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Veröffentlicht am 04.09.2018

Lässt mich zwiegespalten zurück...

Die neuen Paten
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Dieses Werk soll aufzeigen, wie Trump, Putin, Erdogan, Orbán & Co als die "neuen Paten" regelrechte "Mafia-Staaten" errichten. So bedienen sich die autoritären Machthaber mafiöser Strategien um den Staatsapparat ...

Dieses Werk soll aufzeigen, wie Trump, Putin, Erdogan, Orbán & Co als die "neuen Paten" regelrechte "Mafia-Staaten" errichten. So bedienen sich die autoritären Machthaber mafiöser Strategien um den Staatsapparat nicht nur zu infiltrieren und zu schwächen, sondern letztlich ganz zu übernehmen. Dabei ist jeder, der die Herrschaft bedroht, als Feind zu betrachten und zu behandeln.

Das Buch ist in Kapitel zu den jeweiligen Politikern unterteilt. Im Anschluss daran findet sich auf den Seiten 271 bis 304 das Quellenverzeichnis. Auf mich machte es den Eindruck, als sollte jede Aussage gut belegt werden - auch wenn dies zum Teil mithilfe von anderen Werken des Autors, Bild-Artikeln sowie Facebook-oder YouTube-Links geschieht. In meinen Augen ist dies etwas schade, da ich mich mehr über weniger und dafür durchweg seriöse Quellen gefreut hätte.
Generell, empfand ich das Buch als anstrengend zu lesen, obwohl mich die Thematik sehr reizte. Oft beeinhaltete ein einzelner Abschnitt bereits derart viele, mir nicht geläufige Namen (über die ich mich vorm Weiterlesen dann erst etwas informieren wollte), dass von einem Lesefluss kaum zu sprechen war. Auch erdrückten mich die vielen Hochrechnungen (oder besser Schätzungen...?) passagenweise.
Gerade in dem Kapitel zu Donald Trump bestand ein großer Teil aus Informationen, die - zumindest in groben Zügen - mittlerweile geläufig sein sollten (Stichwort Beton). Oder - egal ob es nun letztendlich gänzlich stimmt -, dass Trump "nach Recherchen [der Washington Post] in diesen einhundert Tagen 492 Mal falsche oder irreführende Aussagen gemacht hat. [...] Nur an zehn von hundert Tagen habe Trump keine falschen oder irreführenden Aussagen von sich gegeben. An sechs dieser zehn Tagen soll er übrigens Golf spielen gewesen sein" (S. 39).
Dennoch gab es auch einige sehr interessante Informationen. Besonders bemerkenswert waren einige Zitate, beispielsweise eines von Seehofer, der über Trump lobend sagte:
"Er setzt mit Konsequenz und Geschwindigkeit seine Wahlversprechen Punkt für Pukt um. In Deutschland würden wir da erst mal einen Arbeitskreis einsetzen, dann eine Prüfgruppe und dann noch eine Umsetzungsgruppe" (S.16). Bei manchen, nicht vom Autor getroffenen, Aussagen hätte ich am liebsten aufgeschrien. Auch, etwas genauer den schier überall praktizierten Nepotismus vor Augen geführt zu bekommen, war beeindruckend. Denn dieser findet sich keineswegs nur bei Trump, der öffentlich bekennt, Vetternwirtschaft zu mögen (S.42).

Mich lässt das Buch zwiegespalten zurück, da ich einerseits die Thematik als äußerst wichtig, die Umsetzung aber zum Teil als nicht gelungen erachte. Sehr dichte Passagen wechseln sich mit eher lockeren und weniger wissenschaftlichen Abschnitten ab.

Veröffentlicht am 28.08.2017

Hatte ich besser erwartet…

Das verschwundene Buch
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Die Geschwister Alba und Diego laufen nach Schulschluss voller Eile durch die Straßen Barcelonas. Nur schwerlich finden sie auf ihrem Weg noch die Zeit, einer ihrer Lieblingsbeschäftgung nachzugehen: Dem ...

Die Geschwister Alba und Diego laufen nach Schulschluss voller Eile durch die Straßen Barcelonas. Nur schwerlich finden sie auf ihrem Weg noch die Zeit, einer ihrer Lieblingsbeschäftgung nachzugehen: Dem Suchen, Finden und Katalogisieren von Drachen. Immerhin befinden sie sich auf dem Weg zu der Buchhandlung Abrakadabra, welche von ihrer mysteriösen Tante Beatriz geführt wird. Diese hat nämlich für die beiden ein Exemplar der selbst von dem gnadenlosen und für seine kritische Haltung berühmt-berüchtigten Literaturkritiker Leo Gutenberg für die schönste Geschichte aller Zeiten ausgelobten Neuerscheinung zurückgelegt. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass die Kinder in heller Aufregung sind. Überall ist die Nachfrage viel höher als das Angebot, was das Buch betrifft. Merkwürdigerweise können sich Alba und Diego jedoch nicht an seinen Titel erinnern. Seltsam. Normalerweise haben sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis – besonders wenn es um Bücher geht.
Kaum dass die Geschwister die Buchhandlung erreichen, wird ihnen das nächste Rätsel aufgegeben. Die Buchhandlung hat geschlossen, vor ihr tummeln sich die Menschenmassen und in ihr packt Tante Bea alle ausgestellten Werke des neuen Buches in Kartons.
Als sie endlich eingelassen werden, erfahren sie noch nicht wirklich, worin das Problem liegt. Doch bald schon in der Schule – und von da an überall – bemerkt die gesamte Bevölkerung, dass die Bücher durcheinander gebracht worden sind. So beispielsweise bei Peter Pan, der am Ende des gleichnamigen Werkes von Käpt’n Hook mit einer Laserpistole erschossen wird.
Zum Glück besteht eine letzte Chance, um die Welt der Bücher zu retten – doch dafür müssen sich Alba und Diego auf eine gefährliche und abenteuerliche Reise begeben. Selbst wenn sie den Mut dazu aufbringen, bleibt es jedoch fraglich, ob sie die Situation zum Guten wenden können.
Während Albas und Diegos langweiligen Eltern also vor ihren Z-Phones und Z-Tablets hocken, müssen die Kinder einige schwerwiegende Entscheidungen treffen…

Mir fällt es äußerst schwer, dieses Buch einzuordnen und zu bewerten. Das Cover hat mich sofort angesprochen und sowohl Titel als auch Klappentext konnten meine Neugierde wecken. Ebenso konnten mich die ersten Seiten dieses – wie ich mittlerweile erfahren habe – Serienauftaktes überzeugen, denn dort wird der Weg zur Buchhandlung und das Geschäft an sich beschrieben. Die Idee, dass der Bösewicht in diesem Werk, Mr. Zargo, der Gründer eines großen Technikkonzerns ist, der Produkte aller Art, vor allem aber elektronische Zeitdiebe, vertreibt, ist, wirkte auf mich vielversprechend. Dem Autor ist es gelungen, mir diesen muskelbepackten und dafür nicht gerade hellen Charakter im Handumdrehen unsympathisch zu machen. Ebenso die Eltern der Protagonisten, die sich keine Spur für ihre Kinder interessieren und stattdessen nur mit ihren Zargoprodukten Zeit verbringen.
Hier hätte ich mir gerne mehr Ausführungen gewünscht, da man über diese Thematik beim gemeinsamen Lesen mit Kindern wunderbar sprechen kann. Allerdings rückt dieser Handlungsstrang nach und nach so weit in den Hintergrund, dass man ihn beinahe aus den Augen verliert.
Als es darum geht, die Geschichte von Peter Pan zu retten und sich das Geschwisterpaar nach Nimmerland begibt, beginnt für mich der enttäuschende Part des Buches, da Unwichtiges ausgeschmückt und Interessantes so kurz gefasst wird, dass noch zu viele Fragen offen bleiben und Kopfkino nur schwerlich entstehen kann. Ich konnte mich des Eindrucks nicht verwehren, dass der Autor bestrebt war, noch auf die letzten Seiten die zweite Hälfte seines Buches zu pressen und dabei nicht bedacht hat, dass 160 Seiten manchmal nicht reichen oder sich nicht im Klaren darüber war, was man besser hätte weiter ausführen und was lediglich anreißen sollen.
Zudem wirkten einige der Lösungsvorschläge auf auftauchende Probleme für mich sehr gewollt und schnell erdacht, was ich sehr schade finde. Meiner Meinung nach bleiben auch zu viele Fragen offen. Es ist selbstverständlich, dass es für die folgenden Bände ebenfalls Rätsel geben muss, aber dennoch hätte ich mir einfach noch ein paar Seiten mehr gewünscht, um noch wichtige Erklärungen erhalten zu können.
Häufig werden die Illustrationen dieses Werkes gelobt, allerdings muss ich gestehen, dass der Großteil der Zeichnungen meiner Meinung nach nicht annähernd mit dem Cover mithalten kann. Sicherlich ist dies bloß ein subjektiver Eindruck, doch ich empfand es nun einmal als schade…

Es bleibt abzuwarten, ob in den folgenden Bänden auf die ungeklärten Fragen eingegangen wird. Vielleicht hatte ich an dieses Buch zu hohe Erwartungen, denn ich hatte mir „Das verschwundene Buch“ anders vorgestellt. Leiser vielleicht, mit mehr spürbarer Liebe zu Büchern, einer Reihe von Drachen und aufregenden Abenteuern in einem überzeugenden Nimmerland. Dennoch ist es kein schlechtes Buch.

Veröffentlicht am 26.08.2017

Hält für absolute Einsteiger sicherlich wertvolle Tipps bereit.

Meine Mini-Farm
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Den Traum, Selbstversorger zu werden, können nur die wenigsten realisieren. Dennoch gibt es viele Möglichkeiten, auch in der Stadt seinen eigenen Kleinstbauernhof zu gestalten. Ob städtischer Gemeinschaftsgarten, ...

Den Traum, Selbstversorger zu werden, können nur die wenigsten realisieren. Dennoch gibt es viele Möglichkeiten, auch in der Stadt seinen eigenen Kleinstbauernhof zu gestalten. Ob städtischer Gemeinschaftsgarten, Vorgarten, Balkone, Hinterhöfe oder Flachdächer eignen sich beispielsweise erstaunlich gut zm Bepflanzen. Und gut geplant, lassen sich selbst in einem mittelgroßen Garten glückliche Nutztiere halten – so beispielsweise kleine Geflügelrassen wie das Bantamhuhn oder die Zwergente. In diesem Buch sollen 25 wertvolle Tipps geliefert werden, wie man jeden Quadratzentimeter Fläche bestmöglich nutzt und so zum Mini-Farmer wird.
Zu Beginn befasst sich eine kurze Einführung damit, was man beim Erwerben von einem Stück Land beachten sollte, welche groben Ideen es zur Bewirtschaftung kleiner Flächen gibt oder wie sich Gärtner und Garten verändert haben.
Im Anschluss daran folgen verschiedene Praxistipps und Berichte mehrerer Mini-Farmer, wie sie sich ein Stückchen weit selbst versorgen. Ob vom Weg vom Banker zum Kleinbauern, davon, eine Pflanzentreppe zu bauen, seinen eigenen Obstgarten anzulegen, oder eine Brennesseljauche anzusetzen – in den Kapiteln „Weltweites Wachstum“, „Nicht alltäglich“, „Reiche Ernte“, „Landwirtschaft im Kleinformat“ sowie „Magische Verwandlung“ finden sich interessante Denkanstöße. Manches, wie die „Kartoffeln im Kübel“, wenn auch als Kartoffelkiste, oder eine „Pflanzentreppe“ aus dem Bereich des vertikalen Gärtnerns oder das Herstellen von Fruchtleder, sollten einem jeden, der sich bloß kurz mit dem Selbermachen, Urban Gardening oder Nutzgärten auseinandergesetzt hat, bereits ein Begriff sein. Sieht man dieses Buch allerdings als Werk für absolute Einsteiger, so finden sich sicherlich viele hilfreiche Anregungen, um die einem zur Verfügung stehende Fläche besser nutzen und bewirtschaften zu können.
Wenn man sich einen ersten Eindruck darüber verschaffen möchte, was so alles möglich ist, dürften die Ideen wie ein Vorgarten mit essbaren Blüten oder die Hühnerhaltung inspirierend sein und die Neugierde auf das Losgärtnern wecken.
Durch die Beispiele von Mini-Farmern wird dem Buch eine persönliche Note gegeben und man hat nicht das Gefühl, eine Sammlung von Ratschlägen durchzublättern. Zudem wird das Buch durch diese Passagen aufgelockert und zeigt dem Leser sehr viel anschaulicher als ausschließlich durch die Tipps möglich gewesen wäre, wie man seinen eigenen Weg gehen und seinen Traum von der (teilweisen) Selbstversorgung leben kann. Darüber hinaus wird das Vorgestellte für denjenigen, der zum ersten Mal nach Inspirationen sucht, so denke ich, greifbarer.
Ansprechend ist die Gestaltung des 160 Seiten umfassenden Buches, nicht zuletzt durch die 200 farbigen Abbildungen, die es einem ermöglichen, den Anleitungen besser zu folgen oder sich ein Bild von den Gärten, Dächern oder Containern, welche bewirtschaftet werden, zu machen. Außerdem hat man auf diese Weise stets etwas zu schauen und selbst beim Durchblättern bereits einen guten Überblick.

Alles in allem waren für mich leider nicht mehr sonderlich viele Ideen in diesem Buch neu, doch bin ich der Auffassung, dass man, sofern man sich der Thematik zum ersten Mal nähert, in diesem Buch kurz und bündig einige Denkanstöße erhält und zum Aktivwerden und Gärtnern ermutigt wird. Durch das Einbeziehen verschiedener Angehensweisen in Form von vorgestellten Mini-Farmern, erhält man ein Gespür dafür, dass man letztendlich genau seinen eigenen Weg finden und gehen kann, was einen motiviert, so viel wie nur eben möglich auszuprobieren und zu übernehmen zu versuchen. Das Buch ist angenehm zu lesen, da es immer wieder durch kleine Berichte zu den besuchten Kleinstbauernhöfen aufgelockert wird. Schön ist die Gestaltung mit zahlreichen Farbfotografien.

Somit kann ich „Meine Mini-Farm“ als ganz leichten Einstieg in die Thematik weiterempfehlen, für jeden, der sich mit dieser jedoch bereits etwas beschäftigt hat, dürfte nicht viel Neues vorgestellt werden. Allenfalls das Beschreiben der Kleinstbauernhöfen würde dann noch reizen.

Veröffentlicht am 02.02.2017

Spannend, manchmal aber etwas gewagt und vorhersehbar konstruiert…

DEAR AMY - Er wird mich töten, wenn Du mich nicht findest
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Die Lehrerin Margot Lewis schreibt beim Examiner eine Kolumne, in welcher sie Ratschläge für ihr per Post zugesandte Probleme zu liefern versucht. Ein Mädchen, Katie, welches die Schule an der Margot arbeitet ...

Die Lehrerin Margot Lewis schreibt beim Examiner eine Kolumne, in welcher sie Ratschläge für ihr per Post zugesandte Probleme zu liefern versucht. Ein Mädchen, Katie, welches die Schule an der Margot arbeitet besucht, wird seit einigen Wochen vermisst. Da es keinerlei Erfolge bei der Suche nach ihr gibt und sie aus schwierigen Familienverhältnissen stammt, scheint die Polizei ihre Nachforschungen allmählich einzustellen. Doch ist sie wirklich fortgelaufen? Und selbst wenn, weswegen sollte sie unauffindbar sein? Wenn sie nun doch entführt worden ist?
Margot nimmt das ungewisse Schicksal der Schülerin sehr mit, zumal es sie an das Verschwinden der damals ebenfalls 15-jährigen Bethan Avery erinnert, welche vor fast zwanzig Jahren für immer von der Bildfläche verschwand. Man vermutet, sie sei entführt und umgebracht worden, denn ein blutdurchtränktes Kleidungsstück von ihr wurde gefunden. Darüber hinaus verschwand sie kurz nachdem ihre Großmutter, die das alleinige Sorgerecht hatte, ermordet wurde.
An einem Tag erhält Margot einen beunruhigenden Brief – an die Kolumne „Dear Amy“. Eine kindliche, unsichere und ängstliche Schrift, ein garusamer Inhalt und eine schockierende Unterschrift bewegen sie dazu, den Brief der Polizei zu zeigen. Doch diese nimmt Margot gar nicht erst ernst – schließlich ist es recht spät für einen Hilferuf von Bethan. Und wie sollte sie überhaupt an Papier, Briefmarken und einen Briefkasten gelangen, wenn sie doch, wie sie schreibt, in einem Keller gefangen gehalten wird?
Doch bleibt es nicht bei einem Brief: Eine Botschaft nach der anderen wird von der vermeindlich Toten an „Dear Amy“ geschickt. Und irgendwann meldet sich doch noch die Polizei bei Margot… Denn es gibt beängstigende Neuigkeiten. Und Katies Leben ist in höchster Gefahr…

Die Perspektive, aus welcher geschrieben wird, wechselt immer wieder, was gelegentlich etwas verwirrend, meistens aber sehr spannend und geschickt gemacht ist. Denn so erfährt man aus der Gegenwart und der Vergangenheit von Margot, Bethan sowie Katie Wichtiges Stück für Stück. Der Schreibstil ist sehr packend, wobei er sich je nach Sichtweise verändert. Dies hilft allerdings auch sich in den verschiedenen Erzählsträngen zurecht zu finden. Meines Erachtens sind diese Perspektivwechsel sehr gelungen, da die Ausdrucksweisen stets zu der jeweiligen Figur passen.
Mich hat der Klappentext dieses Werkes sehr neugierig gemacht und auch als ich die ersten Kapitel gelesen hatte, war ich von der Idee des Psychothrillers sehr begeistert. Allerdings machten mich einige Beschreibungen stutzig – schließlich fragte ich mich bereits nach dem ersten Brief dasselbe, was bald auf Seiten der Polizei folgen würden. Nach ein paar Überlegung stellte ich dann, weniger ernst gemeint, recht schnell eine etwas abstruse Hypothese auf, die meines Erachtens zwar äußerst unrealistisch aber irgendwie passend war. Die Enttäuschung war groß, als gerade diese Konstruktion des Rätsels Lösung war… Selbstverständlich wurden noch ein paar Verstrickungen, Erklärungen und Ausführungen darum geswoben, im Kern bewahrheitete sich allerdings das mehr aus Jux nach wenigen Kapiteln Erdachte. Selbst einige der Nebenhandlungen konnten mich nicht überzeugen, da sie zu vorhersehbar und klischeehaft waren.
So sind leider auch einige Elemente der Lösung äußerst unrealistisch und nicht wirklich glaubwürdig, wobei dies gerade bei dem vielversprechenden Beginn des Buches eine herbe Enttäuschung ist. Sieht man von dieser Aufklärung allerdings ab, ist der Thriller sehr temporeich und hält einige Hochs und Tiefs (der Charaktere) bereit.
Die Figuren sind sehr unterschiedlich und überwiegend realistisch gezeichnet. Bei Margot schwankte ich immer wieder zwischen Sympathie, Mitleid, Genervtsein und Skepsis. Einer derjenigen, die mit dem Fall beauftragt sind, Martin, konnte mich bis zuletzt nicht überzeugen – stets war ich misstrauisch. Dies mag auch daran liegen, dass er mir zu stark konstruiert und deswegen unecht und nicht vertrauenserweckend war.

Dennoch konnte mich das Buch fesseln und hat mich nicht losgelassen. Der Anfang des Buches ist meines Erachtens äußerst gelungen, die Charaktere sind teilweise sehr, immer wieder aber leider auch weniger, gut gezeichnet, den Schreibstil finde ich recht anpsprechend und den Aufbau mit den Perspektivwechseln sehr gelungen umgesetzt. Allerdings gestaltet sich die Auflösung in meinen Augen zu konstruiert.
Trotzdem kann ich „Dear Amy“ weiterempfehlen – auch wenn es sicherlich kein Psychothriller-Highlight ist.

Ich vergebe 3,5 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 28.12.2016

Zeitreise in ein abgelegen eingeschneites, nicht eingestaubtes, englisches Landhaus

Geheimnis in Weiß
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Nahe dem Dorf Hemmersby bleibt an Heiligabend ein Zug im immer stärker werdenden Schneegestöber stecken. In einem Abteil dritter Klasse beratschlagen ein paar Reisende daher, ob sie einfach abwarten und ...

Nahe dem Dorf Hemmersby bleibt an Heiligabend ein Zug im immer stärker werdenden Schneegestöber stecken. In einem Abteil dritter Klasse beratschlagen ein paar Reisende daher, ob sie einfach abwarten und somit ein wohlmöglich viel zu spätes Ankommen bei Freunden, Verwandten und so weiter riskieren sollen, oder ob sie vielmehr den Zug verlassen und sich selbst auf die Suche nach dem kleinen Dorf zu machen. Nach einigem Überlegen und Für und Wider beschließen sie jedoch, einen Versuch zu wagen und sich aufzumachen. Während die Schneeschicht alles bedeckt und stetig dicker wird, irren die Passagiere durch die weiße Einöde. Als sie, völlig erschöpft und zum Teil kränkelnd, auf ein Landhaus stoßen, entschließen sie sich, Zuflucht zu suchen. Die Türe steht bereits offen, im Kamin lodert ein wohlig-warmes Feuer, der Tisch ist zum Tee gedeckt, die Vorratskammer ist gefüllt und die Zimmer sind bestens hergerichtet. Doch niemand ist anwesend, was angesichts des starken Schneetreibens, der Abgeschiedenheit des Hauses und den vielen Indizien, welche von Bewohnern zeugen, sehr verwundert. Offensichtlich war noch vor Kurzem jemand hier – und wartete auf Gäste..?
Die Schutzsuchenden richten sich nach und nach ein, erstellen Listen, in denen sie penibel alle ge- und verbrauchten Gegenstände aus dem Haus eintragen und einem von ihnen dafür zu zahlenden Bertrag zuordnen.
Bereits die Zusammenstellung verschiedener Persönlichkeiten – vom Nörgler, der bereits alles in viel schlimmer durchlebt und gemeistert hat, bis zur Revuetänzerin – trägt zu einigen Spannungen bei. Dass sie aufeinander angewiesen sind, können manche nicht gut verkraften… Als dann aber noch einige rätselhafte Gegenstände auftauchen und sich einst geschlossene Türen plötzlich öffnen lassen, beginnen einige der gestrandeten Passagiere Ermittlungen anzustellen. Was hat es beispielsweise mit dem Gemälde im Eingangsbereich auf sich? Alles scheint ein potenzieller Beweis für etwas zu sein – ist das auf dem Boden liegende Brotmesser etwa bedeutsam?
Nach einer Weile betritt dann auch noch der etwas fadenscheinige, offensichtlich lügende Cockney Mr. Smith das eingeschneite Haus. Dass mit ihm etwas ganz und gar nicht stimmt, wird schnell deutlich.
Stück für Stück bemerken die Reisenden, dass sie es mit einem, wenn nicht sogar mehr, Morden zu tun haben… Werden sie den Täter überführen können?

Der Beginn, die Kapitel aus dem steckengebliebenen Zug, erinnerten durchaus an ein Werk Agatha Christies. Und auch die Ergebnisse ausgiebigen Kombinierens hätten so in dem ein oder anderen Kriminalroman der Queen of Crime gefolgert werden können.
Allerdings unterscheidet sich dieses Werk bereits durch die Zusammenstellung der Charaktere. Da wären der unscheinbare und alles andere als selbstbewusste Buchhalter Mr. Thomson, die Geschwister David und Lydia Carrington, wobei sich letztere im Landhaus aufopferungsvoll um die (kranken) Passagiere kümmert, der ältere Mr. Maltby, der für die Königlich Parapsychologische Gesellschaft unterwegs ist und als erster zu ermitteln beginnt, der nörgelnde Mr. Hopkins oder die Revuetänzerin Jessie Noyes. Diese Figuren haben alle ihre Besonderheiten, sodass das Miteinander phasenweise recht schwer wird, sie sich zu anderer Zeit aber auch bestens ergänzen. Manche wachsen an den Ermittlungen, andere treten zunehmend in den Hintergrund und verblassen wie Mr. Thomson nach und nach. Dabei gibt es gelegentlich auch bissige Dialoge, beispielsweise wenn der gescheite Mr. Maltby die Stumpfsinnigkeit Mr. Hopkins‘ kritisiert und auf die Schippe nimmt.
An den sehr prunkvollen Schreibstil musste ich mich zunächst gewöhnen, da die Sätze im Vergleich zu anderen Büchern schon recht ausgeschmückt und dementsprechend lang geraten sind – selbst sehr Banales wird häufig stark paraphrasiert. Manchmal, besonders wenn eine dieser ausführlichen Beschreibungen direkt im Anschluss relativiert wird, war dies für mich leseflusshemmend. Wenn beispielsweise eine Tat spekuliert wird und noch im gleichen Atemzug eine Aussage im Stile „es kann aber auch nichts bedeuten und ganz anders gewesen sein“ getroffen wird, ist das dann schon etwas irre führend; gerade da eben derart viele Themen aufgegriffen werden. Allerdings gewöhnte ich mich zunehmend an diese Erzählweise und konnte den Schreibstil fortan – mit wenigen Ausnahmen – genießen. So merkt man dem Buch an, dass es aus dem Jahre 1937 stammt.
„Die Wahrheit ist das höchste Gut der Welt – und das vernachlässigteste.“ (S. 240)
Tatsächlich gilt es einige Geheimnisse zu lüften, jedoch darf man sich bei der Lektüre nicht gerade einen temporeichen Kriminalroman erhoffen, bei dem ein Ereignis das nächste jagt. Vielmehr ist das Erzählte ruhig und immer wieder undurchsichtig wie ein kleines Schneegestöber selbst. Vor allem, da die Ausführungen nicht chronologisch die Geschehnisse wiedergeben, muss man gelegentlich inne halten und das Gelesene rekapitulieren, um in die Geschichte eine Ordnung und Zusammenhänge bringen zu können. Zeitweise hatte das Buch seine Längen, was ich etwas schade fand… Interessant ist hingegen der Aufbau der Erzählung, da diese sich sowohl aus Dialogen, als auch aus Tagebucheinträgen und Briefen zusammensetzt.
Bis auf wenige Ausnahmen wie den Beginn, spielt sich die Handlung im Landhaus ab, sodass die Kulisse stets dieselbe bleibt und so ziemlich jedes Detail analysiert wird. Auch dies ist manchmal spannend, manchmal etwas ermüdend. Hin und wieder hatte ich das Gefühl, die Ermittlungen steckten auch tief im Schnee und kämen nur schwerlich von der Stelle… Die Idee des abgelegenen Landhauses inmitten von meterhohem Schnee ist so aber vielversprechend und atmosphärisch.
Betrachtet man das – oder die – Verbrechen an sich, so sieht man zwar keinen atemberaubend ausgeklügelten Fall mit zahlreichen Fallen und Wendungen vor sich, aber dennoch einen runden, abgeschlossenen Fall mit seinen Überraschungen. Die ruhige Geschichte passt von ihrer Ruhe gut in die Advendszeit.

Alles in allem kein sonderlich actiongeladener oder blutrünstiger Kriminalroman, wobei dieser Anspruch aber auch zu keiner Zeit erhoben wird, sondern viel mehr ein ruhiges Buch voller detailverliebter Beschreibungen und sehr ausgeschmücktem Schreibstil.

3,5/5 Sternen