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Veröffentlicht am 04.03.2018

Niemals sterben

Tyll
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Schon als Kind beschließt Tyll Ulenspiegel, niemals zu sterben. Leicht einzuhalten ist sein Entschluss allerdings nicht. Sein Vater wird als Hexer gehängt und seine Mutter aus dem Dorf verbannt. Tyll flieht ...

Schon als Kind beschließt Tyll Ulenspiegel, niemals zu sterben. Leicht einzuhalten ist sein Entschluss allerdings nicht. Sein Vater wird als Hexer gehängt und seine Mutter aus dem Dorf verbannt. Tyll flieht mit Nele, der Bäckerstochter in die weite Welt. Zunächst schließen sie sich einem Bänkelsänger an und dann dem Gaukler Pirmin, der sich allerdings als schlechter Begleiter erweist. Für eine Weile sind sie am nicht mehr vorhandenen Hof des entmachteten Königs von Böhmen und seiner englischen Gattin, der Königstochter Elizabeth. Und immer laviert sich Tyll durch, mit seinen Künsten und frechen Sprüchen. Und immer haut er im richtigen Moment ab.

Nach der Legende ist Tyll Ulenspiegel um 1300 geboren und ungefähr fünfzig Jahre später doch gestorben. Sein Nachname kann zwar als Zusammensetzung aus Eule und Spiegel gedeutet werden, eine auch sehr treffende Deutung ist jedoch die das ulen so viel wie wischen bedeutet und mit Spiegel das Hinterteil von Reh und Hirsch bezeichnet wird, den Rest kann man sich dann selbst ausdenken.

Diesen Tyl Ulenspiegel, für dessen Existenz es keinen wirklichen Beweis gibt, hat der Autor in die Zeit des dreißigjährigen Krieges versetzt. Und so treibt er seinen Schabernack in rauen Zeiten. Vielen Kindern ist es nicht vergönnt, erwachsen zu werden, auch Tyll ist ein eher schwächlicher Junge. Doch schon früh hat er Interesse am Balancieren und am Geben von Wiederworten. Das zieht sich durch sein Leben und Wirken. Manchmal erweist sich seine Art als hilfreich, manchmal auch eher nicht. Überall lauert Gefahr, der Krieg wütet über das Land. Es herrschen Armut und Hunger und das Land ist entvölkert. Für die Gaukler bleibt da kaum etwas übrig, nicht einmal an dem fahrenden Hof des entmachteten Königs von Böhmen, der auf seinem letzten Bittgang arg gedemütigt wird.

Mit einem Kaleidoskop der Schelmereien des Tyl Ulenspiegel erfreut dieses neueste Werk von Daniel Kehlmann. In den dreißigjährigen Krieg hineingeschrieben nimmt er einen in die Kriegswirren mit und stellt die Härte und die Grausamkeit dieser Zeit ohne Zweifel klar. Deutliche Schilderungen sollten mahnen, dass ein Krieg wahrlich nichts Wünschenswertes ist. Mit großer Fabulierkunst erweckt Kehlmann seinen Tyll zum Leben, von dem dieser dann nicht mehr lassen will. Ein eher spilleriges Kerlchen, das die Weltgeschichte durchwandert, die sich in dem Moment dort abspielt, was man heute als Deutschland bezeichnet. Wie es seinem Namen entsprechen könnte, hält er uns einen Spiegel vor, wie schnell gerät ein ganzer Landstrich zum Spielball der Mächte oder der Mächtigen. Ohne Rücksicht auf Verluste werden Ziele verfolgt, die nicht zwingend als groß bezeichnet werden können. Das Land verödet, die Menschen leiden und wenn sie nicht leiden, sterben sie. Eine Mahnung in leichte und lebendige Worte gekleidet. Ein Buch, das in keinem Regal fehlen sollte.

Veröffentlicht am 20.02.2018

Justizia

Die Vergessenen
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Manolis Lefteris könnte schon als einsamer Wolf bezeichnet werden. Lange vor seiner Geburt ist ein großer Teil seiner Familie durch Nazi-Verbrechen umgekommen und der Vater hat dies nie verwunden. Geprägt ...

Manolis Lefteris könnte schon als einsamer Wolf bezeichnet werden. Lange vor seiner Geburt ist ein großer Teil seiner Familie durch Nazi-Verbrechen umgekommen und der Vater hat dies nie verwunden. Geprägt durch diese Vergangenheit drohte Manolis als Jugendlicher auf die schiefe Bahn zu geraten. Doch er wählte einen anderen Weg, er wurde eine Art Problemlöser, der im Jahr 2013 den Auftrag bekommt, ein Dossier zu beschaffen.

Im Jahr 1944 ist die junge Krankenschwester Kathrin gerade mit der Ausbildung fertig und sie beginnt mit ihrer Tätigkeit in einem Pflegeheim, in dem auch behinderte oder traumatisierte Kinder und Erwachsene untergebracht sind. Kathrin ist bestrebt den Menschen zu helfen und sie meint zunächst der Arzt Karl Landmann könne ein Vorbild für sie sein. Bald schon merkt sie jedoch, dass Patienten, die zur Spezialbehandlung kommen, schwer erkranken und sterben.

Auf zwei Zeitebenen wird von den Geschehnissen berichtet. Einmal aus der Sicht Kathrins, die sehr nahe an den Ereignissen ist. Schutzlos ist sie dem ausgeliefert, was ihre Vorgesetzten für großartig und im Krieg für gerechtfertigt halten. Mit nur kleinen Gesten kann sie den Patienten helfen, mal ein nettes Wort oder auch eine Kleinigkeit zu essen. Doch aufhalten kann sie das Unheil nicht. In der Gegenwart dann Manolis, der durch seinen Auftrag, von diesen Verbrechen erfährt. Er will Justizia eine Chance geben, doch kann die Justiz die Chance nutzen. Zunächst gilt es jedoch dieses Dossier zu finden und zu erfahren, wovon es berichtet.

Puh, welch ein Buch, welch eine Thematik. Man mag sich nicht vorstellen, welche Nazi-Verbrechen noch ungesühnt blieben. Die vielen Mitläufer, die ja nur getan haben, was von ihnen verlangt wurde. Am Beispiel des Anstaltsarztes Karl Landmann wird die ganze Grausamkeit und Unmenschlichkeit dieser Verbrechen deutlich gemacht. Mit welchen hohlen Phrasen sie ihre Taten schöngeredet haben und jede Möglichkeit genutzt haben einer gerechten Strafe zu entgehen. Kann es dann so lange Zeit nach dem Kriegsende noch gelingen, einen solchen Verbrecher zu bestrafen? Schließlich verjährt Mord nicht. Manolis sieht da schwarz, doch er will wie gesagt Justizia eine Chance geben.

Beim Lesen des Romans versteht man sehr gut, dass es der Autorin, die als Inge Löhnig vielen Krimilesern bekannt sein dürfte, eine Herzensangelegenheit war, von den schlimmen Taten zu berichten, die Unschuldigen und Wehrlosen angetan wurden. Mit ihrer Schilderung reißt sie mit und regt zum Nachdenken an. Mord verjährt nicht und Mörder sollten bestraft werden, egal wie viel Zeit seit der Tat vergangen ist. Mit seiner ruhigen Vortragsweise unterstreicht der Sprecher dieses Hörbuchs Thomas M. Meinhardt die Wichtigkeit und Brisanz des Themas.

Veröffentlicht am 10.12.2017

Wiener Untergrund

Der dritte Mann
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Auf eine Einladung seines Freundes Harry Lime kommt Rollo Martins ins Wien der ersten Nachkriegsjahre. Als Autor von Western verdient Rollo nicht so besonders gut und deshalb ist er sehr froh über das ...

Auf eine Einladung seines Freundes Harry Lime kommt Rollo Martins ins Wien der ersten Nachkriegsjahre. Als Autor von Western verdient Rollo nicht so besonders gut und deshalb ist er sehr froh über das Angebot. Doch Harry taucht nicht am Flughafen auf. Und auch seine Wohnung scheint verlassen. Entsetzt muss Martins von einem Nachbarn erfahren, dass Harry Lime bei einem Unfall ums Leben gekommen ist und dass gerade seine Beerdigung stattfindet. Auf dem Friedhof trifft Martins auf den britischen Militärpolizisten Calloway. Natürlich stellt Rollo sich die Frage, was dieser auf der Bestattung seines Jugendfreundes zu suchen hat.

Ein Buch zu sehen, sagte der Autor Graham Greene, über sein Werk „Der dritte Mann“. Eigentlich sollte er ein Drehbuch verfassen. Um ein gutes Drehbuch zu erstellen, benötigte er seiner Meinung nach eine ordentliche Grundlage und so verfasste er einen Roman, der zunächst nicht zwingend zur Veröffentlichung bestimmt war.

Den Film und die wohlbekannte Musik von Anton Karas im Kopf beginnt man zu lesen und vor dem Hintergrund der neuen Information, dass das Buch als Grundlage für den Film diente, für das spätere Drehbuch aber doch einige Änderungen vorgenommen wurden, sucht man nach Unterschieden, aber auch nach Gemeinsamkeiten. Grundsätzlich wird schon dieselbe Geschichte erzählt. Doch wirkt der Film in der Erinnerung, die man bald auffrischen möchte, wesentlich düsterer. Vielleicht weil gerade die beeindruckendsten Szenen, die sich im Gedächtnis festgesetzt haben, die düsteren sind. Obwohl von Schiebereien, gemeinen Verbrechen, Mord und Totschlag erzählt wird, wohnt einzelnen Szenen ein hintersinniger Humor inne, der dem Roman eine nicht so endzeitmäßige Stimmung gibt.

Die Lektüre der vorliegenden Ausgabe der Büchergilde in einer Neuübersetzung und mit herausragenden Illustrationen versehen, die eine ausgesprochen gute Verbindung zwischen Buch und Film erstellen, ist ein besonderes Erlebnis. Sie verführt zum Eintauchen ins Wien der Nachkriegszeit und zeichnet ein Bild einer schweren Zeit, in der die Menschen durch die Knappheit der Güter verführt wurden, kleine Verbrechen zu begehen. Doch was geschieht mit kleinen Verbrechen, wenn erst die Gier geweckt ist, sie werden zu großen Verbrechen, durch die der Charakter verdorben wird und die Skrupellosigkeit das Menschliche überdeckt. Eine Erfahrung, durch die Rollo Martins seine Freundschaft zu Harry Lime in einem ganz anderen Licht sieht.

In der Zeit des Schenkens bietet dieses Buch eine wunderbare Gelegenheit, einem lieben und interessierten Menschen eine Freude zu machen.

Veröffentlicht am 05.11.2017

I am from Austria

Der Zerberus-Schlüssel
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Die Studentin Annette Krüger begutachtet die Sicherheit eines alten Hauses in Berlin. Um auf Nummer Sicher zu gehen, betritt sie das alte Gemäuer und begeht die einzelnen Räume und Etagen. Im oberen Stockwerk ...

Die Studentin Annette Krüger begutachtet die Sicherheit eines alten Hauses in Berlin. Um auf Nummer Sicher zu gehen, betritt sie das alte Gemäuer und begeht die einzelnen Räume und Etagen. Im oberen Stockwerk prallt sie entsetzt zurück als eine Mumie vor ihr von der Decke baumelt. Offensichtlich wurde die Leiche jahrelang nicht entdeckt. Obwohl es unter diesen Umständen kaum noch möglich sein dürfte, den Fall zu lösen, wird Kommissar Thomas Calis zu dem Fundort gerufen. Eine relativ entspannte Sache, die er kurz vor dem Urlaub noch erledigen kann. Doch es kommt anders. Eine weitere Leiche wesentlich jüngeren Datums wird gefunden und die Dinge nehmen ihren Lauf.

Die Leichenfunde ereignen sich zur Zeit der ILA und wie es der Zufall will ist John Finch in Berlin, um mit dem neuesten Hubschraubermodell ein paar Vorführungsflüge zu unternehmen. Diese Gelegenheit konnten er und sein Papagei Captain Sparrow sich nicht entgehen lassen. Im fernen Schottland wird Major Llewellyn auf eine alte Spur angesetzt, die ihn auch nach Berlin führt. Und so liegt ein Treffen der älteren und jüngeren Haudegen natürlich nah.

Das alte China, Stasi, der Bereich Kommerzielle Koordinierung, Agenten und eine geheime Pazifikfahrt während des zweiten Weltkrieges - wie soll das alles zusammengehen? Wer John Finch und seine Freunde kennt, wird zuversichtlich sein, dass schon irgendwie hinhaut. Eine ausgeklügelte Mischung aus belegbaren Fakten und intelligent eingefügter Fiktion führt den Leser auf eine abenteuerliche Reise hauptsächlich durch Europa. Welches Deutung hat der Begriff Zerberus-Schlüssel? Wieso werden plötzlich Menschen umgebracht, die sich soweit bekannt nichts zu schulden kommen ließen? Haben verschiedene Dienste hier etwas ausgelöst, das sie nun nicht mehr einfangen können?

Ausgesprochen fesselnd fügen sie die Einzelteile der Geschichte nach und nach zusammen. Dieser packende Abenteuer-Thriller möchte am liebsten an einem Stück gelesen werden. Das Abtauchen in eine Welt der alten Rätsel und neuen Geheimnis kann so am besten genossen werden. Der einzige kleine Wermutstropfen, den diese Art des Lesens mit sich bringt: das Abenteuer ist viel zu schnell vorbei. Man wünscht, der Autor möge schnell einen Aufhänger für das nächste Abenteuer finden, in dem die lieb gewonnenen Akteure erneut zu Höchstform auflaufen.

Veröffentlicht am 02.10.2017

Wie ein Krimi

Konklave
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Der Papst ist tot. Er erlag einem Herzinfarkt, sehr plötzlich kam es. Der Dekan ist entsetzt und betrübt. Einige Wochen vergehen, die Bestattung, die Zeit der Anreise der Kardinäle. Es naht das Konklave, ...

Der Papst ist tot. Er erlag einem Herzinfarkt, sehr plötzlich kam es. Der Dekan ist entsetzt und betrübt. Einige Wochen vergehen, die Bestattung, die Zeit der Anreise der Kardinäle. Es naht das Konklave, ein neuer Papst muss gewählt werden. Wird es eine schnelle Abstimmung sein? Oder wird sich die Entscheidung hinziehen. Nach dem ersten Wahlgang gibt es noch keinen Favoriten, doch bald zeichnet sich ab, wer gute Chancen hat, zum Kirchenoberhaupt gewählt zu werden. Doch der Dekan findet heraus, dass der sich abzeichnende Kandidat nicht immer so kirchentreu war wie es sich geziemt.

Liest man den Klappentext dieses Buches, kann man sich nicht vorstellen, wie aus dieser Thematik ein Thriller entstehen soll. Die Kirchenmänner sollen doch allem Weltlichen entrückt sein und sich an die zehn Gebote halten. Wahrscheinlich tun sie das auch, grundsätzlich jedenfalls. Zumindest aber ist man zuversichtlich, dass Robert Harris einen guten Roman abliefern wird, schließlich ist er als Schreiber intelligenter und spannender Bücher bekannt. Und tatsächlich schafft es Robert Harris aus einer Papstwahl ein packendes Intrigenspiel mit ungewissem Ausgang zu machen. Je weiter man liest, desto mehr Untiefen tun sich zwischen den Akteuren auf. Wer kann wem trauen und wem gegenüber sollte man besser misstrauisch sein? Die 118 Teilnehmer des Konklave, alle Kardinäle unter achtzig, versuchen aus ihrer Mitte, den Besten heraus zu picken. Dabei werden zunächst ein paar Nieten gezogen, denen man allerdings in keiner Weise zugetraut hätte, dass sie überhaupt ein Wässerchen trüben könnten. Die Teilnehmer werden immer unsicherer, wer die Aufgabe überhaupt erfüllen könnte. Wer kann die Last, die Bürde des Amtes tragen? Welche Ränke sich entspinnen ist schon genial. Gefesselt klebt man an den Seiten. Mit Erstaunen liest man von den unbekannten Abläufen und dankt dem Autor für seine akribische Recherche, die einen ungeahnten Einblick in die Vorgänge hinter verschlossenen Türen zulässt.

Ein interessantes Thema, von dem man nie angenommen hätte, das es sich zu einem so packenden Thriller verarbeiten lässt.