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Veröffentlicht am 15.01.2021

Erinnerungen an den Vater und die eigene Kindheit

Vati
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Wie schon in ihrem vor einem Jahr erschienenen Roman „Die Bagage“ und anknüpfend an diesen erzählt die Autorin von ihrer eigenen Kindheit. Während sie dort das Leben ihrer Großmutter Maria schilderte, ...

Wie schon in ihrem vor einem Jahr erschienenen Roman „Die Bagage“ und anknüpfend an diesen erzählt die Autorin von ihrer eigenen Kindheit. Während sie dort das Leben ihrer Großmutter Maria schilderte, steht hier das Leben ihres Vaters im Fokus, der Marias vermeintliches Kuckuckskind Grete heiratete. Er selbst ist der uneheliche Sohn einer Magd und dem Bauern aus einem österreichischen Dorf, wurde kurz vor der Matura zum Dienst im Zweiten Weltkrieg eingezogen, aus dem er mit amputiertem Unterschenkel zurückkehrte, wurde zum Witwer mit vier kleinen Kindern. Vor allem aber war er ein Literaturliebhaber, der seine Neigung auf eben seine Tochter Monika übertrug.
Da der Vater wie alle Männer seiner Generation schweigsam war, greift die Autorin für die Geschichte auf eigene Erinnerungen und Erzählungen ihrer weit verzweigten Verwandtschaft zurück. Es ergibt sich ein wunderbares Portrait eines Mannes, der durch die Umstände seiner Zeit geprägt wurde. Interessant sind auch die immer wieder eingeflochtenen Werdegänge der Onkel und Tanten der Autorin, die recht hanebüchen klingen.
Ein besonderes Buch für Leser mit Interesse an Familiengeschichten.


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Veröffentlicht am 08.01.2021

Eine besondere Liebesgeschichte über eine unkonventionelle absolute Liebe

Die einzige Geschichte
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Mit einem Abstand von 50 Jahren erzählt der Protagonist Paul aus den 1960er/1970er Jahren, als er im Alter von 19 Jahren entgegen aller gesellschaftlichen Konventionen eine mehr als 10 Jahre währende Liebesbeziehung ...

Mit einem Abstand von 50 Jahren erzählt der Protagonist Paul aus den 1960er/1970er Jahren, als er im Alter von 19 Jahren entgegen aller gesellschaftlichen Konventionen eine mehr als 10 Jahre währende Liebesbeziehung zu einer 30 Jahre älteren verheirateten Frau unterhielt. Diese Geschichte bestimmte sein gesamtes weiteres Leben, weil er nie wieder liebte.
Obwohl die Beziehung tragisch endete, weil Paul die Verantwortung für die zur schweren Alkoholikerin werdende Susan überforderte, liest sich das Buch in keinster Weise traurig. Es fließen immer wieder sehr philosophische, zum Nachdenken anregende Überlegungen des Erzählers zu Liebe und Leben ein. Formal gelungen ist der Perspektivwechsel in den drei Teilen der Geschichte: Erste Person, Du-Form, Dritte Person.

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Veröffentlicht am 05.01.2021

Folgen der Trennung eines Kindes von seiner Mutter

Immer wenn ich meine Augen schließe
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Ein wirklich lesenswertes Buch, dessen nur 116 Seiten es in sich haben.

Dass sich osteuropäische Gastarbeiter in Westeuropa monatelang verdingen, um den Lebensunterhalt für ihre in der armen Heimat gebliebene ...

Ein wirklich lesenswertes Buch, dessen nur 116 Seiten es in sich haben.

Dass sich osteuropäische Gastarbeiter in Westeuropa monatelang verdingen, um den Lebensunterhalt für ihre in der armen Heimat gebliebene Familie zu verdienen, ist ein bekanntes Phänomen. Doch kaum jemals wird an die Zurückgebliebenen gedacht, insbesondere die Kinder. Dies nun ist das Thema, das der Autor sehr berührend in den Fokus rückt. Die elfjährige Erzählerin befindet sich wegen schwerer Magersucht in einem Krankenhaus. Sie verweigert die Nahrungsaufnahme, weil sie sich vor Sehnsucht nach der geliebten Mutter verzehrt, die Gastarbeiterin im Ausland ist. Das Mädchen erinnert sich an ihr Leben, das letztlich in ihre Erkrankung mündete – außereheliches Kind einer jungen Mutter, die sie immer wieder verlässt und in der Obhut der stets nörgelnden Großmutter oder einer Freundin zurücklässt.

Aus Sicht des kleinen Mädchens geschrieben, liest sich die Geschichte recht einfach. Umso eindringlicher ist das Quäntchen Kritik, das der Autor an den Verhältnissen des rumänischen Staates übt, der es zulässt, dass seine Bürger unter Zurücklassen ihrer Kinder abwandern und die emotionale Bindung zu ihnen verlieren.

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Veröffentlicht am 04.01.2021

Geschichtlich äußerst interessante Familiengeschichte

Eva schläft
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Dank dieses wunderbaren, wirklich lesenswerten Romans verfüge ich jetzt über fundierte Kenntnisse über Südtirol und seine Geschichte seit Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Zeit des Schengener Abkommens. ...

Dank dieses wunderbaren, wirklich lesenswerten Romans verfüge ich jetzt über fundierte Kenntnisse über Südtirol und seine Geschichte seit Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Zeit des Schengener Abkommens.

In dem Buch lässt die Autorin die fiktive Eva aus einem Südtiroler Bergdorf ihre Familiengeschichte seit den 1920er Jahren schildern. Sie spannt den Bogen beginnend in den Jahren nach Ende des Ersten Weltkriegs, als Südtirol mit seinen deutschsprachigen Bewohnern Italien zugeschlagen wurde, über die Zeit nach der Machtergreifung Mussolinis, in der alles Deutsche in Südtirol unerwünscht war, die ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs, als sich die Leute für eine Auswanderung ins Deutsche Reich oder ihren rechtlosen Verbleib in Italien entscheiden mussten, die gewalttätigen Autonomiebestrebungen nach dem Krieg bis hin zum Autonomiestatut.
Evas eigene Geschichte ist sehr interessant. Ihre Mutter Gerda war allein erziehend und berufstätig. Ihre einzige Liebe war ein Südtirol stationierter Soldat (Vito) aus Sizilien, der für Eva zum Vater wurde. Die Beziehung scheiterte letztlich an der Geschichte, der sich Gerda und Vito unterwarfen. Auch auf die Probleme anderer Minderheiten wird informativ eingegangen, z.B. die der Homosexuellen.

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Veröffentlicht am 30.12.2020

Frauenschicksale in der modernen Türkei

Unerhörte Stimmen
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Es erstaunt mich immer wieder. Von Zeit zu Zeit greife ich zu einem Buch, von dem ich nie gedacht hätte, dass es mich so packen könnte. Dazu zählt der vorliegende Roman. Da ich meine Lesevorlieben eher ...

Es erstaunt mich immer wieder. Von Zeit zu Zeit greife ich zu einem Buch, von dem ich nie gedacht hätte, dass es mich so packen könnte. Dazu zählt der vorliegende Roman. Da ich meine Lesevorlieben eher in zeitgenössischen Romanen deutschsprachiger Autoren suche, deren Geschichten im Deutschland der Gegenwart angesiedelt sind, bin ich an das Buch mit Vorbehalten herangegangen, denn die Geschichte spielt in der Türkei in den Jahren 1947 bis 1990. Doch schon die ersten Seiten haben mich positiv eingenommen. Allein der Anfang ist ungewöhnlich. Eine gerade ermordete und in einer Mülltonne in Istanbul abgelegte Prostituierte – Leila -, deren Gehirn noch gut zehn Minuten aktiv ist, erzählt in Etappen ihre Lebensgeschichte. Diese beginnt in der Osttürkei. Die Mutter ist Zweitfrau des Vaters, der Leila von seiner ersten, unfruchtbaren Frau aufziehen lässt. Der Vater radikalisiert sich religiös zusehends. Leila wird von ihrem Onkel missbraucht. Derartig entehrt, will der Vater sie in eine Ehe zwingen, wovor Leila mit 16 Jahren nach Istanbul flieht. Dort wird sie rasch zur Prostituierten in einem Bordell und gewinnt im Laufe der Zeit fünf gute Freunde, die wie sie zu den Randfiguren der Gesellschaft zählen und deren ergreifende Schicksale uns ebenfalls erzählt werden. Diese Freunde sind es dann auch, die im zweiten Teil des Buchs die Hauptpersonen sind. Sie setzen alles daran, dass anstelle der anonymen Bestattung auf dem Friedhof der Geächteten Leila eine von ihr gewollte Bestattung erhält. Fortan ist die Geschichte recht abenteuerlich.
Leilas Lebensgeschichte ist höchst interessant, sie selbst von Anbeginn sympathisch. Daneben werden wissenswerte Kenntnisse über die türkische Gesellschaft vermittelt, insbesondere die Zerrissenheit zwischen der fortschrittlichen, westlich orientiertenTürkei und der konservativen, stark religiösen Türkei. Die Autorin, die selbst türkische Wurzeln hat, prangert recht deutlich Missstände an. So wundert es nicht, in ihrer Danksagung am Ende zu lesen, dass sie der Beerdigung ihrer Großmutter in der Türkei ferngeblieben ist, da Berufskollegen dort grundlos inhaftiert wurden.
Sehr empfehlenswert.

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