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Veröffentlicht am 25.06.2023

Eine Geschichte, die unter die Haut geht

I'm Glad My Mom Died
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Dieses Buch ist im letzten Jahr auf Englisch erschienen und hat einen regelrechten Hype auf allen gängigen Leseplattformen ausgelöst. Und obwohl ich vor dieser Autobiografie noch nie etwas von der Serie ...

Dieses Buch ist im letzten Jahr auf Englisch erschienen und hat einen regelrechten Hype auf allen gängigen Leseplattformen ausgelöst. Und obwohl ich vor dieser Autobiografie noch nie etwas von der Serie iCarly gehört habe, geschweige denn von Jennette McCurdy selbst, haben mich die vielen begeisterten Stimmen so neugierig auf das Buch gemacht, dass ich bei der Erscheinung der deutschen Übersetzung nicht mehr widerstehen konnte und einfach wissen musste, was an diesem Hype dran ist. Und so viel kann ich schon mal vorab verraten: In diesem Fall sind die vielen positiven Bewertungen und die Popularität des Buches absolut gerechtfertigt.

McCurdy fängt mit der Erzählung ihrer Lebensgeschichte früh in ihrer Kindheit an, denn genauso früh hat auch ihr Leidensweg begonnen: Sie wurde von ihrer Mutter bereits im Kindesalter dazu gedrängt, Schauspielerin zu werden und von Casting zu Casting geschleppt. Und bei der Erzählung wird sehr schnell deutlich, dass es sich dabei nicht etwa um McCurdys eigenen Wunsch, reich und berühmt zu werden, gehandelt hat, sondern vielmehr um den Wunsch der Mutter, den sie stellvertretend durch ihre Tochter auszuleben versuchte. Das Wohl ihrer Tochter schien ihr dabei völlig egal zu sein. Das oberste Ziel der Mutter war es scheinbar, dass ihre Tochter eine erfolgreiche Kinderdarstellerin wird und dabei war ihr jedes Mittel - auf Kosten der psychischen Gesundheit ihrer Tochter.
Mehr als einmal war ich fassungslos, welche Szenen McCurdy schildert, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter erlebt hat, die nichts anderes als psychischer und physischen Missbrauch waren. Doch McCurdys Mutter war sich zu keinem Zeitpunkt irgendeiner Schuld bewusst. Ihre narzisstische Persönlichkeitsstörung liess sie glauben, dass das, was sie ihrer Tochter antut, vermutlich richtig ist.
Das Ganze ging so weit, dass McCurdy bereits kurz vor der Pubertät gezwungen wurde, Kalorien zu zählen, um Gewicht zu verlieren und ihren kindlichen Körper zu behalten. Ein Verhalten, das später noch folgenschwere Konsequenzen mit sich bringt, denn als die Autorin älter wird, hat sie wenig überraschend eine Essstörung entwickelt, die sie noch viele Jahre nach dem Tod ihrer Mutter weiterbegleitet hat.

Im Buch war jedoch nicht nur die Beziehung zu McCurdys Mutter erschütternd, sondern leider auch viele weitere Begegnungen, die sie innerhalb der Filmbranche gemacht hat - sei es beruflich, oder aber auch mit Männern, mit denen sie zusammen war. Dabei fand ich es erstaunlich und bewundernswert, dass die Autorin trotz all dieser schrecklichen Erlebnisse ihren Humor nicht verloren hat, den sie auch in ihre Erzählung miteinfliessen lässt - gerade so, dass es passt, ohne die schlimmen Erlebnisse ins Lächerliche zu ziehen. In Interviews hat die Autorin gesagt, dass der Humor nicht nur ein Copingmechanismus sei, sondern auch notwendig war, damit ihre Lebensgeschichte im (Hör-)Buch einen nicht bloss mit einem tieftraurigen Gefühl zurücklässt.

Nach dem Tod ihrer Mutter ist es McCurdy schliesslich gelungen, mit Unterstützung von mehreren Psychotherapien und der Erkenntnis, wie krank und schädlich das Verhalten ihrer Mutter eigentlich war, den Fängen ihrer Vergangenheit und ihrer Essstörung zu entfliehen - jedoch nicht ohne einige Rückschläge, die die Autorin jedoch offen und ungeschönt zugibt und für mich ein absolut realistisches und authentisches Bild einer Therapie wiedergeben.
Das Ende stimmt einen dann trotz der vielen erschütternden Erlebnisse positiv und insgesamt hat mich die Erzählung tief beeindruckt zurückgelassen, denn ich bewundere McCurdy für ihre Stärke und ihren Mut, so offen und ehrlich über ihre Erlebnisse zu erzählen. Dieses Buch wird mir wahrscheinlich noch lange in Erinnerung bleiben.

Zur Sprecherin kann ich nur sagen, dass ich aufgrund einer kürzlichen negativen Hörerfahrung eigentlich kein Fan von Bittner bin, denn in diesem anderen Buch war ihre Erzählweise total übertrieben und affektiert und hat mich stellenweise ziemlich genervt. Hier hat sie Wiedergutmachung geleistet, denn durch den ernsthaften Ton des Buches, war ihre Erzählweise auch viel ernsthafter, was der Sprecherin definitiv mehr liegt, als das Vorlesen übertrieben klischeehafter Chick-Lit.

Fazit:
In diesem (Hör-)Buch erzählt Jennette McCurdy, eine Schauspielerin aus Hollywood, ihre tragische, emotionale, bedrückende und doch beeindruckte Lebensgeschichte und schildert offen und ehrlich, wie es war, mit einer narzisstischen Mutter aufzuwachsen, die psychischen und physischen Missbrauch auf sie ausgeübt hat. Trotz der bedrückenden Themen, sticht McCurdy aber durch eine bewundernswerte Stärke und ihren Mut heraus, offen über ihre schwierige Vergangenheit zu sprechen und wirkt durch ihren Humor - den sie trotz all der schrecklichen Erlebnisse nicht verloren hat - sehr sympathisch und liebenswert. Das war eines der besten Autobiografien, die ich je gehört habe und ich kann sie nur jedem wärmstens weiterempfehlen. McCurdys Erzählung geht unter die Haut und ich werde ihre Lebensgeschichte vermutlich noch lange in Erinnerung behalten. Hut ab!

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Veröffentlicht am 19.04.2023

Eine Geschichte, die unter die Haut geht

Young Mungo
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TW: Sexueller Missbrauch, Homophobie, Gewalt, Mord

Anfangs hat es etwas gedauert, bis ich die Handlung und das Leben des jungen Mungos reingefunden habe, der in der 1990er Jahren im englischen Glasgow ...

TW: Sexueller Missbrauch, Homophobie, Gewalt, Mord

Anfangs hat es etwas gedauert, bis ich die Handlung und das Leben des jungen Mungos reingefunden habe, der in der 1990er Jahren im englischen Glasgow als Teil der Unterschicht aufwächst. Obwohl ich selbst auch ein Kind der 90er bin, war mir Mungos Leben so fremd, dass mir anfangs noch die Vorstellungskraft gefehlt hat, mich in seiner Welt zurechtzufinden. Doch der Autor lässt sich viel Zeit, dass wir nicht nur den Hauptcharakter, sondern auch seine Lebensumstände kennenlernen. Und das nicht nur durch Mungos Augen, sondern auch durch die Augen seines Bruders, seiner Schwester und seiner alleinerziehenden, jungen Mutter. Sie alle haben mit ihrem Schicksal zu kämpfen und müssen sich in der harten Welt von Glasglow und den Konsequenzen zurechtfinden, der ihre ärmlichen Verhältnisse mit sich bringen. Und als wäre das nicht genug, ist Mungo ausgerechnet noch ein sensibler, junger Mann, der so gar nicht in die raue Männerwelt von Glasgow reinzupassen scheint. Bis er in James einen neuen Freund findet, demgegenüber Mungo plötzlich ungeahnte Gefühle entwickelt, die nicht nur ihn, sondern auch James Leben gefährden...

Ich kann ehrlich gesagt gar nicht so richtig in Worte fassen, was es genau war. Aber Mungos Geschichte ist mir wirklich unter die Haut gegangen und hat mich mehr als einmal sprachlos zurückgelassen. Der Autor hat wirklich einen aussergewöhnlichen und einnehmenden Schreibstil, der mich nach dem anfänglichen holprigen Start eingesogen und nicht wieder losgelassen hat. Stuart gelingt es unglaublich gut, die Atmosphäre einzufangen, die das Leben in der Arbeiterklasse in Glasglow mit sich bringt und dabei muss er nicht einmal alles explizit darlegen, es schwingt auch viel zwischen den Zeilen mit, die immer wieder mein Mitgefühl wecken konnten - vor allem, wenn es um Mungo und seine Geschwister ging.
Gerade Mungos Mutter ist eine sehr tragische Figur in dem Ganzen, denn sie war nicht nur sehr jung, als sie Mungo und seine beiden Geschwister bekommen hat, sondern auch alkoholabhängig und verschwindet immer wieder sang- und klanglos für längere Zeit, ohne sich um Mungo zu kümmern. Diese Aufgabe musste häufig seine ältere Schwester Jodie übernehmen, bis sie eines Tages ihr eigenes Leben in die Hand nehmen muss und für ihr Studium wegzieht. Und dadurch muss sie Mungo wohl oder übel alleine zurücklassen.
Ein Lichtblick in Mungos Leben stellt schliesslich das Kennenlernen mit James dar, in dem er zum ersten Mal einen richtigen Freund findet. Doch sehr bald wird klar, dass die Gefühle der beiden Jungs über eine Freundschaft hinausgehen und sie beiden homosexuell sind - auch wenn keiner es so richtig wagt, es auszusprechen. Denn wenn jemand davon Wind bekommen würde, könnte das böse für beide enden, sodass sie fortan in ständiger Angst leben müssen, entdeckt zu werden.

Mungos Geschichte ist jedoch nicht "nur" eine Coming-of-Age Geschichte, denn ab einem bestimmten Zeitpunkt im Buch werden seine Erlebnisse in Glasgow abwechselnd von einer Erzählung eines "Campingausflugs" begleitet, der sein Leben für immer verändern würde. Und diese Kapitel haben es wirklich in sich. Selten haben mit Szenen aus einem Buch so mitgenommen, wie es bislang kein anderes Buch geschafft hat. Und ich möchte an dieser Stelle eigentlich nicht spoilern, aber muss trotzdem als einzigen, wichtigen Kritikpunkt anmerken, dass dieses (Hör-)Buch unbedingt eine Triggerwarnung am Anfang benötigen würde. Hier werden nämlich einige Szenen so detailliert und bildhaft geschildert, dass es sogar für mich teilweise schwer ertragbar war zuzuhören - und das, obwohl sexueller Missbrauch zum Glück kein persönlicher Trigger für mich ist. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es für Menschen mit PTSD sein könnte, wenn sie unangekündigt solche Szenen lesen oder hören. Und ich frage mich ehrlich gesagt auch, ob es wirklich notwendig ist, solche Szenen in allen Details zu schildern, denn dieses Thema verliert nicht seine Bedrohlichkeit oder seine Bedeutung, wenn es nur angedeutet wird. Das schaffen Filme schliesslich auch.

Zuletzt noch ein Wort zum Sprecher: Ich glaube, von Horeyseck habe ich bislang noch kein Hörbuch gehört, aber ich fand seine Erzählweise sehr angenehm und fand, dass seine Stimme sehr gut zur Erzählung und auch zu Mungo gepasst hat. Ich mag es, wen der Erzähler stimmlich zur Hauptfigur passt und das war hier definitiv der Fall.

Fazit:
"Young Mungo" ist ein Buch, das unter die Haut geht. Schonungslos wird erzählt, wie das harte Leben als sensibler, homosexueller Junge der 90er Jahre in Glasgow in der Unterschicht ausgesehen hat und welche Folgen dies nicht nur für die Hauptfigur, sondern auch seine Familie bedeutet. Für mich ein Buch, das ich definitiv nicht so schnell vergessen werde. Dennoch muss an dieser Stelle eine Triggerwarnung hin: In diesem Buch wird sexueller Missbrauch sehr detailliert geschildert. Dessen muss man sich sicher vorgängig bewusst sein, denn die Szenen sind wirklich nur schwer ertragbar.

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Veröffentlicht am 30.10.2022

Eine erinnerungswürdige Protagonistin

Eine Frage der Chemie
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Ich muss zugeben, wenn es allein um das Cover und den Titel gegangen wäre, dann wäre ich wohl nicht direkt an dem Buch hängen geblieben, denn durch das Foto und die eher kühle Farben und dann noch der ...

Ich muss zugeben, wenn es allein um das Cover und den Titel gegangen wäre, dann wäre ich wohl nicht direkt an dem Buch hängen geblieben, denn durch das Foto und die eher kühle Farben und dann noch der Erwähnung von Chemie, wirkt das Konzept ein bisschen bieder und trocken. Und das ist das Buch ganz und gar nicht. Deshalb hat mich sich im englischen Original auch für ein knalliges Cover, entschieden, das meiner Meinung nach besser zur Geschichte passt. Aber sei's drum. Ich bin zum Glück durch die vielen positiven Stimmen und dem Hinweis, dass es sich um eine humorvolle Erzählung handeln soll, auf das Buch aufmerksam geworden.

Das Buch dreht sich um Elizabeth Zott, deren Leben wir ein Stück weit begleiten dürfen. Elisabeth arbeitet in den 1960er Jahren im wissenschaftlichen Bereich einer Universität, die zum damaligen Zeitpunkt von Männer dominiert wurden, die nur wenig Verständnis für eine Frau in ihren Reihen entgegengebracht haben. Und genau das bekommt auch unsere Protagonistin zu spüren. Sie wird nicht nur - trotz ihrer Intelligenz und ihrem Fachwissen - immer wieder belächelt und infrage gestellt, sondern wird leider auch Opfer von sexuellen Übergriffen.
Der einzige Mann, der sie nicht wie die anderen behandelt, ist Calvin Evans, der nicht nur von Elizabeths Intelligenz, sondern auch ihrer direkten, ehrlichen und manchmal etwas unüberlegten Art begeistert ist. Die beiden scheinen trotz Elizabeths Art perfekt zueinander zu passen, bis 1961 ein Schicksalsschlag alles verändert und Elizabeth plötzlich neue Wege gehen muss...

Mit Elizabeth Zott hat die Autorin einen starken, feministischen und vor allem faszinierenden Charakter mit Ecken und Kanten geschaffen, die mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht hat. Dadurch gelingt es Garmus das Thema Wissenschaft keineswegs langweilig werden zu lassen, sondern sorgt mit Elizabeths erfrischender, ulkiger Art für einige interessante Szenen, in denen sie ihre Gesprächspartner:innen oftmals perplex zurücklässt. Elizabeth ist damit definitiv eine Protagonistin, die die Geschichte aus dem Buch auf ihre Schultern tragen kann und zu unterhalten weiss. Und gerade ihre Schwächen haben sie in meinen Augen so unglaublich sympathisch gemacht, dass ich sie unglaublich schnell in mein Herz geschlossen habe, mit ihr mitgefiebert habe und sie in schwierigen Situationen trösten wollte.
Im späteren Verlauf stösst dann noch eine Verwandte von Elizabeth Zott dazu (die ich aus Spoiler-Gründen nicht näher beschreiben kann), die mindestens genauso sympathisch ist, wie die Protagonistin selbst.

Neben diesem eindeutig positiven Aspekt müssen jedoch auch kleinere Kritikpunkte erwähnt werden. Obwohl Elizabeth so überzeugend gewesen war, hat es mir im Buch manchmal ein bisschen an einem roten Faden gefehlt. Gerade im Mittelteil war mir die Geschichte gelegentlich etwas zu langgezogen, und ich hatte nicht die ganze Zeit über diesen Drang, unbedingt weiterzulesen.
Ein weiterer Punkt, der mich gestört hat, sind die fehlenden Triggerwarnungen. Das Buch wird als humorvoll und amüsant beschrieben, was stellenweise auch zutrifft, gerade die sexuellen Übergriffe werden jedoch so bildhaft und verstörend umschrieben, dass sie für traumatisierte Personen dringend eine entsprechende Warnung benötigen würden.
Ein letzter Aspekt, der mich etwas gestört hat, war der Hund von Elizabeth, der im Laufe der Geschichte eine wichtige Rolle einnimmt. Dieser besagte Hund scheint nämlich über eine menschliche Intelligenz zu verfügen und lernt nicht nur die Sprache der Menschen zu verstehen, sondern kann selbst sprechen (zumindest in seinem Kopf), sodass wir seine Gedankengänge wortwörtlich lesen können. Und das fand ich einfach nur absurd und ehrlich gesagt etwas, das eher in ein Fantasybuch, als in einen historischen Roman passt.

Alles in allem habe ich Elizabeth Zott aber sehr in mein Herz geschlossen und ihre ulkige Art, werde ich so schnell nicht mehr vergessen!

Fazit:
"Eine Frage der Chemie" erzählt einen Teil der Lebensgeschichte von Elizabeth Zott, die sich in den 1960er Jahren versucht hat, sich in einer männerdominierten Welt als Frau durchzusetzen - was ihr manchmal mehr und manchmal weniger gelungen ist. Das Buch ist eine Achterbahn der Gefühle und hält neben vielen Schmunzlern, die vor allem Elizabeths ulkiger Art geschuldet sind, auch einige schwierige und potenziell triggernden Szenen parat, die eine ganze Bandbreite an Emotionen bei mir ausgelöst haben. Abgesehen von einigen Längen, hat mich das Buch sehr gut unterhalten und ich kann es vor allem für Fans von Büchern wie "Ich, Eleanor Oliphant" weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 03.06.2022

Ein Buch, das unter die Haut geht

Als die Welt uns gehörte
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Wichtig zu erwähnen ist zu Beginn, dass die Handlung zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs spielt und damit auch der Holocaust thematisiert wird. Das ist für mich etwas, das sich aus dem kurzen, offiziellen ...

Wichtig zu erwähnen ist zu Beginn, dass die Handlung zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs spielt und damit auch der Holocaust thematisiert wird. Das ist für mich etwas, das sich aus dem kurzen, offiziellen Klappentext nicht direkt herauslesen lässt. Die Szene mit dem Riesenrad spielt dabei insofern eine wichtige Rolle, dass es ein Erlebnis unserer drei Protagonist:innen ist, das sich noch vor Kriegsbeginn abgespielt hat und die Jugendlichen in den nachfolgenden Jahren immer wieder als schöne Erinnerung an unbeschwerte Zeiten begleitet.
Doch diese Zeiten sind vorbei, als Hitler in Deutschland die Macht erlangt und sich dadurch der Nationalsozialismus im ganzen Land ausbreitet. Betroffen davon sind alle drei der Protagonist:innen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Während Leo und Elsa beide jüdischer Abstammung sind und den zunehmenden Hass gegen Juden in ihrem eigenen Land zu spüren bekommen, bleibt Max davon verschont, gerät jedoch durch seinen Vater, einem ranghohen Offizier der deutschen Armee, ebenfalls in die Fänge des Nationalsozialmus.

Was mir an diesem Hörbuch besonders gut gefallen hat, waren die Perspektivenwechsel zwischen Leo, Elsa und Max. Durch diesen Wechsel ermöglicht es uns die Autorin, unterschiedliche Folgen des Nationalismus kennenzulernen. Während bei Leo, Elsa und deren jeweilige Familie die Flucht aus Deutschland im Vordergrund steht, gewährt uns Kessler mit Max einen seltenen Einblick in einen Charakter, der Anhänger von Hitler und seinen Ideologien wird. Und das ist etwas, das ich bislang in noch fast keinem ähnlichen Buch zu lesen bekommen habe und ich deshalb nicht nur mutig, sondern auch beeindruckend fand. Kessler ist es in meinen Augen ausserordentlich gut gelungen, darzustellen, wie die "Gehirnwäsche" der Nationalsozialisten funktioniert hat und bei Max Anklang gefunden hat. Er wollte immer nur eines: Dazugehören. Und genau das Gefühl der Dazugehörigkeit hat er bei den Nationalsozialisten gefunden. Je länger der Krieg gedauert hat, desto weniger erinnert er sich an seine einstmalige jüdische Kindheitsfreunde, bis er irgendwann Hitlers Theorien nahezu blind gefolgt ist.

Kessler hat einen unglaublich einnehmenden und fesselnden Schreibstil, der mich die ganze Zeit über mit den Schicksalen der Kinder hat mitfiebern lassen - ganz besonders natürlich mit denen von Leo und Elsa, denen nicht beide die Flucht aus Deutschland gelungen ist, sodass irgendwann auch das Thema Konzentrationslager eine Rolle spielt. Obwohl ich bereits einige Bücher gelesen habe, die sich mit dem Holocaust befassen, ist mir dieses hier besonders nahe gegangen. Ich hatte beim Zuhören das Gefühl, eine stille Beobachterin einiger sehr menschenverachtender, brutaler und emotionaler Szenen zu werden und bin einmal mehr erschüttert, dass sich so etwas tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit in Deutschland abgespielt hat.
Ich wäre rückblickend aber ehrlich gesagt nie im Traum darauf gekommen, dass die Zielgruppe dieses Buches junge Leser:innen sein sollen, denn die Geschichte hat sich angefühlt, als wäre sie für Erwachsene geschrieben worden, die Kinder (die im Laufe der Geschichte zu Jugendliche werden) beobachten.

Die unterschiedlichen Perspektiven werden von unterschiedlichen Sprecher:innen gesprochen, die ihre Sache allesamt ausserordentlich gut machen. Ausserdem hat dieser Wechsel der Erzähler:innen bei der Orientierung geholfen, aus wessen Sicht die Handlung gerade erzählt wird.

Das Ende des Buches hat es dann noch einmal in sich und wie bei der Thematik nicht anders zu erwarten, muss man hier nicht mit einem Happy End rechnen - selbst wenn man es unseren jungen Protagonist:innen wünschen würde. Alles andere wäre aber auch nur Schönfärberei gewesen. Das Buch hat mich definitiv sprachlos zurückgelassen.

Fazit:
"Als die Welt uns gehörte" erzählt anhand von unterschiedlichen Perspektiven die Schicksale dreier Kinder, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gross geworden sind. Kessler schildert die Folgen des Nationalsozialismus dadurch aus verschiedenen Sichten, die mir allesamt nahegegangen sind und mich am Ende sprachlos zurückgelassen haben. Das Hörbuch ist wahnsinnig einnehmend, fesselnd und tragisch und hat für mich ein weiteres Jahreshighlight beschert - wenn auch ein trauriges. Doch solche Bücher sind wichtig, denn dadurch soll nie in Vergessenheit geraten, was sich damals abgespielt hat. Und damit kann ich eine Hörempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 30.05.2022

Fantastisch

Die sieben Männer der Evelyn Hugo
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Da gefühlt jedes Buch der Autorin aus den letzten Jahren auf Bestseller-Listen gelandet ist, bin ich auch dieses Mal aufgrund der Hypes auf die Geschichte von Evelyn Hugo aufmerksam geworden. Ich muss ...

Da gefühlt jedes Buch der Autorin aus den letzten Jahren auf Bestseller-Listen gelandet ist, bin ich auch dieses Mal aufgrund der Hypes auf die Geschichte von Evelyn Hugo aufmerksam geworden. Ich muss jedoch zugeben, dass ich bei Büchern, die solche Begeisterungsstürme auslösen, inzwischen etwas skeptisch geworden bin, denn oftmals können sie meine Erwartungen dann doch nicht erfüllen. "Die sieben Männer der Evelyn Hugo" gehört aber glücklicherweise nicht dazu - denn das Buch hat den Hype absolut verdient!

Der Titel selbst hat mich ehrlicherweise nicht direkt angesprochen, denn ich wusste nicht so recht, was ich von einem Plot halten sollte, in der die Protagonistin ganze siebenmal verheiratet gewesen ist. Diese Frage scheinen sich auch die Menschen im Buch zu stellen, denn die Geschichte beginnt damit, dass die inzwischen gealterte Hollywood-Ikone Evelyn Hugo sich bereiterklärt, ihre Memoiren schreiben zu lassen. Und dazu hat sie Monique Grant, eine Journalistin für eine Zeitschrift, auserwählt. Obwohl sich Evelyn zu Beginn noch etwas zurückhaltend zeigt, gelingt es Monique tatsächlich nach und nach Evelyns wahre Lebensgeschichte zu entlocken - und das alles ausgelöst durch die Frage, wer denn nun eigentlich Hugos wahre, grosse Liebe gewesen ist - denn Anwärter dafür gab es ja viele. Und Evelyn sorgt mit der Beantwortung der Frage für eine ganz grosse Überraschung, denn ihre wahre Liebe war keiner ihrer sieben Verflossenen...

Ich muss gestehen, dass ich trotz meiner anfänglichen Skepsis unerwartet schnell in den Sog der Geschichte geraten bin und ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. TJR hat einen unglaublich einnehmenden Schreibstil, der wieder einmal dafür gesorgt hat, dass ich sprichwörtlich durch die Seiten geflogen bin. Es gelingt der Autorin wahnsinnig gut, die Gefühle der Protagonistin im Laufe ihrer vielen Lebensstationen in Worte zu verpacken und sie an uns Leser:innen zu übermitteln, sodass ich sehr mit Evelyn Hugo und den Nebencharakteren, die ebenfalls wichtige Rollen in ihrem Leben eingenommen haben, mitgefühlt, mitgefiebert und mitgelitten habe.
Mit Evelyn Hugo als Protagonistin hat die Autorin ausserdem einen äussert vielschichtigen Charakter geschaffen, der alles andere als perfekt war - und dessen ist sich Hugo selbst auch durchaus bewusst. Sie wird im Buch nicht müde zu betonen, dass sie einige Schwächen hat, die manchmal zu Entscheidungen geführt haben, die folgenschwere Konsequenzen nach sich getragen haben. Und trotzdem würde sie es noch einmal ganz genauso machen. Und genau das hat Hugo in meinen Augen sehr sympathisch und authentisch gemacht.
Zu den Nebencharakteren kann ich dieses Mal leider nicht viele Worte verlieren, ohne zu spoilern, aber auch dort gab es einige Personen, mit denen ich sehr mitgefühlt habe.
Evelyn Hugos Leben war von vielen Auf und Abs geprägt - und das macht ihre Geschichte unglaublich emotional, fesselnd und bewundernswert.

Auch das Ende hält noch einmal einige Überraschungen bereit. Während sich eine Enthüllung durch das aufmerksame Lesen bereits erahnen liess, hat mich die Offenbarung über den Grund, warum Hugo Monique Grant als Ghostwriterin ausgewählt hat, komplett überrascht. Und nicht nur das, es gelingt der Autorin dadurch auch, zwei Handlungsstränge zusammenzufügen, die zu einem zufriedenstellenden, abgerundeten Ende führen, was einmal mehr Begeisterung für das Buch bei mir ausgelöst hat.

Fazit:
"Die sieben Männer der Evelyn Hugo" ist ein weiterer Bestseller, der von Taylor Jenkins Reid geschrieben wurde und das Leben einer inzwischen gealterten Hollywood-Ikone erzählt. Als Leser:in kann man Hugo bei ihrem Rückblick auf ihr Leben begleiten, das nicht nur von sieben Ehen, sondern auch von vielen Auf und Abs geprägt gewesen war. Die Geschichte wird dabei so einnehmend, emotional und fesselnd erzählt, dass ich das Buch sehr schnell nicht mehr aus der Hand legen konnte. Wer eine Geschichte zum Weinen, Lachen, Mitfühlen und Mitleiden sucht, ist hier genau richtig. Das Buch ist definitiv mein erstes Jahreshighlight in diesem Jahr, das ich nur wärmstens weiterempfehlen kann!

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