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Veröffentlicht am 28.05.2018

Freundschaft zwischen einem misanthropischen Astronauten und einer alten Lady

Miss Gladys und ihr Astronaut
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Der griesgrämige Thomas Major springt für einen am Todestag von David Bowie verstorbenen Astronauten ein, um ohne Rückkehrmöglichkeit zum Mars zu fliegen, weil er auf der Erde nichts hat, was ihn halten ...

Der griesgrämige Thomas Major springt für einen am Todestag von David Bowie verstorbenen Astronauten ein, um ohne Rückkehrmöglichkeit zum Mars zu fliegen, weil er auf der Erde nichts hat, was ihn halten könnte. Die Medien stellen schnell den Zusammenhang zwischen seinem Namen und Bowies Song „Space Oddity“ her und fortan ist er für alle Major Tom. Als Thomas aus dem All seine Ex-Frau anrufen will, landet der Anruf bei der dementen Gladys, die sich während eines Gefängnisaufenthaltes ihres Sohnes um ihre beiden Enkelkinder kümmern soll. Tatsächlich aber lasten alle Arbeit und Verantwortlichkeit auf der fünfzehnjährigen Ellie, die um jeden Preis vermeiden will, dass die Behörden von der Demenz ihrer Oma erfahren, damit sie diese nicht in einem Heim und sie und ihren Bruder nicht in Pflegefamilien unterbringen. Die Lage spitzt sich zu, als ihnen die Zwangsräumung droht, weil Gladys den Mietdauerauftrag gelöscht und all ihre Ersparnisse einem Betrüger überwiesen hat. Alle Hoffnung liegt jetzt auf dem naturwissenschaftlich begabten zehnjährigen James, der an einem Wissenschaftswettbewerb teilnehmen darf, bei dem es Geld zu gewinnen gibt, das die Familie retten würde. Thomas unterstützt ihn aus dem All.
Die Geschichte ist ganz wundervoll. Sie handelt über eine ganz besondere Freundschaft, die sich zwischen Thomas einerseits und Gladys sowie ihren Enkeln andererseits entwickelt. Trotz des ernsten Hintergrundes fehlt es nicht an humorvollen Passagen. Gladys hat noch lichte Momente, in denen sie über sich hinauswächst. Über Thomas erfahren wir in Rückblenden auf seine Kindheit, Jugend und sein bisheriges Erwachsenenalter, warum er sich für die Reise ins All ohne Rückfahrticket entschieden hat. Eine ganz besondere Bedeutung kommt Songs wie „Space Oddity“ u.a.m. zu, die als Ohrwurm hängenbleiben und von dem begnadeten Schallplattensammler Thomas eingeführt werden.
Sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 28.05.2018

Wenn Eltern sich trennen

Der rote Swimmingpool
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Die Farbe Rot, in der das Buchcover gehalten ist, ist gemeinhin aufregend, beachtenswert, lebendig, anregend. Exakt diese Eigenschaften hat der vorliegende (Debüt)Roman, den zu lesen sich wirklich lohnt. ...

Die Farbe Rot, in der das Buchcover gehalten ist, ist gemeinhin aufregend, beachtenswert, lebendig, anregend. Exakt diese Eigenschaften hat der vorliegende (Debüt)Roman, den zu lesen sich wirklich lohnt.
Bis er 17 Jahre ist, glaubt sich Adam einer perfekten Familie zugehörig, während die Eltern der meisten seiner Freunde geschieden sind. Umso heftiger trifft es ihn, als der Vater die Familie plötzlich ohne ein Wort der Erklärung gegenüber Adam verlässt und ihn sogar nicht mehr sehen will. Auch die Mutter hüllt sich in Schweigen. Adam ist fassungslos und sucht nach einem Schuldigen. Für ihn ist es der Vater, dem er es heimzahlen will. Doch liegt Adam damit richtig?
Dieses Buch zu lesen, macht wirklich Spaß. Es wechseln sich Abschnitte ab, die in der Vergangenheit spielen und das Leben der scheinbar perfekten Vorzeigefamilie bis kurz nach ihrem plötzlichen Zerbrechen wiedergeben, mit solchen, die einige Monate später in der Gegenwart angesiedelt sind. Alle sind aus der Ich-Perspektive von Adam wiedergegeben. Häufig enden sie mit einem Cliffhanger und es bleiben fast bis zum Schluss zwei Fragen offen: Auf welche Weise hat sich Adam gerächt? Was war der wirkliche Grund für die Trennung der Eltern (denn es gibt einige vage Hinweise, dass ein außereheliches Verhältnis des Vaters allein nicht ausschlaggebend ist)? Adams Gefühlswelt als plötzlich zum Trennungskind gewordener junger Erwachsener, seine ganze Verzweiflung werden gelungen dargestellt. Zugleich gibt die Geschichte Hoffnung, denn in seiner verfahrenen Situation verliebt sich Adam zum ersten Mal. So traurig alles für Adam ist, bedeutet dies nicht, dass auch der Grundton des Buches so gehalten ist. Im Gegenteil, es gibt viele gedeckt humorvolle Passagen, z.B. wenn es um die Beschreibung des fetten Katers von Adams Freundin geht oder um seinen besten Freund vor dessen Geburt.
Das Buch ist eine empfehlenswerte Lektüre für all jene, deren Familie sich vielleicht auch gerade in der Auflösung befindet, weil es am Ende lehrt, wie die Erwachsenen sich in solch einer Situation richtiger verhalten können.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Geschichte
  • Dramaturgie
Veröffentlicht am 21.05.2018

Ein ganz besonderer Roadtrip

Willems letzte Reise
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Der ostfriesische Bauer Willem wird von seiner Tochter für die Betreuung seines Enkelsohnes eingesetzt. Das geht ihm zunächst mächtig gegen den Strich, hat er doch mit seiner Familie gebrochen. Allmählich ...

Der ostfriesische Bauer Willem wird von seiner Tochter für die Betreuung seines Enkelsohnes eingesetzt. Das geht ihm zunächst mächtig gegen den Strich, hat er doch mit seiner Familie gebrochen. Allmählich aber gewinnen sich beide lieb, zumal der Junge Willems Begeisterung für alte Traktoren teilt. Um ihn von dem Scheidungskrieg seiner Eltern abzulenken, restauriert er gemeinsam mit ihm einen Lanz Bulldog und verspricht ihm, mit dem Trecker nach Süddeutschland zu einem Traktorenwerk und einem Oldtimertreffen zu reisen, was er auch einlöst. Auf der Reise setzt sich Willem mit seinen Fehlern aus der Vergangenheit auseinander, die er an seinen Kindern begangen hat.
Diesen Roman sollten alle lesen, die mit ihrer Familie zerstritten sind oder während der Trennung um das Sorgerecht für ihre Kinder streiten. Denn er zeigt alle Fehler auf, die Betroffene in ähnlicher Situation nur machen können. Sie werden sich in den Romanfiguren wiederfinden und hoffentlich genau wie Willem und seine Familie entsprechende Lehren daraus ziehen und Bereitschaft zur Versöhnung und zum Eingehen von Kompromissen zeigen. Gerade für Willem ist es wichtig, sich mit seinen Kindern zu versöhnen, denn wie schon der Titel andeutet, ist er schwer krank. Das stimmt beim Lesen aber überhaupt nicht traurig. Gut gelungen ist dem Autor, die Spannung lange aufrechtzuerhalten. Denn welche Fehler genau es sind, die Willem in der Vergangenheit gemacht hat, kommt erst nach und nach zu Tage. Genau so positiv ist die allmähliche Veränderung von Willem dargestellt. Nicht zuletzt werden auch Treckerliebhaber auf ihre Kosten kommen, ist doch so manches interessante Detail über diese Fahrzeuge zu erfahren.


Veröffentlicht am 14.05.2018

Nur beste Freunde?

Alicia verschwindet
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Der Autor ist bekannt geworden durch seine humorvollen Romane. Diesem Genre kehrt er mit vorliegendem Liebesroman den Rücken und betritt auch insofern Neuland, als dass er als deutscher Autor die Geschichte ...

Der Autor ist bekannt geworden durch seine humorvollen Romane. Diesem Genre kehrt er mit vorliegendem Liebesroman den Rücken und betritt auch insofern Neuland, als dass er als deutscher Autor die Geschichte in England ansiedelt. Dieses Experiment ist ihm bestens gelungen. Sein Protagonist Robert gehört der Upperclass an, ist von Beruf (wenngleich nicht so glücklicher) Sohn, der es ansonsten zu nichts gebracht hat. Seit 10 Jahren ist er mit der Fotografin Alicia befreundet. Beide sehen sich als beste Freunde. Als Robert kurz vor seiner Verlobung mit einer anderen steht, verschwindet Alicia plötzlich und hinterlässt Robert drei Fotos und ihr Lieblingsbuch „Sturmhöhe“ von Emily Bronte als Hinweise. Robert glaubt, Alicia nach Art einer Schnitzeljagd suchen zu müssen – oder will sie ihm ein ganz andere Botschaft übermitteln?
Das eigentlich Raffinierte ist, dass der Roman „Sturmhöhe“ und seine Figuren eine wichtige Rolle in der Geschichte spielen. Hierzu sei nur so viel verraten, dass Kenner dieses Klassikers eindeutig im Vorteil sind, während alle anderen mehr rätseln und sich zum Lesen dieses Klassikers animiert fühlen dürfen. Interessant ist auch die formale Gestaltung, vor allem die Untergliederung in zwei Teile, in denen einmal Robert und einmal Alicia ihre Geschichte einem mit Robert befreundeten Psychiater erzählen. Es werden genügend Spitzen gegen die abgehobene englische Upperclass ausgeteilt, die ebenso wie eine eingebaute und vom Cousin des Autors erfundene Geschichte namens „Die Queen kommt zu Besuch“ das Lesen zum Vergnügen machen, das dann sein Ende so findet, wie vielleicht schon ziemlich bald zu Beginn vermutet werden durfte.
Sehr lesenswert.

Veröffentlicht am 05.05.2018

Wer wagt, gewinnt

Ans Meer
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Der Linienbusfahrer Anton mag seinen Beruf nicht mehr, steht unter dem Pantoffel seiner Mutter und ist zudem unglücklich verliebt. Als ihn eine langjährige, schwer krebskranke Passagierin bittet, sie mit ...

Der Linienbusfahrer Anton mag seinen Beruf nicht mehr, steht unter dem Pantoffel seiner Mutter und ist zudem unglücklich verliebt. Als ihn eine langjährige, schwer krebskranke Passagierin bittet, sie mit dem Bus in ihre italienische Heimat ans Meer zu fahren, kommt er ihrem Wunsch nach. Schließlich mag seine Angebetete mutige Männer. So steuert Anton den Bus nebst mehreren Insassen in den Süden. Leider setzt dies eine Verfolgungsjagd der Polizei in Gang, die ihm mehrfache Freiheitsberaubung vorwirft. Und auch seine Angebetete fährt ihm nach.
Nur 140 Seiten ist dieser Roman lang. Doch liegt wie so oft in der Kürze die Würze. Es ist eine wunderschöne Geschichte, die zu lesen sich wirklich lohnt. Nicht nur gibt es auf diesem ungewöhnlichen Roadtrip so manch unerwarteten, manchmal humorigen Zwischenfall. Auch jeder der Businsassen hat einen spezifischen Charakter und entwickelt sich auf der kurzen Fahrt weiter. Während anfangs so mancher nur widerwillig mitfährt, wird der Zusammenhalt allmählich immer stärker und am Ende sind alle eine eingeschworene Gemeinschaft. Der traurige Anlass für die Fahrt tritt fast völlig in den Hintergrund, stimmt auf jeden Fall überhaupt nicht traurig. Abwechslung bringen Einschübe, in denen es um die Nachfahrt von Antons Freundin geht und in denen sie über ihre Beziehung zu Anton sinniert mit dem Fazit positiver Selbsterkenntnisse.
Klare Leseempfehlung.