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Veröffentlicht am 08.11.2018

Helden von Cork

Glorreiche Ketzereien
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Schon mit 15 hat Ryan Cusack das Gefühl, sein Leben geht den Bach runter. Sein Vater war schon immer ein Säufer und nach dem Tod der Mutter ist es für Ryan, den Ältesten, und seine fünf Geschwister auch ...

Schon mit 15 hat Ryan Cusack das Gefühl, sein Leben geht den Bach runter. Sein Vater war schon immer ein Säufer und nach dem Tod der Mutter ist es für Ryan, den Ältesten, und seine fünf Geschwister auch nicht besser geworden. Mit kleinen Dealereien versucht Ryan, zu etwas zu kommen. Obwohl eigentlich gut in der Schule, schafft Ryan den Rauswurf. Wie ein Licht in dieser Welt ist Ryans Freundin Karine. Doch eine Kette unerwartet schlimmer Ereignisse wird durch den eher zufälligen Totschlag ausgelöst, den Maureen, die Mutter des Gangsters Jimmy Phelan, begeht.

Über fünf Jahre wird der Absturz der Beteiligten, unter ihnen zuerst Ryan Cusack, gezeigt. Sie alle halten sich mit mehr oder weniger unsauberen Geschäften über Wasser, sie bezichtigen sich mehr oder weniger großer Sünden, sie haben grundsätzlich nicht Schuld und mit ihren Handlungen versuchen sie, das Schicksal zu ihren Gunsten zu wenden und erreichen doch das Gegenteil. Der wirtschaftliche Niedergang einer ganzen Stadt scheint sich in Cusacks kleiner Welt widerzuspiegeln. Sein Viertel mit Sozialwohnungen, Kleinkriminalität, Hoffnungslosigkeit und Armut. So garnicht passt das zu dem öffentlichen Bild von Cork, das eher einer heiteren, offenen und wohlhabenden Kommune entspricht. Bei aller Ausweglosigkeit, gibt es nicht immer Momente, in denen andere Entscheidungen getroffen werden können?

Trotz aller Düsternis weist dieser Debütroman von Lisa McInerney doch einige von dem für Cork anscheinen typischen Humor auf. Wenn Maureen den Einbrecher mit einer Heiligenstatue erschlägt, kann man sich ob der Absurdität kaum ein Grinsen verkneifen. Allerdings gefriert dieses schnell auf den Lippen, wenn man die weiteren Ereignisse in Betracht zieht. Irgendwie scheint es für die Protagonisten, die wahrlich nur kleine Helden sind, immer nur weiter abwärts zu gehen. Natürlich ist es schwer aus seinem Milieu herauszukommen, aber wenn man schon quasi einen Fuß draußen hat, warum zieht man den anderen nicht nach. Klar ist es schwierig, wenn man keine Unterstützung hat. Doch nimmt man zum Beispiel Ryan, dessen Geschichte in einem Folgeband weitererzählt wird, warum geht er nicht wieder zurück zur Schule, nur weil er dann ein paar Jahre älter ist? Wenn man wirklich raus will, ist das doch nicht das größte Problem.

Dieser Roman fesselt mit einer ausgesprochen düsteren Geschichte, bei der man den Protagonisten manchmal den Verstand zurechtschütteln möchte.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Ferienlager

Die Interessanten
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Julie gehört dazu, das erste Mal in einem Ferienlager für kreative künstlerisch begabte Jugendliche, wird sie von Ash eingeladen. Damit gehört sie dazu, zu den Interessanten, und künftig ist sie Jules. ...

Julie gehört dazu, das erste Mal in einem Ferienlager für kreative künstlerisch begabte Jugendliche, wird sie von Ash eingeladen. Damit gehört sie dazu, zu den Interessanten, und künftig ist sie Jules. Über die Jahre bleibt Ash ihre beste Freundin. Jules, die wegen des frühen Todes ihres Vaters einfach nur von zu Hause weg wollte, führt nun intelligent humorvolle Gespräche mit ihren neuen Freunden. Gemeinsam mit Ash träumt sie davon, Schauspielerin zu werden. Ethan dagegen ist ein großes Zeichentalent, er möchte Zeichentrickfilme machen. Cathy und Jonah sind musisch begabt. Und Ashs Bruder Goodman hat eigentlich kein besonderes Talent, dennoch möchte er gerne Architekt werden.

Fünf Jugendliche, die sich eher zufällig in einem Ferienlager treffen, schließen Freundschaft, die am liebsten ein Leben lang bestehen soll. Ist es eher die Jugend, die sie zusammenführt, oder eher ihr besonderes Talent. Sie sind doch besonders, die Interessanten eben, oder? Natürlich führen ihre Wege in unterschiedliche Richtungen. Erstaunlicherweise ist es gerade der unscheinbare Ethan, der am meisten aus seinem Zeichentalent macht. Vielleicht ist er auch der, der am meisten Talent hat. Seine Trickfilme laufen äußerst erfolgreich im Fernsehen. Jules dagegen muss einsehen, dass sie keine große Schauspielerin werden wird. Jonah wendet sich einem technischen Studium zu. Cathy bekommt von der Natur einfach nicht den Körper, den sie als Tänzerin braucht. Nur der untalentierte aber von seinen Eltern hofierte Goodman bleibt ohne Talent und Entwicklung.

Beginnend in den 1970ern umspannt dieser Roman mehrere Jahrzehnte. Im Osten der USA werden die fünf Jugendlichen zu Erwachsenen. Die Lebenswege dieser unterschiedlichen Menschen, deren Bahnen sich zufällig kreuzten, erweisen sich als anders als in er von Enthusiasmus gekennzeichneten Jugend erhofft. Hier kommen Wunsch und Wirklichkeit zusammen und bilden die Realität. Es ist eines dieser Bücher, bei deren Lektüre man sich an die eigene Jugend erinnert, an die hochfliegenden Träume, die meist in eine ganz andere Realität mündeten. Man denkt an die Cliquen, denen man angehörte, wo man sich zugehörig fühlte oder auch mal am Rande stand. Freundschaften sollten ewig halten und veränderten sich doch. Ein lesenswerter Spiegel, den die Autorin ihren Lesern vorhält. Ein Roman mit Humor und Melancholie, der einen Teil des wahren Lebens abbildet.

Veröffentlicht am 02.11.2018

Freies Land

Die Königin der Schatten - Verbannt
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Einstmals einfach Kelsea Glynn ist sie nun die mächtige Königin von Tearling. Doch ihr Reich ist von allen Seiten bedroht und auch im Inneren steht nicht jeder auf Seiten der Königin. In äußerster Not ...


Einstmals einfach Kelsea Glynn ist sie nun die mächtige Königin von Tearling. Doch ihr Reich ist von allen Seiten bedroht und auch im Inneren steht nicht jeder auf Seiten der Königin. In äußerster Not sieht Kelsea keine andere Chance, als sich in die Hände der roten Königin zu begeben, ihrer ärgsten Feindin. Den Oberst ihrer Leibgarde, Mace, erklärt sie zu ihrem Statthalter. Mace soll ihr bedrohtes Königreich beschützen und zusammenhalten. Obwohl es nicht seine Aufgabe ist, schickt er doch die Garde zur Rettung der Königin. Inzwischen vertieft sich Kelsea immer weiter in die Vergangenheit, die sich in ihren Träumen oder Visionen offenbart.

Wieso sind die hehren Ziele, die ideale Welt, von der Will Tearling geträumt hat, zu der Wahrheit geworden, in der Kelsea lebt? Das möchte die junge Frau ergründen und gleichzeitig soll ihr Reich gerettet werden. Gab es einen Punkt in der Vergangenheit, an dem sich das Schicksal in diese Richtung gewandt hat? Hätte bei einer anderen Entscheidung alles anders laufen können? Hätte es eine Chance gegeben, das Ideal zu erreichen? Um diese Fragen kreisen die Gedanken der jungen Königin, die sich ihrer Verantwortung sehr bewusst ist. Doch auch sie ist nicht unfehlbar, kein idealer Mensch. Aber wenn sie eine Chance hat, die Welt zu heilen und zu befreien, will sie ihr Bestes geben.

Das Schicksal des Tearling klärt sich in diesem abschließenden Band um Kelsea, die junge Königin. Gespannt beginnt man die Lektüre mit der Frage, ob es überhaupt eine Rettung aus dieser vertrackten Situation geben kann. Sehr gelungen erscheint wie der Bogen zwischen den unterschiedlichen Handlungsebenen gespannt wird und wie sich nach und nach erklärt, wo der Hund begraben liegt. Immer schwieriger wird die Lage und immer neugieriger wird man, wie man da zu einer Lösung kommen will. Auch die politischen Überlegungen spielen eine große Rolle und gerade sie sind sehr nachvollziehbar ausgeführt. Bei der Komplexität der gesamten Konstruktion müssen vielleicht einige Randfragen im Unklaren bleiben. Doch insgesamt findet man eine sehr stimmige Auflösung um das Schicksal des Tearling, eine Plädoyer über den Wert von Demokratie und Freiheit und die Mahnung, dass dieses keine bequemen Werte sind, die einfach da sind.

Veröffentlicht am 27.10.2018

Die schöne Geschichte

Der Schmetterling
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Der Polizist Johan Rokka kehrt nach Jahren in Stockholm an seinen Heimatort zurück. Noch bevor er sich richtig eingerichtet hat geschieht ein Mord und er wird gebeten, früher mit der Arbeit zu beginnen. ...

Der Polizist Johan Rokka kehrt nach Jahren in Stockholm an seinen Heimatort zurück. Noch bevor er sich richtig eingerichtet hat geschieht ein Mord und er wird gebeten, früher mit der Arbeit zu beginnen. Rokka muss feststellen, dass er die Tote kennt. Kein Wunder, wenn man an seinem Heimatort tätig ist, und doch keine besonders angenehme Situation. Bei der Toten handelt es sich um Henna, die Frau eines bekannten Fussballspielers. Die Familie ist erst vor kurzem aus Italien wieder nach Schweden gezogen. Rätselhaft bleibt allerdings, wer etwas gegen die junge Frau gehabt hat.

In seinem ersten Fall ermittelt Johan Rokka gleich in einem Mord, der ihn persönlich zu betreffen scheint. Etliche der Beteiligten kennt er aus seiner Jugend, deshalb geht ihm die Tat sehr nahe. Dennoch versucht er bei seinen Nachforschungen neutral zu sein. Auch als Neuer auf seinem Revier hat er es manchmal nicht ganz leicht. Teils tritt er selbst ein wenig zu forsch auf, was seine direkte Vorgesetzte nicht erfreut. Teils erscheinen Anweisungen eher auf ein Nebengleis zu führen. Teils ist Rokka abgelenkt von Gedanken an ein ungelöstes Rätsel aus seiner Vergangenheit. Sein Leben ist im Umbruch und Rokka ist unsicher, in welche Richtung er sich entwickeln wird. So wie er selbst haben auch seine Kollegen ihre eigenen Ansichten, Geheimnisse und nachdenkliche Momente.

Während die Hintergründe zu dem gesamten Kriminalfall teilweise etwas gezwungen in die Form gepresst wirken, wird doch viel Spannung aufgebaut und man bleibt neugierig auf den Ausgang. Mehr aus einem Guss erscheint die Bildung des Teams um Johan Rokka. Nach und nach geben die Mitglieder mehr von sich preis und tragen so dazu bei, dass sich die Gruppe formt. Dieser grundsätzlich gelungene erste Band um Johan Rokka und sein Team hat zwar einige Haken und Ösen, macht aber dennoch Lust zu erfahren, ob Rokka seine Vergangenheit überwinden wird. Vielleicht wird Rokkas Verlangen bereits im zweiten Band gestillt, der für das Frühjahr 2019 angekündigt ist. Man darf bis dahin in freudiger Erwartung bleiben.

Veröffentlicht am 25.10.2018

Fahrende Städte

Mortal Engines - Krieg der Städte
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Für den Gehilfen Tom ist es ein außerordentliches Ereignis, den obersten Historiker Londons zu treffen. Thaddeus Valentine ist Toms größtes Vorbild. Und so setzt er sein eigenes Leben ein, um den Historiker ...

Für den Gehilfen Tom ist es ein außerordentliches Ereignis, den obersten Historiker Londons zu treffen. Thaddeus Valentine ist Toms größtes Vorbild. Und so setzt er sein eigenes Leben ein, um den Historiker vor einem Anschlag zu bewahren. Unglücklicherweise landet Tom mit der vermeintlichen Attentäterin Hester Shaw in den Außenlanden. Sollte Valentine Tom tatsächlich gestoßen haben? Valentine eilt mit seiner Tochter Katherine zurück in die Stadt. London ist eine der größten fahrenden Städte. Doch nach langen Jahren des Umherwanderns sind kaum noch kleine Städte übrig, die man sich einverleiben kann.

In einer Zeit, die nach der unseren irgendwie vor der unseren gelandet ist, fahren die Städte auf Rollen oder Ketten umher und jagen kleinere Siedlungen. Die Größeren fressen die Kleineren. Und alle sind gegen die Antitraktionisten, die sich für ein sesshaftes Dasein entschieden haben. Doch wieso hat Hester Shaw es auf das Leben des einzigartigen Historikers abgesehen? Und hat dieser Tom wirklich von der fahrenden Stadt gestoßen? Tom kann es nicht fassen. Sein großes Vorbild bekommt Risse. Und auf abenteuerlichen Wegen machen sich Tom und Hester zurück auf den Weg nach London, um zu klären, weshalb Hesters Mutter sterben musste, worin das Geheimnis um den obersten Historiker besteht.

Von der Sprache her beinahe geschrieben wie ein Jugendbuch wartet dieser interessante Roman doch mit einigen Grausamkeiten auf. Einige Figuren, die man bald lieb gewonnen hat, werden Szenen der außerordentlichen Spannung geopfert. Familiengeheimnisse sind offenzulegen, die es in sich haben. Schließlich muss man verdauen können, was man bei den Recherchen erfährt. Und da kann der große Valentine, wie Tom gleich zu Beginn schmerzlich feststellen muss, schnell von seinem Sockel geholt werden. Die Idee der fahrenden Städte vermag allerdings sehr zu begeistern und auch die Entwicklung von Freundschaften, das Suchen von Verbündeten bringen einen positiven Schub. Im Original bereits im Jahr 2001 erschienen wirken die Beschreibungen der heutigen Technik, die in der Welt der fahrenden Städte nur noch als Artefakte existieren, beinahe etwas niedlich. Als Start einer vierteiligen Reihe lädt dieser erste Band alles in Allem unbedingt zum Weiterlesen ein.