Profilbild von yellowdog

yellowdog

Lesejury Star
offline

yellowdog ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yellowdog über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.01.2021

Würdigung

Vati
0

Monika Helfers letztes Buch Die Bagage war sehr stark und hatte mir unheimlich gut gefallen. Vati geht in die gleiche Richtung. Es sind autobiografische Erinnerungen der Autorin an den Vater, literarisch ...

Monika Helfers letztes Buch Die Bagage war sehr stark und hatte mir unheimlich gut gefallen. Vati geht in die gleiche Richtung. Es sind autobiografische Erinnerungen der Autorin an den Vater, literarisch aufbereitet.
Das ist ein eigenes Genre und Monika Helfer ist eine meisterhafte Vertreterin davon.

Die Handlung von Bagage wird sogar einmal kurz zusammengefasst, daher sehe ich die Bücher für mich als eine Einheit.

Vati ist eine Würdigung und von Porträt des Vaters Josef, ein intelligenter, belesener Mann, zurückhaltend und überlegt ist sein handeln. Und er gibt nicht so schnell etwas von sich preis. Das ist vielleicht die größte Herausforderung für die Autorin. Es bleiben auch blinde Flecken im Leben des Vaters.
Monika Helfer nähert sich der Figur auf sensible Art an. Sie zeigt die Kindheit, die versehrte Rückkehr aus dem Krieg und sein späteres Leben.
Es wird ein sehr persönliches Buch, denn Monika Helfer erzählt im Zusammenhang mit ihrem Vater natürlich auch von sich selbst.

Das Buch ist relativ kurz, daher wirkt es manchmal verknappt, aber das ist mir lieber als Geschwätzigkeit. Die Autorin bleibt präzise und verzichtet auf Ausschmückungen. Jeder Satz zählt. Mich überzeugt Monika Helfers Stil und den Ton, den sie erzeugt sehr und gerne werde ich weitere Bücher von ihr lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.11.2020

Von Vögeln und Gummigeschossen

Apeirogon
0

Rami ist Israeli, Bassam ist Palästinenser.
Ramis Tochter Smadar wurde bei einem Attentat getötet.
Auch Bassamns Tochter Abir wurde getötet.
Diese Erfahrung verbindet die beiden Männer. Und sie setzen ...

Rami ist Israeli, Bassam ist Palästinenser.
Ramis Tochter Smadar wurde bei einem Attentat getötet.
Auch Bassamns Tochter Abir wurde getötet.
Diese Erfahrung verbindet die beiden Männer. Und sie setzen sich trotz der Verluste für den Frieden ein. Das erfordert viel Stärke und es gibt auch Widerstände, aber beide lassen nicht von ihrer Mission abhalten.

Das Buch ist sehr fragmentarisch. Erst in der Mitte befinden sich ausführlichere Lebensberichte von Rami und Bassam.
Das Buch hat 1000 Kapitel, eigentlich 1001, doch das ist in der Mitte versteckt und von da zählen die Kapitel rückwärts.

Colum McCann lässt vieles einfließen: Borges Eibdrücke, Picassos Friedenstaube, Sinead O´Connors Songs, Mahmud Darwish Reden und Gedichte, Francois Mitterands sterben, die Reisen des Costigin, den Seiltänzer Petit, Francis Burton als Pilger, John Cage, Einstein und Freuds Briefwechsel ...

Vögel sind ein Leitmotiv des poetisch gestalteten Romans. In verschiedenster Form ziehen sie sich durch das Buch. Das gilt aber für die Gummigeschosse, das starke reale Symbol für unbarmherzige Gewalt.
Colum McCanns Roman ist herzzerreißend, gerade weil er auf realen Ereignissen Bezug nimmt. Außerdem schafft er durch den komplexen, umfassenden Ansatz neue Perspektiven auf den Konflikt.

Ein sehr lesenswertes Buch!

Veröffentlicht am 07.11.2020

Ein bunter Kessel Berlin

Fräulein Gold: Scheunenkinder
0

Fräulein Gold – Scheunenkinder setzt unmittelbar an den ersten Teil „Schatten und Licht“ an und hält erfreulicherweise das hohe Niveau. Es ist jetzt 1923 und Hulda Gold ist weiterhin in Berlin als Hebamme ...

Fräulein Gold – Scheunenkinder setzt unmittelbar an den ersten Teil „Schatten und Licht“ an und hält erfreulicherweise das hohe Niveau. Es ist jetzt 1923 und Hulda Gold ist weiterhin in Berlin als Hebamme tätig.
Es ist eine besondere Zeit, widersprüchlich und mit viel Unruhe. Es ist aber auch eine spannende Zeit, über die es viel zu berichten gibt. Insbesondere die Schilderungen des Scheunenviertels und der jüdischen Bevölkerung dort beeindrucken.
Hulda sucht nach einem verschwundenen Baby und sie lässt sich mit ihrem Dickkopf nicht aufhalten. Eine so gute Hauptfigur, empathisch und stark, ist selten. Ihr glaubt man ihr Engagement und ihr mitfühlen.
Spannend ist auch, wie die Autorin Anne Stern die Beziehungen beschreibt, zum Beispiel die schwierige von Hilda zu ihrem Freund Karl, zu ihrem Vater, ihrer Hauswirtin und ihren Freunden.

Es ist ein bunter Kessel Berlin in den nur scheinbar goldenen Jahren und ein dritter Teil der Reihe ist schon angekündigt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.10.2020

Eine Frage der Farbe

Die verschwindende Hälfte
0

Eine Frage der Farbe

Brit Bennetts bemerkenswerter Roman erzählt über einen Zeitraum von den fünfziger bis in die neunziger Jahre von Desiree und Stella. Sie sind Zwillinge, die in der Kleinstadt Mallard ...

Eine Frage der Farbe

Brit Bennetts bemerkenswerter Roman erzählt über einen Zeitraum von den fünfziger bis in die neunziger Jahre von Desiree und Stella. Sie sind Zwillinge, die in der Kleinstadt Mallard im ländlichen Louissiana aufwuchsen.

Wichtiges Thema ist die Hautfarbe.
Mallard ist ungewöhnlich, weil dort hauptsächlich eine sehr hellhäutige schwarze Community lebt.

Das Buch ist auch eine Familiengeschichte.
Stella beschließt wegzugehen und sich als Weiße auszugeben. Auch ihrem weißen Mann und ihrer Tochter Kennedy verschweigt sie ihre Herkunft.
Desiree hingegen bekommt eine Tochter (Jude), die sehr schwarz ist. Da hat Jude es nicht leicht in der Schule.

Was mich an dem Buch so beeindruckt sind die Figuren und insbesondere ihre Beziehungen zueinander.

Das gilt für die Zwillinge Desiree und Stella wie für ihre Kinder Jude und Kennedy.
Aber auch für die Liebesbeziehungen, z.B. Jude und ihr Freund Reese oder Desiree und Early Jones.

Das ist sehr gut gemacht und bewirkt, dass man die in die Tiefe gehenden Figuren und ihre Charaktere wirklich gut kennen lernt.

Ein sehr lesenswertes Buch, das mich fesselte und faszinierte.

Veröffentlicht am 28.10.2020

Auf der Suche nach Bruno

Goodbye, Bukarest
0



Dieses autobiografisch geprägte Buch der in Schweden lebenden Autorin Astrid Seeberger beschreibt ihre Recherche nach ihrem Onkel Bruno, der im Krieg vermisst und für tot gehalten wurde. Er war im Krieg ...



Dieses autobiografisch geprägte Buch der in Schweden lebenden Autorin Astrid Seeberger beschreibt ihre Recherche nach ihrem Onkel Bruno, der im Krieg vermisst und für tot gehalten wurde. Er war im Krieg als Flieger unterwegs, wurde gefangen genommen und in Lager in Sibirien und Kasachstan geschafft. Später ging er nach Bukarest, Rumänien und erlebt die Diktatur unter Ceausescu.
Diese Spurensuche folgt den Berichten von Menschen, die Bruno kannten, und das über die Jahrzehnte. Da sind Dmitri, der schon als Junge in ein Lager gekommen ist und Dinu, ein Komponist aus Rumänien. Später auch Jakob, Brunos Sohn.
Dadurch entsteht ein Porträt des Menschen Bruno, aber auch die anderen Figuren sind eindrucksvoll. Diese Figuren werden wirklich entwickelt und wirken realistisch und lebensnah.
Überaus gelungen sind die Beschreibungen durch das ganze Buch, aber insbesondere die über das Leben in Bukarest sind brillant.
Ein großartiges Buch, verfasst in einem eleganten Stil!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere