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Veröffentlicht am 13.11.2019

Mord ist ihr Geschäft

Tannenduft mit Todesfolge
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Tatjana Kruses schreibt über sich selbst: „Mit mir will man am Fest der Liebe besser nicht zusammen sein …“ (S. 8). Bisher habe ich mich nicht vor ihr gefürchtet – im Gegenteil, bei unseren Treffen war ...

Tatjana Kruses schreibt über sich selbst: „Mit mir will man am Fest der Liebe besser nicht zusammen sein …“ (S. 8). Bisher habe ich mich nicht vor ihr gefürchtet – im Gegenteil, bei unseren Treffen war sie immer sehr nett – aber nach dem Lesen von „Tannenduft mit Todesfolge“ habe ich schon ein bisschen Angst vor ihr. Und vor Weihnachtsfeiern (selbst innerhalb der Familie) … und Zügen … und Fahrstühlen. Außerdem stellt sich mir die Frage, wie viel von ihr in dem Buch steckt: „Mir war klar, dass ich irgendwann einmal das Reisen zu meinem Beruf machen würde.“ (S. 161). Wer ihr in den sozialen Medien folgt weiß, dass sie einen großen Teil des Jahres in der Bahn verbringt. So verwundert es auch nicht, dass die erste Kurzgeschichte an Heiligabend in einem IC spielt und dabei einiges anders läuft als von den Reisenden und dem Zugbegleiter geplant ...

Aber Frau Kruse mordet nicht nur in Zügen, sondern auch in Kirchen, Banken oder Villen und fast jedes Mal endet die Geschichte dann doch anders, als man es erwartet. Neben der Weihnachtsgans haben auch ein Hamster, ein Wellensittich, ein Papagei und diverse Hunde Gastauftritte und zum Glück überleben sie alle – was man über die Besitzer (leider) nicht sagen kann.

Die Geschichten sind gewohnt lustig, skurril, überraschend, bitterböse und mit amüsanten Klischees gespickt: „Die Haustür wurde aufgetreten, eine Blendgranate erhellte die Nacht, Kinder schrien, ein Hund bellte.“ (S. 48)
Außerdem sind sie so kurz, dass man sie bequem zwischendurch, vorm Einschlafen, im Wartezimmer oder in der Bahn lesen kann, wenn man keine Angst davor hat, in der Öffentlichkeit zu Lachen oder sich ein bisschen zu Gruseln. Übrigens sind fast alle Geschichten schon mal in anderen Anthologien erschienen und wurden jetzt erstmals in diesem Buch zusammengefasst.

Lustig, skurril, überraschend und bitterböse – mein Weihnachts(geschenk)tipp für alle Krimileser, die es humorvoll mögen: „Tannenduft mit Todesfolge“!

Veröffentlicht am 11.11.2019

célébrer un festin

Bienvenue - Willkommen bei mir
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Seit wir zum Geburtstag meines Vaters letztes Jahr ein selbst zusammengestelltes Menü aus Aurélie Bastians letztem Buch „Französisch kochen mit Aurélie“ zubereitet haben und das Essen ein voller Erfolg ...

Seit wir zum Geburtstag meines Vaters letztes Jahr ein selbst zusammengestelltes Menü aus Aurélie Bastians letztem Buch „Französisch kochen mit Aurélie“ zubereitet haben und das Essen ein voller Erfolg wurde, habe ich noch oft einzelne Gerichte daraus ausprobiert und auch „Französisch Backen“ von ihr gehört längst zu meinen Standardwerken.

Aber natürlich ist es schöner, wenn man die Menüvorschläge gleich von der Autorin und Foodbloggerin selbst bekommt. In ihrem neuen Buch „Bienvenue - Willkommen bei mir“ hat sie Gerichte für verschiedene Gelegenheiten, Jahreszeiten und Mottos zusammengefasst und wie immer sehr ansprechend in Szene gesetzt.

Das Rezept für das warme Camembert-Brot mit Calvados aus der Kategorie „Winterabend mit Freunden“ hatte es uns so angetan, dass wir es sofort probieren mussten. Und auch wenn mein Brot nicht ganz so ansprechend aussieht wie das von Aurélie, so hat es uns doch hervorragend geschmeckt und wird hoffentlich der Star unsere Silvester-Party werden. (Das Baguette wird übrigens aus dem gleichen Grundteig gebacken und ist ebenfalls sehr lecker.)
Doch auch für den „Heiligabend zu Hause“ haben wir uns schon Gerichte ausgesucht – neben den Lachscreme-Tannen und der obligatorischen Käseplatte mit selbstgemachter Zwiebel- und Feigenkonfitüre, wird es zum Dessert die Tarte Tartin mit Rotweinbirnen und das überbackene Eisdessert mit Baiserhaube geben. Angst vor der Vorbereitung habe ich dank des Zeitplanes, der jedem Kapitel vorangeht, nicht.

Weitere Kategorien sind „Omas Geburtstag im Frühling“, „Sommerliche Kinderparty“, „Mädelsabend“, „Sommerfest“ und „Herbstzeit mit Pilzen und Kastanien“ – da wartet mein Mann schon sehnsüchtig auf den Wallnuss-Roquefort-Kuchen .
Ich finde es toll, dass sich simple Rezepte mit etwas anspruchsvolleren abwechseln, es gibt Fleisch, Fisch und Gemüse, Herzhaftes und Süßes, kleine Häppchen und große Pasteten – da sollte jeder etwas nach seinem Gusto bzw. Können finden.
Vor jedem Abschnitt erzählt Aurélie Bastian, was sie zu den Gerichten inspiriert oder was man noch beachten sollte.

Mein Fazit: Ein wirklich tolles Koch-/Backbuch für verschiedene feierliche Gelegenheiten, welches die französische Küche und Lebensart sehr appetitlich inszeniert.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Schönheit und Grauen so nah beieinander

Winteraustern
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Kurz vor Weihnachten ist im Aquitaine die Hochsaison der Austernzüchter, da die Meeresfrüchte in Frankreich auf keiner Weihnachtstafel fehlen dürfen. Luc hat organisiert, dass er und sein Vater Alain auf ...

Kurz vor Weihnachten ist im Aquitaine die Hochsaison der Austernzüchter, da die Meeresfrüchte in Frankreich auf keiner Weihnachtstafel fehlen dürfen. Luc hat organisiert, dass er und sein Vater Alain auf dem Polizeiboot den Sonnenaufgang auf dem Meer über den Austernbänken erleben dürfen. Wegen seines Bauchspeicheldrüsenkrebses könnte es Alains letzte Fahrt sein. Da kommt ein Anruf über Funk, dass ein Austernzüchter auf einer Sandbank überfallen, niedergeschlagen und der Flut überlassen wurde. Sie können ihn retten, finden dabei aber die Leichen zweier junger Männer. Wer hat sie warum ermordet? Ihre Eltern sind sich sicher, dass der Marktführer im Austernhandel dahintersteckt. Dieser versucht schon lange, auch den Rest seiner Konkurrenten zu übernehmen und behauptet, sie würden hinter den Austerndiebstählen stecken. „So weit hat es ja kommen müssen. … Sie denken doch ohnehin alle, dass wir es sind, die hier die Austern stehlen. Und nun nehmen sie Rache.“ (S. 76/77)

„Winteraustern“ ist Luc Verlains bisher persönlichster Fall. Da sein Vater früher selbst Austernfischer war und er ihm immer geholfen hat, steckt er tief in der Materie drin. Zudem versucht er so viel Zeit wie möglich mit Alain zu verbringen, weil er nicht weiß, wie viel ihnen wegen der Krebserkrankung noch bleibt, und bindet ihn sogar in die Ermittlungen mit ein. „Danke für das Abenteuer, mon fils.“ (S. 206)
Und dann ist da noch Anouk. Sie ist nicht nur seine Kollegin, sondern auch seine Freundin, auch wenn sie das bisher so nicht ausgesprochen haben. Jetzt hat sie das Angebot bekommen, in Paris Karriere zu machen. Wie wird sie sich entscheiden? Luc möchte sie auf keinen Fall beeinflussen.

Im Laufe der Ermittlungen stellt Luc, der die letzten 15 Jahre in Paris gelebt hat, fest, wie sehr sich die Lage der Austernfischer verschlimmert hat. Nicht nur die Diebstähle und die Konkurrenz der Marktführer, auch die Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung setzt ihnen zu. Der Druck wird immer höher und gerade die jungen Austernfischer, zu denen die Toten gehörten, hatten beschlossen, sich endlich zu wehren. Ist ihnen das zum Verhängnis geworden?

Für mich ist dies das bisher beste Buch der Reihe. Der Fall ist extrem spannend und ich hatte bis kurz vor Schluss überhaupt keinen Verdacht, wer der Täter sein konnte. Zudem gefiel mir das Zwischenmenschliche hier sehr – Lucs Beziehung zu seinem Vater, wie er ihm die letzte Zeit so schön wie möglich machen will, und seine Gewissenskonflikte wegen Anouks eventuellem Weggang. Er will sie nicht verlieren aber auch ihrer Karriere nicht im Weg stehen.
Da ich bisher nichts über Austern und ihre Zucht wusste (Meeresfrüchte sind nicht so meins, es sei denn, sie sind aus Schokolade und Nougat ), fand ich auch die Hintergründe dazu sehr spannend. Das Erzählte macht mich sehr nachdenklich.

Abgerundet wird die Handlung durch Genussmomente in allen Varianten, seien die Beschreibung der Landschaften und der See oder der leckeren Gerichte und korrespondierenden Weine – Alexander Oetkers Bücher sprechen immer alle Sinne an.

Veröffentlicht am 06.11.2019

Charlotte – eine Frau zwischen den Welten?

Leas Spuren
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Marie ist Historikerin in Stuttgart und überrascht, als sie von einem Notar nach Paris eingeladen wird. Sie hat in Vertretung ihrer vor über 60 Jahren verstorbenen Großtante Charlotte zusammen mit dem ...

Marie ist Historikerin in Stuttgart und überrascht, als sie von einem Notar nach Paris eingeladen wird. Sie hat in Vertretung ihrer vor über 60 Jahren verstorbenen Großtante Charlotte zusammen mit dem französischen Journalisten Nicolas eine Wohnung von dessen Großvater Victor geerbt. Allerdings ist das Erbe an eine Bedingung geknüpft – sie müssen ein im 2. WK verschollenes Gemälde wiederfinden und dessen jüdische Erben. Marie will schon ablehnen, als sie auf der Suche nach einer im Testament erwähnten Mappe in Victors Schreibtisch zwei Sonderausweise findet. Haben er und Charlotte wirklich für die Nazis in der deutschen Botschaft gearbeitet?! Und wenn ja, was genau haben sie dort gemacht? „Mit dem Öffnen der Schublade hatten sie … den Geist aus der Flasche gelassen. Es gab kein Zurück.“ (S.39)
Marie bittet ihre Oma Ferdi um Hilfe, Charlottes jüngere Halbschwester. Aber die kann oder will sich nicht an die Ereignisse des Krieges erinnern. „Am besten lässt man die Vergangenheit ruhen, Kind. Es kommt nichts Gutes dabei heraus.“ (S. 126) Allerdings bestätigt sie, dass Charlotte in der deutschen Botschaft in Paris gearbeitet hat und mit Victor zusammen war.
Auch Nicolas Vater ist strikt dagegen, dass in Victors Vergangenheit gewühlt wird und dabei evtl. Dinge ans Licht kommen, die seinem Ruf – und damit den der Familie – schaden würden. Vor allem, als plötzlich das Thema Raubkunst im Raum steht.

Bettina Storks erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen, so dass man als Leser bereits mehr über Charlottes und Victors Erlebnisse weiß, als Marie und Nicolas zu dem Zeitpunkt herausgefunden haben. Das hat es für mich besonders spannend gemacht und ich konnte mit ihnen mitfiebern.
Als Historikerin und Journalist sind Marie und Nicolas natürlich geradezu prädestiniert, Nachforschungen anzustellen – hat Victor sie vielleicht gerade deswegen ausgesucht? Ihre Suche gestaltet sich sehr schwierig, es gibt keine Spur des verschwundenen Bildes oder von deren ehemaligen Besitzern. Außerdem fragen sie (sich) nach Victors Beweggründen für seine Arbeit für die Deutschen. War er wirklich ein Kollaborateur? Und welche Rolle spielte Charlotte beim Verschwinden des Bildes? Die Suche nach dem Bild wird zur Suche nach der Wahrheit.
Es war erschreckend zu erfahren, dass es immer noch Zeitzeugen von damals gibt, die unter Schuldgefühlen leiden und nicht über die Ereignisse reden können oder wollen, weil es ihnen damals so eingebläut wurde. Doch: „Wir können nichts für die Fehler, die unsere Eltern machen ...“ (S. 434)
Andererseits gibt es aber auch Menschen, die heute noch hunderte Daten der damals Deportierten sammeln in der Hoffnung, wenigstens einige Schicksale aufzuklären und damit gegen das Vergessen ankämpfen.

Mit viel Gefühl beschreibt sie die aufkeimende Liebe zwischen Charlotte und Victor in dieser schwierigen Zeit, in der eine Beziehung zwischen einer Deutschen und einem Franzosen nicht gern gesehen war. Beide wissen beide lange nicht, in wieweit sie dem jeweils anderen trauen können, trotzdem lassen sie sich aufeinander ein. „Unsere Länder befinden sich im Krieg. Die Diplomatie mag taktieren. Wir hingegen sollten offen miteinander reden, Mademoiselle Charlotte.“ (S. 84)
Besonders imponiert hat mir Charlottes „Erwachen“. Sie begreift schnell, dass es Unrecht ist, was die Deutschen – und ihre Trittbrettfahrer – in Frankreich veranstalten und schämt sich für ihr Volk. „Der Krieg erforderte Hilfsdienste an den Schwächsten und keine Profitgeschäfte für die ohnehin Privilegierten.“ (S. 206) Charlotte will den französischen Juden unbedingt helfen und geht dafür ein hohes Risiko ein.

Schon mit „Das geheime Lächeln“ hatte mich Bettina Storks in ihren Bann gezogen und ins Paris der 30er Jahre entführt. Und auch „Leas Spuren“ haben mich bewegt und bis zum sehr emotionalen Ende gefesselt. Ich habe bis weit nach Mitternacht mit der Taschenlampe im Bett gelesen (eigentlich lese ich nie im Bett!), weil ich unbedingt wissen musste, wie es ausgeht. Die historischen Hintergründe sind wieder hervorragend recherchiert und reale Begebenheiten perfekt in die fiktionale Handlung eingebunden. Paris ist und bleibt einer meiner liebsten Schauplätze und bildet den stimmungsvollen Rahmen für diese großartige Geschichte.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Eine zauberhafte Geschichte, die den Geist der Weihnacht in die Welt trägt

Eine Kiste voller Weihnachten
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„Was andere entzückte, erzürnte Storch. Er hasste den Schnee ebenso wie dies ganze festliche Gesumm der Weihnachtsvorbereitungen, hasste die Lieder, die das Herz in Samt packten, den Geruch von Backpflaumen ...

„Was andere entzückte, erzürnte Storch. Er hasste den Schnee ebenso wie dies ganze festliche Gesumm der Weihnachtsvorbereitungen, hasste die Lieder, die das Herz in Samt packten, den Geruch von Backpflaumen und Zimtsternen, hasste erst recht die Stille, die über die Stadt sank, je schneller es dem Heiligen Abend entgegenging.“ (S. 27)
Dresden 1890: Vincent Storch hat eine Fabrik für die von ihm erfundenen „Dresdner Pappen“ – aus Papier geprägte goldene Figuren für den Weihnachtsbaum. Ausgerechnet an Heiligabend entdeckt er auf dem Hof eine Kiste, die für Zinnwald bestimmt war. Die dortige Kirche hatte den neuen Schmuck bestellt. Storch hat einen Ruft zu verlieren („Ohne uns gibt es kein Weihnachten! Ich werde nicht zulassen, dass Orders nicht ausgeliefert werden.“ (S. 23)) und selbst keine Familie. Also spannt er das Fuhrwerk an und macht sich auf den Weg in Richtung ins Erzgebirge, obwohl der Schnee immer dichter fällt.

Lisbeth will dringend zurück nach Geising zu ihrer Familie, doch zu Fuß hat sie keine Chance, der Weg ist zu weit. Sie irrt durch Dresden und entdeckt ein fürstliches Käsegeschäft (als Dresdnerin habe ich Pfunds Molkerei anhand der Beschreibung natürlich sofort erkannt). Leider kann man ihr dort keine Mitfahrgelegenheit nennen. Auch Storch, dessen Fabrik direkt nebenan liegt, weist sie ab, aber sie schmuggelt sich auf sein Fuhrwerk und gibt sich erst zu erkennen, als er nicht mehr weiter weiß …

Seit 2011 das erste Buch der kleinen Weihnachtsreihe im Kindler Verlag erschienen ist, habe ich jedes Jahr gespannt auf die nächste Geschichte bekannter historischer Romanautoren gewartet und war etwas traurig, als 2015 der vorerst letzte Band erschien: „Das Weihnachtsmarktwunder“, ebenfalls von Ralf Günther. Um so mehr habe ich mich gefreut, als ich in der Ankündigung für dieses Jahr „Eine Kiste voller Weihnachten“ entdeckte.

Ralf Günther lässt „mein“ historisches Dresden lebendig werden: die Neustadt mit ihren kleinen Geschäften, Manufakturen und Fabriken, die Pferdestraßenbahn, erste Automobile und der Striezelmarkt. Ich finde es spannend, mich mit Storch und Lisbeth durch das immer dichtere Schneetreiben bis nach Zinnwald im Erzgebirge durchzukämpfen und zu beobachten, wie Lisbeth und die Menschen, denen sie unterwegs begegnen, aber auch alte Bräuche und Aberglauben, Storchs Herz wie eine Schneeflocke zum Schmelzen bringen und wieder für den Geist der Weihnacht erwärmen.
Die Illustrationen von Andrea Offermann lassen mein bibliophiles Herz höherschlagen und machen das Buch wieder zu einem kleinen Kunstwerk.