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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.11.2019

Einfühlsam, authentisch und inspirierend, mit leider vor sich hin plätscherndem Mittelteil.

Und dann kamst du
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»Und dann kamst du« hat mich sowohl vom Cover als auch vom Klappentext her auf Anhieb angesprochen, weil beides eine vielversprechende, süße und berührende Liebesgeschichte andeutet. Claires Geschichte ...

»Und dann kamst du« hat mich sowohl vom Cover als auch vom Klappentext her auf Anhieb angesprochen, weil beides eine vielversprechende, süße und berührende Liebesgeschichte andeutet. Claires Geschichte als Liebesgeschichte abzufertigen, ist aber der falsche Ansatz, denn eigentlich nimmt besagte Liebesgeschichte nur einen winzigen Teil des Buches ein. Vielmehr geht es um die Suche nach sich selbst, wie man es bewerkstelligt, den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten, und wie man den Mut aufbringt, Neues zu wagen. Die Charakterentwicklung von Claire steht klar im Vorderpunkt und wird auf einfühlsame, authentische und inspirierende Weise behandelt.

Den Titel »Und dann kamst du« halte ich für perfekt gewählt, denn er fängt schön ein, worum es geht: Die schicksalhafte Begegnung mit einem Fremden, die so viel Eindruck bei unserer Protagonistin hinterlässt, dass sie sich vornimmt, ihn zu finden, entpuppt sich als der Anstoß, der sie nach dem tragischen Tod ihres Bruders aus ihrem Schneckenhaus herausholt. Die Suche nach Sam vermischt sich schließlich mit der Suche nach sich selbst, denn nachdem sie sich zuvor immer nur als Hälfte eines Zwillingspaares definiert hat, ist es nun an der Zeit, herauszufinden, wer sie als Individuum ist.

Der Schreibstil des Buches liest sich sehr angenehm und ist vor allem am Anfang und am Ende sehr berührend. Claires Trauer angesichts des Todes ihres Bruders ist beim Lesen auf mich übergegangen, weil Heike Abidi sie eindringlich und glaubwürdig beschreibt. Allgemein behandelt sie die Thematik der Trauerbewältigung feinfühlig und authentisch, sodass man sich als Leser nicht nur gut in Claire hineinversetzen kann, sondern gleichzeitig auch Mut und Hoffnung schöpft. Claires Persönlichkeit leistet dazu ihr Übriges, denn sie ist nicht nur sympathisch, sondern auch sehr selbstreflektiert, was für ihren Entwicklungsprozess enorm wichtig ist.

Ihre ständige Selbstreflexion lässt mich darum auch verzeihen, dass ich gelegentlich einen etwas grenzwertigen Eindruck von ihrem Verhalten bekommen habe. In Bezug auf Sam verhält sie sich leicht „stalkerhaft“, was bei mir immer wieder etwas Unbehaglichkeit ausgelöst hat. Deshalb graute es mir ein wenig vor Sams Reaktion, denn ich persönlich hätte Claires Verhalten wohl reichlich merkwürdig gefunden. Das wurde dadurch wett gemacht, dass sich Claire dessen bewusst ist und ihr Handeln stets reflektiert. Unzurechnungsfähig ist sie also definitiv nicht, ihr Verhalten ist Ausdruck ihrer Trauer und das macht ihre leichte „Besessenheit“ von Sam zumindest verständlich.

Sowohl der Anfang als auch das Ende des Buches haben mir sehr gut gefallen, denn beide Abschnitte bieten sowohl traurige als auch schöne Momente, die mich berühren konnten. Im Mittelteil (und damit leider auch im größten Teil des Buches) konnte der Funke aber leider nicht auf mich überspringen. Die Handlung ist realistisch, aber vielleicht sogar zu realistisch, denn sie plätschert recht ruhig vor sich hin. In diesem Abschnitt fehlten mir eindeutig Spannung und große Emotionen, es war alles zu „gewöhnlich“. Gelangweilt habe ich mich beim Lesen zwar nicht, aber es war leider auch nicht der Drang da, unbedingt weiterlesen zu wollen.

Mein eigentlich rundum positiver Eindruck vom Ende wurde dann zwar nochmal durch eine winzige Kleinigkeit getrübt, weil sie für mich etwas zu viel und diesmal vielleicht sogar unrealistisch war, aber das Buch hinterlässt ein schönes Gefühl und spendet im Rückblick sowohl Hoffnung als auch Mut. Vor allem Schülern, die kurz vor dem Abschluss stehen und vielleicht noch nicht wissen, was sie werden möchten, vermittelt das Buch sehr schön, dass man sich deshalb nicht stressen sollte und man seinen Weg schon finden wird.

Fazit

»Und dann kamst du« bietet wirklich schöne, Mut und Hoffnung spendende, inspirierende und authentische Momente auf, weil Heike Abidi sehr einfühlsam von Claires Trauerbewältigung und ihrer Suche nach sich selbst erzählt. Aufgrund des ruhigen, eher vor sich hin plätschernden Mittelteils ist mein Gesamteindruck aber leider etwas getrübt, sodass es für mich nur 3,5 Sterne mit leichter Tendenz nach oben sind.

Veröffentlicht am 04.11.2019

Spannende Ausgangssituation, aber leider zu viel Sex und wenig Story!

KEEP
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Vor »KEEP« habe ich bereits »STAY« und »HOLD« gelesen, wobei ich von »STAY« ungemein positiv überrascht war, während mir »HOLD« leider überhaupt nicht gefallen hat. »KEEP« nimmt jetzt, wie es auch der ...

Vor »KEEP« habe ich bereits »STAY« und »HOLD« gelesen, wobei ich von »STAY« ungemein positiv überrascht war, während mir »HOLD« leider überhaupt nicht gefallen hat. »KEEP« nimmt jetzt, wie es auch der Reihenfolge entspricht, die Rolle dazwischen ein, denn für mich bleibt »STAY« in dieser Reihe immer noch ungeschlagen. Nichtsdestotrotz ist »KEEP« ein solider Nachfolger.

Die Bände lassen sich unabhängig voneinander lesen, aber das Eintauchen in die Geschichten macht doch mehr Spaß, wenn man die einzelnen Charaktere schon ein bisschen kennt. »KEEP« dreht sich diesmal um Rubys beste Freundin Amalie und Banes Bruder Lexington. Nachdem mich der Klappentext von »HOLD« am meisten angesprochen hatte, musste ich hier jetzt aber feststellen, dass ich die Ausgangssituation in »KEEP« noch um einiges interessanter finde: Amalie und Lexington lernen sich auf einer Veranstaltung kennen und sind gleich voneinander angetan. Als er sie jedoch kurz alleine lässt, um ihr einen Drink zu holen, steht auf einmal Armstrong, sein Cousin, vor ihr, der Amalie kurzerhand vor Lex warnt und sie um ein Date bittet. Lexington gibt sich daraufhin geschlagen, in der Annahme, dass diese Beziehung wahrscheinlich eh nicht lange halten wird, muss jedoch nach einigen Monaten von der Verlobung der beiden erfahren. Auf der Hochzeit stellt sich aber heraus, dass Lex mit seiner Einschätzung gar nicht so falschlag, denn Armstrong betrügt sie noch vor den Hochzeitsansprachen. Die zutiefst gedemütigte Amalie beschließt daraufhin, die Flitterwochen auf Bora Bora alleine anzutreten, nur um festzustellen, dass auch Lex dort anzutreffen ist…

Wegen dieser wirklich sehr vielversprechenden Ausgangssituation macht die erste Hälfte des Buches ungeheuer viel Spaß. Der Schreibstil liest sich gut und flüssig und der Ton des Buches ist überwiegend leicht. Hinsichtlich des Humors ist das Buch jetzt kein Brüller, aber es ist in jedem Fall unterhaltsam.

Besonders gefallen haben mir die Protagonisten, die beide schlichtweg sympathisch sind. Amalie war eine Überraschung, denn sie ist ein richtiger Wildfang und hat sich nicht umsonst den Spitznamen »Anarchy-Amie« verdient. Sie ist tough und selbstbewusst, schlagfertig und sexuell aufgeschlossen. Wegen ihrer Vorliebe für Bad Boys hat sie sich in der Vergangenheit schon in einige Schwierigkeiten gebracht, weshalb Armstrong, der außerhalb dieses Beuteschemas liegt, auch eine sichere Wahl für sie zu sein schien, um ihre Familie nicht länger zu enttäuschen. Mir hat ihre selbstbewusste Art unglaublich gut gefallen, vor allem dann, wenn sie Armstrong die Meinung gegeigt hat, denn gegen den Typen kann man echt nur Hassgefühle entwickeln. Bei der Dreistigkeit seiner Äußerungen hätte ich ihm manchmal selbst gerne ein paar Worte vor den Latz geknallt.

Männern wie Lexington begegnet man in Liebesromanen dagegen etwas öfter, aber ich habe ihn trotzdem sehr gemocht. Er ist nach außen hin etwas »glatt«, aber Amie fällt schon beim ersten Treffen auf, dass der Schein trügt und er eigentlich genau in ihr Bad-Boy-Beuteschema fällt. Nichtsdestotrotz war ich hier sehr angenehm davon überrascht, dass Lex sofort ehrliches Interesse an Amie bekundet und dies das ganze Buch über beibehält. Ihm wird keine Bindungsphobie oder ähnliches angedichtet. Seine kecke, flirtende Art hat ihn zu einem spannenden, angenehmen Gegenpart gemacht.

Helena Hunting ist es außerdem gut gelungen, das Knistern zwischen den beiden beim Leser ankommen zu lassen. Schon von Anfang an spürt man die Chemie und die Anziehungskraft zwischen den beiden, dementsprechend fällt es überhaupt nicht schwer, mit ihnen mitzufiebern. Die Liebesszenen sind gut und knisternd geschrieben, kommen für meinen Geschmack aber zu häufig vor, was mich auch schon an »HOLD« gestört hatte. Hier ist es nicht ganz so schlimm wie im dritten Band, bei dem die Szenen irgendwann in Langeweile gipfelten, aber die emotionale Ebene der Beziehung muss leider trotzdem zurückstecken. Sehr viele, tiefgründige Gespräche haben die beiden nicht miteinander geführt oder zumindest darf der Leser ihnen nicht beiwohnen. Das fand ich etwas schade, aber man konnte als Leser immerhin trotzdem spüren, dass die beiden eine besondere Verbindung zueinander haben.

Ab der Hälfte konnte mich das Geschehen dennoch nicht mehr ganz so stark fesseln wie noch zu Beginn. Auch Amies Drama und ihre manchmal recht ausschweifenden Gedanken zu der Situation mit Armstrong und Lex waren für mich leicht grenzwertig – noch ein bisschen mehr und ich wäre wahrscheinlich bald genervt gewesen. Daran ist Helena Hunting nochmal haarscharf vorbeigeschrammt.

Sehr gut gefallen hat mir jedoch die Tatsache, dass es am Ende zwar das berühmt-berüchtigte Missverständnis gibt, von dem in Liebesromanen so gerne Gebrauch gemacht wird, das Problem jedoch reif und erwachsen gelöst und nicht zu unnötigem Drama aufgebauscht wird. Insofern ist das Ende nicht nur süß und romantisch, sondern auch erfrischend realistisch.

Fazit

Für mich kein Highlight in dem Genre, aber es ist trotzdem ein unterhaltsamer, knisternder Liebesroman mit spannender Ausgangssituation, in dem etwas mehr Wert auf Sex als auf tiefgründige Gespräche gelegt wird. Nichtsdestotrotz spürt man als Leser trotzdem, dass die beiden eine besondere Verbindung zueinander haben. »KEEP« ist um Welten besser als »HOLD«, kommt aber nicht an »STAY« heran. Von mir gibt es 3,5 Sterne mit leichter Tendenz nach oben.

Veröffentlicht am 05.10.2019

Rüttelt wach, hinterlässt jedoch bedenkliche Hoffnungslosigkeit. Mit Vorsicht zu genießen.

Du wolltest es doch
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Worum geht es?

Emma ist wunderschön, das wird ihr von jedem seit ihrer Kindheit immer wieder versichert. Über die Jahre hat sie sich angewöhnt, sich darüber zu definieren, sie trägt gewagte Outfits, um ...

Worum geht es?

Emma ist wunderschön, das wird ihr von jedem seit ihrer Kindheit immer wieder versichert. Über die Jahre hat sie sich angewöhnt, sich darüber zu definieren, sie trägt gewagte Outfits, um die Aufmerksamkeit ihrer (männlichen) Mitmenschen auf sich zu ziehen, und stellt ihre Unwiderstehlichkeit beim anderen Geschlecht immer wieder auf die Probe. Bis es auf einer Party auf einmal eskaliert – ist Emma selbst schuld, dass sie vergewaltigt wurde?

Meine Meinung

Ich finde es unglaublich schwer, dieses Buch zu bewerten. Einerseits halte ich es für sehr gut, weil es den Leser durch einen Wirrwarr verschiedenster Gefühle schickt, andererseits störe ich mich enorm an dem Ende und damit an dem Gesamteindruck, den »Du wolltest es doch« hinterlässt. Wäre die zweite Hälfte des Buches anders gewesen, dann hätte ich vielleicht vier oder fünf Sterne gegeben. Mit dieser Entwicklung jedoch halte ich »Du wolltest es doch« eher für bedenklich.

Das Buch ist keine leichte Kost. Man wird als Leser fast ausschließlich von negativen Gefühlen bestürmt: Ich war wütend, fassungslos, schockiert, enttäuscht, traurig und bedrückt. Und dann wieder so unglaublich wütend. Es gibt zwei, vielleicht drei Personen, denen ich zwischenzeitlich nicht mindestens einmal den Kopf abreißen wollte. Von denen ich behaupten würde, dass sie sich richtig oder zumindest nachvollziehbar verhalten haben. Die meine Sympathie geweckt haben. Die meisten Charaktere, allen voran Emmas Eltern, sind einfach nur dazu da, um die Situation noch schlimmer zu machen, das schlimmstmögliche Szenario zu kreieren. Das Buch vermittelt kein gutes Gefühl, es frustriert und zieht runter. Natürlich würde Humor und Heiterkeit dieses wichtige Thema kleinreden und nicht ernst nehmen, aber mit dieser vollkommenen Trostlosigkeit hätte ich nicht gerechnet.

Emma ist eine ungewöhnliche Protagonistin, denn auf den ersten Seiten kommt sie nicht gerade gut weg. Sie ist oberflächlich, muss ständig im Mittelpunkt stehen und treibt auch mit ihren Freundinnen ein falsches Spiel, indem sie diese mit getarnt-fiesen Bemerkungen kleinmacht, weil sie auf das Geld, die Noten oder Komplimente, die ihre Freundinnen bekommen, eifersüchtig ist. Gleichzeitig möchte sie sich mit jedem gut stellen, spielt Freundlichkeit vor, um bei allen beliebt zu sein, und setzt ihr Aussehen gekonnt in Szene, um sich der Aufmerksamkeit sämtlicher Jungen sicher zu sein. Natürlich ist sie von der Autorin absichtlich so entworfen, denn Louise O’Neill möchte die Botschaft vermitteln, dass niemand, wirklich niemand, Emmas Schicksal verdient hat. Dass auch Frauen, die sich freizügiger kleiden und wechselnde Sexpartner haben, keine Schuld an einer Vergewaltigung tragen und ausschließlich die Täter zur Verantwortung gezogen werden sollten. Ich finde, diese Botschaft kommt durch, denn so wenig ich Emma auch mochte, ich habe trotzdem mit ihr mitgefühlt. Ich war so unglaublich wütend, wie sich ihre Mitmenschen ihr gegenüber verhalten haben. Wie schon gesagt gibt es nämlich nur drei Personen, die in diesem Buch annähernd gut wegkommen, obwohl auch sie Fehler machen.

Der Autorin ist es definitiv gelungen, dass ich mich emotional in die Geschichte verstricke. Sie hat mich berührt, aber sie hat mich auch bedrückt. Louise O’Neill erklärt im Nachwort, was sie mit dieser Entwicklung und dem Ende bezweckt hat – und ich finde es soweit auch nachvollziehbar, aber ich glaube trotzdem nicht, dass das der richtige Ansatz ist. Das vorherrschende Gefühl am Ende ist Hoffnungslosigkeit. Bedrückende Hoffnungslosigkeit. Es kann nichts besser werden, alle Bemühungen sind von vorneherein zum Scheitern verurteilt, warum sollte man es überhaupt versuchen? Natürlich ist mir bewusst, dass das nicht die Botschaft ist, die die Autorin vermitteln möchte: Sie möchte den Leser wachrütteln, darauf aufmerksam machen, dass sich viel zu viele Opfer so fühlen und Victim Blaming falsch ist – »A dress is not a yes!«. ABER: Emmas Geschichte sollte nicht ohne das Nachwort gelesen werden, denn man könnte auch auf die Idee kommen, dass die Autorin zeigen möchte, wie sinnlos alles ist, wie hoffnungslos. Sollte das wirklich das vorherrschende Gefühl nach der Lektüre des Buches sein?

Ganz klar: Nein. Deshalb stehe ich dieser Umsetzung zutiefst skeptisch gegenüber. Ohne Zweifel halte ich sie für authentisch, aber gerade deshalb auch für umso gefährlicher. Ein Mut machendes Ende, das Hoffnung und nicht Hoffnungslosigkeit spendet und die Botschaft vermittelt, dass man nicht aufgeben, sein Schicksal nicht einfach so hinnehmen sollte – DAS wäre für mich das richtige Ende gewesen. Stattdessen könnte der Ausgang dieser Geschichte kaum trostloser und aussichtsloser sein. Emmas Verhalten nach der Vergewaltigung sollte man sich gerade NICHT zum Vorbild nehmen.

Fazit

Eine wichtige Thematik erschreckend trost- und hoffnungslos umgesetzt, was die Lektüre des Buches für Jugendliche bedenklich macht. Jedoch rüttelt das Buch in puncto Victim Blaming und Slut Shaming wach. Nichtsdestotrotz: Mit Vorsicht zu genießen. Deshalb vergebe ich 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.09.2019

Wäre da nicht das unnötig dramatische letzte Drittel ...

Vorhofflimmern
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Ich hatte nach Danningers Liebesroman »Nachbarschaftsverhältnis« (den ich schon als einen meiner Lieblingsliebesromane bezeichnen würde) relativ hohe Erwartungen, die jedoch durch einige negative Rezensionen ...

Ich hatte nach Danningers Liebesroman »Nachbarschaftsverhältnis« (den ich schon als einen meiner Lieblingsliebesromane bezeichnen würde) relativ hohe Erwartungen, die jedoch durch einige negative Rezensionen wieder etwas gedämpft wurden. Aufgrund dessen war ich nach zwei Dritteln des Buches angenehm überrascht. Aber dann …

Das Buch fängt sehr stark an, weil sich schon nach wenigen Seiten eine Art Hassliebe-Geschichte ankündigt, wie es auch in „Nachbarschaftsverhältnis“ der Fall ist. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass sich die Geschichten sonderlich ähneln würden, obwohl zumindest die Rollen gleich verteilt sind: Die Frau ist kratzbürstig und abwehrend, der Mann keck, charmant und wird von der Frau falsch eingeschätzt. So viel zu den Ähnlichkeiten.

Die Sachlage in »Vorhofflimmern« ist jedoch anders: Desiderio macht sich Lena zur Feindin, indem er die letzten Konzertkarten für P!nk ergattert. Obwohl sofort eine gewisse Anziehungskraft zwischen ihnen besteht, verhält sich Lena auch bei ihren nächsten zufälligen Begegnungen abweisend, während er unverkennbar mit ihr zu flirten versucht. Als sich dann herausstellt, dass er der neue Assistenzarzt in dem Krankenhaus ist, in dem sie arbeitet, kann sie sich vor seinen Annäherungsversuchen kaum noch retten. Wobei sie das irgendwann auch gar nicht mehr möchte.

Mir haben die anfänglichen Neckereien zwischen Lena und Desiderio richtig gut gefallen. Ich habe gegrinst, gelacht und mich sehr gut unterhalten gefühlt. Lenas manchmal schlagfertige, manchmal unbeholfene Erwiderungen und Desiderios charmante Beharrlichkeit ergeben eine amüsante Mischung. Leider haben mir beide Charaktere im letzten Drittel des Buches weniger gut gefallen.

Durch Lenas vorurteilendes und uneinsichtiges Verhalten hat sich die Story genau in die Richtung entwickelt, die man als Leser schon erwartet und befürchtet hat. Dabei hätte das gar nicht sein müssen, die Geschichte hätte das nicht gebraucht. Lena hat sich unnötig misstrauisch verhalten und dadurch einiges an Authentizität eingebüßt, denn jeder normale Mensch hätte wohl einfach das Gespräch gesucht. Die Situation wurde künstlich dramatisiert und hinausgezögert, worüber ich nur die Augen verdrehen und seufzen konnte.

Desiderio ist mir dagegen in die andere Richtung negativ aufgefallen: Er war zu lieb, zu säuselig. Seinen Brief an Lena konnte ich zum Beispiel gar nicht mehr ernst nehmen, weil es mir vorkam, als hätte er sich mehrere Liebesromane herausgesucht und ein paar kitschige Sprüche zusammengetragen, um sie dann allesamt in seinen Brief einfließen zu lassen. Auch wenn ich seine Bemerkungen die meiste Zeit sehr süß fand, wurde es mir da dann einfach zu viel.

Für mich kommt das Buch leider nicht an »Nachbarschaftsverhältnis« heran, aber zumindest hat mir die erste Hälfte des Buches wieder gezeigt, dass die Bücher der Autorin immer einen Versuch wert sind.

Fazit

Vermutlich wäre »Vorhofflimmern« ein 4,5-Sterne-Buch für mich geworden, wenn da nicht dieses überspitzte, dramatische letzte Drittel gewesen wäre, in dem sowohl Lena als auch Desiderio jeweils auf ihre Weise viel zu übertrieben agieren. Wirklich schade, denn zwei Drittel waren sehr vielversprechend. So sind es jetzt nur 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 26.09.2019

Süßes Buch mit Mehrwert, die Grundbotschaft hätte ich mir präsenter gewünscht.

Das Mädchen mit dem Herz aus Gold
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»Liebste Violet«, sagte ich hastig, und meine Stimme überschlug sich fast. »Du hast einen Anfängerfehler gemacht. Du hast die Schönheit vergessen. Eine Prinzessin ist nie hässlich. Jeder weiß, dass eine ...

»Liebste Violet«, sagte ich hastig, und meine Stimme überschlug sich fast. »Du hast einen Anfängerfehler gemacht. Du hast die Schönheit vergessen. Eine Prinzessin ist nie hässlich. Jeder weiß, dass eine richtige Prinzessin immer schön ist.« Violet rührte sich nicht. Es war, als hätte ich sie in Stein verwandelt. Schließlich richtete sie ihre großen Augen auf mich. Oh, wie gekränkt sie war! Wie verraten sie sich fühlte! Ich schluckte. »In einer Geschichte, meine ich«, fügte ich rasch hinzu, aber es war zu spät. »Natürlich nur in einer Geschichte. Geschichten haben ihre eigenen Regeln, die Zuhörer haben ihre … Erwartungen. Es ist die Aufgabe des Erzählers, den Leuten zu geben, was sie wollen.« […]
Von nun an waren die Prinzessinnen in ihren Geschichten schön. Immer. (S. 16f.)


»Das Mädchen mit dem Herz aus Gold« ist aus einer interessanten Erzählperspektive geschrieben: der des königlichen Geschichtenerzählers. Er ist direkt in das Geschehen involviert, gleichzeitig jedoch auch allwissend, weiß, was die anderen Figuren fühlen, und erzählt von Handlungssträngen, in denen er körperlich selbst nicht anwesend ist. Mit ihm als Erzähler bekommt die Geschichte etwas Mystisches und ein bisschen etwas von einem Märchen.

Unsere Protagonistin ist aber natürlich Prinzessin Violet – ein wildes, abenteuerlustiges Kind, das mit ihrem treuen Freund Demetrius geheime Gänge und Winkel im Schloss ausfindig macht. Sie ist klug, mutig, entschlossen und gütig, außerdem liebt sie das Geschichtenerzählen – ihre Geschichten sind sogar noch fantasiereicher und eindrucksvoller als die des königlichen Geschichtenerzählers. Sie hat sämtliche Eigenschaften einer Prinzessin – nur die Schönheit fehlt ihr, von der sie in Geschichten über Prinzessinnen immer wieder hört und liest. Als ein düsteres, böses Wesen (das für jüngere Leser die eine oder andere Stelle auch ein bisschen unheimlich machen könnte) aus seinem Gefängnis ausbrechen möchte, stiftet es Chaos und Zwietracht und die Menschen in Violets Umfeld beginnen, ihr angesichts ihrer fehlenden Schönheit mit unschönen Blicken und Bemerkungen zu begegnen. In ihr keimt immer mehr der Wunsch auf, wie die wunderschönen Prinzessinnen in den Geschichten auszusehen.

Ein Highlight für mich war ihr treuer Freund und Begleiter Demetrius, der für sein Alter schon viel reifer ist als mancher Erwachsener. Ein bisschen schüchtern weiß er sich dennoch zu behaupten, er ist ehrgeizig und einfühlsam und kann sehr gut mit Tieren umgehen. Sein Verhalten gegenüber Violet fand ich von Anfang an einfach nur bezaubernd. Er ist immer für sie da, begleitet sie auf ihren Abenteuern und verteidigt sie gegenüber anderen, die unschöne Worte für sie übrighaben.

Die Geschichte fand ich zu Anfang ein bisschen langatmig, das Geschehen zu langgezogen, bis es endlich zu der Stelle kam, die man aufgrund des Klappentextes erwartet: Dass Violet von besagtem bösem Wesen das Angebot bekommt, Schönheit im Austausch für einen Gefallen zu erlangen. Das ist nur ein kleiner Aspekt des Buches, der aber die richtige Botschaft sendet: Dass es auf die innere Schönheit eines Menschen ankommt. Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass dies noch deutlicher aufgegriffen worden wäre und noch mehr im Mittelpunkt gestanden hätte. Es wird mir am Ende fast schon zu beiläufig und unterschwellig abgehakt. Obwohl es am Anfang sehr präsent war und viele Seiten verwendet wurden, um diesen „Deal“ mit dem Wesen vorzubereiten, hatte ich mit Beenden des Buches doch das Gefühl, dass es nur ein kleiner, nebenstehender Aspekt der Geschichte war. Trotzdem werden auch darüber hinaus ein paar Weisheiten eingestreut, die dem Buch einen Mehrwert geben.

Die Idee der Geschichte ist an sich nicht sonderlich neu, erst in ihren Details ist sie originell. Beim Lesen hatte ich ein bisschen den Eindruck, dass ich eine Kurzgeschichte lesen würde, obwohl das Buch 381 Seiten hat. Das Geschehen geht schnell voran, kam mir fast schon gerafft erzählt vor, weil auf Einzelheiten verzichtet wird. Für eine Kindergeschichte fand ich das passend, es ist nicht überladen und auf das Wichtigste reduziert. Überraschungen gibt es keine nennenswerten, was ich aber auch nicht wirklich erwartet habe.

Für jüngere Leser finde ich das Buch sehr süß, aber auch für Erwachsene kann die Geschichte vor allem gegen Ende spannend und interessant sein. Sie braucht aber ein bisschen, um Fahrt aufzunehmen.

Fazit

Ein sehr süßes Buch mit Mehrwert, wobei ich mir jedoch gewünscht hätte, dass die Grundbotschaft des Buches noch mehr im Vordergrund gestanden hätte – schließlich lockt der Klappentext damit. Trotzdem ist das Buch voll von kleinen Weisheiten und damit vor allem für jüngere Leser empfehlenswert. Ich vergebe 3,5 Sterne.