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Veröffentlicht am 23.08.2017

Beklemmend, gruslig mit viel Atmosphäre

Der Mann zwischen den Wänden
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Schauplatz Stockholm. Alva ist 9 Jahre alt, zusammen mit ihrer Mutter und den beiden älteren Schwestern zieht sie von einer Villa in ein Mehrfamilienhaus. Alva ist für ihr Alter clever, aber ein Einzelgänger. ...

Schauplatz Stockholm. Alva ist 9 Jahre alt, zusammen mit ihrer Mutter und den beiden älteren Schwestern zieht sie von einer Villa in ein Mehrfamilienhaus. Alva ist für ihr Alter clever, aber ein Einzelgänger. Ihre Schwestern stecken ständig zusammen und kümmern sich nicht um die kleine Schwester, Alvas Mutter geht arbeiten und hat auch keine Zeit für sie. Ihren Vater vermisst sie sehr. Sie findet in der neuen Schule keine Freunde, wird bald von einem Klassenkameraden gemobbt. Alva schmökert dafür gern in ihren Büchern, vor allem ein Buch über Okkultes liest sie immer wieder.

Dann wird eine Frau aus dem Haus vermisst, ihr Mann kann sich das Verschwinden nicht erklären, die Beziehung war harmonisch. Zwei Wochen ist sie verschwunden, bis sie auf einmal tot in der Wohnung liegt. Sie wurde ermordet, verdächtigt wird zuerst der Ehemann. Doch dann finden sich fremde Fingerabdrücke und Spuren an der Leiche, die ihren Mann entlasten. Der Mord bleibt ein Mysterium, bei den Mietern im Haus bleibt in mulmiges Gefühl. Auch Alva macht sich Gedanken, dann hört sie merkwürdige Geräusche.....

Ich konnte schön flüssig in die Geschichte eintauchen, der Schreibstil lässt sich angenehm lesen und durch die Zeitform des Präsens hat man das Gefühl, dass man direkt mit dabei ist.
Wir lernen Alva, ihre Mutter und ihre Schwestern kennen, Alva ist schon etwas speziell mit ihrer Begeisterung für das Lexikon der paranormalen Phänomene. Sie erscheint wie der typische Außenseiter. Beschäftigt sich viel selbst, hat keine Freunde, keine Vertraute. Parallel liegt der Fokus in kurzen Sequenzen auf anderen Bewohnern des Hauses, ganz unterschiedliche Menschen. Doch alle erleben verstörende Dinge. Gegenstände liegen nicht an ihrem Platz, Essen scheint zu verschwinden. Was geht in diesem Haus vor sich?

Die Autorin versteht es, eine gruslige Atmosphäre aufzubauen. Wir begleiten meist Alva und einige andere Bewohner in ihrem täglichen Leben und alltägliche Szenen wirken plötzlich bedrohlich. Alva hatte von Anfang an meine Sympathie, entwickelt sich dann aber in eine ungute Richtung, die ich sehr bedenklich fand. Um nicht zu spoilern, kann ich hier nicht mehr verraten. Das Ende ließ mich etwas zwiegespalten zurück. Einerseits ganz anders als ich es erwartet hätte, von daher war der Überraschungseffekt echt gut. Andererseits ist die Geschichte nicht unbedingt abgeschlossen und eine wichtige Sache bleibt leider unbeantwortet. Noch ein Tipp! Den innwendigen Klappentext sollte man vorher am besten nicht lesen, weil dort viel zu viel verraten wird.
Fazit: Der Mann zwischen den Wänden ist ein echt guter Thriller und fesselt von der ersten Seite an. Beklemmend, gruslig mit viel Atmosphäre. Und das Ende lässt Raum für eine Fortsetzung.

Veröffentlicht am 07.08.2017

Spannung und schwarzer Humor

Ambach – Die Deadline / Das Strandmädchen
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Ambach - Die Deadline/Das Strandmädchen beinhaltet Teil 3 und 4 der Reihe. Ein Quereinstieg ist möglich, es empfiehlt sich aber mit der Reihe von Anfang an zu beginnen um die Personen und die Handlung ...

Ambach - Die Deadline/Das Strandmädchen beinhaltet Teil 3 und 4 der Reihe. Ein Quereinstieg ist möglich, es empfiehlt sich aber mit der Reihe von Anfang an zu beginnen um die Personen und die Handlung von Anfang an kennenzulernen. Wer die ersten beiden Teile nicht kennt sollte lieber nicht weiter lesen, Spoilergefahr!

Felix hat unbeabsichtigt einen Mann erschossen, die Polizei zu rufen kommt aus bekannten Gründen nicht infrage. Der Retter in dieser Situation ist der zwielichtige Kunstexperte Gabriel, der Felix unter seine Fittiche genommen hat. Der Tatort wird gereinigt, doch das Entsorgen der Leiche ist mit Komplikationen verbunden. Immer mehr gerät Felix in eine Abhängigkeit von Gabriel, auch wenn er sich immer wieder vornimmt auszusteigen, so bleibt es leider nur beim Wunsch.

"Die Deadline" beginnt mit dem Weg der Kugel, eine gelungene und plastische Beschreibung der Schäden, die sie im Körper vom Journalisten Stefan Blank anrichtet. Als es um die Beseitigung der Leiche geht hatte ich Kopfkino, die Szenen wirken wie in einer Krimikomödie und sind mit schwarzem Humor durchsetzt. Man lernt einen Schrotthändler mit einer ganz besonderen "Waschmaschine" kennen. Lebhaft beschrieben, auch hier hatte ich Bilder im Kopf. Der Teil endet bei Gabriels Party mit einer spektakulären Aktion.

Im vierten Teil "Das Strandmädchen" ändert sich Felix Charakter, er findet langsam Gefallen an seiner Rolle als Fälscher und wirkt selbstsicherer als bisher. Sein nächstes Projekt ist eine Skulptur von Picasso.

Auch dieser Band hat mir wieder gut gefallen, gelungen ist die Entwicklung der Figuren, man merkt wie sich die Beziehungen zwischen den Protas immer wieder verändern und wie Felix selbst einen Wandel durchläuft. Vom bisher eher naiven hinterwäldlerischen Handwerker wird er zum selbstbewussten Künstler, bekommt Höhenflug und er wird skrupelloser. Das Ermittlerduo lernt man auch besser kennen, allerdings wirken die beiden nicht sonderlich motiviert, kommen eher unsympathisch rüber und machen keine gute Figur. Die Ermittlungen im Fall des niedergeschlagenen Pfarrers und des toten Journalisten kommen nicht recht voran, überhaupt spielen die Ermittlungen eher eine untergeordnete Rolle.

Insgesamt hat mir auch dieser Band wieder gut gefallen, ich mag die Stellen mit schwarzem Humor und die Spannung. Wie schon Band eins endet auch dieser mit einem Cliffhanger, man darf gespannt sein wie es weiter geht.

Veröffentlicht am 04.08.2017

Berlin Krimi

Endstation Neukölln
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Schauplatz Berlin Neukölln. Hauptkommissar Stefan Breschnow und sein Team ermitteln in einem Mordfall. In einem Hausflur eines Neuköllner Mietshauses wird die Leiche von Johannes Faris Rosenstolz gefunden. ...

Schauplatz Berlin Neukölln. Hauptkommissar Stefan Breschnow und sein Team ermitteln in einem Mordfall. In einem Hausflur eines Neuköllner Mietshauses wird die Leiche von Johannes Faris Rosenstolz gefunden. Wie sich herausstellt wurde er in der Wohnung des Junkies Toto erstochen, konnte sich mit letzter Kraft bis in den Hausflur retten. Kurz darauf wird wieder ein Toter gefunden, auf einem öffentlichen Grünstreifen erschlagen. Auch in diesem Fall ermittelt Stefan Breschnow. Es gibt in beiden Mordfällen kaum Hinweise, Toto liegt im Krankenhaus, ist aufgrund seines Entzugs nicht ansprechbar, seine Freundin Kimmie wird als wichtige Zeugin gesucht, doch sie ist unauffindbar. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig.

"Endstation Neukölln" ist der dritte Fall für Kommissar Stefan Breschnow, auch ohne die vorherigen Teile zu kennen konnte ich flüssig in die Geschichte eintauchen. Connie Roters beschreibt das Milieu in Berlin Neukölln sehr authentisch, die Bezeichnung "dunkle Parallelwelt" trifft es gut. Denn man taucht in die Welt der Drogendealer und Junkies ein, lernt verkrachte Existenzen kennen. Besonders gut sind ihre Figuren charakterisiert. Stefan Breschnow, der mehr trinkt als gut für ihn ist, der privat unter dem Wegzug seiner Schwester und Nichte leidet. Und der auf der Arbeit immer unzuverlässiger wird. Seine Kollegen kennen sein Problem, können ihm aber nicht helfen.

Die Geschichte von Kimmie, der jungen Frau und Schulfreundin von Toto ging mir besonders nah. Sie kommt aus zerrütteten Familienverhältnissen, ihre Mutter ist Alkoholikerin mit ständig wechselnden Männern, die von der Stütze lebt und das wenige Geld versäuft. Um die zwei kleinen Schwestern muss sich Kimme kümmern, zudem wird sie von einer Neuköllner Clique immer wieder bedroht.

Außerdem gibt es noch die Journalistin Cosma, die auf der Suche nach der Story ist, mit der sie endlich Karriere machen kann.

Drei Hauptcharaktere die authentisch überkommen und deren Wege sich immer wieder kreuzen.

Ich habe die Handlung als sehr intensiv wahrgenommen, sie ist dicht und wartet mit einigen überraschenden Wendungen auf. Ist bis fast zum Schluss nicht zu durchschauen und endete für mich mit einem Schockeffekt. Allerdings gibt es wenig Lichtblicke, mich hat das Buch stellenweise richtig runter gezogen. Vielleicht auch deswegen, weil ich mir vorstellen kann, dass es im real life viele ähnliche Schicksale gibt.

Fazit: Gelungener Milieu Krimi, eine Reihe die ich auf jeden Fall weiter verfolgen werde, schon um zu sehen ob Breschnow irgendwann wieder die Kurve kriegt.

Veröffentlicht am 02.08.2017

Karriere als Kunstfälscher

Ambach – Die Auktion / Die Tänzerin
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Felix Ambach hatte es bisher nicht leicht. Als unerwünschtes und ungeliebtes Kind von den Eltern vernachlässigt, vom älteren Bruder Christian gedemütigt, war seine Kindheit ein Alptraum. Dabei hatte er ...

Felix Ambach hatte es bisher nicht leicht. Als unerwünschtes und ungeliebtes Kind von den Eltern vernachlässigt, vom älteren Bruder Christian gedemütigt, war seine Kindheit ein Alptraum. Dabei hatte er immer den Traum, einmal als Holzbildhauer Karriere zu machen. Seine Figur, die er für die Bewerbung bei einer Kunstakademie geschnitzt hatte, wurde von Christian als Feuerholz benutzt. Aus der Traum, während Christian als Kunstexperte Karriere macht.

Als ihm Christian auch noch seine Freundin wegschnappt, fühlt sich Felix einmal mehr als der Versager, den Christian in ihm sieht. Er lässt sich gehen, lebt von der Hand in den Mund mit kleinen Aufträgen als Schreiner, das Geld ist immer knapp. Als er nicht mal mehr das Geld für das Grab der Eltern aufbringen kann, reift in ihm ein Plan, wie er seinem Bruder die jahrelangen Demütigungen heimzahlen und ihn als Kunstexperte bloßstellen kann. Doch bei der Ausführung des Plans läuft nicht alles glatt. Als ein zwielichtiger Kunstsammler ihm einen Deal vorschlägt, geht Felix darauf ein und gerät immer mehr in den Einfluss des Mannes.....

"Die Auktion" und "Die Tänzerin" sind die ersten beiden Teile der Reihe um den Kunstfälscher Felix Ambach, einen Mann den man nach und nach gut kennenlernt. Ein Looser, der in den Tag hinein lebt, sein Haus vermüllt, sich um nichts kümmert. Den Autoren gelingt sehr gut, seine Wandlung zu beschreiben. Wie ihn der Ehrgeiz packt, es seinem hochnäsigen Bruder endlich heimzuzahlen. Die jahrelange Schmach und Demütigungen lassen in ihm den perfekten Plan reifen. Felix Wandlung kommt glaubhaft rüber, der Schaffensdrang, der ihn wie im Fieber arbeiten lässt, bis sein Werk vollendet ist. Im zweiten Teil lernt man ihn noch besser kennen, immer mehr wird er von seinem zwielichtigen Partner abhängig. Denn als Mitwisser hat er ihn in der Hand. Neben Felix und Christian gibt es weitere, teils schrullige Charaktere, die allesamt sehr gut gezeichnet sind. So gut, dass ich mir jeden einzelnen bildlich vorstellen konnte.

Der Schreibstil ist schön flüssig und lässt sich flott lesen, die Handlung wechselt mit spannenden und wieder ruhigeren Kapiteln ab. Dabei gibt es auch einige Szenen mit herrlicher Situationskomik, die für einige Lacher sorgten. Meistens verfolgt man Felix bei seinen Aktionen, es gibt aber auch Kapitel aus der Sicht anderer Beteiligter, so dass man als Leser mehr weiß, als Felix. Der zweite Teil endet mit einem fiesen Cliffhanger, gut dass ich direkt mit dem nächsten Teil beginnen kann.

Fazit: Gelungener Auftakt der Reihe, ich bin gespannt wie es mit Felix weiter geht.

Veröffentlicht am 12.07.2017

Was geschah damals wirklich?

Spätes Gewissen
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Paul ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen, flüchtete als 15jähriger mit seinen Eltern in den Westen. Als Erwachsener kehrt er nach dem Mauerfall in seine alte Heimat Kröpelin zurück, all die Jahre hatte ...

Paul ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen, flüchtete als 15jähriger mit seinen Eltern in den Westen. Als Erwachsener kehrt er nach dem Mauerfall in seine alte Heimat Kröpelin zurück, all die Jahre hatte er sich gefragt, was aus seinem damals besten Freund Karl geworden ist. Doch Karl lebt nicht mehr. In ihrem damaligen Versteck hinterlässt Karl einen Brief an Paul, in dem er über ein beobachtetes Verbrechen schreibt. Paul fühlt sich seinem toten Freund verpflichtet und stellt Nachforschungen an, die ihn und die Menschen die ihn dabei unterstützen, in große Gefahr bringen.

Der Autor packt hier ein äußerst brisantes Thema an. Die Stasi und die Frage, in wieweit die Stasi auch heute noch aktiv ist. Das Erschreckende an dem Buch ist, dass die Handlung sehr authentisch wirkt und man das Gefühl hat, dass die Realität durchaus ähnlich aussehen könnte, wie im Buch beschrieben. Ich habe mich damals, nach dem Mauerfall, auch des öfteren gefragt, was mit den Stasi Leuten passierte. Dass sie ihre Meinung/Gesinnung von jetzt auf sofort ändern ist wohl sehr unwahrscheinlich.

Wir begleiten zum einen Paul bei seiner Recherche in einem lange zurückliegenden Todesfall, angeblich einem Selbstmord. Lernen Menschen kennen, die ihm bei seiner Suche helfen und das, obwohl sie damit ein großes Risiko eingehen. Parallel dazu beobachten wir die Ermittlungsarbeit der Polizei in Bremen, die in einem aktuellen Tötungsdelikt ermittelt. Als Leser ahnen wir, dass es Parallelen zwischen den Fällen gibt, verfügen hier über mehr Wissen als Paul und die Polizei. Eingeschobene Kapitel, die in der Vergangenheit spielen machen klar, was damals wirklich passiert ist, wie perfide die Stasimethoden waren.

Der Schreibstil lässt sich flüssig lesen, die Handlung ist spannend, weist aber auch immer mal wieder Längen auf. Ich fand die Thematik sehr interessant, vor allem weil sie so authentisch erscheint und man sich unwillkürlich fragt, wie viel Wahrheit sich in dieser fiktiven Geschichte verbirgt. Ein Buch das sich zu lesen lohnt.

Autor: Wolfgang Westphal