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Veröffentlicht am 22.06.2025

Würger von Graz

Grüne Mark und Weißer Tod
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In der schönen Steiermark ereignen sich jüngst bizarre Mordfälle, ohne erkennbaren Zusammenhang werden Männer in Graz erwürgt neben blauen Glasscherben aufgefunden. Untersuchungsrichter Franz Stahlbaum ...

In der schönen Steiermark ereignen sich jüngst bizarre Mordfälle, ohne erkennbaren Zusammenhang werden Männer in Graz erwürgt neben blauen Glasscherben aufgefunden. Untersuchungsrichter Franz Stahlbaum und sein Schulfreund Dr. Titus Pyrner stehen etliche Wochen lang vor einem schier unlösbaren Rätsel, können den „Würger von Graz“ nicht dingfest machen. Da haben Resi Eder und Salome Grün, die beiden Verlobten der Ermittler, eine grandiose Idee: weil mehrere Zeichen Richtung Lungensanatorium Eichenheim im Wienerwald deuten, schleusen sich die unternehmungslustigen Damen dort einfach als Pflegerinnen ein.

Mit einem wunderbaren Einstieg rund um die Kraft von Kräutern an Mariä Himmelfahrt im Jahre 1897 zeigt der junge Untersuchungsrichter Stahlbaum, wie schnell er ein Verbrechen aufklären kann. Umso schwerwiegender erscheinen daher die alsbald beginnenden Mordfälle in Graz, deren Lösung er trotz sorgfältigster Recherche nicht voranzutreiben vermag. Darüber hinaus steht er in direkter Konkurrenz zu Polizeiagenten Anton Meisl, mit dem er noch aus einem früheren Fall eine Rechnung offen hat. Mit ihrem sorgfältig gewählten Sprachgebrauch erweckt Gudrun Wieser die damalige Zeit zu neuem Leben, versetzt den Leser alsbald in eine Epoche, in der die Frau kaum etwas anderes zu tun hatte, als sich Kochen, Kindern und Kirche zu widmen. Umso mehr bestechen die beiden scharfsinnigen und hartnäckigen Fräulein Resi Eder und Salome Grün, wie sie ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und im aktuellen Fall sogar auf gewitzte Art und Weise die Polizeiarbeit unterstützen. Auch die anderen Charaktere sind liebevoll und detailreich gezeichnet.

Mit interessanten Einblicken in die damalige Ermittlungskunst und Heilkunde beginnt jedes Kapitel, die flüssige Erzählweise, durchaus mit Humor versetzt, lässt einen gerne ohne größere Unterbrechungen im Buch verweilen. So erfährt man in wenigen Stunden viele spannende und bestens recherchierte Einzelheiten zur medizinischen Forschung rund um die Tuberkulose, zu akademischen Geheimbünden und schlussendlich natürlich zum Motiv des Grazer Würgers, der nur durch gemeinsamen Krafteinsatz entlarvt werden kann.

Mit Franz, Titus, Resi und Salome ist die Lesezeit wie im Fluge vergangen, die wochenlangen Irrwege bei den Ermittlungen sind kurzweilig und unterhaltsam geblieben, die realen Orte der Handlung kenne ich selbst und kann mir daher auch die damaligen Gegebenheiten und dazu erdichtete Lungenheilanstalt nahe St. Andrä bestens vorstellen. Ich empfehle diesen historischen Krimi also sehr gerne weiter!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.06.2025

Die Halskette

Gold aus der Wiener Werkstätte
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Max von Krause, kaiserlicher Polizeiagent, hat es diesmal mit einem pikanten Mord zu tun, liegt doch eine Prostituierte übel zugerichtet in ihrem Hotelzimmer, und das ausgerechnet im Hotel Kaiserkrone, ...

Max von Krause, kaiserlicher Polizeiagent, hat es diesmal mit einem pikanten Mord zu tun, liegt doch eine Prostituierte übel zugerichtet in ihrem Hotelzimmer, und das ausgerechnet im Hotel Kaiserkrone, dessen Besitzer mit dem Oberkommissar verwandt ist. Natürlich muss alles dafür getan werden, dass nichts an die Presse dringt, da wird schon eine zweite Leiche gemeldet. Und weil es sonst nicht halb so spannend wäre, führt eine Halskette in die Wiener Werkstätte, wo Krause zum zweiten Mal auf die selbstbewusste Putzfrau Lili Feigl trifft.

Bildreich und bisweilen mit dem passenden Dialekt präsentiert sich Wien im Jahre 1906. Nach genauester Recherche zu einem historisch belegten Verbrechen fügt Beate Maly nun wahre Grundlagen und einen fiktiven Mordfall zusammen, was beste Unterhaltung verspricht und tatsächlich auch hält. Sorgfältig charakterisierte Figuren und interessante Details zur Kunst in der Wiener Werkstätte bilden den Kern für Max von Krauses Ermittlungen, die nicht nur in erlesene Salons der „besseren“ Gesellschaft führen, sondern auch in dunkle Hinterhöfe, wo man kaum weiß, wie man den nächsten Tag überleben soll. Unglaubliche Gegensätze zwischen Arm und Reich prägen die Zeit, in der gerade Fotografie und Daktyloskopie Einzug halten in die Polizeiarbeit. Und so gibt es auch hier Spannungen zwischen jenen Ermittlern, die den Fortschritt begrüßen und jenen, welchen diesen strikt ablehnen. Aufgrund ihrer detailgetreuen, aber niemals fade ausschweifenden Beschreibungen findet sich der Leser rasch selbst mitten im Geschehen und weiß anhand unterschiedlicher Erzählperspektiven oft mehr als die handelnden Personen, sodass man gespannt darauf wartet, wie Max und Lili vorgehen werden. Nach wenigen Tagen und logischen Schlussfolgerungen ist – nach kurzer Aufregung – schließlich der Täter gefasst und Max‘ Mutter, die eine durchaus humorvolle Rolle spielt, mehr beteiligt als ihr selbst bewusst ist.

Ein wunderbarer zweiter Teil rund um Mord und Wiener Werkstätte mit überaus sympathischen Charakteren, schönen und weniger heimeligen Plätzen (wie dem Ratzengrund) in Wien und spritzigen Dialogen, bisweilen mit passender Mundart. In der Kürze liegt die Würze, könnte man sagen, denn die etwa 250 Seiten lesen sich absolut kurzweilig und bieten beste Unterhaltung im Genre Historischer Kriminalroman. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.06.2025

Gletschermilch

Das verstoßene Mädchen
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In einer angesehenen Kaufmannsfamilie wächst Fannerl Nader mit ihren beiden jüngeren Schwestern zur jungen Frau heran. Wie es sich im Jahre 1881 so gehört, knüpft sie unter der gestrengen Aufsicht der ...

In einer angesehenen Kaufmannsfamilie wächst Fannerl Nader mit ihren beiden jüngeren Schwestern zur jungen Frau heran. Wie es sich im Jahre 1881 so gehört, knüpft sie unter der gestrengen Aufsicht der Eltern zarte Kontakte zu Johann, dem Sohn eines eleganten Innsbrucker Herrenausstatters. Bevor aber noch Verlobung gefeiert werden kann, verunglückt Fannerls Vater tödlich und hinterlässt einen Schuldenberg. So sieht sich die Mutter gezwungen, rasch wieder zu heiraten, wobei die Vermählung an eine Bedingung geknüpft ist: Fannerl muss aus dem Haus, denn das Mädchen hat porzellanweiße Haut und auffällig helles Haar, was dem abergläubigen Bräutigam Unglück bringen könnte.

Malerische Szenen rund um den Besuch des Kaisers in Innsbruck, das aufgeregte Tun der wohlhabenden Bevölkerung, die Liebe innerhalb der Familie Nader und die zart beginnende Zuneigung zwischen Fannerl und Johann – schöner könnte dieser bewegende Roman kaum beginnen. Mit vielen außergewöhnlichen Details fesselt Lotte Römer ihre Leser und führt alsbald die böse Wende im vermeintlichen Glück herbei: der künftige Stiefvater will nichts mit Fannerl zu tun haben, die Mutter schickt ihr Kind kurzerhand ins Sellraintal zu den Wäscherinnen, es ist bestimmt das Beste so für alle. Auf einen Schlag steht das Leben des jungen Mädchens auf dem Kopf, statt von Bediensteten verwöhnt zu werden, muss sie nun selbst im eiskalten Wasser, im Sellraintal Gletschermilch genannt, Wäsche für andere waschen, unter einem undichten Dach wohnen und mit einfacher Nahrung vorlieb nehmen.

Bestens recherchierte Wäscherinnenarbeit inmitten des wunderschönen Sellrain neben Figuren, die trotz ihrer harten Schale einen umso weicheren Kern haben beeindrucken in diesem lesenswerten Roman, in dem auch allerlei Gefühle nicht zu kurz kommen. Von mir gibt es jedenfalls eine Empfehlung für Teil 1 der „Töchter aus Innsbruck“.




Veröffentlicht am 07.06.2025

Acker Rabeneck

Die Blumentochter
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Nachbarskind Johanna Eckstein ist eine der Ersten, die am Acker Rabeneck in Emsfeld eintreffen, nachdem Bauer Schulze auf seinem Grund eine Leiche gefunden hat. Es handelt sich um die junge Lydia, die ...

Nachbarskind Johanna Eckstein ist eine der Ersten, die am Acker Rabeneck in Emsfeld eintreffen, nachdem Bauer Schulze auf seinem Grund eine Leiche gefunden hat. Es handelt sich um die junge Lydia, die hier sorgfältig begraben liegt unter Rosen und Zauberschnee. Als Täter kann rasch der Gärtnerlehrling Adam Paczek ausgemacht werden. 31 Jahre später ist Johanna aufgrund dieses Erlebnisses Polizistin und kehrt nun nach einer langen Zeit in Berlin zurück in ihr Heimatdorf. Kaum hat sie ihren Platz im hiesigen Kommissariat gefunden, gibt es wieder eine Leiche am Rabenecker Acker, ebenfalls mit hübschen Blumen bedeckt. Hat der damalige Mörder nochmals zugeschlagen oder gibt es einen Nachahmungstäter?

Erst einmal geht es zurück ins Jahr 1984 und zu dem schrecklichen Vorfall, der sich dort im Münsterland ereignet hat. Bildhafte und lebendige Szenen sorgen sofort dafür, dass man sich mitten im Geschehen fühlt und beinahe selbst Teil der handelnden Personengruppe wird. Die Geschehnisse drei Jahrzehnte später stehen dem in nichts nach, der Mix aus Johannas Privatleben und akribischer Ermittlungsarbeit ist bestens gelungen. Spritzige Dialoge und interessante Rückblenden sorgen für Spannung und eigene kreative Überlegungen. Aber Fritzi Jäger platziert ihre Informationen geschickt und häppchenweise, sodass man nicht gleich die Lösung vor Augen hat. Bäuerliche Dorfstrukturen und lärmende Großstadt, schillernde Machos und zurückhaltende Verliebte, damals und heute eine Blumentochter, die Autorin verknüpft unterschiedliche Welten und Weltanschauungen mit Leichtigkeit zu einem runden Gesamtbild, welches bis zur letzten Seite fesselnde Lesestunden bietet.

Großartig gezeichnete Figuren und eine durchwegs schlüssige Handlung, garniert mit so manch humorvollem Vergleich, lassen diesen Krimi zum Vergnügen werden. Ich empfehle ihn sehr gerne weiter.

Veröffentlicht am 06.06.2025

Überlebende

Die Festung
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Als einzige Überlebende einer Realityshow gilt Bonnie Drake, die vor der Küste Englands angespült worden ist. Auf einer abgelegenen Festung mitten im Meer hat sie mit sieben weiteren Teilnehmern um den ...

Als einzige Überlebende einer Realityshow gilt Bonnie Drake, die vor der Küste Englands angespült worden ist. Auf einer abgelegenen Festung mitten im Meer hat sie mit sieben weiteren Teilnehmern um den Sieg gekämpft, damit sie sich nach dem Tod ihrer Mutter die Hypothek fürs Haus leisten kann. Nun versucht die junge Frau, sich zu erinnern, was geschehen sein könnte.

Ein packender Prolog mit blutigen Fußspuren eröffnet das Spiel, dann geht es voller Abwechslung weiter durchs Geschehen. Einerseits fährt man mit den Teilnehmern des Wettbewerbes zu der abgeschlossenen „Festung“, welche der Show auch ihren Namen gibt, andererseits hört man einen Podcast, der im Nachhinein die Vorkommnisse auf dem Fort in der Meerenge von Solent wiedergibt. Dazwischen werden Kommentare der Zuschauer der Realityshow eingestreut. So bekommt Bonnies Geschichte einen rundum gerichteten Blickwinkel, der für stete Kurzweil sorgt. Wer anfangs noch meint, es geht schlicht um eine Reihe von Rätseln, der denkt spätestens beim ersten toten Kandidaten, dass da doch etwas gehörig schief läuft. Aber was? Sollen sie weiter die Befehle befolgen und auf ein Entrinnen hoffen oder sich allen Aufgaben widersetzen, um damit einen Abbruch der Sendung zu erzwingen? Die ursprünglich halbwegs geeinte Gruppe bricht aufgrund verschiedener Meinungen auseinander.

In kurzen, flott lesbaren Kapiteln geht es spannend dahin. Besonders gut gelungen ist die Handlung deshalb, weil wir uns nicht ausschließlich im Fort aufhalten, sondern dazwischen dem Podcast lauschen oder den Polizisten über die Schultern sehen. So vergeht die Zeit wie im Fluge und die zweite Buchhälfte liefert noch einiges an Überraschungen. Mit dem Ende schließt sich der Kreis zu den blutigen Fußspuren und der Leser wird sich genauestens überlegen, ob der jemals an solch einem Wettbewerb teilnehmen möchte.

Ein gelungener Escape-Room-Thriller, der durch interessante Zusammenhänge und größtmögliche Abwechslung punktet. Mir hat‘s sehr gut gefallen.