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Veröffentlicht am 23.03.2018

Prosa, stechend wie Skorpione in der Kehle!

WIE SCHATTEN ÜBER TOTEM LAND
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Die Ausgangsidee dieses düsteren Romans ist nicht unbekannt, z.B. The Missing oder The Searchers, aber immer wieder spannend. Es ist 1902. Zwei Schwestern wurden entführt.
Es startet besonders drastisch ...

Die Ausgangsidee dieses düsteren Romans ist nicht unbekannt, z.B. The Missing oder The Searchers, aber immer wieder spannend. Es ist 1902. Zwei Schwestern wurden entführt.
Es startet besonders drastisch mit dem Leid der entführten Frauen. Interessant wird es, wenn die verschiedenen Protagonisten des Romans in den kommenden Kapiteln wechselnd vorgestellt werden und sich das Rettungsteam formiert, dass dann bald die Grenze nach Mexiko überschreitet. Ziel ist Catacumbas.
Der Originaltitel Wraiths of the Broken Land ist vielleicht noch passender als der Deutsche.

Der Dandy Nathaniel Stromler ist eine zentrale Figur. Er taugt als neutrale Figur, da er eigentlich nichts mit dem Vorfall der Entführung zu tun hat und die Truppe nur anfangs als Übersetzer begleitet.
In der Gruppe sind auch der Vater und die Brüder der entführten Frauen dabei sowie Long Clay, ein Revolvermann, dann noch der schwarze Patch-Up und der Indianer Deep Lakes.

Von Anfang an ist eine starke Atmosphäre beim Lesen zu spüren, die bildhaft erzeugt wird und an Filme erinnert.
Der Roman hat harte, fast unmenschliche Szenen, aber die tragenden Figuren sind nicht alle abgestumpft.
Bei der Ausbildung des Plots streift der Autor einige wichtige Themen der beschriebenen Zeit und Kultur, z.B. die Distanz zwischen US-Amerikaner und den Mexikanern.
Die Abschnitte mit dem mexikanischen Balladensänger Humberto haben mir auch gut gefallen, auch wenn er früh aus dem Buch scheiden muss.
Als einzigen Kritikpunkt möchte ich äußern, das die späten, finalen Kampfesszenen etwas statisch ausfallen.

Literarisch ist vielleicht Joe R.Lansdale ein guter Vergleich, aber der Autor S.Craig Zahler ist jünger, eine andere Generation. Er schreibt ausdrucksstark und scheut auch das Extreme nicht.

Veröffentlicht am 17.03.2018

Geschicktes Erzählen zwischen den Zeiten

Eine Liebe, in Gedanken
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Die Klaus-Michael-Kühne Preisträgerin Kristine Bilkau schreibt in ihrem zweitem Roman “Eine Liebe, in Gedanken” über eine gescheiterte Liebe in den sechziger Jahren. Die Hamburger Autorin verfügt über ...

Die Klaus-Michael-Kühne Preisträgerin Kristine Bilkau schreibt in ihrem zweitem Roman “Eine Liebe, in Gedanken” über eine gescheiterte Liebe in den sechziger Jahren. Die Hamburger Autorin verfügt über sprachliche Qualitäten, sie schreibt aber auch verhalten. Die Zurückhaltung ihrer Figuren Antonioa und Edgar ist wohl auch einer norddeutschen Mentalität geschuldet. Jedoch sind sie nicht emotionslos, im Gegenteil. Doch ihre Emotionen verbergen sie, insbesondere Edgar schreckt vor zu viel Intensität zurück, schützt sich mit sprachlich aberwitzigen Briefen und wie im Klappentext bereits angedeutet schließlich auch mit räumlicher Distanz. Er geht nach Hongkong, Antonia bleibt voller Hoffnungen zurück, die sich nie erfüllen.
Ich frage mich, wie der Roman auf den Leser wohl wirken würde, wenn der Klappentext nicht die Handlung vorwegnehmen würde. Ich denke, dann wäre das Leseerlebnis noch stärker.

Ein Merkmal des Romans ist das Zeitportrait. Verhaltensweisen des Paars und der Gesellschaft werden genau gezeigt, fast könnte man sagen entlarvt.
Auffällig ist Antonias Stärke, die sie natürlich nicht vor Verletzungen schützt, aber doch immerhin ermöglicht, dass sie sich ihr eigenes Leben aufbaut. Reflektiert wird das Ganze durch ihre erwachsene Tochter, die nach dem Tod der Mutter dieser vergangenen Liebe nachspürt. Dieser Kunstgriff erlaubt ein geschicktes Erzählen zwischen den Zeiten, das ist deutlich effektiver als ein lineares Erzählen. So entsteht ein Beziehungsroman, der nicht nur ein Liebesroman ist und jegliche Elemente des Kitsches ausschließt.

Veröffentlicht am 15.03.2018

tragisch und humorvoll zugleich

Bis zum Himmel und zurück
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Die Drehbuchautorin Katja ist in manchen Bereichen ihres Lebens wenig gefestigt, z.B. in ihrer Beziehung zu ihrem Freund, die sie lieber locker hält.
Ihr ist das Vertrauen in Menschen verloren gegangen, ...

Die Drehbuchautorin Katja ist in manchen Bereichen ihres Lebens wenig gefestigt, z.B. in ihrer Beziehung zu ihrem Freund, die sie lieber locker hält.
Ihr ist das Vertrauen in Menschen verloren gegangen, da in ihrer Kindheit ein schlimmes Erlebnis vorkam, der Tod ihrer kleinen Schwester. Sie gibt sich selbst die Schuld daran, ihre Mutter fing damals an zu trinken und der Vater hat die Familie verlassen.

Katjas Leben ist privat wie beruflich festgefahren. Das ändert sich erst, als urplötzlich ihre kleine Halbschwester, von der sie bisher nichts wusste, auftaucht. Vieles aus ihrer Vergangenheit wird aufgerührt, auch ein Wiedersehen mit einem Jugendfreund erfolgt.

Der Roman hat humorvolle wie tragische Stellen, und ist immer emotional ergreifend. Die Autorin macht deutlich, was es heißt, seit der Kindheit mit Schuld und einer unverarbeiteten Vergangenheit zu leben.

Veröffentlicht am 09.03.2018

Clunys Weg

Die Abenteuer der Cluny Brown
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Margery Sharp gehört zu den leider fast vergessenen Autorinnen, daher ist es erfreulich, dass mit diesem Buch ein Roman von ihr wieder aufgelegt wurde. Es macht Spaß, diesen unterhaltsamen Roman zu lesen. ...

Margery Sharp gehört zu den leider fast vergessenen Autorinnen, daher ist es erfreulich, dass mit diesem Buch ein Roman von ihr wieder aufgelegt wurde. Es macht Spaß, diesen unterhaltsamen Roman zu lesen. Der Erfolg der beliebten Fernsehserie Dowton Abbey öffnet den Blick einer größeren Leserschaft auf die britische Gesellschaft im Wandel, auch im Verhältnis Herrschaft und Diener. Die junge Cluny Brown wird in Stellung als Stubenmädchen bei einer aristokratischen Familie in Devon gegeben. Ein Haushalt mit Toleranz, aber doch mit starren Regeln. Cluny verhält sich aber oft unbewusst gegen die Regeln der Konventionen. Sie sieht nicht ein, warum es so viele Beschränkungen geben soll und bleibt sich selbst treu. Deshalb halten sie viele für merkwürdig, manche aber für erstaunlich und erfrischend!

Der 1944 geschriebene Roman ist amüsant geschrieben mit einer liebenswerten Hauptfigur. Aber auch die politischen Gegebenheiten des Jahres 1938 werden langsam sichtbar. Die Zeichen stehen auf Krieg.
Interessante Figuren werden aufgebaut. Da ist zum Beispiel ein Gast der adeligen Familie, der polnische Schriftsteller Adam Belinski, der offenbar fliehen musste. Andrew, der Sohn der Familie, hatte ihn eingeladen, aber auch Adam Belinski ist ein Freigeist. Andrew möchte das auch sein, bleibt aber doch ein junger Schnösel. Dann gibt es noch die schöne Betty, in die Andrew verliebt ist.

Man merkt dem Roman sein Alter schon hin und wieder deutlich an. Insbesondere sprachlich, aber das muss kein Nachteil sein, denn auch der Ton der Vergangenheit kann seinen eigenen Humor und Qualität haben. Diese Qualität liegt in der leichten Überspitzung bei der Charakterisierung der Figuren, bei dem ein milder Spott mitklingt.

Veröffentlicht am 03.03.2018

Die Tänzerin vom Bauhaus

Wenn Martha tanzt
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Das Hörbuch dieses Debütromans hat gleich 2 Sprecher. Barnaby Metschurat, der in dem Handlungsstrang von 2001 den Urenkel der Martha gibt und deren Notizbuch mit wertvollen Skizzen versteigert.
Anne Ratte-Polle ...

Das Hörbuch dieses Debütromans hat gleich 2 Sprecher. Barnaby Metschurat, der in dem Handlungsstrang von 2001 den Urenkel der Martha gibt und deren Notizbuch mit wertvollen Skizzen versteigert.
Anne Ratte-Polle spricht den Martha-Part, der ab 1900 einsetzt.
Man erfährt von Marthas Kindheit, ihrer Begabtheit und folgt ihrem Lebensweg bis ins Weimarer Bauhaus 1919, in der sich eine Kunstschule etabliert. Bekannte Künstler wie Paul Klee , Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer waren dort als Lehrer tätig. Was sie schufen, war großartig und eine Erneuerung.

Der Abschnitt im Jahr 2001 in New York hat mir nicht so gut gefallen wie die Martha-Passagen. Das liegt in der geringeren Glaubwürdigkeit der Handlungskonstruktion über die alte Martha.

Der Roman ist sprachlich geschmeidig gehalten und atmet die Kunst und Kultur der Zeit vor dem Krieg.
Es erinnert ein wenig an das Buch “Liebe ist ein Haus mit vielen Zimmern” von Katrin Burseg.
In späteren Stellen, den dreißiger Jahren, wird die Atmosphäre ungemütlicher, natürlich.

Mit ca. 7 Stunden hat das Hörbuch einen guten Umfang und die zwei sehr unterschiedlichen Sprecher gestalten den Text sinnvoll und ansprechend.