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Veröffentlicht am 22.01.2019

Erfolgreiches Harmoniestreben

Der Pub der guten Hoffnung
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Der Start in die Geschichte ist wie ein alles zerstörender Riesencrash, der den maximal möglichen Super-GAU für ein Leben darstellt. Niemand möchte einen geliebten Menschen verlieren. Schlimmer ist es, ...

Der Start in die Geschichte ist wie ein alles zerstörender Riesencrash, der den maximal möglichen Super-GAU für ein Leben darstellt. Niemand möchte einen geliebten Menschen verlieren. Schlimmer ist es, wenn das eigene Kind vor den Eltern aus dem Leben scheidet. Aber wie grauenhaft muss es erst sein, wenn das eigene Kind sich selbst umbringt, und dabei noch weitere Menschen mit in den Tod reißt?

Eine ungefähre Vorstellung wird in der ersten Hälfte des Buches vermittelt. Unterschwellige gegenseitige Vorwürfe, eigene Schuldgefühle, Selbstzweifel und Selbsthass belasten Eltern von Amokläufern. Dazu kommt die unüberwindbare Kluft zwischen den Tätereltern und dem ganzen Umfeld. Niemand will mit „solchen Leuten“ in Verbindung gebracht werden. Sofortige soziale Isolation ist die Folge. Nur noch die sensationsgeilen Medien haben ein Interesse an einem. In einer solchen Situation nicht durchzudrehen, ist schier unmöglich.

Sam und Hannah haben zunächst sehr unterschiedliche Bewältigungsstrategien, sie in der Klinik und er mit Hilfe einer Auszeit in Wales. Erst als „Der Pub der guten Hoffnung“ als gemeinsames Projekt Potential für ein neues Leben erkennen lässt, können beide nach und nach wieder an einem Strang ziehen. Je mehr neue Kraft sie daraus schöpfen, desto zufriedener und selbstsicherer werden sie wieder. Neues Vertrauen und mehr Offenheit ihrerseits lässt schließlich auch neues Glück zu.

Der Roman beschreibt einen nahezu optimalen Heilungsprozess. In der Realität dürfte die Bewältigung eines solchen Schicksalsschlages, sowie auch das Leben an sich, deutlich komplizierter sein. Viele Dinge gehen mir zu einfach. Als Sam, der ja Lehrer ist, dem pubertierenden Finn bei dessen Problemen in der Schule helfen will, zeigt der wenig Gegenwehr. Oder, als Sam Hannah den Vorschlag unterbreitet, in Wales einen Pub zu betreiben, fragt sie nicht nach Finanzierbarkeit oder nach Sams Konzept dafür. Sie nimmt den Vorschlag, ohne mit der Wimper zu zucken, einfach an.

Fazit: Alles in allem ist das Buch nicht unbedingt durch Spannung gekennzeichnet. Es handelt sich vielmehr um ein zuverlässiges Buch, das in der jeweiligen Situation genau das liefert, was man sich gerade auch wünschen würde. Es ist in gewisser Hinsicht wie die meisten von uns harmoniebedürftig.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Wissenschaftlich interessant

Der Schlüssel des Salomon
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Beim Betrachten des Symbols auf dem Cover mit seinen ineinander liegenden Sternen, den, an den Sternspitzen platzierten, Ziffern und den umlaufenden Schriftzügen, musste gleich an Illuminati und Da Vinci ...

Beim Betrachten des Symbols auf dem Cover mit seinen ineinander liegenden Sternen, den, an den Sternspitzen platzierten, Ziffern und den umlaufenden Schriftzügen, musste gleich an Illuminati und Da Vinci Code denken. Bestärkt wurde ich dann durch den Klappentext, der einen spannenden Thriller versprach.

Im Europäischen Kernforschungszentrum findet ein Jahrhundert-Experiment statt. Die beteiligten Wissenschaftler erwarten voller Spannung das Ergebnis, doch dann muss das Experiment abgebrochen werden. Die Leiche von Frank Bellamy, dem Wissenschaftsdirektor der CIA, wird in der Apparatur gefunden.
Bei der Leiche wird ein Zettel mit dem Hinweis auf einen Schlüssel und Tomás Noronha gefunden. Die CIA wertet dieses Indiz als Beweis für Noronhas Täterschaft. Also geht die Jagd auf ihn los. Kapitel aus Sicht der Gejagten und aus Sicht der Verfolger wechseln sich ab. Mehrfach gelingt es Tomás Noronha nur gerade so noch zu entwischen. Weil sie ihm helfen, werden im Laufe der Zeit weitere Personen aus Noronhas Umfeld mit in die Geschichte reingezogen.

Da es kein Entkommen zu geben scheint, setzt Tomás Noronha alles daran, seine Unschuld zu beweisen. Dazu muss er das Rätsel, das aus dem gefundenen Zettel entstanden ist, auflösen. Der Lösungsweg führt ihn über die diversen wissenschaftlichen Ansätze zu Erklärung der Entstehung von Realität. Man folgt seinen Gedankengängen und bekommt automatisch die verschiedenen Meinungen namhafter Wissenschaftler, wie Einstein, Bohr, Schrödinger, Feynman etc. präsentiert. Zeitweise wirkt es fast so, als würde man den wissenschaftlichen Diskussionen zwischen Einstein und Co live beiwohnen.

Obwohl mich die verschiedenen Denkansätze wirklich sehr interessiert haben, nehmen sie hier so viel Platz ein, dass die Spannung, die ich von einen Thriller erwarte, bezüglich der skizzierten Haupthandlung im Schlüssel des Salomon nur am Anfang und am Ende zu spüren ist. Das Suchen nach der Lösung des Rätsels hatte zwar auch eine gewissen Spannung. Diese wahrzunehmen, setzt aber einen gewissen Faibel für derartige Gedankenspiele und Argumentationsketten voraus.

Wirklich zu bemängeln ist für mein Empfinden die Darstellung der beteiligten CIA-Protagonisten. Sie wirken auf mich etwas zu flach. Ihr Handeln war impulsiv, überhaupt nicht hinterfragend, was sie natürlich auf den falschen Weg lockte. Sie wollten nur vertuschen und Mitwisser aus dem Weg räumen. Am Ende sind unschuldige Menschen tot. Wenn ich mir diese Handlungsweise des CIA in der Realität vorstelle, wird mir Angst.

Insgesamt hält das Buch zwar nicht, was Cover und Klappentext versprechen. Wenn man seinem Wunsch nach einem spannenden Thriller etwas aufgibt bzw. zurückstellt, kann man an einer durchaus interessanten wissenschaftlichen Diskussion teilhaben.

Veröffentlicht am 22.12.2018

Mehr Roman als Thriller

Die Plotter
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Angepriesen wurde mir Un-Su Kim als „koreanischer Henning Mankell“. Davon angefixt habe ich mich sofort in die unmenschliche Welt der Plotter, Auftragskiller, Tracker und Cleaner gestürzt. Überaus ansprechend, ...

Angepriesen wurde mir Un-Su Kim als „koreanischer Henning Mankell“. Davon angefixt habe ich mich sofort in die unmenschliche Welt der Plotter, Auftragskiller, Tracker und Cleaner gestürzt. Überaus ansprechend, zusätzlich verlockend, ist die Optik des angekündigten Thrillers. Abgebildet ist eine Dahlie auf schwarzem Grund, über der gerade ein Blutregen nieder geht. Die Blutspritzer setzen sich auf dem Buchschnitt fort, so als würde einen der erste Mord ins Auge springen, sobald man das Buch aufschlägt.

Zu Beginn ist es richtig aufregend und spannend, den Elite-Killer Raeseng bei seinen Aufträgen zu begleiten. Auch die Entsorgung der dabei anfallenden Leichen ist ein hoch interessanter Vorgang. Nach dem ersten Einblick in das Leben der Killer-Elite konzentriert sich der Roman jedoch eher auf den politischen Umbruch und die damit einhergehende Neuordnung der Machtverhältnisse im Plotter-Milieu. Ja, ich empfinde „Die Plotter“ mehr als Roman, der ein brutales Umfeld thematisiert, denn als Thriller. Dazu hätte ich mir durchweg das Spannungsniveau der Anfangsphase gewünscht.

Raeseng selbst kommt als nachdenklicher Typ rüber. Er zweifelt an seiner Tätigkeit, möchte das Auftragskillerdasein aufgeben, fragt sich immer wieder, ob es für ihn nicht auch hätte anders laufen können. Eigentlich möchte er sich möglichst weit entfernt im Ausland absetzen. Mit seinen Wegbegleitern tauscht er sich stets bei ein, zwei Flaschen Soju über seine Gedanken aus, auch über das die Plotter gegenseitig provozierende Machtvakuum. Bei Uneinigkeit ersetzen Blicke Worte. Die Charaktere funkeln sich an. Trotz seines Wunsches, sich der drohenden Gefahr zu entziehen, wird Raeseng immer tiefer in den Konflikt hineingezogen.

So zieht sich leider der erwartete Thriller als langatmiger Roman hin. Die für einen Thriller aus meiner Sicht zu langen Kapitel tragen ihren Teil dazu bei. Etwas unglücklich konstruiert habe ich zudem das Eintreten neuer Charaktere in die Story empfunden. Zeitweise taucht in jedem Kapitel eine neue Persönlichkeit auf. Vielleicht auch dadurch wirkte der Roman auf mich irgendwie abgehakt. Ein richtiger Thriller-Lesefluss, wo man am liebsten in einem Zug durchlesen möchte, kam nicht auf. Dadurch unbefriedigt fand ich schließlich die ewige Soju-Trinkerei der Protagonisten und das ständige gegenseitige Anfunkeln nervig. Ebenso störend kamen die recht offensiven Product Placement Szenen rüber.

Letztlich war es einerseits interessant, sich mit dem Stil eines koreanischen Autors auseinander zu setzen, der ein extrem gewalttätiges Umfeld weniger voyeuristisch und irgendwie „sauberer“, im Sinne von „reinlicher“ skizziert. Vielleicht entspricht das der koreanischen Kultur. Andererseits hat mich der Mangel an echter Spannung enttäuscht. Aus meiner Sicht hinkt der Vergleich mit Henning Mankell.

Ich gebe eine eingeschränkte Leseempfehlung an alle experimentellen Leser, die sich gern auf etwas Neues, immer wieder Anderes einlassen können.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Brotbacken zur Besinnung auf das Wesentliche

Ca. 750 g Glück – Das kleine Buch über die große Lust sein eigenes Sauerteigbrot zu backen
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Brotbacken bedarf Geduld, eine Gabe, die uns heutzutage viel zu oft abhanden gekommen scheint, ein wenig Disziplin und Aufmerksamkeit dem Teig gegenüber. Denn nur wenn man gewisse Regeln beachtet, hat ...

Brotbacken bedarf Geduld, eine Gabe, die uns heutzutage viel zu oft abhanden gekommen scheint, ein wenig Disziplin und Aufmerksamkeit dem Teig gegenüber. Denn nur wenn man gewisse Regeln beachtet, hat man die Chance aus den Zutaten Wasser, Mehl und Salz ein genießbares Brot entstehen zu lassen.

Wer einen Rezeptband mit Geling-Garantie erwartet, ist hier bei „Ca. 750 g Glück“ an der falschen Adresse. Ein perfektes Brot steht hier weniger im Fokus, viel mehr die Leidenschaft beim Anrühren der Zutaten, beim Beobachten und Belauschen des Sauerteiges, beim sanften Kneten des Brotes, beim Duft des Backens und beim Warten auf das Anschneiden des fertigen Brotes. Auf mich wirkte der Ansatz wie das Weihnachtslied „Vorfreude, schönste Freude ...“.
Sprachlich wurde die Idee der Entschleunigung beim Brotbacken mit Witz und Charme umgesetzt. Unsere „Luxusprobleme“ von heute und unser Umgang damit werden gekonnt auf die Schippe genommen.

Die Aufmachung des Buches mit dem schlichten roten Titel wirkt äußerlich wie die handgeschriebenen Rezeptbücher meiner Mutter früher, was ich sehr ansprechend finde. Die Oberfläche ist so strukturiert, dass es nach einem Leineneinband aussieht. Die Buchseiten sind, wie bei anderen Back- und Kochbüchern auch, aus hochwertigem, schneeweißen Papier. Bebildert wurde das Buch sehr dezent teils in Farbe, teils monochrom. Insgesamt eine hübsche Sache.

Fazit: Da es sich nicht um ein „reinrassiges“ Backbuch handelt, kann ich nur eine eingeschränkte Leseempfehlung geben. Mir hat es gut gefallen, mein erster Starter ist angerührt, ich bin nun gespannt, was daraus wird.

Veröffentlicht am 04.10.2018

Unter Biestern

Ins Dunkel
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Vielleicht hat jeder von uns schon einmal wahrgenommen, was passiert, wenn zu viele Frauen ohne den ausgleichenden Spirit von ein paar Herren über einen längeren Zeitraum mit einander auskommen müssen, ...

Vielleicht hat jeder von uns schon einmal wahrgenommen, was passiert, wenn zu viele Frauen ohne den ausgleichenden Spirit von ein paar Herren über einen längeren Zeitraum mit einander auskommen müssen, vielleicht in einer Mädels-Clique während der Schulzeit oder im beruflichen Alltag in vom weiblichen Geschlecht dominierten Abteilungen. Wenn es gut läuft, gibt es nur hin und wieder Differenzen, andernfalls zicken sie sich richtig an.

Genau dies sollte wohl bei BaileyTennants vermieden werden, indem man mit abwechselnder Besetzung jedes Jahr Survival-Trails mit Mitarbeitern und Führungskräften als Teambuilding-Maßnahme durchgeführt hat. Die aktuelle Besetzung, ein Damen- und ein Herrenteam, soll nun innerhalb von drei Tagen den Mirror Falls Trail im Giralang-Massiv absolvieren. Das Herrenteam erreicht das vereinbarte Ziel termingerecht. Von den fünf gestarteten Damen kommen Tage später schwer gezeichnet nur vier wieder zurück. Alice bleibt im Wald verschwunden.

„Ins Dunkel“ beschreibt in zwei sich abwechselnden Handlungssträngen die Wanderung in die Katastrophe. Dabei begleiten wir einerseits Jill, Bree, Beth, Lauren und Alice auf ihrem beschwerlichen Weg und auf der anderen Seite die örtliche Polizei bei der Suche nach Alice, sowie den Ermittler Aaron Falk und seine Partnerin Carmen, die eigentlich aus anderen Gründen an BaileyTennants interessiert sind.

Die fünf Damen waren mir allesamt unsympathisch. Ich kam an keine so richtig heran, konnte mich auch mit keiner identifizieren. Am wenigsten mochte ich Alice. Warum das so war, steht auch gleich im ersten Absatz: „Alice hatte eine so scharfe Zunge, dass man sich daran schneiden konnte.“

Aaron Falk wirkte hier ein wenig fehl am Platz, weil das, was hauptsächlich zu ermitteln war, nämlich das Verbleiben von Alice, nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fiel. Trotzdem hat er die lokalen Behörden bestmöglich unterstützt. Durch den Erkenntnisgewinn über Eltern-Kind-Beziehungen ist es ihm gelungen, in seinem eigenen Leben ein Stück mehr Ordnung zu bringen.

Am besten hat mir Carmen gefallen. Ihre natürliche und rücksichtsvolle Art hat mich direkt angesprochen. Sie ist die perfekte Ergänzung zu Aaron im Dienst. Im Privaten hat sie immer ein offenes Ohr für ihn. Zudem ist sich Carmen auch nicht zu schade, ihrem Partner mit einem Tritt in den Hintern auf den richtigen Weg zu verhelfen.

Wenn man davon absieht, dass „Ins Dunkel“ eher ein Abenteuerroman mit Thrillerelementen ist und dass für einen richtigen Thriller die Spannung zu spät anschwillt, hat mir das Buch ganz gut gefallen. Als Leser war ich lange Zeit ganz im Dunklen unterwegs. Ich hätte mir gewünscht, mit einer Ahnung auf den Holzweg gelockt zu werden. Als mir dann sehr spät klar wurde, worauf das Ganze hinaus läuft, war es auch genau so.