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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.07.2019

Toller Roadtrip!

WEST
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Nach dem Lesen bleibe ich ziemlich ratlos zurück. Ist das ein Gleichnis, eine Fabel? Steckt eine versteckte Botschaft in diesem Büchlein? Das Lesen an sich war ebenso ein Abenteuer wie die Reise von Cy ...

Nach dem Lesen bleibe ich ziemlich ratlos zurück. Ist das ein Gleichnis, eine Fabel? Steckt eine versteckte Botschaft in diesem Büchlein? Das Lesen an sich war ebenso ein Abenteuer wie die Reise von Cy Bellmann. Um einem Fund auf die Spur zu gehen, von dem er in der Zeitung gelesen hat, gibt er alles auf. Nicht nur sein Zuhause und seine Farm, sondern auch seine Tochter Bess.

In seinem kleinen Heimatdorf in Pennsylvania bekommt er für sein Vorhaben Gegenwind, doch davon lässt er sich nicht beeindrucken. Einzig seine Tochter glaubt an ihn und kann es kaum erwarten, dass ihr Vater zurückkommt.

„In ihren Augen war er heldenhaft, tapfer und entschlossen. […] Er war ein Mann mit einer Mission […]. Sie zweifelte kein bisschen daran, dass sie ihn wiedersehen würde.“ (Zitat)

Zusammen mit einem Indianer namens „Alte Frau aus der Fremde“ macht er sich auf, die unglaublichen Weiten Amerikas zu erkunden. Was mir besonders gut gefällt, ist dass die Autorin den Leser über Cys Route mehr oder weniger im Unklaren lässt. Wir bekommen keine Anhaltspunkte, wo genau er langreitet, wo er sich befindet, sondern können es lediglich anhand einiger Wegweiser - wie dem Fluss oder dem Gebirge - erahnen. Das macht Amerika in dieser Geschichte größer, als es damals war. Die Suche nach dem Unerreichbaren, die Entfernung zu seiner Tochter, die immer größer wird und die beiden schließlich entfremdet ... das sind zwei der zentralen Themen in diesem Roman.

Begleitet von Davies‘ unglaublich bilderreichem Schreibstil, erfahren wir nicht nur aus Cays Sicht, wie sich die Reise entwickelt, sondern auch von Bess, wie sie während seiner Abwesenheit erwachsen wird. Cys Gedanken haben schon fast etwas Poetisches, genau wie die Beschreibung der Landschaft. Mit wenigen Worten kann die Autorin das karge Land zum Leben erwecken.

Persönliches Fazit: Ein Roadtrip der ruhigeren Art, der es trotz seiner Kürze in sich hat. Eine Empfehlung an jeden, der ein kleines Abenteuer miterleben möchte.

© Recensio Online, 2019, Katharina

Veröffentlicht am 21.07.2019

Niemand kann das Böse aufhalten

Das Dorf der toten Herzen
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Der Titel beschreibt schon sehr treffend, worum es hier geht. Ein Dorf im Süden Spaniens, eine karge Landschaft. Die Bewohner zu sehr darauf konzentriert, am Leben zu bleiben und ihre Geheimnisse zu bewahren. ...

Der Titel beschreibt schon sehr treffend, worum es hier geht. Ein Dorf im Süden Spaniens, eine karge Landschaft. Die Bewohner zu sehr darauf konzentriert, am Leben zu bleiben und ihre Geheimnisse zu bewahren. Die Kargheit der Wüste hat sich in den Herzen der Menschen niedergelassen und macht sie unempfänglich für Mitgefühl. Das hätten Jacobo und seine Familie jedoch dringend benötigt.

Nachdem seine Frau Irene ermordet wurde, landet die gemeinsame Tochter in der Psychiatrie. Den Ermittlungen der Polizei zufolge soll sie den Auftrag gegeben haben, ihre Eltern zu töten. Doch das streitet sie vehement ab. Während Jacobo sich nach und nach zurück ins Leben kämpft, muss er gleichzeitig gegen die Vorurteile der Bewohner von Portocarrero kämpfen. Wurde er anfangs wohlwollend in ihrem Kreis aufgenommen, wird er jetzt nach und nach von dort verdrängt. Dabei kann sich Jacobo nicht sicher sein, wer sein Verbündeter ist. Und auch der Glaube an die Unschuld seiner 14-jährigen Tochter beginnt langsam zu bröckeln.

„Es schnürte ihm die Kehle zu, und er befürchtete, wieder in diesem Meer aus Dunkelheit zu versinken, dem er gerade entkommen war. Aber er wollte durchhalten. Noch ein kleines bisschen durchhalten.“ (Zitat S. 28)

Die wechselnden Perspektiven waren einerseits wirklich gut gewählt, andererseits hielten sie die Charaktere auf Distanz. Die Chatverläufe zwischen Miriam und ihren Freunden wurden sehr gut eingebaut, und auch die Sicht von Nora, Miriams Anwältin, gibt der ganzen Sache eine andere Perspektive. Bei Miriam war ich mir nie sicher, was Sache ist. Konnte sie mich im einen Moment noch von ihrer Unschuld überzeugen, habe ich im nächsten gehofft, dass sie für ihre Taten büßen muss.

Sie war in vielen Dingen reifer als ein Durchschnitts-Teenie, was aber wohl auch damit zusammenhängt, dass sie durch die Arbeitslosigkeit ihres Vaters und dem damit zusammenhängenden Verlust ihres Zuhauses schnell erwachsen werden musste. Der erste Eindruck ist jedoch hängen geblieben: Sie ist ein verwöhntes Mädchen und denkt, ihr gehört die Welt. Sicher ist es schwer, alles hinter sich lassen zu müssen und vom Wohlwollen der Familie und Nachbarn zu leben. Aber kann ein solcher Hass in einem so jungen Menschen wachsen?

„Sie hatte jedes Recht der Welt, alles zu tun, um ihre Freiheit zu erlangen. Oder sollte sie einfach akzeptieren, dass ihr Vater ein Alkoholiker und ihre Mutter nie da war, dass sie in einer beschissenen Bruchbude lebten und ihr alle Türen zum Leben verschlossen blieben?“ (Zitat S. 223)

Die Story wird nicht nur in der Gegenwart erzählt, es finden sich auch Rückblenden. So erfährt der Leser, wie Jacobo und seine Familie in diese missliche Lage gekommen sind. Diese werden in die Geschichte eingestreut und sind nicht gekennzeichnet, sodass ich am Anfang eines Kapitels erst den chronologischen Zusammenhang suchen musste.

Die Hitze, der Staub und die flirrende Luft habe ich beim Lesen spüren können. Der Schreibstil ist, passenderweise, etwas trocken und manchmal auch anstrengend. Nichtsdestotrotz wollte ich immer weiterlesen, konnte das Buch nicht ruhen lassen. Nach „Monteperdido“ ist dem Autor hier wieder ein dichter Thriller gelungen, der mit dem Debüt definitiv mithalten kann.

Persönliches Fazit: Ein deprimierender, atmosphärischer Thriller mit steigender Spannung und irreführenden Wendungen.

© Recensio Online, 2019, Katharina

Veröffentlicht am 03.07.2019

Mitreißend und dramatisch

Die Andere
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Eine Story mit Charakteren, die so authentisch sind, hatte ich schon lange nicht mehr. Treffenderweise als Spannungsroman betitelt, hält die Geschichte, was sie verspricht.

Carrie hat es nicht leicht. ...

Eine Story mit Charakteren, die so authentisch sind, hatte ich schon lange nicht mehr. Treffenderweise als Spannungsroman betitelt, hält die Geschichte, was sie verspricht.

Carrie hat es nicht leicht. Während sie sich um das gemeinsame Kind kümmert, arbeitet Adrian weiter an seiner Karriere als Drehbuchautor. Derweil wird ihre eigene Stelle von Emma in Beschlag genommen. Das Film-Business ist hart umkämpft, und sie muss nun damit leben. Meiner Meinung nach ist Carrie ein sehr realitätsnaher Charakter. Sie ist besonnen und überstürzt nichts. Sie setzt ihre Prioritäten und behält die dann auch bei. Besonders gut hat mir gefallen, wie realistisch die Gratwanderung einer frischgebackenen Mutter ist. Job, Mann, Kind – das alles alleine unter einen Hut zu bringen, ist schon fast ein Kunststück.

„Vor ihrem geistigen Auge hatte sie gesehen, wie [Adrian] sich zärtlich über seinen kleinen Sohn beugte. Ein Leben zu dritt. Es war fast lachhaft, wie sehr sie sich getäuscht hatte.“ (Zitat S. 105)

Dabei versucht sie immer, es ihrem Mann Adrian recht zu machen. Denn obwohl Kinder in ihrer gemeinsamen Zukunft nicht vorhergesehen waren, setzt sie ihren Willen durch und bringt Rory auf die Welt. Adrian fällt es schwer, eine Bindung zu seinem Sohn aufzubauen, und er flüchtet sich immer mehr in seinen Job. Er ist nicht nur unsympathisch, sondern auch egoistisch. Kein Wunder, dass Carrie sich fragt, ob er eine Affäre hat.

„Sie fragte sich, ob Carrie wusste, was für ein Arschloch ihr Ehemann in Wirklichkeit war.“ (Zitat S. 56)

Und mittendrin ist da noch Emma, die im Grunde genommen zwischen den beiden Ehepartnern steht. Obwohl sie als Gegenspielerin von Carrie vorgestellt wird, habe ich sie doch sofort ins Herz geschlossen. Sie hat es zu Hause nicht leicht, vor allem seit ihr bewusst ist, dass sie niemals die Anerkennung ihrer Eltern bekommen wird. Ihren Traum zu schreiben muss sie hart verteidigen. Ist sie wirklich so manipulativ, wie Carrie denkt, oder spielt der Zufall nur gegen sie?

„Selbst wenn sie ein Dutzend Preise gewann, haufenweise verdiente – sie würde niemals gut genug sein. Es war diese Erkenntnis, die den Molekularzustand ihrer Seele für immer veränderte.“ (Zitat S. 92)

Mehr kann ich gar nicht verraten, ohne die Wendungen offen zu legen. Einige kamen unerwartet und wirklich überraschend. Der Schreibstil ist durchgehend flüssig, und ich habe Seite um Seite regelrecht verschlungen, ohne es zu merken. Die Geschichte wird abwechselnd hauptsächlich aus der Sicht von Carrie und Emma erzählt. Im letzten Teil kommt auch Adrian zu Wort – dort bestätigte sich noch einmal eindrucksvoll, wie arrogant er ist. Durch diese wechselnden Perspektiven weiß der Leser oftmals mehr als die Protagonisten, was den Reiz des Buches ausmacht und sehr zum Weiterlesen animiert.

Persönliches Fazit: Überraschend gut! Mitreißend und genau mit dem richtigen Maß an Dramatik. Perfekt also für Liebhaber von Spannungsromanen.

© Recensio Online, 2019, Katharina

Veröffentlicht am 02.07.2019

Spannend, rund und komplex

Bitterherz
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Bitterherz ist bereits der 3. Teil der Reihe um Holger Munch und Mia Krüger und von mir lange herbei gesehnt.

Für diesen Teil der Reihe empfehle ich, die ersten beiden vorher zu lesen, da bereits der ...

Bitterherz ist bereits der 3. Teil der Reihe um Holger Munch und Mia Krüger und von mir lange herbei gesehnt.

Für diesen Teil der Reihe empfehle ich, die ersten beiden vorher zu lesen, da bereits der Anfang an die Geschichte der Ermittler anknüpft. Auch wenn dies nicht der Hauptplot ist, sind die Kenntnisse über die Entwicklung der Protagonisten doch elementar.

Der Prolog beginnt im Jahre 1999. Ein Junge wird auf offener Straße fast von einem Auto angefahren. Das Merkwürdige daran: Er trägt ein Geweih auf dem Kopf und hat bereits blaue Lippen vor Kälte.

14 Jahre später - Gegenwart. Ein Serienkiller mordet auf grausame Weise, indem er seinen Opfern Frostschutzmittel mitten ins Herz spritzt. Munch stellt daraufhin sein altes Team wieder zusammen. Dieses besteht aus Spezialisten sämtlicher Abteilungen, die explizit für schwere Fälle eingesetzt werden. Auch Mia, die gerade einen Entzug hinter sich hat und eigentlich verreisen wollte, ist wieder mit an Bord.

Zitat S.134
Sie war schon lange nicht mehr an einem Tatort gewesen. Sie hatte fast vergessen, was das für ein Gefühl war. In den letzten Jahren hatte sie sich hinter den Fotos versteckt, hatte sie als Schutzschild genutzt. Diesmal war es anders. Sie spürte, wie sie sich wieder anschlich. Die Finsternis.

Samuel Bjørk versteht es, spannend und atmosphärisch viele völlig verschiedene Geschichten mit ganz unterschiedlichen Protagonisten nebeneinander her zu erzählen. Offensichtlich findet man zuerst keinerlei Zusammenhänge. Auch werden Vorkommnisse aus früheren Teilen aufgegriffen, so dass dieser Teil der Reihe das Leben der Hauptermittler authentisch fortsetzt. Mir gefällt die detaillierte Beschreibung von Mia, Holger und ihren Kollegen, die im Laufe der Reihe sehr tief gezeichnet sind. Erst auf den letzten Seiten wird durch einen gekonnt eingesetzten Plottwist der Handlung eine neue Richtung gegeben. Bis dahin ist sie sehr komplex und ausgefeilt.

Das Ende scheint auch das Ende der Reihe zu sein. Aber vielleicht überrascht uns der Autor auch mit einem 4. Teil.

Cover und Titel sind bei den Werken von Samuel Bjork übrigens immer sehr stimmig.

Persönliches Fazit: Liebhaber der ersten beiden Teile werden hier nicht enttäuscht. Auch Bitterherz ist genau wie seine Vorgänger spannend, rund und komplex. Ein gut gelungener Thriller mit Tiefgang.

© Recensio Online, 2019, Daniela

Veröffentlicht am 26.06.2019

Spannende Unterhaltung!

Die Maske der Gewalt
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Richard wächst im Zirkus auf, nachdem seine Mutter ermordet wurde. Inzwischen ein ranghoher Polizist beim LKA, hat er nie vergessen, was er ihr versprochen hat: ihren Mörder zu finden. Doch dann tauchen ...

Richard wächst im Zirkus auf, nachdem seine Mutter ermordet wurde. Inzwischen ein ranghoher Polizist beim LKA, hat er nie vergessen, was er ihr versprochen hat: ihren Mörder zu finden. Doch dann tauchen in Wien zwei Leichen auf, die ein besonderes Muster der Stichverletzungen auf dem Rücken haben. Dann wird auch noch seine Schwester Sarah entführt, und Richard muss an seine Grenzen gehen, um sie retten zu können.

Richard ist ein Protagonist weitab der gängigen Ermittlerklischees. Kein Frauenheld, kein draufgängerischer Egoist. Er verbringt seine freie Zeit lieber alleine als unter Menschen, was dem Umstand geschuldet ist, dass er seit dem Mord an seiner Mutter auch äußerlich Narben davon getragen hat. Lediglich im Zirkus kann er sich vergessen und geschützt fühlen.

In seinem Partner Paul hat er nicht nur einen Kollegen, sondern auch einen Freund gefunden. Insbesondere, als Richard bei einem familiären Vorfall die Hände gebunden sind, stehen die beiden Freunde Seite an Seite. Paul war mir sehr sympathisch, denn er ist auf der einen Seite komplett gegensätzlich zu Richard, aber trotzdem auf dem Boden geblieben und äußerst empathisch. Die Dynamik zwischen den beiden Männern hat mir sehr gut gefallen.

Ebenfalls eine gelungene Entwicklung durchläuft die Psychiaterin Theres. Sie kämpft gleich auf zwei Ebenen. Privat hat sie soeben eine schlechte Diagnose erhalten, und beruflich wird sie von einem ehemaligen Patienten bedroht. Dazu kommt, dass sie denkt, den Täter zu kennen.

Die wechselnden Perspektiven bauen viel Spannung auf, und auch die Gedankengänge des Mörders sind raffiniert eingearbeitet. Durch den ansprechenden Schreibstil lässt sich das Buch durchgängig gut lesen. Man merkt, dass die Autorin im Vorfeld einiges an Recherchearbeit geleistet hat. Trotzdem ist das Buch nicht überladen von Fakten oder oberlehrerhaft, sondern ganz nebenbei informativ. Was der Zuschauer im Zirkus als eine bunte Welt empfindet, sieht hinter den Kulissen ganz anders aus. Denn Zirkuskünstler müssen jeden Tag um ihr Überleben kämpfen.

Der Cliffhanger am Ende des ersten Teils hat mich sehr neugierig gemacht auf den nächsten Band – auch wenn es bis dahin leider noch etwas dauert. Zwar wurden die drängendsten Fragen beantwortet, trotzdem würde ich gerne sofort weiterlesen. Ich hoffe auf eine weitere positive Entwicklung von Richard, eventuell sogar mit einer Frau an seiner Seite.

©Recensio Online, 2019