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Veröffentlicht am 05.06.2019

Sehr gute Unterhaltung mit Tiefgang

Sommer bei Gesomina
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Jona (12 Jahre alt) verbringt einen Teil seiner Sommerferien bei Gesomina, die vor etlichen Jahren sein Kindermädchen war. Sein Vater ist beruflich ständig in der Welt unterwegs, nun muss auch die Mutter ...

Jona (12 Jahre alt) verbringt einen Teil seiner Sommerferien bei Gesomina, die vor etlichen Jahren sein Kindermädchen war. Sein Vater ist beruflich ständig in der Welt unterwegs, nun muss auch die Mutter beruflich für zwei Wochen in die USA. Jonas Eltern sind reich,
allerdings auch laufend beschäftigt und haben wenig Zeit für den Sohn.
Das Mehrparteienhaus im Berliner Kiez, in dem Gesomina wohnt, sowie die anderen Bewohner der Straße sind anders als alle, die Jona bisher kennen gelernt hat. Der Stiefelverkäufer aus Tasmanien, der Kneipenbesitzer, der von seiner Frau mitsamt Tochter verlassen wurde, die einsame Weinhändlerin, der türkische Friseur und das vietnamesische Ehepaar, das ein Geschäft in der Straße betreibt. Alle sind irgendwie und irgendwann hier gestrandet, entweder erfolglos oder unverstanden, einsam oder verlassen. Gesomina kann zuhören, sie bekocht Jona und erzählt ihm Geschichten aus ihrer Vergangenheit. Geschichten von einem verlorenen Sohn und schwierigen Zeiten. Jona ist klug und aufgeschlossen, er verändert die Bewohner der Strße, die auf einmal miteinander reden und interagieren und anfangen eine Gemeinschaft zu bilden.

Zwei Wochen nur - doch in zwei Wochen kann so viel passieren, so viel in Bewegung geraten. Nicht plötzlich, sondern nach und nach.

Beckerhoff hat einen mitreißenden Erzählstil, die Figuren werden beim Lesen lebendig, man scheint ihnen über die Schulter schauen zu können, man erlebt die Entwicklungen als sei man dabei. Dabei sind es oft die Zwischentöne, die die Phantasie des Lesers beflügeln.

Der Roman ist ein gelungener Balanceakt zwischen Schwere und Leichtigkeit. Ernste Themen gewürzt mit einer Portion Humor ergeben eine gelungene Mischung. Feinsinnig und vor allem tiefgründig lässt er seine Figuren über das Leben, über die Vergangenheit, über Beziehungen, über Famile und Freunde, Zusammenhalt und Zufriedenheit und vor allem Gemeinschaft nachdenken.

Veröffentlicht am 17.05.2019

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Der Gott am Ende der Straße
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Das Szenario in Louise Erdrichs neuem Roman ist düster. Es spielt in einer nahen Zukunft. Die Menschheit und die Natur scheinen sich zurück zu entwickeln. Kinder, aber auch Tiere, die geboren werden, ...

Das Szenario in Louise Erdrichs neuem Roman ist düster. Es spielt in einer nahen Zukunft. Die Menschheit und die Natur scheinen sich zurück zu entwickeln. Kinder, aber auch Tiere, die geboren werden, scheinen zu einer neuen primitiven Spezie zu gehören.
Schwangere Frauen werden - auch gegen ihren Willen - in Gewahrsam genommen, überwacht und keiner weiß, was nach der Geburt des Kindes mit Mutter und Kind passiert.
Auch im alltäglichen Leben verändert sich immer mehr. Ein Überwachungsstaat entsteht, die Grenzen der USA zu den Nachbarländern werden geschlossen. Kleine Drohnen und sogenannte Lauschohren flirren durch die Luft, Denunziationen sind allgegenwärtig.

Cedar ist schwanger. Sie beschreibt ihre Lage, ihre Gefühle, ihre Wünsche, Ängste, aber vor allem auch ihre Erlebnisse in einer Kladde als Brief an ihr ungeborenes Kind. Aus ihrer Sicht erleben wir so die Entwicklung mit. Düster, beängstigend, aber auch mit der Hoffnung, die sie hat. Cedar versteckt sich, unterstützt von ihrem Freund Phil, in ihrem Haus. Wird sie das neun Monate durchhalten können?
Immer wieder neue Wendungen machen das Buch zu einer sehr interessanten Lektüre.
Aber nicht nur die Entwicklungen und Situationen, in die Cedar gerät, fesseln, sondern auch die Überlegungen und Gedanken, die sie niederschreibt, sind interessant. Cedars schreibt unter anderem über den jeweiligen Entwicklungsstandes des Kindes, aber auch über viele Gefühle und Ansichten, die sie hat. Zudem fließt, wie auch bei den anderen Büchern von Luise Erdich, viel aus Sicht der Native American, der amerikanischen Urbevölkerung, mit ein, denn Cedars leibliche Mutter ist eine Native.

Der Roman weckt viele Gefühle beim Leser und am Ende lässt es sich auch nicht so einfach weglegen. Es ist ein düsteres, dystopisches Szenario, das Erdrich beschreibt. Nicht unrealistisch. Da es aus der Sicht einer Einzelnen beschrieben worden ist, wissen wir auch nicht mehr als sie. Wir erleben mit ihr, wie sich dich Umstände immer mehr verändern. Alles was einmal als selbstverständlich galt, ist es innerhalb kürzester Zeit nicht mehr. Es gibt keinen übergeordneten, allwissenden Erzähler, aber das macht es auch wieder so real, denn wir rätseln mit Cedar, versuchen mit ihr alles zu begreifen und können ihre Ängste dadurch nachfühlen. Trotz allem ist Cedar eine taffe Frau, die nicht so leicht aufgibt, die kämpfen will und sich nicht unterordnen möchte. Für das Kind, für eine gemeinsame Zukunft.

MIr gefällt Erdrichs Erzählstil, sie konnte mich mit diesem Roman fesseln und unterhalten. Die Dystopie bleibt immer vorstellbar, die Entwicklung nachvollziehbar, mit all ihrer beklemmenden und schrecklichen Folgen. Zudem durchlebt man beim Lesen eine Achterbahn der Gefühle. Erdrich verwebt durch diesen Erzählstil sehr viele Gedanken zum Leben und zur Menschheit mit in eine sich immer mehr zuspitzende Entwicklung.
Sehr lesenswert und volle Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 16.05.2019

Ein Roman mit Tiefgang und Humor

Der Zopf meiner Großmutter
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Schon das Buch "Baba Dunjas letzte Liebe" von Alina Bronsky hat mir so gut gefallen, dass es klar war, dass ich auch ihr neues Buch lesen muss. Wieder wurde ich nicht enttäuscht, sondern im Gegenteil es ...

Schon das Buch "Baba Dunjas letzte Liebe" von Alina Bronsky hat mir so gut gefallen, dass es klar war, dass ich auch ihr neues Buch lesen muss. Wieder wurde ich nicht enttäuscht, sondern im Gegenteil es hat mich wieder sehr gefesselt.

Aus Sicht des heranwachsenden Enkels Max erzählt die Autorin den Alltag und das Leben über einige Jahre einer ungewöhnlichen Familie, bestehend aus der hypochondrischen Großmutter Margo, die allzeit das schlimmste beführchtet, kritisiert und scheinbar nur unzufrieden ist, und dem stillen Großvater Tschingis, der sich scheinbar alles gefallen lässt und antriebslos erscheint. Alle drei sind als Kontigentflüchtlinge durch geschicktes taktieren der Großmutter nach Deutschland gekommen und versuchen nun Fuß zu fassen. Das gelingt dem einen mehr als dem anderen. Sie lernen NIna und ihre Tochter Vera kennen. Ein sehr interessantes und ungewöhnliches Beziehungsgeflecht untereinander entsteht.
Die Figuren sind speziell, skurril, verschroben, sonderbar, witzig, traurig, ernsthaft, aber auch so normal - alles gleichzeitig. Alle sind so lebendig dargestellt, als wären es meine Nachbarn, bei denen man über die Schulter schauen kann.


Ich mochte das Buch kaum aus der Hand legen und habe die Figuren am Ende nur mit Wehmut ziehen lassen, ich hätte noch gerne weiter von ihnen gelesen.
Der Roman bietet kurzweilige Unterhaltung mit Tiefgang, Humor und einem tollen Erzählstil, daher volle Leseempfehlung von mir.

Veröffentlicht am 09.05.2019

Humor trifft auf Anwalt

Jagdtrieb
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Jagdtrieb ist mal ein etwas anderer Krimi. Ein Krimi, der nicht nur durch einen Fall fesselt, sondern der vor allem durch seinen etwas unkonventionellen Hauptprotagonisten punktet.
Eines ist dabei sicher: ...

Jagdtrieb ist mal ein etwas anderer Krimi. Ein Krimi, der nicht nur durch einen Fall fesselt, sondern der vor allem durch seinen etwas unkonventionellen Hauptprotagonisten punktet.
Eines ist dabei sicher: bierernst sollte man nicht an den Krimi herangehen, auch der Leser braucht dafür eine Portion Humor.
Wenn man sich darauf einlassen kann, dann wird man bestens unterhalten.


Der Münchner Anwalt Paul Colossa erbt von seinem verstorbenen Onkel nicht nur ein Haus und ein ausgefallenes Auto, sondern auch dessen Kanzlei in einer oberpfälzischen Kleinstadt.
Seine erste Mandantin ist die junge und schöne Maja, Tochter eines russischen Millionärs, die von ihrem viel älteren Exfreund gestalkt wird. Paul, selbst frisch getrennt, ist sofort Feuer und Flamme, und das nicht nur für den Fall.....


Der eigentliche Fall läuft eher im Hintergrund mit, wird aber gegen Ende noch richtig spannend und sogar sehr actionreich.
Interessant und vor allem sehr unterhaltsam ist die Hauptfigur Paul, mit all seinen Gedanken, Gefühlen, kuriosen Aktionen, aber auch vor allem mit seinem persönlichen Hintergrund, der sich erst nach und nach dem Leser und auch Paul offenbart.

Die anwaltlichen Tätigkeiten werden ebenso unterhaltsam beschrieben und sind genau wie die Nebenfiguren, die im Roman mitspielen interessant, teilweise aber auch skurril und bissig.
Der Krimi bietet daher für den Leser eine richtig gute Mischung aus Ernst, schwarzem Humor und spannenden Elementen, dazu sehr viel Gefühl des männlichen Hauptprotagonisten.

Geschrieben hat das Buch ein echter Anwalt. Der Leser mag selbst darüber spekulieren, wieviel Hendrik Esch aus seinen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten mit hinein gebracht hat, wieviel er aus seiner Fantasie geschöpft hat oder was eben eine Mischung aus beiden ist. Gelungen ist es auf jedenfall, denn der Roman lies sich leicht lesen, man konnte oft auch mitlachen, schmunzeln und Mutmaßungen anstellen.

Jagdtrieb ist ein Provinzkrimi, der eigentlich gar nicht provinziell daher kommt, sondern einfach nur in der Provinz spielt (unter anderem), der vor allem aber Lust auf mehr macht. Ich würde gerne wissen, wie es mit Paul weitergeht. Gut, dass der nächste Roman schon in Arbeit ist, ich bin ziemlich gespannt darauf, was Paul noch so alles rund um seine Kanzlei erlebt und wo hinein er demnächst schlittert.

Veröffentlicht am 24.04.2019

Vier Freundinnen

Aller Anfang
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Vier junge, amerikanische Frauen (Celia,Sally, Bree und April) lernen sich auf dem Smith College kennen, da sie zufällig auf dem selben Flur untergebracht werden. Sie sind unterschiedlich wie Tag und ...

Vier junge, amerikanische Frauen (Celia,Sally, Bree und April) lernen sich auf dem Smith College kennen, da sie zufällig auf dem selben Flur untergebracht werden. Sie sind unterschiedlich wie Tag und Nacht, aber schnell werden sie zu Freundinnen, die auch nach dem College ihre Verbindung nicht abreißen lassen, auch wenn es sie in verschiedene Richtungen verschlagen hat. Zur Hochzeit von Sally treffen sie sich auf dem Campus wieder. Anlass zurück zu blicken auf ihre College-Zeit.

Die Autorin wechselt öfters die Perspektiven, lässt jeden der Frauen ihre Geschichte ihre Gedanken, ihre Ansichten erzählen. Langsam aber sicher entwickeln sich so vier sehr tief angelegte Protagonistinnen. Am Vorabend der Hochzeit kommt es zu einem Eklat, dessen Auswirkungen jeder der vier im kommenden Jahr spürt.
Ist das Buch anfangs sehr detailreich und ruhig erzählt, kommt in der zweiten Hälfte mehr Bewegung und damit auch mehr Emotionen ins Spiel.
Der Roman konnte bei mir mit seiner groß angelegten Fülle bei der Ausarbeitung der Figuren und den verschiedenen Ausführungen über Frauen, Frauenrechten, aber auch über die Schattenseiten, wie der Gewalt an Frauen, punkten.
Es geht um die Art der vier Freundinnen, sich zurecht zu finden in der Welt der Erwachsenen, ihr Ausprobieren, ihre Neugier, auch um ihre falsch eingeschlagenen Wege. Sie schlagen über die Stränge, verlieben sich, geraten in Gefahr, es geht um ihre Gefühle, ihre Hoffnungen, ihre Wünsche, ihre Trauer, ihre Narben, die sie davon tragen. Im Vordergrund steht aber auch ihre Freundschaft, ihr Zusammenhalt, trotz aller widrigen Umstände oder auch Meinungsverschiedenheiten oder ihrer verschiedenen Lebensweisen.

Gerade der Blick auf ein amerikanisches College war für mich eine ganz andere Welt, vieles andere hingegen scheint überall auf der Welt gleich zu sein.
Es ist ein ruhig erzählter Roman, darauf sollte man sich einlassen können.

Fazit:
Ernste, humorige, liebevolle, erschreckende, skurrile, abschreckende und abgefahrene Situationen...der Roman von J. Courtney Sullivan bietet eine große Bandbreite von Emotionen. Keine aufregende Handlung, sondern eine Studie über sechs wichtige Jahre im Leben von vier jungen Frauen auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Sehr interessant zu lesen.