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Gisel

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.05.2018

Ausbruch aus dem Alltag

Ans Meer
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Anton ist Busfahrer, jeden Tag fährt er dieselbe Linie mit demselben Bus und denselben Passagieren. Er kennt seine Mitfahrer, kennt teilweise auch ihre Geschichten. Gerne näher kennenlernen möchte er seine ...

Anton ist Busfahrer, jeden Tag fährt er dieselbe Linie mit demselben Bus und denselben Passagieren. Er kennt seine Mitfahrer, kennt teilweise auch ihre Geschichten. Gerne näher kennenlernen möchte er seine Nachbarin Doris, die auch ein bisschen Pech mit ihren bisherigen Partnern hatte. Doch die will so gerne einen Helden zum Freund haben… Dann wird Anton plötzlich zum Helden: Als Carla, gezeichnet von ihrer Krebserkrankung, nochmal ans Meer fahren will in ihre Heimat, bricht Anton mit allen bisherigen Regeln und lädt alle Reiselustigen ein, mit ihm mitzufahren. So reißt eine kleine Gemeinschaft aus dem Alltag aus zu einer Fahrt ans italienische Meer.

Eine sehr berührende Geschichte hat Autor André Freund mit ganz viel Humor gewürzt und lässt alle Reisenden ihren Alltag verlassen. Vor allem Anton hat nichts mehr zu verlieren, aber er wird ganz viel gewinnen bei dieser Fahrt. Was er aber noch nicht weiß. Was genau er gewinnen wird, darf bitte jeder selbst lesen, mehr wird hier nicht verraten. Spannend ist die Fahrt zudem, wenn Anton verfolgt wird – von Carla, von der deutschen Polizei… und das sind noch nicht alle. Doch Anton der Unglücksrabe erhält unversehens die Gelegenheit, zum Glückspilz zu werden. Ganz lustig ist das, wenn sich im letzten Moment doch noch eine Chance auftut, wo so gar keine mehr zu sein schien. Herzerwärmend ist es, wenn die Einzelreisenden sich plötzlich als Gemeinschaft wiederfinden, wenn die Kratzbürstigkeit sich dahingehend verändert, dass alle zusammen gehören, und seien sie noch so seltsam. Jeder der Protagonisten wird anfangs knapp dahinskizziert, und doch hat man schnell das Gefühl, mit Bekannten unterwegs zu sein.

Das Coverbild passt nicht ganz dazu, denn kein Linienbus wird Gepäck auf dem Dach transportieren. Ansonsten gibt das Bild aber eine passende Einstimmung auf das Buch selbst. Eine freundliche Geschichte zum Immer-Wieder-Lesen, wenn mal wieder alles schiefgehen will – da bringt das Buch kleine Freuden in den Alltag zurück. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung dafür.

Veröffentlicht am 30.04.2018

Tage der Angst

Fanatisch
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Nara wurde entführt, und mit ihr befinden sich fünf weitere Mädchen in ihrem erzwungenen Gefängnis. Sechs Tage lang werden an ihnen die sechs barmherzigen Gaben praktiziert, dann stehen alle sechs plötzlich ...

Nara wurde entführt, und mit ihr befinden sich fünf weitere Mädchen in ihrem erzwungenen Gefängnis. Sechs Tage lang werden an ihnen die sechs barmherzigen Gaben praktiziert, dann stehen alle sechs plötzlich vor ihrem Haus und dürfen sechs Tage lang nicht reden, jedes der Mädchen in einem Jogginganzug und mit einer Verletzung an der Hand. Nara fällt es schwer, nicht zu reden, denn sowohl ihre Eltern wie auch die Polizei wollen die Entführung aufklären. Doch Nara hat Angst, dass dann ihrem Bruder etwas angetan wird. Eine weitere Aufgabe soll sie noch erledigen, doch die bringt sie und andere Menschen in Gefahr.

Die Autorin Patricia Schröder entwirft in diesem Roman für Jugendliche ab 14 Jahren ein brandgefährliches Szenario, in dem sich Nara zurechtfinden muss. Immer wieder überlegt sie, ob es sinnvoller ist, Informationen an die Polizei zu geben, damit die Täter gefasst werden, oder ob die Gefahr für ihren Bruder zu groß ist. Aus Naras Sicht wie auch aus der des Täters und eines weiteren Entführten wird die Geschichte aufgerollt, so dass der Leser die Begebenheiten aus drei Perspektiven erfährt. Umso deutlicher wird damit die Gefahrensituation für Nara, und umso spannender wird damit die Erzählung selbst. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, so dass die Geschichte den Leser sehr schnell in seinen Bann zieht und man erst aufatmen kann, wenn man das Buch beendet hat und die Gefahr für Nara endlich vorbei ist. Verblüffend ist die Auflösung, ahnt man doch, wer der Täter sein könnte, doch ist auch wirklich alles so, wie es sich darstellt?

Von mir eine eindeutige Leseempfehlung für dieses spannende Buch, ein Pageturner für junge Leser, aber auch für Erwachsene, denen es mal nicht so blutig, dafür aber spannend und gleichzeitig überraschend sein sollte.

Veröffentlicht am 30.04.2018

Der lang erwartete Abschluss der Neapel-Saga

Die Geschichte des verlorenen Kindes
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In den achtziger Jahren kehrt Elena nach Neapel zurück, und Elena und Lila erleben ihre Freundschaft wieder intensiver. In diesem vierten Band schließt sich der Bogen, den die Autorin auf den ersten Seiten ...

In den achtziger Jahren kehrt Elena nach Neapel zurück, und Elena und Lila erleben ihre Freundschaft wieder intensiver. In diesem vierten Band schließt sich der Bogen, den die Autorin auf den ersten Seiten des ersten Bandes begonnen hat, der Leser erfährt die restliche Geschichte der beiden Frauen, und nimmt die Frage nach dem Verschwinden der Freundin wieder auf.

Auf interessante Weise schildert die Autorin die Freundschaft der beiden Frauen, eine Freundschaft, die von vielerlei (auch negativen) Emotionen begleitet ist. Dabei streift sie schonungslos viele Themen Italiens in den achtziger Jahren bis hin ins neue Jahrtausend, aber auch die Lebensthemen der beiden Frauen erhalten neue Höhepunkte, die den Alltag der beiden betreffen. Deutlich wird, wie Elenas und Lilas Leben miteinander verbunden waren, sowohl in Zeiten der Nähe wie auch des Abstands, wie beide Frauen erst im Miteinander zu derjenigen wurden, die sie im Leben geworden sind: dass Elena erst im Gegensatz zu Lila die Schriftstellerin wurde, während Lila zur heimlichen Macht im Rione Neapels werden konnte. Verblüfft habe ich festgestellt, wie gut es der Autorin gelingt, bereits bekannte Aspekte der Freundschaft zwischen den beiden Frauen herauszuarbeiten, aber auch neue hervorzubringen. Dies scheint mir ähnlich gut gelungen zu sein wie im ersten Band, es war mir eine besondere Freude, diesen Abschluss zu lesen.

Etwas verwirrt hat mich der völlig offene Abschluss des Buches hinterlassen, denn zwar sind viele Fäden des Buches zum Abschluss gebracht worden, aber die wichtigste Frage, mit der die Autorin uns Leser in die Geschichte gelockt hat, wurde nicht aufgelöst. Zugegeben, damit hat sie mich mehr zum Nachdenken gebracht als mit einer vorgegebenen Erklärung. Dennoch bleibt ein Gefühl der Unzufriedenheit, denn dieses offene Ende war für mich nicht vorhersehbar.

Erstaunlich ist es, wie sehr es der Autorin immer noch gelingt, ihre Anonymität zu wahren, scheint das doch in der heutigen Zeit der sozialen Netzwerke kaum machbar. Erstaunlich vor allem auch, weil Elena Ferrante kein Blatt vor den Mund nimmt, um Neapel zu schildern, es ist wahrlich kein touristisch geschöntes Bild, das der Leser hier von dieser Stadt erfährt. Angetan bin ich hingegen davon, wie die Autorin es völlig offen lässt, ob es sich hier um eine Autobiografie handelt oder ob sie die Geschehnisse erfunden hat auf dem Hintergrund der Gegebenheiten in Neapel. Dieses Verwirrspiel ist ihr bis zum Schluss hervorragend gelungen. Bis auf das offene Ende der Geschichte hat mich das Buch dermaßen überzeugt, dass ich nun mit leichten Abstrichen fünf von fünf Sternen vergebe.

Veröffentlicht am 25.04.2018

Vertrackter Kriminalfall

Aisha
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Kommissar Axel Steen wird zum Mord an einem ehemaligen Mitarbeiter des dänischen Geheimdienstes PET gerufen. Kurz danach gibt es einen weiteren Toten Ex-Kollegen. Doch vom PET erhält der Kommissar wenig ...

Kommissar Axel Steen wird zum Mord an einem ehemaligen Mitarbeiter des dänischen Geheimdienstes PET gerufen. Kurz danach gibt es einen weiteren Toten Ex-Kollegen. Doch vom PET erhält der Kommissar wenig Hilfe, im Gegenteil, hier werden seine Ermittlungen behindert. Der Hintergrund zu diesen Morden ist ein Anti-Terror-Einsatz des PET vor einigen Jahren mit strengster Geheimhaltung. In den Akten taucht immer wieder der Name Aisha auf. Was ist damals passiert, und was ist der Auslöser für die Morde von heute? Sind auch die beiden anderen Mitarbeiter des damaligen Einsatzes in Gefahr?

Sehr detailliert und auf verschiedenen Zeitebenen lässt Jesper Stein seinen Kommissar diese vertrackten Ermittlungen betreiben, gegen den Widerstand des PET und trotz aller Behinderungen, die ihm in den Weg gelegt werden. Dabei stößt er auf ein Geheimnis, das sogar beim Lesen schwer zu ertragen ist. Der Spannungsbogen, bereits am Anfang gut gelegt, schießt ab diesem Zeitpunkt dramatisch in die Höhe. Die Protagonisten und ihre Motive sind gut nachvollziehbar, atemberaubend das Tempo der Geschichte. Man ahnt bereits von der ersten Seite an, dass ein furchtbares Geheimnis hinter der Geschichte steckt. Allerdings ist das Buch nichts für Zartbesaitete, es geht ziemlich zur Sache.

Ein spannendes Buch aus einer Reihe um den dänischen Ermittler Axel Steen, das allerdings auch gut ohne die Vorgängerbände gelesen werden kann. Von mir gibt es eine Leseempfehlung und alle fünf möglichen Sterne.

Veröffentlicht am 11.04.2018

Authentischer Histokrimi

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée (Friederike Matthée ermittelt 1)
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Im Januar 1947 haben die Menschen in Deutschland mit eisiger Kälte und den Nachkriegswirren um das Überleben zu kämpfen. Als ein Mord geschieht, soll Richard Davies von der britischen Royal Military Police ...

Im Januar 1947 haben die Menschen in Deutschland mit eisiger Kälte und den Nachkriegswirren um das Überleben zu kämpfen. Als ein Mord geschieht, soll Richard Davies von der britischen Royal Military Police diesen aufklären, und er fordert zur Mithilfe Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei an. In einer Welt, die in Trümmern liegt, ist die Suche nach Gerechtigkeit nicht einfach, vor allem, wenn die Vergangenheit immer wieder ins Geschehen hineinspielt. Ein kleiner Junge hat den Mord beobachtet, nun ist er in größter Gefahr.

Athmosphärisch dicht schildert die Autorin Beate Sauer den harten Winter 1947, als die Menschen verzweifelt versuchten zu überleben, mit all den Gräueln ihrer Vergangenheit und nun vielfach geprägt von Hunger, Flucht, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit. Ein Menschenleben erscheint hier wenig bedeutend, und doch bleiben die beiden Ermittler dran am Geschehen. Auch sie tragen ihre eigene Geschichte mit sich herum, dennoch schaffen sie es, ihre scheinbar so unterschiedlichen Welten einander zu nähern, ihre jeweiligen Motivationen kommen sehr glaubhaft herüber. Die zarte Liebesgeschichte deutet sich schon bald an, auch sie bekommt ihren Anteil an der Erzählung. Die Auflösung des Krimis hat mich überrascht, mit diesem Täter hätte ich nicht gerechnet – im Nachhinein stellt sich jedoch zu Recht die Frage, warum nicht?

Wer dieses Buch liest, erhält einen authentischen Histokrimi, der seiner Geschichte und seinen Protagonisten den nötigen Platz lässt, aber auch ein realistisches Eintauchen in die geschilderten Zeit ermöglicht – dafür möchte ich diesem Buch alle 5 Sterne sowie eine unbedingte Lessempfehlung geben. Ich warte gespannt auf eine Fortsetzung des Buches.