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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.04.2021

Rasant und energiegeladen

Drei Kameradinnen
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Drei Kameradinnen, das sind die 3 Freundinnen, die sich schon lange kennen und alle einen Migrationshintergrund haben. Hani, Kasih und Saya leben in Deutschland und erleben im Alltag immer wieder Vorurteile ...

Drei Kameradinnen, das sind die 3 Freundinnen, die sich schon lange kennen und alle einen Migrationshintergrund haben. Hani, Kasih und Saya leben in Deutschland und erleben im Alltag immer wieder Vorurteile und Benachteiligungen, sei es durch automatisch schlechte Zensuren von Lehrern oder den Busfahrer, der sie anschnauzt oder der Kaufhausdetektiv, der sie misstrauisch beäugt.

Es ist eine Art Berichtsform, in der erzählt wird und gelegentlich spricht die Erzählerin Kasih die deutsche Öffentlichkeit direkt an und verdeutlicht die Unterschiede.

Wie Shida Bazyar ihren Roman gestaltet ist geschickt und intensiv, oft auch sehr originell. Dabei denke ich zum Beispiel an die Passage, als Kasij einen Auftritt der 3 Freundinnen in der Bärbel Schäfer-Show in den neunziger Jahren imaginiert und dabei einige Punkte klarmacht.

Dann gibt es auch Momente, in denen der NSU-Prozess gerade abläuft und da wird die Stimmung der Zeit abgebildet.

Der Roman beeindruckt auch besonders durch eine sehr starke Figur: Saya, cool, aber immer auch wütend. Nicht auf den Mund gefallen, aber dadurch zu oft auf Konfrontationskurs. Ihre Freundinnen Hani und Kasih sind weniger kämpferisch, obwohl sie den unterschwelligen Alltags-Rassismus genauso spüren.

Shida Bazyar hat nach „Nachts ist es leise in Teheran“ mit Drei Kameradinnen wieder einen eigenwilligen und starken Roman geschafft.

Veröffentlicht am 18.04.2021

Mehr als nur eine Musikerbiografie

Hauskonzert
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Igor Levit, der erfolgreiche Pianist, ist ein extrovertierter Mensch, der sich engagiert. Er steht den Grünen nahe, spricht gegen Antisemitisus, gegen Ausgrenzung, unterstützt Fridays for Future.
Er äußert ...

Igor Levit, der erfolgreiche Pianist, ist ein extrovertierter Mensch, der sich engagiert. Er steht den Grünen nahe, spricht gegen Antisemitisus, gegen Ausgrenzung, unterstützt Fridays for Future.
Er äußert sich auch öffentlich, z.B. in einer Talkshow.
Für manche Rechte ist er ein rotes Tuch, es gibt auch Morddrohungen.

Der Autor Florian Zinnecker nähert sich dem Thema vorsichtig. Man spürt die Schwierigkeit dem gerecht zu werden, aber mit der Zeit findet er seinen Schreibfluß.

Eigentlich ist Hauskonzert mehr e als klassische Biografie, obwohl natürlich die Stationen seiner Karriere, die auch nicht ohne Schwierigkeiten war, geschildert wird. Zum Teil ist es auch ein politisches Sachbuch.

Dieses Buch wird Igor Levit weitere Aufmerksamkeit bescheren, die er auch verdient und es lohnt sich auch, seine Musik zu hören.

Veröffentlicht am 17.04.2021

Die Erben

Enriettas Vermächtnis
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Die erfolgreiche und vermögende Schriftstellerin Enrietta da Silva ist gestorben. Sie stammte aus Argentinien und wurde in der Schweiz als Autorin bekannt.
Eine unerwartete Erbschaft erwartet den Arzt ...

Die erfolgreiche und vermögende Schriftstellerin Enrietta da Silva ist gestorben. Sie stammte aus Argentinien und wurde in der Schweiz als Autorin bekannt.
Eine unerwartete Erbschaft erwartet den Arzt Emilio Volpe aus Argentinien und er kommt nach Zürich und gerät ins Gespräch mit dem Nachlaßverwalter, der sich wundert, was Emilio mit der Verstorbenen zu tun hatte und warum gerade der einer von 2 Erben wird. Doch Emilio will das Erbe nicht antreten. Die zweite Erbin ist Jana, die wie eine Ziehtochter für Enrietta war. Sie und Emilio freunden sich an.
Aus dieser Konstellation entwickelt die Autorin Sylvia Madsack eine komplexe Geschichte um ein Familiengeheimnis. Die leicht konstruiert wirkende Handlung schreitet nur langsam voran. Geduldige Leser sind gefordert. Mir wäre ein wenig mehr Tempo lieber gewesen. Dafür wird die Handlung für mich mit Zeit interessanter.

Der Roman lebt zum einen von dem Rätsel der Vergangenheit und zum anderen vom Verhältnis der Figuren untereinander. Das spitzt sich zu, als mit Armando ein weiterer möglicher Erbe auftaucht. Eine undurchsichtige, aber charismatische Figur mit zweifelhafter Vergangenheit, der aber eine große anziehende Wirkung auf Jana ausübt.
Alle 3 sind gleichberechtigte Hauptfiguren des Romans, deren Gedanken in sequentieller Reihenfolge gezeigt werden. Das fand ich sehr überzeugend.

Der Roman ist weitgehend auch durch den Schauplatz Zürich (teilweise auch Salzburg) geprägt, aber die Erinnerungspassagen in Argentinien gefallen mir auch gut.

Der Roman ist weniger zeitgenössische Literatur als gut gemachte, ansprechende unterhaltende Belletristik.

Veröffentlicht am 16.04.2021

Freiheitsgrade und ihre Voraussetzungen

Freiheitsgrade
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Das Buch betrachtet den Liberalismus aus verschiedensten Blickwinkel.
Dazu nutzt Christoph Möllers viele kurze Kapitel und den Begriff Freiheitsgrade und den Voraussetzungen dafür. Das halte ich für einen ...

Das Buch betrachtet den Liberalismus aus verschiedensten Blickwinkel.
Dazu nutzt Christoph Möllers viele kurze Kapitel und den Begriff Freiheitsgrade und den Voraussetzungen dafür. Das halte ich für einen guten Einfall.

Die Freiheitsgrade definiert Möllers wie folgt:
1. Freiheit steht Individuen und Gemeinschaften zu
2. Freiheit kann rational gerechtfertigt und willkürlich wahrgenommen werden
3. Freiheit kann im Rahmen einer formalisierten Ordnung und außerhalb dieser wahrgenommen werden

Die Freiheitsgrade haben Voraussetzungen:
Veränderbarkeit setzt Unveränderbarkeit voraus
Freiheit setzt Ungleichheit voraus
Freiheitswahrnehmung bedarf der Aneignung von Entscheidungen

Mit diesem Rüstzeug setzt sich der Autor mit den Mechanismen der Politik auseinander. Das führt am Schluß zu praktischen Ausblicken wie politische Lager, Klimakrise und Freiheitsgrade in der Pandemie.

Das Buch ist umfangreich und man muss nicht alles lesen, aber man findet mit Leichtigkeit viele interessante Kapitel.

Veröffentlicht am 16.04.2021

Die Gedanken einer Bibliothekarin

Wetter
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Wetter ist ein Buch, dass einen Blick auf das gesellschaftliche Klima der USA wirft. Dieser Blick gehört einer eigenwilligen Bibliothekarin. Es wird die ganze Zeit aus ihrer Sicht und ihrem familiären ...



Wetter ist ein Buch, dass einen Blick auf das gesellschaftliche Klima der USA wirft. Dieser Blick gehört einer eigenwilligen Bibliothekarin. Es wird die ganze Zeit aus ihrer Sicht und ihrem familiären Umfeld erzählt. Der Roman ist unkonventionell gemacht. Es gibt durchgehend immer kurze, fragmentarische Textböcke. Dennoch ist Jenny Offills Roman gut lesbar und schafft das Kunststück, ernsthaft zu sein, aber auch viele komische Momente zu haben.