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Veröffentlicht am 12.10.2018

Über den eigenen Schatten springen...

Verliebt für eine Weihnachtsnacht
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Mache jeden Tag etwas, wovor Du Angst hast.
Anna Eleanor Roosevelt

Mit dem Roman "Verliebt für eine Weihnachtsnacht" präsentiert Sarah Morgan bereits den 7. Band ihrer Reihe "From Manhattan with Love". ...

Mache jeden Tag etwas, wovor Du Angst hast.
Anna Eleanor Roosevelt

Mit dem Roman "Verliebt für eine Weihnachtsnacht" präsentiert Sarah Morgan bereits den 7. Band ihrer Reihe "From Manhattan with Love". Im Mittelpunkt steht die schüchterne Geschäftsfrau Harriet Knight, die ihre Liebe zum Hund zum Beruf gemacht und gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester ein florierendes Unternehmen in Manhattan aufgebaut hat. Nun möchte sie ihr Leben verändern und sich jeden Tag einer Herausforderung stellen. Aber als die Hundesitterin ihren neuesten Kunden kennenlernt, gerät sie mächtig ins Stottern: Obwohl der attraktive Arzt Ethan Black bei vielen Frauen einen Fieberschub auslöst, scheitert er an der Erziehung des unbändigen Spaniels Madi kläglich. Um dem Hund zu helfen, bleibt Harriet nichts anderes übrig, als in Ethans Apartment im winterlichen Manhattan einzuziehen – wo sie sich Hals über Kopf in Ethan verliebt. Doch wenn ihre Arbeit getan ist, muss sich Harriet eines fragen: Hat sie Ethan ihr Herz nur für eine Weihnachtsnacht geschenkt? Oder für ein ganzes Leben?

Das Cover ist in warmen Farben gehalten, nimmt weihnachtliche Motive auf und wirkt zart und verspielt. Am oberen Rand des Deckels kann man die Skyline von Manhattan erkennen, was gleichsam das "Markenzeichen" dieser Reihe von Sarah Morgan ist. Auch der Titel nimmt das Motiv "Weihnachten" auf und ist recht eingängig, wenn auch etwas oberflächlich.


Sarah Morgan ist ein süßer, leichter Liebesroman für die schönste Zeit des Jahres gelungen. Sie beschreibt sehr anschaulich, wie die empfindsame und schüchterne Hundesitterin Harriet, die wegen ihres Stottern eine leichte soziale Phobie entwickelt hat, nach dem Auszug ihrer Zwillingsschwester Fliss ihre "Comfort-Zone" verlassen und sich auf die eigenen Füße stellen muss. Im Laufe der Wochen bewältigt sie verschiedene Herausforderungen, vor denen sie sich bisher erfolgreich gedrückt hat, und gewinnt mehr und mehr Selbstvertrauen.

Durch ihren Job als Hundesitterin (und einen Besuch in der Ambulanz) lernt sie Ethan, einen attraktiven Arzt aus der Notaufnahme des Krankenhauses kennen. Ebenso wie Harriet schleppt er ein schweres Handicap mit sich herum. Wegen seines anstrengenden Berufs ist seine erste Ehe gescheitert, und er hat seine Gefühle strikt abgeschaltet und will niemand mehr an sich heranlassen. Ob es Harriet gelingen wird, seine rauhe Schale zu knacken und ihn für mehr als eine Weihnachtsnacht an sich zu binden - nun, das möchte ich nicht verraten, schließlich sollt ihr das Buch selbst lesen.

Mir hat dieser humorvolle Roman gut gefallen, und ich empfehle ihn allen weiter, die sich auf ein besinnliches Weihnachtsfest voller Liebe und Romantik einstimmen wollen.

Veröffentlicht am 10.10.2018

Ein ehrenwertes Haus...

3 Zimmer, Küche, Mord
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Mit ihrer Ruhrpott-Krimödie "Drei Zimmer, Küche, Mord" hat Lotte Minck bereits den 10. Band ihrer Reihe um die clevere und schlagfertige Amateur-Detektivin Loretta Luchs vorgelegt, die in ihrer Freizeit ...

Mit ihrer Ruhrpott-Krimödie "Drei Zimmer, Küche, Mord" hat Lotte Minck bereits den 10. Band ihrer Reihe um die clevere und schlagfertige Amateur-Detektivin Loretta Luchs vorgelegt, die in ihrer Freizeit immer wieder in Verbrechen verstrickt wird. Nach ihren vergangenen Abenteuern wünscht sie sich nichts sehnlicher als ein Leben "mit ohne Morde". Dumm nur, wenn nach kaum einer Woche im neuen Haus ein Toter im Hof liegt, dessen Ableben augenscheinlich keine natürliche Ursache hat. Da die Polizei schon bald wieder auf den Holzweg gerät, bleibt dem unschlagbaren Ermittlerduo Loretta und Erwin nichts anderes übrig, als der Mietergemeinschaft in dem nach außen so ehrenwerten Haus selbst mal richtig auf den Zahn zu fühlen …

Das Cover von Ommo Wille ist wieder ein Hingucker und spiegelt den Inhalt des Buches. Das Mietshaus macht einen etwas renovierungsbedürftigen Eindruck, die Fassade könnte einen neuen Anstrich vertragen. Loretta steht auf ihrem Balkon und späht - bewaffnet mit ihrem Fotoapparat - in den Garten hinab. Die bunten Blumen in den frisch bepflanzten Balkonkästen wirken sehr hübsch, auch die Dekoration mit einem Traumfänger und einem Klangwindspiel macht einen ruhigen, harmonischen Eindruck. Allerdings ist dieser friedliche Eindruck trügerisch, wenn man die Rückseite des Buches betrachtet. Auf einer Bank sitzt ein Mann. Unter der Schirmmütze ist eine Kopfwunde verborgen, das Blut rinnt seinen Nacken herab. Auch die Tauben sind in schwarzes Licht getaucht und vermitteln eine düstere Atmosphäre. Hier ist ein Verbrechen geschehen - vor den Augen von Loretta!
Cool finde ich den Spruch, der auf die Lehne der Bank gekratzt ist: I ❤️Ruhrpott. Da kann ich mich nur anschließen

Wie immer klingt der Plot vielversprechend, und das Setting in einem leicht renovierungsbedürftigen Mietshaus mitten im Ruhrpott ist gut gewählt. Lotte Minck hat die einzelnen Bewohnern mit ihren charakteristischen Eigenarten anschaulich beschrieben. Die Bandbreite reicht von einem eifersüchtigen Teenager über einen selbstveriebten Lehrer bis zu einer alten Dame, die sich gern in das Leben ihrer Mitbewohner einmischt und für mich durchaus Züge der berühmten Else Kling aus der Lindenstraße aufweist. Lotte Minck gelingt es spielend, diese besondere Kulisse mit viel Leben zu füllen. Vor allem der alte Taubenvatta, der seine diebischen Lieblingstiere unter dem Dach hegt und pflegt, steht mir lebhaft vor Augen.

Im Mittelpunkt steht Loretta Luchs, die in einem Call-Center der ganz besonderen Art tätig ist. In ihrem Falle ist Nomen Omen. Sie ist eine clevere, schlagfertige sympathische Heldin, die ihr loses Mundwerk nicht immer in Zaum halten kann und manchmal mit ihren (nicht allzu lieben) Mitmenschen aneinander gerät. Trotzdem hat sie das Herz am rechten Fleck, was man an ihre langjährige Freundschaft mit Frank, Bärbel, Erwin und Doris, aber auch mit ihrer in den Norden von Deutschland verzogenen besten Freundin zeigt. In ihrem neuen Dach über dem Kopf möchte Loretta eigentlich auf weitere Aktivitäten als Amateur-Detektivin verzichten, aber es kommt wieder einmal anders als sie denkt. Ab sofort mit ohne Morde - is nich drin, woll?

Lotte Minck beweist wieder einmal, dass ein guter Krimi auf blutige Gemetzel verzichten kann. Ihre Ruhrpott-Krimödie punktet mit Charme, Spannung und Witz - und viel Lokalkolorit. Vor allem die typischen Redewendungen aus dem Pott tragen viel zu einer ganz besonderen Wohlfühl-Atmosphäre bei, wie jeder Freund des Ruhrgebietes bestätigen wird. Aus diesem Grunde vergebe ich gern 5 Sterne und hoffe auf eine weitere Fortsetzung mit meiner persönlichen Lieblingsheldin Loretta Luchs, die mirin den vergangenen Jahren sehr ans Herz gewachsen ist. Iss klar, woll?

Veröffentlicht am 03.10.2018

Big brother is watching you...

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
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Mit seinem Bestseller "Das Jesus-Video" ist der deutsche Schriftsteller Andreas Eschbach zu einem der bedeutendsten Science-Fiction-Autoren avanciert und in der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. ...

Mit seinem Bestseller "Das Jesus-Video" ist der deutsche Schriftsteller Andreas Eschbach zu einem der bedeutendsten Science-Fiction-Autoren avanciert und in der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Heute legt er sein neues Werk "NSA - Nationales Sicherheits-Amt" vor, das sich mit einem brisanten Thema auseinandersetzt. 1942 arbeitet die Programmiererin Helene im Nationalen Sicherheits-Amt und entwickelt dort Programme, mit deren Hilfe alle Bürger des Reichs überwacht werden. Erst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, regen sich Zweifel in ihr. Mit ihren Versuchen, ihm zu helfen, gerät sie nicht nur in Konflikt mit dem Regime, sondern wird auch in die Machtspiele ihres Vorgesetzten Lettke verwickelt, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet.

Was wäre, wenn es im Dritten Reich schon Computer gegeben hätte, das Internet, E-Mails, Mobiltelefone und soziale Medien - und deren totale Überwachung? Wenn man so will, ist diese Frage der zentrale Dreh- und Angelpunkt, um den dieser Roman kreist. Der außergewöhnliche Plot macht auf das Buch neugierig, und das Setting in Weimar, das gar nicht so weit von der Hauptstadt Berlin entfernt gelegen ist und eine zentrale Rolle im Nationalsozialismus spielte, ist perfekt gewählt.

Das in einem bräunlichen Farbton gehaltene Cover ist spektakulär gestaltet worden und übt eine magische Anziehungskraft aus, der man sich nicht entziehen kann. Der Betrachter sieht ein weit geöffnetes einzelnes Auge, das sich auf ihn fokussiert. Nichts scheint seiner Aufmerksamkeit entgehen zu können. Der Titel "Nationales Sicherheits-Amt" einprägsam und klug gewählt. Die Abkürzung "NSA" fügt sich einerseits in die im Dritten Reich übliche Flut von gebräuchlichen Abkürzungen, rekurriert aber andererseits auf eine tatsächlich existierende Einrichtung. Fast zwangsläufig fühlt man sich an den National Security Agency (NSA) erinnert, den größten Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten.

Das Geschehen wird aus zwei Perspektiven erzählt. Im Mittelpunkt steht Helene Bodenkamp, die aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt und sich bereits in ihrer Schulzeit auf das Programmieren spezialisiert hat. Helene ist eine kleine graue Maus, die den Typ der politisch uninteressierten Mitläuferin verkörpert und dank ihrer hervorragenden Leistungen einen Arbeitsplatz im Nationalen Sicherheits-Amt erhält, wo sie auf Eugen Lettke trifft, der als Sohn eines Kriegshelden aus dem 1. Weltkrieg den "U.K."-Status besitzt und von einem Einsatz im Krieg befreit ist. Optisch gesehen, erfüllt der große, blonde und bläuäugige Eugen Lettke als nordischer Typ das nationalsozialistische Rassenideal und verfügt über den Arier-Status "AAA". Charakterlich gesehen, sieht es eher düster aus. Seinen sicheren Job im NSA nutzt Eugen Lettke für seinen ganz persönlichen Rachefeldzug.

Eine klare Zuordnung zu einem literarischen Genre fällt mir schwer. Ich erkenne Elemente von Dystopie, Science Fiction, Politthriller und historischem Roman. Sogar eine zarte Liebesgeschichte zwischen Helene und Artur, einem Deserteur, fehlt nicht. Auf jeden Fall ist es eine aufregende, mitreißende Mischung, und man möchte das neue Werk von Andreas Eschbach nicht mehr aus den Händen legen.

Dieses Buch ist ein wahrer Pageturner, der seinen Leser von der ersten bis zur letzten Seite (und das sind immerhin fast 800 Seiten) in Atem hält. Andreas Eschbach erzählt eine faszinierende, spannende Geschichte, in der die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. Nach der Lektüre bleibt man verstört zurück und wird lange über dieses gedankliche Experiment nachdenken müssen. Was kann man sich mehr wünschen?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Thema
  • Geschichte
  • Charaktere
  • Spannung
Veröffentlicht am 03.09.2018

Grün ist die Heide...

Spätsommerfreundinnen
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"Wie heisst es so schön? Alle sieben Jahre ändert sich der Mensch." (Jette)

Viele Leserinnen schwärmen von den Wohlfühl-Romanen der Bestseller-Autorin Anne Barns. Nun hat sie das neue Buch "Spätsommerfreundinnen" ...

"Wie heisst es so schön? Alle sieben Jahre ändert sich der Mensch." (Jette)

Viele Leserinnen schwärmen von den Wohlfühl-Romanen der Bestseller-Autorin Anne Barns. Nun hat sie das neue Buch "Spätsommerfreundinnen" veröffentlicht, das unter ihrem echten Namen Andrea Russo erscheint und sich an eine etwas andere Zielgruppe richtet.

Im Mittelpunkt steht die 49-jährige Jette, die ihren bisherigen Werdegang nach ihrer Scheidung kritisch überdenkt. Den alten Gasthof in ihrem Heimatort übernehmen und nur noch tun, was sie liebt: Kochen und Backen. In ihrer Jugend war das Jettes Traum. Aber dann hat sie studiert und ist in die Stadt gezogen, hat geheiratet und ihre wunderbare, inzwischen erwachsene Tochter bekommen. Als Jette jetzt erfährt, dass der Wirt des Gasthauses gestorben ist, fährt sie zum ersten Mal nach langer Zeit wieder in den Ort in der Heide, um Abschied zu nehmen. Und plötzlich kehren all die Erinnerungen an damals zurück und mit ihnen Gefühle, die Jette längst vergessen hatte.

Die meisten Bücher aus dem Mira Taschenbuch Verlag besitzen wunderschöne Cover, die ihren Inhalt auf eine subtile Weise spiegeln, und der neue Roman von Andrea Russo bildet keine Ausnahme. Von einem liebevoll gedeckten Tisch aus genießt man einen herrlichen Ausblick auf die blühende Heidelandschaft. Wenn man so will, spiegelt sich die ganze Magie der Heideblüte in den violetten Farbtönen. Der prägnante Titel bleibt im Gedächtnis haften und macht deutlich, dass Frauen in den allerbesten Jahren nicht verwelken, sondern aufblühen und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen können.

Der Plot hat mich sofort angesprochen, und das Setting in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide gut gewählt, weil dieses bekannte Naturschutzgebiet Gastlichkeit und Erholung im ländlichen Rahmen verbindet. Durch atmosphärisch dichte Beschreibungen kann man sich alle Schauplätze der Handlung plastisch vorstellen. Auch die Protagonisten sind sorgfältig ausgearbeitet worden und spiegeln mit ihren Ecken und Kanten das echte Leben wieder.

Dies gilt vor allem für Jette, mit der sich alle Leserinnen aufgrund der gewählten Ich-Perspektive leicht identifzieren können. Sie durchlebt das Auf und Ab der Wechseljahre, findet auf Umwegen zu sich selbst, nutzt die sich ihr bietenden Chancen und genießt den Spätsommer ihres Lebens, mit ihren guten Freundinnen und einem neuen Partner an ihrer Seite.

Andrea Russo hat die richtigen Zutaten für dieses Buch gewählt, und es hat mich (nicht zuletzt durch den locker-lakonischen Stil) in jedem Punkt überzeugt. Als begeisterte Hobby-Köchin habe ich mich über die köstlichen Rezepte im Anhang gefreut, die richtig Lust machen, sich an den heimischen Herd zu stellen. Gern vergebe ich fünf Sterne an ein hinreißendes Buch, das allen Frauen in den besten Jahren Mut machen will, ihren Träumen zu folgen und ihrem Leben eine ganz andere Richtung zu geben.

Veröffentlicht am 18.08.2018

Medizin ohne Menschlichkeit

Das Verschwinden des Josef Mengele
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In seinem Tatsachenroman folgt Oliver Guez den Spuren von Josef Mengele, eines deutschen Mediziners und Anthropologen. 1949 flüchtet der bestialische Lagerarzt von Auschwitz, nach Argentinien. In Buenos ...

In seinem Tatsachenroman folgt Oliver Guez den Spuren von Josef Mengele, eines deutschen Mediziners und Anthropologen. 1949 flüchtet der bestialische Lagerarzt von Auschwitz, nach Argentinien. In Buenos Aires trifft er auf ein dichtes Netzwerk aus Unterstützern, unter ihnen Diktator Perón, und baut sich Stück für Stück eine neue Existenz auf. Mengele begegnet auch Adolf Eichmann, der ihn zu seiner großen Enttäuschung nicht einmal kennt. Der Mossad sowie Nazi-Jäger Simon Wiesenthal und Generalstaatsanwalt Fritz Bauer nehmen schließlich die Verfolgung auf. Mengele rettet sich von einem Versteck ins nächste, lebt isoliert und wird finanziell von seiner Familie in Günzburg unterstützt. Erst 1979, nach dreißig Jahren Flucht, findet man die Leiche von Josef Mengele an einem brasilianischen Strand.

Das Cover wirkt nichtssagend, aber es greift das Spiel mit wechselnden Identitäten auf. Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man eine Portraitaufnähme von Dr. Josef Mengele. Sie scheint in Flammen aufzugehen. Nichts von der alten Identität soll übrig bleiben, seine Spur soll sich im Nichts verlieren. Übrig bleibt ein weißes Stück Papier. Der Todesengel von Auschwitz wird zu einem scheinbar unbeschriebenen Blatt, das in einem weit entfernten Land weiterhin existieren konnte, ohne für seine Verbrechen jemals zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Auch der Titel ist bewusst zurückhaltend gewählt worden. Durch seine signalrote Farbe fällt er ins Auge und weist auf das vergossene Blut von unschuldigen Opfern hin.

Oliver Guez schreibt in einer einfachen, klaren, schlichten Sprache. Er fühlt sich in die Psyche eines Kriegsverbrechers ein, wahrt aber eine kritische Distanz. Nichts an diesem Buch ist reißerisch aufgemacht. Trotzdem wird es jeden Leser erschüttern, der sich mit diesem Werk auseinandersetzt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs führte Dr. Josef Mengele ein banales, unauffälliges Leben, finanziell unterstützt von seiner vermögenden Familie in Deutschland, geschützt durch ein gut funktionierendes Netzwerk in Südamerika, verborgen von geldgierigen Sympathisanten und weitgehend unbehelligt von seinen Jägern, die seine Fährte aufgenommen, ihn aber im Gegensatz zu anderen Kriegsverbrechern nicht gestellt und vor Gericht gebracht hatten. Sein Denken kreiste ausschließlich um ihn selbst; für andere Menschen fehlte ihm jegliches Einfühlungsvermögen und Verständnis.

Was bleibt von Josef Mengele? Die Erinnerung an einen egozentrischen, feigen, jähzornigen, unbelehrbaren Menschen, der sich Selbstmitleid suhlte und nicht imstande war, seine Fehler zu erkennen, sich seiner Verantwortung zu stellen, für seine Verbrechen zu büßen und seine Opfer um Vergebung zu bitten.

Mich hat diese längst überfällige historische Spurensuche tief beeindruckt. Aus diesem Grunde vergebe ich fünf Sterne und spreche eine klare Lese-Empfehlung aus.