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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.03.2019

Heimat und Familie

Was uns erinnern lässt
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Von der Autorin habe ich bisher zwei Bücher gelesen: „Die Liebhaber meiner Töchter“ sowie „Die große weite Welt der Mimi Balu“ – beides eher seichte Frauenromane, die ich gerne gelesen habe, ohne dass ...

Von der Autorin habe ich bisher zwei Bücher gelesen: „Die Liebhaber meiner Töchter“ sowie „Die große weite Welt der Mimi Balu“ – beides eher seichte Frauenromane, die ich gerne gelesen habe, ohne dass sie aber einen bleibenden Eindruck bei mir hinterließen. Ähnliches habe ich aufgrund der Buchbeschreibung von dem vorliegenden Roman erwartet, zumal das Buchcover auch eher unauffällig, um nicht zu sagen bieder gestaltet ist. Schnell jedoch hat mich die Geschichte überwältigt und sie verdient einfach nur eine Bestbewertung.
Mir, die ich fast im gleichen Jahr geboren bin wie die Autorin, im Gegensatz zu ihr aber aus Westdeutschland komme, ohne jeglichen persönlichen Bezug zur ehemaligen DDR und ihren Bewohnern zu haben, hat das Buch ein Stück deutsche Geschichte aufbereitet, die mir in diesen Details nahezu unbekannt war. Die Hauptprotagonisten, die Familie Dressel, betreibt seit Jahrzehnten ein Hotel und Forstwirtschaft am Rennsteig im Thüringer Wald. Nach dem Zweiten Weltkrieg und Gründung der DDR liegt es im Grenzgebiet zwischen Thüringen und Bayern und die Familie unterliegt als potentiell Republikflüchtigen scharfen Sicherheitsbeschränkungen und Repressalien, die im Jahr 1977 in ihre Zwangsumsiedlung mündet und die sie auf die vermeintliche Denunziation eines Freundes zurückführt. Das Ereignis ist für alle Familienmitglieder ein Jahrzehnte nachwirkendes Trauma, dem sie sich erst wieder im Jahr 2015 stellen, als Milla auf der Suche nach sog. Lost Places auf den Keller des Hotels stößt und die Familie dabei unterstützt, ihren Familienbesitz wiederzuerlangen und den Hintergrund der Deportation zu ergründen.
Sehr schön ist die Darstellung des unbedingten Familienzusammenhaltes und des Heimatgefühls der Dressels, die zu DDR-Zeiten praktisch abgeschnitten von der Welt in einer kleinen Oase leben. Den Mangel an alltäglichen Gegenständen des täglichen Bedarfs, ganz zu schweigen an Luxusgütern, spüren sie noch ärger als ihre Mitbürger. Wenn Anschaffungen wie ein Trabant Kombi oder eine Waschmaschine ohne Schleuder und Trommel beschrieben werden oder die Rede von Paketen aus dem Westen ist, dürfte sich so mancher sicher an das Leben in der DDR erinnern. Als Leserin fühle ich mich bildlich in ihre kleine Welt hineinversetzt und frage mich, ob nicht ein schlichtes Leben zu viel mehr Zufriedenheit führt.

Veröffentlicht am 10.03.2019

Auf den Spuren der Vergangenheit

Die verlorene Schwester
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Dieser Roman schlägt ein dunkles, den meisten wie mir bis dato sicherlich unbekanntes Kapitel schweizerischer Geschichte auf und führt uns in die Schweiz der 60er/70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dort ...

Dieser Roman schlägt ein dunkles, den meisten wie mir bis dato sicherlich unbekanntes Kapitel schweizerischer Geschichte auf und führt uns in die Schweiz der 60er/70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Dort wurden wie schon seit dem Jahr 1800 noch immer Waisen- und Scheidungskinder oder negativ aufgefallene Kinder ihren Eltern weggenommen und auf Bauernhöfen o.ä. verdingt, wo sie ohne Lohn und Taschengeld für Zwangsarbeit eingesetzt wurden und oft Erniedrigungen, Gewalt und Vergewaltigungen ausgesetzt waren. Zwei von ihnen sind die Schwestern Marie und Lena, von denen eine schwanger wird und ihr Baby hergeben muss. Sie geben die Hoffnung nicht auf, einander und auch das Baby irgendwann wiederzusehen. In der Gegenwart im Jahr 2008 sucht Maries Tochter nach ihrer Mutter.
Der Roman zeichnet sich durch fundierte historische Kenntnisvermittlung aus. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und lässt wahre Schicksale in die Geschichte einfließen. Die Darstellung der historischen Zusammenhänge erfolgt eingebettet in eine berührende Schwester- bzw. Mutter-Kind-Geschichte. Dass die Geschichte abwechselnd in zwei Zeitsträngen spielt, hält die Spannung gut aufrecht, zumal auch erst am Ende eine Antwort auf die Frage gegeben wird, ob Marie und Lena einander und Maries Tochter ihre Mutter finden werden.

Ein Buch, das ich unbedingt empfehlen kann.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Tragödie in einer Großfamilie

Niemals ohne sie
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Im Mittelpunkt steht die kinderreiche – 21 Kinder! – kanadische Familie Cardinal. In den 50er/60er Jahren lebt sie in dem Dorf Norco, das seine Existenz Vater Cardinal verdankt, der dort ein Zinkvorkommen ...

Im Mittelpunkt steht die kinderreiche – 21 Kinder! – kanadische Familie Cardinal. In den 50er/60er Jahren lebt sie in dem Dorf Norco, das seine Existenz Vater Cardinal verdankt, der dort ein Zinkvorkommen entdeckt hat. Leider verkauft er es unvorteilhaft an eine Minengesellschaft und die Familie kann nur ein armes Leben führen. Die Kinder Cardinal terrorisieren die anderen Dorfbewohner und treiben es noch ärger, als die Gesellschaft den Zinkabbau einstellt und Norco zu einem Phantomdorf wird. Die Familie schmiedet einen Plan. Dieser missglückt auf tragische Weise und in der Folge verstreuen sich die Kinder in der ganzen Welt. Warum?
Die Antwort wird von einigen der inzwischen erwachsenen Kinder Jahrzehnte später anlässlich des ersten Familientreffens gegeben. Nacheinander erzählen sie von ihrem damaligen Leben. Heraus kommt eine noch immer schmerzvolle familiäre Tragödie. Jedes Kind verfügt über seinen eigenen Teil an Erinnerungen, keines kennt die volle Wahrheit. Nach Art eines Puzzles fügt sich alles zusammen. Einfach nur spannend! Interessant zu lesen ist auch, wie das Leben in einer Großfamilie abläuft.
Das Buch hat mir wirklich gut gefallen. Am Anfang liest es sich allerdings nicht so einfach. Die vielen Namen der Kinder lassen sich schwer auseinanderhalten, zumal jedes auch noch einen Spitznamen trägt. Auch kommt der Perspektivenwechsel zum nächsten Erzähler oft unvermittelt und es ist nicht gleich klar, wer nun erzählt.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Eine schwierige Großmutter-Mutter-Enkelin-Beziehung

Was man unter Wasser sehen kann
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Diese Familiengeschichte hat mir gut gefallen.
Die Geschichte der in einem Ort namens Ronnbach im Sauerland lebenden Familie Schreiber führt in die 60er Jahre zurück. Die Bewohner werden zwangsweise umgesiedelt, ...

Diese Familiengeschichte hat mir gut gefallen.
Die Geschichte der in einem Ort namens Ronnbach im Sauerland lebenden Familie Schreiber führt in die 60er Jahre zurück. Die Bewohner werden zwangsweise umgesiedelt, weil der alte Ort für den Bau einer Talsperre überflutet wird. Einige wie Cord Hennes überwinden dieses Trauma zeitlebens nicht, während sich andere mit der Situation arrangieren. Zwischen Cord und der Nachbarstochter Grete kommt es in der Nacht vor der Sprengung seines Hofes zu einem folgenreichen Treffen, werden später aber zu erbitterten Feinden. Grete heiratet ausgerechnet den Planer der Talsperre. Die Beziehung zu ihrer Tochter Marion bleibt angespannt. Marion wird zur Alkoholikerin und hat den Ruf eines leichten Mädchens. Als sie plötzlich spurlos verschwindet, kommt Marions Tochter Luca, die überwiegend von der Oma großgezogen wurde und sich von ihrer Mutter immer ungeliebt fühlte, in ihre alte Heimat zurück. Sie erfährt über den Ort und ihre Familie, vor allem das Verhältnis zwischen Oma und Mutter ihr bislang nicht bekannte Aspekte.
An dieser Geschichte ist deutlich zu erkennen, dass die Autorin selbst eine gebürtige Sauerländerin ist. Die Bewohner des beschaulichen fiktiven Ortes Ronnbach werden recht authentisch dargestellt. Ihre Ecken und Kanten wirken lebendig. Auch die Schilderungen zur Landschaft sind sehr anschaulich. Recht spannend bleibt die Frage, ob die verschwundene Marion wieder auftaucht. Die Spannung erhöht sich dadurch, dass sich die Darstellung der Geschehnisse aus der Vergangenheit mit denen aus der Gegenwart abwechselt. Das Mystische wird noch durch eingestreute und stets abgewandelte Sagen über die Ronne-Marie verstärkt. Was mir insbesondere gut gefallen hat, ist, dass am Ende längst nicht alle Fragen eindeutig beantwortet sind, der Leser aber in die Lage versetzt wird, sich selbst eine Vorstellung des Geschehenen zu bilden.
Das Buch zu lesen kann ich nur empfehlen.

Veröffentlicht am 20.02.2019

Das Bonner Polittheater Anfang der 70er Jahre

Rheinblick
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Mir hat dieser historische Roman besonders deshalb gut gefallen, weil seine Handlung in eine Zeit eingebettet ist, in die meine Kindheit und Jugend fiel und ich mich an viele Vorkommnisse und Personen ...

Mir hat dieser historische Roman besonders deshalb gut gefallen, weil seine Handlung in eine Zeit eingebettet ist, in die meine Kindheit und Jugend fiel und ich mich an viele Vorkommnisse und Personen aus eigener Anschauung erinnere – die beginnenden 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Es ist eine Zeit des Aufbruchs und der erstmaligen Reformen in der jungen Bundesrepublik. Wer heute jung ist, erhält ein schönes Bild darüber, wie die vorangegangenen ein/zwei Generationen für ihre Ziele gekämpft haben. Willy Brandt wird als der Politiker, der Demokratie verkörpert, 1972 zum Bundeskanzler gewählt. Leider werden die Koalitionsverhandlungen zwischen seiner Partei und der FDP dadurch erschwert, dass er sich einer Stimmbandoperation unterziehen muss und zwei Wochen zum Schweigen verdonnert ist. Hinter seinem Rücken beginnen die eigenen Genossen, der eigenen Karriere willen um Posten zu schachern und scheuen nicht davor zurück, Intrigen zu spinnen und Gerüchte in die Welt zu setzen, in die sie auch Personen involvieren, die mit Politik gar nichts am Hut haben. Zu ihnen gehören die Wirtin Hilde Kessler, deren Gaststätte „Rheinblick“ beliebter Treffpunkt der Bonner Politiker ist, und die Logopädin Sonja, deren Patient Brandt ist. Die beiden Frauen stehen vor der Gewissensfrage, loyal mit ihnen beruflich zur Kenntnis gelangtem Wissen umzugehen oder einen Vertrauensbruch zu begehen.
Alles eine fiktive Geschichte, die aber durchaus real sein könnte. Die Autorin hat wirklich gut recherchiert über die politischen und sozialen Verhältnisse der in Bezug genommenen Zeit. Von den in die Geschichte eingebrachten Politikern, von denen viele inzwischen gestorben sind, zeichnet sie ein informatives Bild. Es bleibt zu hoffen, dass es so wie von ihr geschildert nicht auch heute auf der politischen Bühne Berlins zugeht. Spannung wird dadurch in die Geschichte gebracht, dass ein ungeklärter Mordfall an einem jungen Mädchen eine Rolle spielt, der bis in die Politikerkreise zu führen scheint.

Klare Leseempfehlung.