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Veröffentlicht am 11.09.2018

Eine Familie überdenkt ihren Glauben

Wie Opas schwarze Seele mit einem blauen Opel gen Himmel fuhr
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Fünf Personen, drei Generationen, ein Haus. Als Annikas Vater Witwer wird, lädt sie ihn ein bei ihnen in einer Einliegerwohnung zu leben. Ihre Kinder haben zuerst Bedenken. Sie kennen ihren Opa kaum, haben ...

Fünf Personen, drei Generationen, ein Haus. Als Annikas Vater Witwer wird, lädt sie ihn ein bei ihnen in einer Einliegerwohnung zu leben. Ihre Kinder haben zuerst Bedenken. Sie kennen ihren Opa kaum, haben aber gehört, dass er einige merkwürdige Gewohnheiten hat.

Der Vater der drei Kinder ist vor zwei Jahren gestorben. Der älteste Sohn studiert Theologie, die Tochter ist Schulanfängerin. Die Geschichte wird hauptsächlich von Rene, dem mittleren Kind, erzählt, einem ganz normalen 11jährigen, der sich viele Gedanken über Gott und die Welt macht.

Für die kleine Familie ist der Glaube ein selbstverständlicher Teil des Lebens. Umso verstörender ist es, dass der Großvater ihre Gewohnheiten und Überzeugungen hinterfragt. Annika und die zwei Söhne reagieren darauf unterschiedlich. Während die Mutter die Fragen ihres Vaters vor allem als Bedrohung auffasst, ist der größere Sohn sich sicher die besseren Argumente zu haben. Rene ist es nicht gewohnt, dass jemand den Glauben seiner Familie in Frage stellt. Er passt gut auf, wenn sein großer Bruder und Opa streiten, und versucht seinen eigenen Standpunkt zu finden.

Opa bringt Aufruhr mit sich; ob es sein Besuch in der Gemeinde ist, oder sein Interesse an der hübschen Witwe nebenan. Dazu gibt es ein Rätsel, das die Kinder gerne lösen wollen. Warum sammelt Opa Zeitungsausschnitte mit skurrilen Geschichten? Und am Ende steht die Frage, was nach dem Tod kommt.

Die Geschichte ist gut erzählt, die sympathische Familie wechselt sich beim Erzählen der Erlebnisse mit Opa ab. Die Gedanken und Erfahrungen wirken sehr authentisch. Das Hinterfragen von übernommenen Denkmuster ist gut und wichtig. Die Lösungsansätze des Autors überzeugen allerdings nicht.

Im Laufe der Erzählung werden hin und wieder ethische und religiöse Fragen aufgeworfen. Ist für Christen Sex außerhalb der Ehe erlaubt? Wie vertragen sich Glaube und Wissenschaft? Stimmt der biblische Schöpfungsbericht? Kommen Menschen, die sich zu Lebzeiten gegen den Glauben entscheiden, in die Hölle? Die Antworten, die Rene und seine Familie finden, sind allerdings zweifelhaft. So wird die Vorstellung, dass Menschen nach dem Tod noch eine Möglichkeit der Läuterung haben, mit einer Vision des Inders Sundar Singh begründet. Das ist sicher eine angenehmere Vorstellung als ein endgültiges Gericht, aber ohne überzeugende biblische Begründung reicht diese Erklärung nicht aus.

Fazit: Eine gut erzählte, unterhaltsame Geschichte, die aber theologisch nicht überzeugen kann.

Veröffentlicht am 15.08.2018

Sex quergedacht – Möglichkeiten und Gefahren

Scharfstellung
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Die Münchner Paar- und Sextherapeutin Heike Melzer weiß, wo es heute brennt. In ihrem Praxisalltag wird sie mit vielen verschiedenen Problemfeldern konfrontiert. Vieles lässt sich auf die Überreizung der ...

Die Münchner Paar- und Sextherapeutin Heike Melzer weiß, wo es heute brennt. In ihrem Praxisalltag wird sie mit vielen verschiedenen Problemfeldern konfrontiert. Vieles lässt sich auf die Überreizung der Menschen heute durch die jederzeit verfügbaren Angebote des Internets zurückführen.

Ausführlich geht sie der Frage nach, wie das Internet die sexuellen Gewohnheiten und Vorlieben der Menschen heute verändert hat. Ob es um Pornographie, Spielzeug, Selbstbefriedigung oder den käuflichen Sex geht, Sexualität lässt sich auch ohne konkretes Gegenüber verwirklichen. Obwohl es anfangs leichter erscheinen kann lustvolle Gefühle zu erleben, ohne Rücksicht auf einen Partner zu nehmen, führt Solo-Sex in den meisten Fällen langfristig zu Problemen.

In den ersten Kapiteln geht Heike Melzer auf die Veränderung der Sexualität durch das Internet ein. Mit vielen Details beschreibt sie aktuelle Praktiken, die oft durch Erlebnisse aus ihrer Praxis ergänzt werden. Auch Verweise auf die entsprechenden Seiten im Internet fehlen nicht.

In der zweiten Hälfte schreibt Heike Melzer über sexuelle Funktionsstörungen, die momentan stark zunehmen. Sexualität, losgelöst aus einer liebevollen Beziehung, führt zu einer Überreizung der Sinne, die schließlich mit einer lebenszerstörenden Sexsucht oder mit Potenzstörungen enden kann.

Heike Melzer kennt sich aus, denn alltäglich begegnet sie diesen Problemen in ihrer Praxis. Die Hinweise auf Störungen sind notwendig und wichtig. Der Schreibstil des Buchs ist angenehm, und stellenweise gibt es auch lustige Anekdoten. Trotzdem werden wohl viele Leser sich mit diesem Buch nicht anfreunden. Die zwei Hälften sind einfach zu unterschiedlich. Wer mit einem voyeuristischen Interesse liest, und gerne mehr über aktuelle Trends wissen will, wird das erste Teil gerne lesen und den zweiten Teil zu sachlich finden. Wer mehr über die Gefahren der heutigen Zeit wissen will, stört sich vermutlich an den ausführlichen Beschreibungen in der ersten Hälfte, und ist dankbar für die Hinweise in der zweiten Hälfte.

Fazit: Informativ, mit vielen Details, warnt dieses Buch vor der Übersexualisierung unserer heutigen Zeit durch das Internet.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Gute Idee, mittelmäßige Umsetzung

Familie und andere Trostpreise
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Sonny hat alles andere als eine gewöhnliche Kindheit. Seine Eltern lernen sich beim Meditieren kennen. Er wächst bei seiner Mutter auf, da sein Vater noch vor seiner Geburt ins Gefängnis muss. Als Kind ...

Sonny hat alles andere als eine gewöhnliche Kindheit. Seine Eltern lernen sich beim Meditieren kennen. Er wächst bei seiner Mutter auf, da sein Vater noch vor seiner Geburt ins Gefängnis muss. Als Kind wird er entführt, und die nächsten Jahre lebt er mit seinem Vater, dem Guru einer Sekte, in Brasilien.

An seinem 21. Geburtstag erbt er ein Vermögen, was aber im Buch eigentlich keine Rolle spielt. Der Familienfreund, der ihn in den letzten Jahren in USA betreut hat, schenkt ihm zum Geburtstag eine Reise nach England. Auf dieser Reise will er die Schauplätze seiner Lieblingsserie aufsuchen, vor allem aber mit Menschen reden, die ihm mehr über seine Kindheit und seine Eltern erzählen können. Dabei erfährt er Unbegreifliches, und er muss lernen mit seinem neuen Wissen zurechtzukommen.

Sonny musste viel in seinem kurzen Leben mitmachen. Er sehnt sich nach seiner Mutter, von der er seit seiner Kindheit nicht gehört hat. Sein Betreuer und er hatten beide Drogenprobleme, und Sonny leidet aus unerklärlichen Gründen unter merkwürdigen Neurosen.

Insgesamt ist er kein sympathischer Zeitgenosse, weshalb es anfangs schwer ist sich mit diesem Buch anzufreunden. Er ist sichtlich genervt von seinen Gesprächspartnern und vielen anderen in seiner Umgebung, und er hat mit Wut und Hass zu kämpfen. Seine langen Monologe, die sich an seine Mutter richten, lesen sich nur mühsam.

Im Laufe des Buchs kommen andere Personen zu Wort, und das Lesen macht allmählich etwas mehr Spaß. Nervig sind jedoch die dauernden Verweise auf seine Lieblingssendung und andere Filme, vor allem, wenn man die Sendungen nicht kennt.

Die Geschichte hat definitiv Spannungsmomente, vor allem in der zweiten Hälfte, aber die Lesefreude wird mit einem unsympathischen Protagonisten getrübt, und die wiederholten Hinweise auf seine Zombie-Sendung nerven.

Veröffentlicht am 01.05.2018

Wunscherfüllung per Smartphone

Sternschnuppengeflüster
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Drei Mädchen in drei verschiedene Städte finden durch eine App zueinander. Dabei verspricht die App etwas anderes, nämlich die Erfüllung von Wünschen. Und danach sehnen sie sich alle sehr, auch wenn ihre ...

Drei Mädchen in drei verschiedene Städte finden durch eine App zueinander. Dabei verspricht die App etwas anderes, nämlich die Erfüllung von Wünschen. Und danach sehnen sie sich alle sehr, auch wenn ihre Probleme sich sehr unterscheiden.

Leni ist unzufrieden mit ihrem Äußeren und sie ist davon überzeugt, dass sie dick ist. Sie ist unsterblich in einen Jungen an ihrer Schule verliebt, und im nächsten Schuljahr wird er in ihre Klasse kommen. Sie sehnt sich nach einer Beziehung mit ihm, aber dafür müsste sie sich komplett verwandeln, um hübsch genug für diesen attraktiven, sportlichen Jungen zu sein.

Amelie hat zwar auf dem ersten Blick alles, was man sich nur wünschen könnte, aber als sie überhört wie ihre Eltern sich streiten, und auch das Wort „Scheidung“ fällt, bricht eine Welt für sie zusammen. Sie will auf jeden Fall verhindern, dass ihre Eltern sich trennen.

Paula ist mit ihren 16 Jahren etwas älter als ihre neuen beiden 14jährige Freundinnen. Sie sieht nicht nur umwerfend gut aus, sie ist auch eine begabte Schauspielerin, zumindest in der Theatergruppe der Schule. Ihr Traum ist eine Schauspielausbildung, aber ihre Eltern meinen, sie sollte lieber etwas Bodenständiges lernen.

Über den Austausch in der App lernen sich diese Mädchen besser kennen, und sie verbringen auch einige Urlaubstage zusammen. Sie kommen ihren Wünschen näher, vor allem durch die Unterstützung der anderen.

Der Schreibstil dieses Buchs ist wirklich gelungen. Der Text wird aufgelockert durch eingeschobene Nachrichten, die von den Jugendlichen gesendet und empfangen werden. Die Sprache passt sehr gut zur angesprochenen Altersgruppe und wirkt authentisch. Die Probleme und Gefühle der jungen Leute sind gut nachempfunden. Das Ende ist ein richtiges Wohlfühlende und alles kommt zu einem guten Abschluss.

Inhaltlich jedoch ist manches bedenklich, gerade für junge Leser. Obwohl Leni lernt ihren etwas rundlicheren Körper anzunehmen, kreisen in der ersten Hälfte des Buchs ihre Gedanken ständig um ihre Unzufriedenheit mit ihrem Gewicht, ihre Diätversuche und ihre Probleme beim Abnehmen. Sie ist auch ganz darauf fixiert einem bestimmten Frauentyp zu entsprechen (schlank und mit langen, blonden Haaren), um ihren Schwarm für sich zu gewinnen. Auch wenn sie später lernt sich anzunehmen, trägt wohl die Veränderung ihres Aussehens viel dazu bei. Es ist schade, dass das Bemühen um einen Freund auf ein perfektes Aussehen reduziert wird.

In Lenis Freundeskreis gibt es viele Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen. Den Beschreibungen nach, geht es da vor allem um das Körperliche. Ob das nicht etwas zu früh ist für 14jährige?

Und dann diese App; ja, das passt in die heutige Lebenswelt von Jugendlichen, aber so schön in diesem Buch alles endet, birgt eine solche Geschichte ja auch Gefahren. Die Mädchen verabreden sich zu einem ersten Treffen, natürlich ohne dass die Eltern wirklich wissen, was sie vorhaben. Es gibt leider genug Fälle, in denen bei einem solchen Treffen das Gegenüber nicht ein gleichaltriges Mädchen war, sondern jemand mit einer bösen Absicht.

Auch die Wunscherfüllung durch App ist nicht wirklich überzeugend. Die entstandene Freundschaft der Mädchen ist wirklich herzerwärmend, aber die philosophischen Vorstellungen, die im Hintergrund der Wunscherfüllung stehen, sind fragwürdig. Sich etwas ins Sein wünschen und auf das Universum hoffen? Das macht nicht wirklich viel Sinn.

Fazit: Gemischte Gefühle! Eine Geschichte zum Träumen, die wirklich sehr schön und jugendgemäß geschrieben ist, aber inhaltlich nicht unbedingt ratsam für die empfohlene Altersgruppe.

Veröffentlicht am 14.04.2018

Poetische Überlegungen über Gott und den Tod

Mein heller Abgrund
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Christian Wiman wächst in einer ländlichen Umgebung in Texas auf, in der Religion allgegenwärtig ist. Als Kind erlebt er eine Bekehrung, die er aber später in Frage stellt, da er zu dieser Zeit einfach ...

Christian Wiman wächst in einer ländlichen Umgebung in Texas auf, in der Religion allgegenwärtig ist. Als Kind erlebt er eine Bekehrung, die er aber später in Frage stellt, da er zu dieser Zeit einfach nichts Anderes kannte. Als Student trifft er erstmals Atheisten. Für ihn selbst tritt der Glaube in den Hintergrund. Mehr und mehr versteht er sich als Poet. Mit Worten versucht er seine Sicht der Welt und seine Gefühle auszudrücken.

Eine niederschmetternde Krebsdiagnose verändert alles. Der Tod ist von nun an sein ständiger Begleiter. Durch die Krankheit, und zusammen mit seiner geliebten Frau, findet er mit langsamen, zögernden Schritten zurück zu Gott. Aber es bleiben viele Zweifel. Vieles, was er von Gott ahnt, kann er nicht mit Worten ausdrücken. Er zweifelt an der Auferstehung. Einerseits tröstet ihn sein neugefundener Glaube, andererseits hadert er damit. Woran er sich festhält ist die Schwäche und Verlassenheit Jesu am Kreuz, der darum auch sicher ihn in seiner Not verstehen kann.

Dieses Buch ist eine fragmentarische Sammlung von Gedanken und Gedichten, aufgezeichnet im Laufe von mehreren Jahren, in denen der Autor mit seiner Krebserkrankung kämpft. Er spricht von den unaussprechlichen Schmerzen, die seine Erkrankung mit sich bringt, von seinen Kindern, die er vielleicht nicht lange begleiten kann, und immer wieder von seiner verzweifelten Suche nach Gott. Er ahnt, dass sich die Welt nur mit Gott erklären lässt. Er spürt die Lücke, die nur mit Gott gefüllt werden kann. Er spricht aber auch offen über seine Zweifel.

Manche Sätze dieses Buches sind sehr tiefsinnig und sicher wohlüberlegt. Andere erscheinen mir einfach nur verwirrend. Wer Dichtung liebt, wird sicher viel Freude an diesem Buch haben. Auch Menschen, die noch keine Beziehung zu Gott haben und ihn angesichts von Leid suchen, können hier Hilfe und Trost finden. Die Lektüre ist auf jeden Fall nicht einfach. Es ist ein Buch, in dem man immer wieder hineinschauen kann, aber es ist weniger dafür geeignet an einem Stück gelesen zu werden.

Schade, dass lange, komplizierte Sätze die Verständlichkeit dieses Buchs erschweren. Und schade, dass der Autor sich nicht einfach in Gottes liebende Gegenwart fallenlassen kann, ohne alles verstehen zu müssen. Das Überzeugtsein von einer Auferstehung der Toten wäre in der Situation des Autors sicher besonders tröstlich. Ich hoffe seine Suche führt ihn zu dieser Gewissheit.