kumpel-Image der Jungs zu entkommen. Doch die Freundschaft hielt nicht lange. Eva war nicht “Mädchen” genug, sie war nicht hübsch genug, sie war nicht schlank genug. Als Eva 13/14 war lief alles aus dem Ruder. Die Jungs entdeckten die Sexualität, stellten die Mädchen auf die Probe, spielten Spielchen mit ihnen. Eva wurde als Spielführer eingesetzt, sie sollte sich ein Rätsel ausdenken, welches die Mädchen erraten müssen. Als Eva dem Spiel ein Ende setzten will, eskaliert die Situation vollkommen…..

Was sich in jenen letzten Ferien abspielte war unfassbar! Vor allem, weil die Beteiligten so jung waren. Wie konnte es soweit kommen? Die Jugendlichen schienen von zu Hause aus, keine Führung erhalten zu haben. Leider bekam man diesbezüglich keinen Einblick. Man sollte sich als Leser rein auf Eva konzentrieren. Das viel mir schwer, bzw. war fast unmöglich. Die beteiligten Jugendlichen empfand ich als extrem frühreif und die Mädchen besonders verwegen dargestellt. Der Gewaltakt, ein erschreckendes Beispiel für nicht vorhandenen Jugendschutz bei Medien. Dieses letzte Ereignis in Evas Kindheit ist alles, was in der Gegenwart geschieht. Man bekommt die Antwort auf die zentrale Frage, warum Eva einen Eisblock mit sich schleppt und vor allem was sie damit vor hat.

Die Autorin schildert eine unfassbare, deprimierende und traurige Familiengeschichte. Nichts ist schön an Evas Kindheit und auch ihr Erwachsenendasein ist nicht erfüllend. Sprachlich sehr gut. Emotionslos, nüchtern, so wie Eva ist. Thematisch auch ganz großartig. Auch wenn es hauptsächlich um Evas Person und ihrer Familie ging, hätte ich mir mehr Einblicke zu den anderen Beteiligten gewünscht.

Mein Fazit:

Ein absolut überraschendes Buch. Eine Geschichte, welche sich unfassbar entwickelt, die viel Anlass zum Nachdenken gibt, mit einem Ende, das schockiert, aber auch einen gelungen Schlusspunkt setzt.

Ich las das Buch im Rahmen einer Leserunde. Laut der Autorin sollte man sich als Leser hauptsächlich auf Eva konzentrieren. Das viel mir als Leserin nicht leicht. Zu viele Fragen blieben mir dadurch zu den anderen Charakteren offen. Wie konnte es soweit kommen, usw? Trotz oder gerade wegen dieser offenen Fragen, verfolgt mich die Geschichte im Nachhinein immer noch, hallt lange nach, stimmt mich nachdenklich. Es selbst zu lesen kann ich nur empfehlen!

Veröffentlicht am 07.10.2017

Geheimnisvolle Wege, philosophische Gedanken

Auf versunkenen Wegen
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Silvain Tesson ist für mich durch sein Buch “In den Wäldern Sibiriens” kein unbekannter. Darin lebt er weit abgeschieden von der Zivilisation 6 Monate in einer einfachen Blockhütte ohne jeglichen Komfort ...

Silvain Tesson ist für mich durch sein Buch “In den Wäldern Sibiriens” kein unbekannter. Darin lebt er weit abgeschieden von der Zivilisation 6 Monate in einer einfachen Blockhütte ohne jeglichen Komfort zusammen mit zwei Hunden. Man kann also sagen, er ist ein Mann der Extreme. Er sucht die Einsamkeit ohne sich jetzt von den Menschen abzuwenden. Er liebt die Ruhe und die Einfachheit die in unserer Welt der Hektik, Eile und Bequemlichkeit nicht immer leicht zu finden sind.

In “Auf versunkenen Wegen” macht er sich auf, um das ursprüngliche Frankreich zu erkunden. Auf geheimnisvollen Pfaden durchstreift er sein Heimatland von der Provence im Süden bis zum entlegensten Zipfel der Normandie im Norden. Nicht immer gelingt es ihm, dem Pfad zu folgen. Private Grundstücke, Verbotsschilder, Straßen oder Sperrzonen behindern sein Fortkommen auf Wegen, denen Mensch und Tier zu früheren Zeiten wie selbstverständlich gefolgt sind. Aber wie kam es zu diesem Unterfangen? Tesson hatte einen schweren Unfall, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte und an dessen Folgen er lange Zeit zu kämpfen hatte. Anstatt seine Genesung in einem Reha-Zentrum voranzutreiben, beschloss er sich über längst vergessene Wege und Pfade zurück ins Leben zu arbeiten.

Seine Tagbucheinträge sind gespickt mit Eindrücken von Land und Leuten, seinen eigenen Gedanken und Philosophien. Es ist sehr gut zu lesen, doch hatte ich mir irgendwie doch etwas anderes vorgestellt. Einzelne Passagen der Region und der Wege kann man sich zwar gut vorstellen, doch ist der Bericht eher tiefsinnig und es geht einfach um ihn selber. Er macht keinen Hehl daraus, dass er vor dem Unfall dem Alkohol nicht abgeneigt war und so manchen Rausch zu verbuchen hatte. Was auch zu seinem Unfall führte. In seiner Wanderung verarbeitet er einige persönliche Dramen.

Mein Fazit:


Das Buch ist kein Reisebericht und natürlich auch kein Wanderführer. Tesson erzählt zwar von seinen Eindrücken über Land und Leute, doch mehr erfährt man was ihn antreibt, welche Gedanken ihn beschäftigen, während er durch Frankreich streift. Ein mitunter recht philosophisches Buch mit wunderschönen Fotos vorne und hinten in der Klappe. Es beweist, dass man auch bei uns noch abgeschiedene Orte und Ruhe finden kann. Das es Möglichkeiten und Wege gibt, mit viel Willen und Hartnäckigkeit zu genesen.

Veröffentlicht am 03.10.2017

Mit dem Rollstuhl auf dem Jakobsweg

I'll push you
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Im Rollstuhl den Jakobsweg zu gehen - welch eine Herausforderung! Als Justin Skeesuck eine Reisedokumentation über den Spanischen Jakobsweg im TV sah, war er ganz begeistert von der wunderschönen Landschaft ...

Im Rollstuhl den Jakobsweg zu gehen - welch eine Herausforderung! Als Justin Skeesuck eine Reisedokumentation über den Spanischen Jakobsweg im TV sah, war er ganz begeistert von der wunderschönen Landschaft und in ihm wuchs der Wunsch, diese Reise zu bewältigen. Er erzählte seinem besten Freund Patrick davon. Die beiden sind seit Kindertagen beste Freunde. Trotz der Entfernung, die beide privat voneinander trennt und die schwere Krankheit, die Justin mittlerweile an den Rollstuhl fesselt und er auf Rundumbetreuung angewiesen ist, hat der Freundschaft keinen Bruch verursacht. Im Gegenteil. Patrick ist immer für Justin da. Die Familien verbringen ihre Urlaube miteinander und Patrick reist so oft es ihm möglich ist nach Kalifornien um sich um seinen Freund zu kümmern und dessen Frau ein paar Tage Erholung zu geben. Als Justin nun über seinen Wunsch den Jakobsweg im Rollstuhl zu bereisen äußerte, stand für Patrick fest, dass er ihn bei diesem Vorhaben nicht nur unterstütz, sondern ihn auch begleiten wird. "I'll push you - ich schiebe dich!" waren einfach seine Worte dazu.

Erst mal ging noch einige Zeit ins Land bis das Vorhaben konkretisiert wurde. Dann standen die beiden Freunde vor dem Problem der Finanzierung. Ein geländetauglicher Rollstuhl musste her, der kostet ein kleines Vermögen. Doch mit Hilfe von Sponsoren und Spenden konnte dieses unabkömmliche Teil angefordert werden. Patrick begann zu trainieren. Kraft und Ausdauer waren gefragt, wollte er Justin über den 800 km langen Jakobsweg bringen. Bei jedem Wetter war er unterwegs. Als dann der Rollstuhl geliefert wurde, nahm auch Justin an dem "Fitnessprogramm" teil. Patrick merkte schon bald, wo seine Grenzen liegen könnten. Ohne eine zusätzliche Person würde es wohl schwierig für ihn werden, Justin über den ganzen Weg zu bringen. Als sich ein Freund der beiden anbot, sie in den ersten Wochen zu begleiten, kehrte der Optimismus wieder zu den beiden Freunden zurück.

Als es endlich los ging für Justin und Patrick, merkten sie schon am Flughafen, dass es ganz schön hart werden könnte. Welche Hürden sie noch hinter sich bringen mussten, bevor sie überhaupt mit dem Jakobsweg beginnen konnten, ahnten die beiden zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Am Ausgangspunkt stieß Ted zu ihnen und die drei machten sich auf zu ihrer ersten Etappe. Schon auf den ersten Kilometern stießen sie vor fast unüberwindbare Hürden. Mit aller Kraft, die Ted und Patrick aufbringen konnten, schafften sie es über diesen Tag. Dies war aber nur der Anfang und es sollten noch zahlreiche weitere schier unüberwindbare Hindernisse auf die Freunde zukommen. Patrick gibt nicht auf, auch als Ted die beiden Freunde verlassen muss, und schafft es Justin mit der Hilfe von anderen Pilgern bis nach Santiago de Compostela zu bringen ....

Unfassbar, was die zwei Freunde geleistet haben. Aus einer Idee, wurde Wirklichkeit. Justin zeigt unglaublichen Lebenswillen. Er strotz nur so vor Lebensfreude. Das spürt man während des Lesens sehr stark. Auch Patrick ist bewundernswert. Mit welcher Selbstverständlichkeit er sich um Justin kümmert, immer schon, nicht nur als der Wunsch den Jakobsweg zu begehen bei seinem Freund aufkommt. Wie beharrlich die beiden es angehen, damit dieses Abenteuer überhaupt stattfinden kann. Während der Reise auf dem Pilgerweg zeigt sich aber auch, wie sehr die Menschen zusammenhalten können. Egal welcher Nation sie angehören, es wird geholfen, ohne zu fragen, ohne zu bitten. Es wird angepackt und die Menschen freuen sich, zusammen mit Patrick und Justin unmögliches möglich zu machen. Ein rundum gelungenes Abenteuer, bei dem wildfremde Menschen zu Freunden wurden, ohne etwas zu verlangen oder zu fordern. Einfach schön!

Mein Fazit:

Eine außergewöhnlich mutiger Reise von zwei Freunden, die auszogen um 800 km den Jakobsweg zu begehen. Obwohl es oft wohl eher einem Bezwingen gleich kam, spürte man stellenweise die Zufriedenheit und das "In-Sich-Gehen" während dieser Wanderung bei beiden. Ihre Erfahrung, ihre Gedanken und ihre Erkenntnisse haben sie in dem Buch auch sehr genau und detailliert dargestellt. Schade nur, dass in dem Buch keine Fotos über die Vorbereitung und über die Reise abgelichtet sind. Patrick und Justin wurden zwar von einem Filmteam begleitet, welches ihre Reise dokumentierte, doch hätten auch in dem Buch ein paar Fotos abgelichtet werden können!

Veröffentlicht am 26.09.2017

Dann schlaf auch du

Dann schlaf auch du
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“Das Baby ist tot”, mit dieser schrecklichen Tatsache beginnt der Roman. Nach diesem Gehörten, läuft es einem schon kalt den Rücken hinunter. Der Schrei der verzweifelten Mutter, die Aufregung der Nachbarn, ...

“Das Baby ist tot”, mit dieser schrecklichen Tatsache beginnt der Roman. Nach diesem Gehörten, läuft es einem schon kalt den Rücken hinunter. Der Schrei der verzweifelten Mutter, die Aufregung der Nachbarn, die allarmierten Rettungskräfte und die hinzugezogene Polizei. Die ganze Szene, kann man sich richtig lebhaft vor Augen führen, allein durch diese paar Minuten des Zuhörens. Doch was ist geschehen? Dem geht man auf die Spur. Auf eine recht nüchterne Art, schildert die Autorin die Geschehnisse, krempelt die Geschichte um vom Ende zum Anfang um wieder bis zum Ende vorzurücken.

Die Geschichte scheint erst mal ganz alltäglich zu sein. Viele Familien, suchen sich eine Kinderfrau um es beiden Elternteilen zu ermöglichen, ihrer Arbeit nachzugehen. So auch bei Myriam und Paul, Eltern von zwei kleinen Kindern. In Louise finden sie scheinbar die perfekte Nanny. Die Kinder mögen sie vom ersten Augenblick, und auch Paul und Myriam sind mit ihrer Wahl zufrieden. Louise sorgt nicht nur für die Kinder, sie erledigt auch den Haushalt und kocht für die ganze Familie. Ehrlich gesagt, hatte ich zwischendurch den Eindruck, Louise wird von Myriam und Paul regelrecht ausgenutzt. Was vielleicht auch mitunter der Fall war. Louise scheint nicht immer mit der Situation zufrieden zu sein. Traut sich gegenüber ihren Arbeitgebern nichts zu sagen, denn sie braucht das Geld und irgendwie braucht sie auch dieses „Gebraucht werden”. Denn Louise ist einsam. Was die Massés nicht wissen: Louise hat Schulden. Nicht aus eigenem Verschulden, aber sie sind da. Und Louise versucht sich dieser Realität zu entziehen, auch mit Hilfe der unwissenden Familie. Irgendwann sind alle gegenseitig voneinander abhängig. Die Eltern, die Kinder und auch Kinderfrau, alle sind abhängig voneinander. Es beginnt ein Teufelskreis, denn die Eltern ahnen nichts von Louises kranken Gedanken, die sich immer mehr in das Geschehen einbinden. Aus einem scheinbar perfekten idyllischen Zusammenspiel, wird ein “Spiel” auf Leben und Tod und nur Louise kennt den Ausgang.

Man kann Louise erst einmal gar nicht verurteilen. Wie ich schon oben erwähnte schien es mir erst, dass sie selber auch ausgenutzt wurde von den Eltern. Sie fühlte sich unsichtbar, tat wie ihr geheißen und hatte auch nicht immer eine gute Meinung über das Ehepaar. Später dann, hätte sie durchaus die Gelegenheit erhalten, sich Myriam zu öffnen um ihre Situation klar vorzulegen. Hat es aber aus Scham oder Angst den Job und somit die Kinder zu verlieren nicht getan. Die Abhängigkeit Louises zur Familie war schließlich so stark, dass man ihre Gedanken nur noch als krankhaft, wirr und beängstigend bezeichnen kann. In den Kopf von einem anderen Menschen kann man nicht hineinsehen, so auch nicht in Louises. Sie hält ihre Gedanken gut verschlossen. Myriam und Paul merken zwar irgendwann, dass mit Louise etwas nicht stimmt, doch da ist es bereits zu spät. Als Leser bzw. Zuhörer hat man dieses Wissen und das ist das Grausame an dem Roman, dass man weiß, was wie das Ende aussieht.

Leïla Slimani, eine französische Autorin mit marokkanischen Wurzeln, wurde für “Dann schlaf auch du” mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. Dies ist ihr zweites Buch. Die Idee für diesen Roman lieferte ihr ein realer Fall aus den USA. Constanze Becker, mit ihrer angenehmen Stimmer, erzählt auf eindrückliche Weise dieses Drama.

Mein Fazit:

Der Titel erinnert mich irgendwie an dieses Schlaflied “La le lu” aus meiner Kindheit, gesungen von Heinz Rühmann. Aber die Geschichte ist alles andere als beschaulich und nett. Es ist vielmehr ein erschütterndes Portrait über eine einsame Seele, deren Lebensumstände wohl dafür sorgten, dass sich in ihrem Kopf krankhafte Gedanken festsetzen konnten, die niemand bemerkt hat und die schließlich zu dieser Tragödie führten. Alles in allem eine gute Geschichte, der man als Hörbuch gut folgen kann.