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Veröffentlicht am 28.07.2019

Hollywood Babylon

Der blutrote Teppich. Hollywood 1922: Hardy Engels zweiter Fall
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Nach der Sache mit Fatty Arbuckle wollte Hardy Engel eigentlich nichts mehr von Hollywood wissen. Doch von etwas muss man leben und mit nur einem Auge ist es nicht leicht einen Job zu finden. Als der Regisseur ...

Nach der Sache mit Fatty Arbuckle wollte Hardy Engel eigentlich nichts mehr von Hollywood wissen. Doch von etwas muss man leben und mit nur einem Auge ist es nicht leicht einen Job zu finden. Als der Regisseur und Schauspieler William Desmond Taylor ihn um einen Gefallen bittet, übernimmt Hardy den Auftrag. Am Abend jedoch als er sich mit Taylor treffen will, liegt dieser tot in seinem Büro. Er sieht so friedlich aus und deshalb merkt Hardy erst als er dem Toten näher kommt, dass dieser eine Schusswunde hat. Und Hardy ist derjenige, der zuletzt mit Taylor Kontakt hatte. Die Polizei nimmt ihn gerne in den Kreis der Verdächtigen auf und Hardy sieht sich gezwungen, die wahren Hintergründe des Falls aufzudecken.

Auch in seinem zweiten Fall bekommt es Hardy Engel mit einem echten Fall der frühen Jahre in Hollywood zu tun, der bis heute nicht aufgeklärt ist und über den sich deshalb trefflich spekulieren lässt. Der wahre Mord bildet den Rahmen für Hardys zweite Ermittlung. Natürlich musste einiges dazu erfunden werden, ohne allzu sehr von den bekannten Tatsachen abzuweichen. Dies hat der Autor intelligent umgesetzt. Es ging hoch her im Hollywood der 1920er. Es wurde gearbeitet und gefeiert, jeder wollte ein Stück vom Kuchen abhaben. Wenn es um den Preis von ein paar Drogen war oder auch mal jemand zu Tode kam, bitte. Ansätze für seine Nachforschungen hat Hardy Engel genug.

Die gerade durch ihren Ansatz an einem wirklichen Todesfall spannende Geschichte wird durch den Leser Uve Teschner gekonnt umgesetzt. Er versteht es, den einzelnen Personen eine Stimme zu geben. Mit ihm folgt man Hardy Engel zunächst in die Abgründe seiner Seele, aus denen er langsam wieder emporsteigt, schließlich muss er einen Mord aufklären und noch einige andere Ungereimtheiten in Bezug auf das Leben William Desmond Taylors ins richtige Licht rücken. Und Hardy Engel hat noch mehr zu erzählen, wie sicher nicht schwer zu erraten ist. Man darf also gespannt sein, welche Begebenheiten aus dem alten Hollywood der Autor als nächstes ausgraben wird.

Veröffentlicht am 20.07.2019

Rechenkunst

Nullsummenspiel
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In Mathe war sie schon immer einfach gut. Diese Fähigkeit kann ich in ihrem Job als Wiederbeschafferin gut gebrauchen. Wenn es einmal brenzlig wird, berechnet sie einfach die Wahrscheinlichkeit oder eine ...

In Mathe war sie schon immer einfach gut. Diese Fähigkeit kann ich in ihrem Job als Wiederbeschafferin gut gebrauchen. Wenn es einmal brenzlig wird, berechnet sie einfach die Wahrscheinlichkeit oder eine Kurve und ist in aller Regel aus der Klemme befreit. Sie ist Cas Russell, sie findet Freundschaft überbewertet und sie vertraut nur Rio. Als sie gebeten wird die kleine Schwester Courtney Polk wiederzubeschaffen, hält sie das für einen leichten Auftrag. Überrascht muss Cas feststellen, dass dem nicht so ist und auch als sie Courtney in ihrer Obhut hat, geraten die beiden Frauen in eine Gefahrensituation nach der anderen.

Wenn man selbst der Vektor-Rechnung sofort nach der Schulzeit für immer abgeschworen hat, könnte man Cas gegenüber zunächst einige Vorbehalte haben. Denn zu Beginn metzelt sie mit ihren Berechnungen die Menschen, auch wenn sie nicht so besonders gut sind, schneller hin als man piep oder papp sagen kann. Doch wenn man sieht, mit welcher Sorgfalt und großem Mut sie auch Leben rettet, verzeiht man ihr doch das Meiste. Cas muss erstmal nicht nur auf Courtney aufpassen, sondern nebenbei auch Arthur das Leben retten. Sie ist also ganz schön beschäftigt und das, obwohl Rio gesagt hat, sie soll sich aus der Sache raushalten.

Man merkt diesem Roman schon an, dass es sich um den Beginn einer Reihe handelt, da doch etliche Andeutungen gemacht werden, die der weiteren Klärung bedürfen. Dennoch ist die Einführung von Cas Russell und ihren Freunden (sie hat ja eigentlich keine) gelungen. Zum Glück muss man kein Mathegenie sein, um der Handlung folgen zu können. Im Gegenteil Cas’ außergewöhnliche Fähigkeiten geben der Geschichte eine besondere Note. Cool wie sie sich aus Gefahren befreit und dabei auch das Wohlergehen ihrer Freund im Blick behält. Da ist es beinahe schon überraschend, dass sie bei dieser Wiederbeschaffung an einen Gegner geraten soll, der ihr überlegen zu sein scheint. Auf jeden Fall versteht Cas es, den Leser zu fesseln und mit ihrer urigen und ungewöhnlichen Art zu erfreuen. Man darf gespannt sein, was die geheimnisumwitterte junge Frau, noch wiederbeschaffen wird.

Veröffentlicht am 19.07.2019

Der arme Jules

Die Marie vom Hafen
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Der arme Jules hinterlässt fünf Kinder. Odile lebt schon nicht mehr daheim. Marie hat sich um die Jüngeren gekümmert. Und die drei Jüngsten werden noch auf der Trauerfeier unter den Verwandten verteilt. ...

Der arme Jules hinterlässt fünf Kinder. Odile lebt schon nicht mehr daheim. Marie hat sich um die Jüngeren gekümmert. Und die drei Jüngsten werden noch auf der Trauerfeier unter den Verwandten verteilt. Marie beginnt im örtlichen Café zu arbeiten. Der gut betuchte Freund ihrer Schwester macht ihr das Angebot, in einer seiner Firmen eine Stelle anzutreten. Marie jedoch will zu hause bleiben, am Hafen. Der schon über 30jährige Henri, eine solche Abfuhr nicht gewöhnt, beginnt immer wieder in Maries Nähe aufzutauchen. Marie trifft sich derweil erstmal lieber mit Marcel.

Im Atlantik Verlag werden die Romane und Geschichten von Georges Simenon neu aufgelegt. Dessen Maigret-Romane sind weithin bekannt. Doch das Oeuvre des Autors ist weitaus umfassender. Ein Beispiel der Vielfältigkeit Simenons bietet die Geschichte von Marie vom Hafen. Eine Geschichte, die eher traurig beginnt, muss die junge Frau nun auch noch ihren Vater beerdigen. Noch nicht volljährig besteht die Gefahr, dass andere über ihr weiteres Leben entscheiden, so wie bei ihren jüngeren Geschwistern. Marie sucht nach einem Ausweg. Dass Henri, der eigentlich mit ihrer Schwester zusammen ist, ihr nachstellt, ist ihr zunächst eher lästig. Ziemlich kühl lässt sie ihn abblitzen.

Bereits im Jahr 1938 erschien die Erstausgabe dieser Erzählung und wirkt doch auch in der heutigen Zeit nicht altmodisch. Wenn auch kühl, so ist Marie doch ausgesprochen pfiffig und fortschrittlich. Beim Lesen fragt man sich, in wie weit sie Pläne schmiedet. Dennoch gefällt sie mit ihren eigenen Kopf. Ihre Schwester Odile wirkt dagegen nachgiebig und weich. Henri scheint ein arroganter Schnösel zu sein, der es durchaus verdient hat, mal ausgebremst zu werden. Zwar ist die Geschichte schnell gelesen, aber keinesfalls schnell vergessen. Die Marie vom Hafen hat etwas, das sicher dazu einlädt, sie mehr als einmal zu genießen.

Veröffentlicht am 14.07.2019

Der Vorort

Der Schrei des Engels
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Sie arbeitet in einem Vorort Stockholms, sie setzt sich für die ein, die in der Gesellschaft zu kurz kommen. Und gerade in diesem Vorort wird sie verschleppt und grausam zugerichtet. Doch es besteht die ...

Sie arbeitet in einem Vorort Stockholms, sie setzt sich für die ein, die in der Gesellschaft zu kurz kommen. Und gerade in diesem Vorort wird sie verschleppt und grausam zugerichtet. Doch es besteht die Hoffnung, dass sie noch lebt. Als die örtliche Polizei nicht weiterkommt, wird Zack Herry von der Sondereinsatzgruppe in den Vorort geschickt. Seine Zeit ist knapp, denn die Verletzungen der jungen Frau sind schwer und der Clanführer des Vororts gibt ihm nur 24 Stunden, dann wird Zack selbst der Gejagte sein.

Nach dem Tod seiner Freundin Mera hat sich Zack eigentlich nur oberflächlich wieder gefangen. Bis ins Letzte aufgeklärt ist der Mord noch nicht. Und nun muss er sich mitten hinein begeben in diesen Vorort, der der normalen Polizei nicht mehr zugänglich scheint. Die Straßen werden von teilweise rivalisierenden Gangs beherrscht. Und deren Mitglieder werden immer jünger. Für die junge Sozialarbeiterin Helene muss es wie ein Kampf gegen Windmühlen gewesen sein. Doch sie tat ihr möglichstes, dennoch ist sie es, die irgendwo gefangen gehalten wird. Zack kennt Helene aus seiner Kindheit. Sie teilen ein Geheimnis. Kann er überhaupt der Richtige sein, der sich zu ihrer Rettung aufmacht? Natürlich übernimmt Zack den Einsatz, um seine Jugendfreundin zu retten.

Es gibt diese Vororte nicht nur in Schweden und ihre Beschreibung kann nur deprimieren. Wie sooft fragt man sich, was falsch gelaufen ist und wie man es wieder auf die Reihe kriegt. Und man hat keine Antwort, was eigentlich das Schlimmste an der Sache ist. Auch Zack Herry kann das Problem der verlorenen Bewohner der Vorstädte nicht lösen. Er macht sich auf seine schwedische Freundin zu suchen. Hätte sei einen Migrationshintergrund, wäre dann solch ein Aufwand getrieben worden? Minutengenau und mit wechselnden Schauplätzen werden die ungefähr 24 Stunden geschildert, die Zack bleiben, um die junge Sozialarbeiterin zu finden. Brutal geht es zu in der Welt dieser Vorstadt, das muss man als Leser schon aushalten. Denn dem Autoren-Duo ist es gelungen, einen ausgesprochen spannenden und bitteren Kriminalroman zu schreiben, in dem Zack Herry vagen Spuren folgt und Hinweise findet, die seine eigene Welt berühren. Am meisten durchgerüttelt wird man allerdings von den düsteren Beschreibungen der Geschehnisse in einem Vorort, der wie ein fremdes Land wirkt. Eine packende Reihe, deren vierter Band mit einem fiesen Cliffhanger endet.


Veröffentlicht am 05.07.2019

Light Trees

Bell und Harry
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Grandpa ist zu den Kindern gezogen als seine Frau verstarb und seitdem wird Light Trees verpachtet. Die Londoner kommen in den Sommerferien ins nordenglische Yorkshire, um Ruhe zu finden. Sie haben allerdings ...

Grandpa ist zu den Kindern gezogen als seine Frau verstarb und seitdem wird Light Trees verpachtet. Die Londoner kommen in den Sommerferien ins nordenglische Yorkshire, um Ruhe zu finden. Sie haben allerdings nicht damit gerechnet, dass das Land bewirtschaftet wird und es dann schnell vorbei sein kann mit der Ruhe. Kleine Missverständnisse können zum Glück ausgeräumt werden. Und so werden aus den beiden Jungen Bell und Harry dicke Freunde. Mit der Zeit scheint es beinahe so als gehörten die Batemans aus London zur Familie.

Gerade für Harry sind die Aufenthalte in Yorkshire etwas Besonderes. Wann hätte er in London schon die Gelegenheit, die Berge zu erkunden, sich die alten Geistergeschichten erzählen zu lassen, mit dem Rad durch Berg und Tal zu fahren. Für ihn ist auf dem Land mehr los als in der Stadt. Als Einheimischer versteht Ben das nicht immer, aber so ist es halt. Selten weiß man zu schätzen, was man hat. Gemeinsam gehen Bell und Harry durch dick und dünn, begehen so manche Eselei und werden über die Jahre erwachsen.

Bereits im Jahr 1981 erschien die englische Erstausgabe dieses Buches und aus einigen Äußerungen lässt sich schließen, dass die Handlung Ende der 1960er bis Anfang der 1970er einsetzen muss. Die Autorin verfolgt den Weg ihrer Jungs bis in die späten 1990er und wagt damit einen prophetischen Blick in eine Zukunft, die so nicht eingetreten ist, die aber so hätte eintreten können. Unabhängig davon schafft sie es, einen leichten Sommerwind über die Felder wehen zu lassen, ebenso wie klirrende Kälte. Im Wechsel der Jahreszeiten erleben Bell und Harry ihre Kindheit und Jugend. Ihre Abenteuer sind manchmal typische Jungsabenteuer, bei denen sie von Glück reden können, wenn sie alles heil überstehen. Doch manchmal haben die Ereignisse eine Zartheit, mit der man nicht gerechnet hat. Die im deutschsprachigen Raum spät entdeckte Autorin schafft mit ihrem knapp zweihundertseitigen Sommerroman eine Möglichkeit aus dem Alltag in eine Sommerfrische abzutauchen und eine ähnliche Ruhe zu finden, wie die Londoner. Ein Buch, das man immer wieder lesen kann.