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Veröffentlicht am 19.07.2018

Freiheit ist Kampf und Versöhnung

Kampfsterne
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„Daran krankt unsere Gesellschaft! An lauter kaputten Beziehungen!“ (Rita, S. 170). Die bundesdeutsche Familie der 80er Jahre ist ein gärender Mikrokosmos, in dem jeder Einzelne ein einsames Teilchen ist ...

„Daran krankt unsere Gesellschaft! An lauter kaputten Beziehungen!“ (Rita, S. 170). Die bundesdeutsche Familie der 80er Jahre ist ein gärender Mikrokosmos, in dem jeder Einzelne ein einsames Teilchen ist – gerade in Reihenhaussiedlungen, dem Blockwarteparadies. Alexa Hennig von Lange erzählt vielstimmig eine Geschichte, die auch die Geschichte ihrer Generation ist. Die Geschichte der Kriegskindergeneration, der 68er-Bewegten und wiederum deren Kindern, zu denen auch Hennig von Lange gehört (geb. 1973). Dass die Hauptfigur die achtjährige Alexa – „Lexchen“ – so aussieht und heißt wie die Autorin und eine große Schwester hat, die „Cotsch“ gerufen wird (man kennt sie schon aus der 2008 begonnenen Lelle-Serie), sind Hinweise auf die autobiographische Verortung der Geschichte, gleichsam als Authentisierungsstrategie: „Hier schreibt eine, die weiß, wie es war, weil sie es selbst erlebt hat – so oder so ähnlich.“ In einem Interview im Magazin ‚Allegra‘ von 2016 sagt Hennig von Lange: „Wir waren alle Töchter der 68er-Generation, wir alle hatten Mütter, die erst einmal nur davon träumten, leidenschaftlich zu lieben, zu leben und zu arbeiten– aber eben auch Mütter sein wollten, die für ihre Kinder da waren. In Freiheit.“ Ehefrauen und Ehemänner, Kinder und Mütter und Väter, Nachbarn untereinander. Kindsein, Erwachsenwerden, Sichausprobieren, Frausein, Liebe und Familie – das sind Hennig von Langes Themen seit „Relax“ und kehren in der Reihenhaussiedlung der „Kampfsterne“ wieder.

Schon der Einstieg in den Roman ist wie der Opener zu Star Wars: Die „Kampfschiffe“ kreisen durch das Bild und laden ihre Waffen oder fahren ihre Schilde hoch. Allen Personen sind starke Emotionen zu eigen: Die verbitterte Rita ist voller Hass und Neid. Die unterdrückte Ulla ist voller Angst, will es aber allen „schön“ machen und verkennt, dass man für Freiheit und Wohlbefinden kämpfen muss. Ullas und Rainers ältere Tochter Cotsch ist voller Zorn und auf dem Selbstfindungsweg, verliert sich aber im Kampf. Dann ist da noch Lexchen, die kleine Schwester: Für sie ist alles „wunder-wunderschön“ wie in Roald Dahls „Sophiechen und der Riese“. Dieses unbeschwerte Mädchen muss es irgendwann mit den Riesen aufnehmen, mit den Kampfsternen in dieser schrecklich-schönen Siedlung mit den schönen Fassaden und den starken Emotionen dahinter. Sie ist das Auge des Sturms, in dem Ruhe herrscht vor der zerstörerischen Kraft des Wirbelsturms namens Leben.
Der Roman ist gelungen: Frausein ist die Problemstellung für vier Personen (Cotsch, Ella, Ulla und Rita) und wird mit unterschiedlichen Strategien angegangen. Da die Perspektive der handelnden Personen ständig wechselt – „ich“ ist immer ein anderer –, erfährt man beim vielstimmigen Lesen stets, was die Figuren sich bei ihrer Handlungsweise gedacht haben. Das ist sowohl geschickt als auch simpel – engt die Interpretationsbreite ein, weitet aber den handlungstreibenden Hintergrund. Allerdings wird aus der Abfolge vieler innerer Monologe nicht ein innerer Dialog, aber vielleicht ist auch das Absicht. Manchmal aber gelingt ein direkter Dialog der Gedanken, etwa wenn Rita und Ulla sich gegenüberstehen (S. 113 ff.).

Die inneren Monologe werden zum Ende hin grundsätzlicher, und man spürt, dass es Hennig von Lange hier ernst wird mit ihren Gedanken, dass Freiheit und Beziehungen immer auch Kampf. Dass es hier durchaus eine Schwarz-Weiß-Einteilung gibt, „gute“ und „böse“ Menschen, ist okay, denn die „Kampfsterne“ leben von ihrer Überzeichnung. Wenn Cotsch sich wie auf dem „Scheiterhaufen der gesammelten Versäumnisse“ (S. 124) ihrer Mutter fühlt, sich Lexchen oder Rita mit Jesus gleichsetzen (der überhaupt häufig um die bildungsbürgerliche Ecke linst), dann darf Johannes auch „die Guten/Bösen“ (S. 185) benennen. Sogar die kitschige Ausblendung aus dem Roman passt zur den starken Farben, in denen Hennig von Lange malt.

Die „Kampfsterne“ sind nicht nur etwas für Kinder der 1970er Jahre, sondern ein gelungener Blick in einer Generation, die verstehen und verstanden werden will, und macht Lesefreude.

Veröffentlicht am 20.06.2018

Buch Isaiah, Kaitel 1 - I.Q. cool

Stille Feinde
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Isaiah Quintabe ist smart - er hätte sogar etwas aus seinem Leben machen können, studieren, Geld verdienen, normal sein, wenn sein großer Bruder nicht von einem Auto überfahren worden wäre. Dieser Mord ...

Isaiah Quintabe ist smart - er hätte sogar etwas aus seinem Leben machen können, studieren, Geld verdienen, normal sein, wenn sein großer Bruder nicht von einem Auto überfahren worden wäre. Dieser Mord warf Isaiah aber aus der Bahn. Clever ist er aber geblieben und setzt seinen IQ als Privatdetektiv ein, der nach Robin-Hood-Manier in seinem Viertel Gutes tut. Als dann die Ex-Freundin seines Bruders in anruft und ihn um Hilfe bittet, ihre Schwester Janine aus der Klemme zu holen, kann er nicht anders, als sich und seinen Kumpel Dodson in den mörderischen Strudel von Las Vegas zu werfen, in den dieser Auftrag mündet: unversöhnliche Geldverleiher mit Handlangern, vor denen sich Frankensteins Monster beim Einschlafen fürchtet; Gangster mit mehr Patronen als Grips, aber genauso hohl; gewissenlose Aufsteiger mit weniger Skrupel als Spinnen gegenüber ihrer Beute im Netz.

In zwei parallelen Erzählsträngen begibt sich Isaiah unerschrocken auf die Suche: Er fahndet nach Janine in Vegas, was mit viel Action gewürzt ist und nicht mit Verfolgungsjagden geizt, und er rollt den Mord an seinem Bruder wieder auf, um Rache zu üben. Das ist super gemacht, denn neben der Spannung in beiden Geschehen fragt man ich bei der Lektüre, wann und wie Joe Ide beides zusammenführen wird. Das geschieht spät, aber gekonnt.

Überhaupt muss man die Konstruktion dieses Thrillers loben: Ausgestreute Hinweise, große Fragezeichen, scheinbare Sackgassen und vermeintlich Vergessenes werden auf den letzten 100 Seiten in den Handlungsverlauf eingespeist, bisweilen sich selbst ergebend, zum Teil mit Aha-Effekt. Das macht dann doppelt Freude, wenn am Ende einer actionreichen Handlung die verstreuten Hinweise im Buch einen überraschenden Sinn ergeben.

Keine Kritik?

Doch, aber nur verhalten: Ide schreibt einen cineastischen Stil, „Stille Feinde“ kommt mit der Rasanz eines Actionfilms daher, der mit Gewalt und Wortgewaltigkeit nicht spart. Da wirken die ausgesprochen häufigen Bemerkungen unpassend, dieses oder jenes sei viel schwieriger, langwieriger oder sowieso ganz anders „als in Filmen“. Ide hat schließlich einen Thriller geschrieben und keine Lockpicking-Dokumentation. Der Held Isaiah selbst eckt mit seiner Robin-Hood-Attitüde und seinem Mauerblümchen-Komplex bisweilen beim Lesen an.

Alles in allem spannende Unterhaltung, ich habe mir I.Q., den Vorgängerthriller zu den „Stillen Feinden“ gerade bestellt!

Veröffentlicht am 03.04.2018

Von Heimat, Liebe und Sippe

Sophia oder Der Anfang aller Geschichten
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Rafik Schami erzählt eine ernste Geschichte: die Geschichte des syrischen Exilanten Salman, der vor dem Assad-Regime aus Damaskus fliehen musste und nach vierzig Jahren Exils zurückkehrt. Es ist auch Schamis ...

Rafik Schami erzählt eine ernste Geschichte: die Geschichte des syrischen Exilanten Salman, der vor dem Assad-Regime aus Damaskus fliehen musste und nach vierzig Jahren Exils zurückkehrt. Es ist auch Schamis eigene Geschichte, soweit es um den Verlust der Heimat und der Familie geht und um die Erkenntnis, dass die Stätten unserer Kindheit sich nicht wieder besuchen lassen, weil sie sich verändert haben und nur in der Erinnerung gleich geblieben sind.
Im ersten Teil des Romans erfahren wir die Lebensgeschichten von Salman, der mittlerweile mit seiner Frau Stella und seinem Sohn Paolo in Rom lebt, und die von Karim und Aida, einem in Damaskus lebenden Paar, die mit Mitte siebzig und Mitte fünfzig einen zweiten Frühling der Liebe erleben. Beiden Erzählsträngen ist die Erzähllust Schamis anzumerken, denn immer wieder schweift er in orientalischer Üppigkeit ab: in die Vergangenheit, zum Nachbarn, zum vorher Geschehenen oder einfach zum Mokka. Es ist das Damaskus der vergangenen vierzig Jahre, das dabei lebendig wird und das sich unter dem despotischen Druck der Diktatur durch das Assad-Regime ändert.
Verbunden werden die beiden Erzählstränge in der Gestalt Sophias, die einerseits Salmans Mutter und andererseits Karims erste Liebe ist. Als Salman den Amnestieversprechungen des Regimes glaubt und sein eigenes Heimweh nicht mehr aushalten kann, reist er nach Damaskus, findet Freund und Feind und die Familie verändert und doch gleich geblieben vor, wird aber alsbald vom Geheimdienst unter der fingierten Anklage des Mordes gejagt.
Dieser zweite Teil des Romans gerät spannend und reißt den zuweilen mäandernden Erzählstil der ersten Hälfte in einem rasanten Tempo mit. Hier wird auch das politische Anliegen Schamis sichtbar, der die Grausamkeiten der syrischen Diktatur bis heute herausstellt. Salman gelingt es, dem Regime ein Schnippchen zu schlagen und endlich bei Karim und Aida unterzukommen, womit die Erzählstränge vereint werden. Und es ist das Sophia in Jugendtagen gegebene Versprechen, weswegen Karim Salmans sichere Heimkehr organisiert.
Zwei Hauptthemen durchziehen die Erzählung: die zerstörerische und antimoderne Kraft der arabischen Sippe, die den arabischen Raum am gesellschaftlichen Fortschritt hindert und Despotien im Großen und Kleinen befördert; und die heilende und selig machende Kraft der Liebe, die Schami seinen durchweg modernen, aufgeklärten und unreligiösen Figuren gönnt. Karim erhebt die Liebe gar zu seiner wahren Religion.
Rafik Schami ist ein starkes Buch gelungen, dem man Zeit geben muss, um seine Geschichte zu entwickeln, deren Lektüre aber dann umso tiefer greift. Von der ersten bis zur letzten Seite schimmert Schamis Charme durch die Zeilen.

Veröffentlicht am 03.04.2018

Wunderwunderbar!

Sophiechen und der Riese
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Sophiechen und der Riese ist ein Kinderbuch für alle, die schon immer ihre Furcht vor Menschenfressern besiegen wollten - oder gar vor Fleischfetzenfressern! Und für alle, die originelle Sprache haarscharf ...

Sophiechen und der Riese ist ein Kinderbuch für alle, die schon immer ihre Furcht vor Menschenfressern besiegen wollten - oder gar vor Fleischfetzenfressern! Und für alle, die originelle Sprache haarscharf am Erwachsenenton vorbei so richtig „kinderlich“ und „wunderwunderlich“ genießen wollen.
Sophiechen erspäht nachts einen Riesen durch das Dorf schleichen und wird von ihm erspäht. Er stibitzt sie aus ihrem Waisenhaus und entführt sie ins Riesenland, wo er sie in seiner Höhl aber nicht auffrisst. Im Gegenteil: Sophiechen und GuRie, der „Gute Riese“ freunden sich an und lernen viel voneinander. GuRie lernt etwas über Menschlinge und andere „Leberwesen“ und Sophiechen lernt viel über die neuen bösen Riesen, die allabendlich gemeinschaftlich ausziehen, um Leberwesen zu fressen: nach Spanferkel schmeckende Spanier, nach Thunfisch schmeckende Tunesier, nach „Mammilade“ schmeckende, gefüllte Berliner und so weiter. Die neun Riesen tragen unheilverkündende Namen - Kinderkauer, Knochenknacker, Mädchenmanscher etwa - und müssen gestoppt werden! Aber wie? GuRie ist der kleinste der Riesen und zudem gegen jedes Leberwesenfressen, weshalb er sich von Kotzgurke ernährt und von den anderen schikaniert wird. Aber er hat eine „ratzfetzige“, „klassegeile“ Mission: Er sammelt Träume in Glasbehältern, die er nächtens durchs Fenster den schlafenden Kindern einbläst. GuRies Fähigkeit, Träume zu erhören, zu fangen und zu mixen und Sophiechens ernsthafter Wille, weitere „Riesen-Knatterstrophen“ zu verhindern, indem man die englische Königin einschaltet, führen schließlich zum großen Finale. in dem beide Helden ihre Fähigkeiten einsetzen können.
Sophiechen ist ein charmantes, willensstarkes Mädchen, in dem sich kindliche Leser wiederfinden können. In Sophiechens Rolle geschlüpft, sind sie dem so kunterbunt daherredenden Riesen GuRie sprachlich überlegen und werden zu seinem behutsamen Ratgeber, ja wohlerzogenen und wohlerziehenden Fremdenführer in die Menschenwelt. GuRie ist ein moralischer Riese, der seinen Verzicht auf die Menschlinge damit bezahlt, sich ausschließlich von Kotzgurken ernähren zu können - zu diesem moralischen Entschluss gehört einiges!
Das Schreckliche, das Menschenverschlingende ist nur mit Humor zu ertragen, und dieser Humor steckt in der ganzen Geschichte, in den kunstvollen Zeichnungen von Quentin Blake wie im Detail: in er großartigen, blumenreichen Sprache, den Wortspielen und Satzfontänen, wie sie nur Fünfjährige, GuRie und Roald Dahl hervorbringen. Und Adam Quidam, der die Geschichte kongenial übersetzt hat.
Sophiechen und der Riese - gut gegen schlechte Laune und Magenbeschwerden, und zwar sofortissimo!

Veröffentlicht am 03.04.2018

Die Leinwand der Geschichte - gekonnt bemalt

Das letzte Bild der Sara de Vos
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„Das letzte Bild der Sara de Vos“ ist ein sowohl kunstvoller Roman als auch ein Roman über Kunst auf drei Zeitebenen: 1636/37, 1957/58 und 2000. Sara de Vos war eine der wenigen holländischen Malerinnen ...

„Das letzte Bild der Sara de Vos“ ist ein sowohl kunstvoller Roman als auch ein Roman über Kunst auf drei Zeitebenen: 1636/37, 1957/58 und 2000. Sara de Vos war eine der wenigen holländischen Malerinnen des Goldenen Zeitalters, Mitglied der Lukas-Gilde Amsterdams und ist ansonsten frei erfunden. Ihr vermeintlich einziges überliefertes Werk „Am Saum des Waldes“ steht im Zentrum aller Zeitebenen: als es entsteht, als es gefälscht wird und als es schließlich erneut mit dem Original ausgestellt werden soll. Die beiden späteren Zeitebenen sind durch die handelnden Personen verbunden: Es sind dieselben Ellie Shipley und Marty de Groot, die einander nach vierzig Jahren wieder begegnen.
Dem Autor Dominic Smith würde es gewiss gefallen, wenn man seinen Roman mit der Entstehung eines Gemäldes vergleichen würde: zunächst das Aufspannen der Leinwand, die Skizze, dann die Grundierung, die Schattierungen, Auftragen dunklerer Töne, dann der helleren Flächen, schließlich der Details und Miniaturen, wobei Farbenspiel und Texturenlandschaften entstehen. Ähnlich ist der Roman aufgebaut, indem die Zeitebenen einander abwechseln und die Geschichte vom Allgemeinen zum Besonderen findet. Man erfährt, wie Ellie das Gemälde fälscht, wie Marty dahinterkommt, die Fälscherin vorführt und schließlich verführt und wie ein romantisches Band zwischen beiden bis zur Jahrtausendwende besteht, obschon sie einander verletzt haben.
Aber wie selbst die großen holländischen Meister kann Smith nicht alles gleich gut: Während die jüngeren Erzählebenen gut gelungen sind, während Ellie und Marty plastisch, glaubwürdig und tiefenscharf geraten sind, bleibt Sara de Vos als Frau des 17. Jahrhunderts das Abziehbild einer modernen Frau in Amsterdamer Bürgerstracht von 1637. Während etwa die ironische Schilderung der von Ellie und Marty besuchten Auktion gleichzeitig die Figuren stärkt und den Kunstauktionsbetrieb aufs Korn nimmt (S. 185-196), verkümmern Saras Versuche, ihre Ehe zu retten, ihre Bilder zu verkaufen oder sich dem menschenleeren Heemstede zu nähern, irgendwie im Behaupteten. Einzig die Trauer um die verlorene Tochter und die Gedanken über das im Zentrum stehende Bild „Am Saum des Waldes“ leuchten voller starker Bedeutung und sprachlichem Können: Wie die sterbende Tochter steht das Mädchen im Bild „am Saum des Waldes“, zwischen Leben und Tod, zwischen Wahrheit und Behauptung, zwischen Kunst und Wirklichkeit. Mit diesem Kunstwerk, dem vermeintlich letzten Bild der Sara de Vos, und dessen Ebenen hat Smith ein tragfähiges Konstrukt erschaffen, das auch in der Frage Original/Fälschung oder Loyalität/Betrug für die beiden späteren Zeitebenen als Grenzmetapher taugt und Bedeutungsebenen erschließt. Immer wenn es um den Prozess des Malens geht, ist der Roman stark; ebenfalls in der zwischenmenschlichen Spannung zwischen Ellie und Marty sowie der Ellie von 1958 und jener von 2000 ist der Roman gelungen. Ist es der Übersetzung geschuldet, dass man sich für Saras Zeit eine andere Sprache und einen weniger modernen Ton gewünscht hätte?
Ein paar Worte zum Lektorat: Schon im Englischen hätte auffallen müssen, dass man Ellie nicht vorwerfen kann, keine Musik des 20. Jahrunderts zu hören, wenn sie doch Platten von Igor Strawinsky (1882-1971) und Sergej Rachmaninow (1873-1943) nei sich liegen hat (S. 234). Im Deutschen stören die häufigen Wortwiederholungen (z.B. S. 149), die redundanten Kapiteleingänge sowie der Gebrauch falscher indirekter Rede (etwa S. 232).
Das Buch ist sehr schön gestaltet; mit einem Lesebändchen gewinnt man sowieso stets mein Wohlwollen, erst recht aber mit dem klar weißen Papier, das eine feine Textur wie Leinwand hat, die zudem den Umschlag dominiert, der aussieht und sich anfasst wie ein Stück Leinwand.
Alles in allem also ein schönes, wenn auch kein brillantes Buch über Kunst und Liebe zur Kunst, über Original und Fälschung sowie Romantik vor dem Hintergrund des holländischen Goldenen Zeitalters.
Leseempfehlung.