Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
online

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.05.2018

Weites Land

Äquator
0

Pete Ferguson, der Deserteur, ist ein Suchender. Seinen kleinen Bruder hat er vor dem amerikanischen Bürgerkrieg gerettet. Er hat mit seinem Vater gestritten, der die Brüder nicht gut behandelte. Er hat ...

Pete Ferguson, der Deserteur, ist ein Suchender. Seinen kleinen Bruder hat er vor dem amerikanischen Bürgerkrieg gerettet. Er hat mit seinem Vater gestritten, der die Brüder nicht gut behandelte. Er hat einen Mann um gebracht. Ferguson reist unter falschem Namen. Er geht auf Bison-Jagd, schon in dem Wissen, dass es bald keine Bisons mehr geben wird. Er zieht Richtung Mexico, wo er bei wandernden Komantscheros unterkommt. Diese bezahlen ihn für die Teilnahme an einer Revolution in Guatemala, eine Revolution, die er im letzten Moment verhindert. Und langsam kommt Pete Ferguson seinem Ziel näher, dem Äquator.

Am Äquator sei alles besser, hat man ihm erzählt. Dort müsse man sich Steine in die Tasche stecken, um die Verbindung zur Erde nicht zu verlieren, die Flüsse flössen anders herum. Auf dem Weg zum gelobten Äquator lernt Pete Menschen kennen, die ihm helfen, denen er zuhört, bei denen er etwas lernt. Doch er trifft auch solche, die ihm Übles wollen, ihm nach dem Leben trachten. Pete weiß sich zu wehren, immer wieder schafft er es Gefahren zu entrinnen. Manchmal allerdings wird es wirklich knapp. Und sein Ziel scheint lange nicht wirklich näher zu rücken.

Was ist überhaupt das Ziel? Offensichtlich konnte man im Jahr 1871 noch Menschen begegnen, die glauben, dass auf der anderen Erdhalbkugel alles auf dem Kopf steht, die es als großes Abenteuer sehen, sich selbst auf den Kopf zu stellen. Vielleicht ist ja gerade das das Ziel, sich selbst auf den Kopf stellen, sein raues Wesen in ein umgänglicheres zu wandeln, seine Angst und Wut in eine Kraft zu kanalisieren, die es ermöglicht, eine gute Beziehung einzugehen. Vielleicht muss man den Äquator nicht einmal erreichen, um sich zu läutern, um in sich zu gehen. Seine Gedanken niederzuschreiben, seine Ansichten auszutauschen. Pete Ferguson ist eine Persönlichkeit, der man sich langsam nähert, die aber in dieser Langsamkeit eine ungewöhnliche Anziehungskraft entwickelt. Für Pete gibt es irgendwann ein Vorwärts, dass ihn zu einer ganzen Person werden lässt.

Antonin Varenne versteht es ausgesprochen gut, mit ungewöhnlichen Geschichten zu unterhalten und zum Nachdenken anzuregen.

Veröffentlicht am 03.05.2018

Das Gespenst

Der Pate von Glasgow
0

Persönlich hat er ihn hinter Gitter gebracht und bei einem Ausbruchsversuch wurde er von seinen vermeintlichen Helfern ermordet. Die ehemaligen Kronzeugen sind im Zeugenschutz. Wie also kann ein Video ...

Persönlich hat er ihn hinter Gitter gebracht und bei einem Ausbruchsversuch wurde er von seinen vermeintlichen Helfern ermordet. Die ehemaligen Kronzeugen sind im Zeugenschutz. Wie also kann ein Video auftauchen, auf dem man einen Toten bei der Beseitigung eines der Zeugen beobachten kann? Das geht einfach nicht. DCI Jim Daley, der das Revier in Kinloch, wo der zweite Kronzeuge lebt, leitet, ist in heller Aufregung. Nun gilt es Frank MacDougall zu schützen. Er wird diese Aufgabe meistern, sie einfach meistern müssen. Als es zu weiteren Todesfällen kommt, kann sich Jim ausmalen, dass das Gespenst es Daley fast unmöglich machen wird, seinen Auftrag zu erfüllen.

Eigentlich passiert in Kinloch nicht viel, mal ein Einbruch, mal Diebstahl, mal ein paar Drogen. Jim Daley könnte eine ruhige Kugel schieben und gemeinsam mit seiner Liz das Eheleben genießen. Wenn allerdings doch mal was geschieht, dann gleich richtig. Nie wäre damit zu rechnen gewesen, das JayMac, der doch tot ist, wieder auftaucht. Hat er etwa überlebt? Nein, das kann nicht sein. Wie kommt aber seine Visage in diese Videoaufnahme? Und offensichtlich ist ihr Kronzeuge in Gefahr. Sind damit etwa alle in Gefahr, die damals an den Ermittlungen beteiligt waren? Jim kann sich gut erinnern, wie der Verurteilte, ihm Rache angedroht hat.

Möglicherweise ahnt man früh, welchen Kniffes sich der Autor in einem gewissen Moment bedient. Dies jedoch hindert einen nicht, gefesselt an den Seiten des Buches zu kleben. Die meisten der Winkelzüge lassen sich nämlich nicht so einfach vorhersehen und so beschert Denzil Meyrick seinen Lesern einen packenden Thriller, der mit so einigen sicher geglaubten Ansichten aufräumt. Wer ist mit wem? Ist überhaupt jemand ehrlich? Alles hängt irgendwie zusammen und so manche unliebsame Überraschung ist zu verarbeiten. Jim Daley hat es in diesem Fall nicht leicht. Es ist als müsste man fürchten, dass Jack Daniels ihm ein ebenso guter Freund werden kann wie seinem Freund und Kollegen Brian Scott.

Dieser zweite Band der Reihe um Jim Daley, der sich gegen den organisierten Untergrund Schottlands behaupten muss, bietet beste Thrillerkost.

Veröffentlicht am 30.04.2018

Licht meines Herzens

Das Meer löscht alle Spuren
0

Ein berühmter iranischer Dichter landet, nachdem er auf der Flucht von seiner Frau getrennt wurde, in einem dänischen Flüchtlingslager. Einzig der Journalistin und Englandkorrespondentin Nora Sand will ...

Ein berühmter iranischer Dichter landet, nachdem er auf der Flucht von seiner Frau getrennt wurde, in einem dänischen Flüchtlingslager. Einzig der Journalistin und Englandkorrespondentin Nora Sand will er ein Interview gewähren. Der Dichter Manash Ishmail stellt allerdings eine Bedingung. Nora soll versuchen, seine Frau zu finden, die auf dem Weg nach England war. Dort sollte sie von Bekannten in Empfang genommen und an einen sicheren Ort gebracht werden. Am Treffpunkt ist sie aber nicht aufgetaucht. Nora nimmt die Spur der jungen Frau auf, viele Hinweise hat sie nicht und auf die Mitarbeit der Beteiligten darf sie auch nicht hoffen.

Im zweiten Band um die Journalistin Nora Sand nimmt sich die Autorin eines brisanten Themas an. Wie gehen wir mit Flüchtlingen um? Wird denen uneigennützig Hilfe geleistet, die sich aus ihrer Heimat auf den Weg machen in eine ungewisse Zukunft oder werden sie von öffentlichen oder privaten Organisationen ausgenutzt für eigene Zwecke? Werden die Flüchtlinge zum Spielball derer, die reicher oder mächtiger sind? Wird einfach das Vertrauen ausgenutzt, dass sie Schleppern zwangsläufig entgegen bringen müssen? Und was, wenn noch ganz andere Ereignisse den Erfolg oder Misserfolg der Flucht beeinflussen? Schließlich kommt auch Nora Sand an den Punkt, an dem sie sich fragen muss, wem sie noch vertrauen kann und wer sie möglicherweise für seine Zwecke benutzt hat.

Nach der Lektüre des ersten Bandes bietet dieser zweite Teil zunächst einmal ein Wiederlesen mit bekannten Personen, die man bereits mehr oder weniger lieb gewonnen hat. Dies wird angesichts des wahrhaft mitreißend geschilderten Geschehens um die verschwundene Amina fast zur Nebensache. Zwar kommen der Journalistin Nora Sand auch hier ein paar Zufälle zur Hilfe und sie scheint beinahe unkaputtbar zu sein, aber auch dieses tritt zurück hinter den Nachforschungen, deren Ergebnis einem wirklich die Haare zu Berge stehen lässt. Welchen perfiden Machenschaften die hilfsbedürftigen Menschen ausgesetzt werden können, welche geringfügig andere Weichenstellungen manchmal über Wohl und Wehe entscheiden. Auch wenn die reine Flüchtlingsthematik nicht die Rolle spielt, die zunächst anzunehmen gewesen wäre, so spielt sie doch in alles hinein. Aufgebracht und emotional durchgerüttelt beendet man das Buch, das irgendwie so mitten drin aufhört, dass man denkt, es müsste noch weitergehen.

Veröffentlicht am 28.04.2018

Die Praktikantin

Wenn Schmetterlinge Loopings fliegen
0

Karoline Maus hat im öffentlichen Dienst gelernt. Ihr Traum war es jedoch zu studieren, nebenberuflich geht das am Besten an der Fern-Uni in Hagen. Und nun hat sie ihren Bachelor in der Tasche, mit einer ...

Karoline Maus hat im öffentlichen Dienst gelernt. Ihr Traum war es jedoch zu studieren, nebenberuflich geht das am Besten an der Fern-Uni in Hagen. Und nun hat sie ihren Bachelor in der Tasche, mit einer Note, die sich echt sehen lassen kann. Einen Job hat sie auch, doch dazu muss sie das heimatliche Bochum verlassen und nach Hamburg ziehen. Dort kommt sie in der Wohngemeinschaft ihrer Schulfreundin Saskia unter. Leider war es mit dem Job nicht, die Kripo teilt ihr mit, dass ihr künftiger Chef gerade verhaftet wurde. Etliche Bewerbungen und kurz vor der Pleite landet Karo im Vorstandsbüro von Eintracht Hamburg, einem Fußballverein, der gegen den Abstieg aus der Bundesliga kämpft. Als Praktikantin soll sie den Wachhund für Patrick Weidinger geben, der mal um mal über die Stränge schlägt.

Hamburg ist die schönste Stadt Deutschlands und die Hamburger brauchen mindestens zwei Jahre bis sie mit einem Fremden warm werden, dann entwickeln sich aber tolle Freundschaften. So ganz leicht hat Karo es am Anfang nicht. Ihr Schützling darf nicht merken, dass er beschützt wird und er will auch nicht beschützt werden. Keine einfachen Arbeitsbedingungen und Karo tut so als sei sie Chauffeurin des Vorzeigefußballers. Im Verein selbst wird sie von den anderen Mitarbeitern weidlich ausgenutzt, Zeitungsberichte ausschneiden und archivieren, Unterschriften auf Autogrammkarten fälschen. Und dieser Weidinger ist ein echtes Ekel, meistens jedenfalls.

Auch wenn man nur wenig von Fußball versteht und es einem ähnlich geht wir Karo, wird man Freude an diesem Roman haben. Beruflich hat jeder einmal angefangen und weiß, dass man zunächst kleine Brötchen backen muss, wenn man neu im Job ist. Verliebt man sich dann auch noch in einen Kollegen, obwohl man Beruf und Arbeit doch immer trennen wollte, sind Turbulenzen vorprogrammiert. Und Karo geht es so mit ihrem Schutzbefohlenen Patrick Weidinger, der eigentlich Tore schießen soll, sich durch sein unbotmäßiges Verhalten aber immer mehr ins Abseits bringt. Gut kann man sich von der Geschichte dahin tragen lassen, die anfänglichen Wortgefechte, die Schwierigkeiten im Verein, die sich langsam in Gespräche wandeln und eine anerkannte Stellung. Eine Lektüre, die gut zu einem sonnigen Nachmittag an der Alster passt, die bestens unterhält und den Weg zum Happyend mit allerhand Verwicklungen pflastert.

Veröffentlicht am 22.04.2018

Schreibtischjob

Der Tote in der Kapelle
0

So klasse findet Hugo Hawksworth es nicht, in den Innendienst versetzt zu werden. Im Außendienst, mit geheimen Aufträgen, die ihn in ferne Länder führten, war sein Leben doch viel spannender. Doch eine ...

So klasse findet Hugo Hawksworth es nicht, in den Innendienst versetzt zu werden. Im Außendienst, mit geheimen Aufträgen, die ihn in ferne Länder führten, war sein Leben doch viel spannender. Doch eine Verwundung am Unterschenkel hat seine Zeit in dieser Position für immer beendet. Schweren Herzens macht er sich gemeinsam mit seiner kleinen Schwester auf den Weg nach Selchester Castle weit weg von London und allem. Im Jahr 1953 sind die Nachwirkungen des Krieges noch deutlich zu spüren. So ist der Schlossherr bereits kurz nach dem Krieg spurlos verschwunden. Eine Tatsache, die Hugo wesentlich neugieriger macht als sein neuer Job, der im Wälzen alter Akten besteht.

Ein im Einsatz versehrter junger Mann und seine 13jährige Schwester machen sich auf zu neuen Ufern. Natürlich geht es auch um den neuen Job. Wichtig ist aber, dass Georgina den Tod der Eltern noch nicht überwunden hat und sie sich in der Obhut ihres Bruders wohler fühlen wird. Die Schlossbewohner sind zunächst wenig begeistert von ihrer Einquartierung. Nur die Haushälterin, die Georgina sofort in ihr Herz geschlossen hat, umsorgt sowohl sie als auch Hugo mit ordentlichen Mahlzeiten und viel Wärme. Die Nichte des verschwundenen Hausherrn möchte die Gäste am liebsten nur von weitem sehen. Ein Wunsch, der unerfüllt bleiben muss, denn schon bald wird in der Kapelle ein Skelett gefunden. Bei den nun folgenden Nachforschungen wird Hugos Hilfe und seine Erfahrung im Nachrichtendienst gerne in Anspruch genommen.

Hugo Hawksworth hat mit „Der Tote in der Kapelle“ seinen ersten Auftritt in einer Reihe von drei Büchern. Leider ist die Autorin bereits verstorben und das letzte Buch in der Reihe wurde von ihrem Sohn nach ihren Notizen verfasst. Mit den Beschreibungen des ländlichen Lebens in England fühlt man sich sofort an die Englandbesuche erinnert. Auch wenn die nicht in den 1950ern stattfanden, ist die englische Landschaft und die Architektur doch irgendwie urtümlich geblieben. Glücklicherweise hat es der Verursacher des zweiten Weltkrieges nicht geschafft, den Engländern ihr England zu nehmen. Dennoch waren die Menschen durch den Krieg belastet und traumatisiert. Das ist noch deutlich zu spüren und auch der beginnenden kalte Krieg wirft seine Schatten voraus. Viel mehr Beziehungen gibt es zum Geheimdienst als man in so einem heimeligen Örtchen vermuten möchte. Schließlich ist doch das Leben dort alles andere als geheim. Da weiß die Haushälterin und damit auch der ganze Ort am Abend schon, was am Morgen in der Zeitung stehen wird. Und dennoch hinterlassen die warmherzigen Menschen in Selchester einen sympathischen Eindruck. Sogar beim Lesen fühlt man sich heimisch und beginnt mitzurätseln, welches Schicksal den Herrn des Hauses wohl ereilt hat.

Ein liebenswerter Schreibtisch-Ermittler, der durchaus nicht nur am Schreibtisch bleibt, mit einer naseweisen Schwester in einem heimeligen Setting in der englischen Provinz, was will man mehr auf der Suche nach dem, was der Tat zugrunde liegt.