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Veröffentlicht am 09.12.2019

Eine Ära geht zu Ende

Das Erbe der Kräuterfrau
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„Das Erbe der Kräuterfrau“ schließt nahtlos an „Mord im Badehaus“ an. Jede Figur dieser Reihe darf sich verabschieden – einige finden endlich ihr Glück, andere, von denen ich es nie erwartet hätte, leider ...

„Das Erbe der Kräuterfrau“ schließt nahtlos an „Mord im Badehaus“ an. Jede Figur dieser Reihe darf sich verabschieden – einige finden endlich ihr Glück, andere, von denen ich es nie erwartet hätte, leider nicht.

„Myntha van Huysen hatte das Leben so vieler Menschen verändert. Aber ihrem eigenen einen Anstoß zu geben schien ihr schwerer als alles, was sie bisher getan hatte.“ (S. 24)
Myntha sollte sich langsam entscheiden – neben Mühlenerbe Rickel hat auch der verwitwete Ritter Johannes von Odenhausen um ihre Hand angehalten. Soll sie einen der beiden Bewerber erhören oder weiter auf den Rabenmeister hoffen? Inzwischen rückt die Hochzeit ihrer kratzbürstigen Köchin Lore immer näher, doch statt sich zu freuen, wird diese immer wunderlicher. Was bedrückt sie und wie kann Myntha ihr helfen? Außerdem hält der Betrieb des Fährhauses sie auf Trab. Ihr Vater erzählt den Gästen weiter seine Schauermärchen, ihr Bruder Witold hat sich in Imme, die scheue Gehilfin der Kräuterfrau, verguckt und Comtesse Agnes hofft, dass ihr Mann sie endlich findet und nach Hause bringt. Doch als Imme Sybilla tot in ihrer Kate vorfindet und alles auf eine Vergiftung hindeutet, muss Myntha sich einfach einmischen.
Und wer ist der Unbekannte, der in Köln zündelt? Ist das der Mann, den Frederic sucht, um sich endlich zu rächen? Wem kann man noch trauen? „Er ist ein Mann von vielen Gestalten … Maulfaul und ungesellig, denn er will beobachten und nicht entdeckt werden.“ (S. 145

Mynthas ist neugierig und unerschrocken wie eh und je und bringt sich wieder selber in Gefahr. Sie liebt die Wortgefechte mit dem Rabenmeister Frederic und er steht ihr da in nichts nach – ich habe es genossen, wenn sie sich wieder aneinander gerieben haben. Aber vor allem ist sie ein sehr mitfühlender Mensch. Sie kümmert sich um alle, die ihrer Hilfe bedürfen und steckt dabei selbst zurück.

Ich war geschockt, als ich 2017 vom Tod der Autorin Andrea Schacht hörte und traurig, weil ich ihre Mittelalterreihen um die ehemalige Begine Almut, deren Tochter Alyss und die Fährmanntochter Myntha seit vielen Jahren verfolge. Um so mehr habe ich mich gefreut, dass Julia Freidank das letzte Buch von ihr zu Ende geschrieben hat. Man bemerkt kaum, an welcher Stelle die Autorin wechselt – Julia hat Andreas Ton fast perfekt getroffen. Das Buch hat mich bis zum Ende gefesselt und war leider wieder viel zu schnell ausgelesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.12.2019

Die Barbarossasaga geht weiter

Schwert und Krone - Herz aus Stein
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Barbarossa ist inzwischen ein starker Kaiser – auch dank seinem Berater Rainald von Dassel und seiner Frau Beatrix, die sich zwar im Hintergrund hält, ihn aber trotzdem manchmal geschickt lenken kann. ...

Barbarossa ist inzwischen ein starker Kaiser – auch dank seinem Berater Rainald von Dassel und seiner Frau Beatrix, die sich zwar im Hintergrund hält, ihn aber trotzdem manchmal geschickt lenken kann. Da er ihr gefallen will, beugt er sich oft ihren Wünschen. Doch Friedrich hat auch Sorgen. Sein Freund Heinrich der Löwe will mit aller Macht seinen neuen Ort München etablieren und lässt deswegen die Zollstation und den Markt in Freising zerstören. Eigentlich müsste Friedrich ihn dafür zur Rechenschaft ziehen, aber er versucht, den Streit auszusitzen. Zudem hat ihm Beatrix immer noch keinen Erben geschenkt und sein Konkurrent Herzog Friedrich von Rothenburg wird langsam erwachsen und damit immer gefährlicher. Wie lange kann er ihn sich noch vom Hals halten? Der Italienfeldzug läuft nicht gut. Und die Abodriten (Wenden), die nur formal den christlichen Glauben angenommen haben, sollen endlich endgültig bekehrt oder ausgerottet werden. Friedrich kämpft an vielen Fronten und oft sind die kleinen Leute und Frauen die Leidtragenden.

Sabine Ebert schreibt sehr fesselnd und in eindrucksvollen Bildern über mächtige Herrscher und ihre Feldzüge, grausame Schlachten mit neuen technischen Errungenschaften und menschlichen Schutzschilden. Sie erzählt von politischen Winkelzügen, Glaubenskriegen und den verschiedenen Königshäusern. Wie kaum eine andere Autorin lässt sie deutsche Geschichte lebendig werden und begeistert ihre Leser. Auch mich hat sie wieder von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen.
Ich mag es besonders, wie sie den Blick auf das Schicksal der Frauen in dieser Zeit lenkt. Friedrich wird langsam ungeduldig, weil er immer noch keinen Erben hat, schließlich ist Beatrix schon 15. (In unserer heutigen Zeit undenkbar, dass die Frauen damals in diesem Alter schon mehrere Kinder hatten!) Dass sie sich die durch seine Reisen fast 2 Jahre nicht gesehen haben und fremd geworden sind, interessiert ihn nicht. Beatrix hat Angst, dass er sich scheiden lässt, um sich eine neue – jüngere? – Frau auf den Thron und ins Bett zu holen, denn Rainald von Dassel versucht ihn dahingehend zu beeinflussen.
Überhaupt – mehr als einmal hatte ich das Gefühl, dass Rainald der eigentliche Herrscher ist. Er kann den Kaiser immer wieder von seiner Meinung und seinen Plänen überzeugen, ihn bei Entscheidungen beeinflussen. Friedrich entfernt sich immer mehr von seinen alten Freunden, ohne es zu bemerken. Die Macht lässt ihn hart werden – und einsam.
Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Mark Meißen. Hedwig von Ballenstedt geht es wie Beatrix, sie wird einfach nicht schwanger. Als ihr Gemahl Markgraf Otto dann auch noch mit Friedrich nach Italien zieht, muss sie sich allein um die Belange der Grafschaft kümmern, sich Respekt verschaffen und dabei aufrührerische Ritter in Schach halten. Das schafft sie durch weibliche List und mit der Hilfe befreundeter Fürstinnen. Zudem planen die Meißner Fürsten, Siedler ins Land zu holen um die Urwälder zu roden und neue Ansiedlungen anzulegen. Ritter Christian ist einer der Werber und alle Fans der Hebammen-Saga können einen ersten Blick auf Martha erhaschen. Das hat mich als Fan der ersten Stunde natürlich besonders gefreut.

Fazit: „Herz aus Stein“ ist genau wie die vorigen Bände hervorragend und gründlich recherchiert. Trotz der vielen historischen Fakten und Begebenheiten ist es ein brillanter, unterhaltsamer Roman und kein trockenes Sachbuch. So muss Geschichtsunterricht sein.

Veröffentlicht am 29.11.2019

Ein zauberhafter Roman für alle Mädchen und Junggebliebenen

Green Witch
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An ihrem 12. Geburtstag entscheidet sich, in welcher Hexenkunst Lizzy in Zukunft unterwiesen wird. Sie würde gern zur Wasserhexe Ava gehen, weil sie sich dem Element Wasser schon immer verbunden fühlt ...

An ihrem 12. Geburtstag entscheidet sich, in welcher Hexenkunst Lizzy in Zukunft unterwiesen wird. Sie würde gern zur Wasserhexe Ava gehen, weil sie sich dem Element Wasser schon immer verbunden fühlt und Ava einfach cool ist. Doch stattdessen kommt sie zu ihrer Großtante Camilla - einer Kräuterhexe. Wenigstens darf ihre beste Menschenfreundin Stina sie begleiten und plötzlich beginnt für beide ein großes Abenteuer.

Obwohl ich schon deutlich älter bin als die vom Verlag angegeben 10 Jahre und eigentlich kein Fantasy lese, hat mich die Geschichte sofort begeistert und in ihrem Bann gezogen. Ich mochte Lizzy, Stine, Rasty und den Fuchsjungen (wer die beiden sind, wird natürlich nicht verraten) sehr und hoffe doch, dass die Geschichte weitergeht. Ich könnte sie mir auch sehr gut als (Trick)Film vorstellen. Green Witch ist ein Buch über Magie, Freundschaft und die ersten Schritte in Richtung Erwachsenwerden. Vielen Dank an Andrea Russo für dieses zauberhafte Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 24.11.2019

Der Antiquar

Unter Wölfen
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März 1942: Auf der Nürnberger Burg wird im Quartier des Sturmscharführer Gerhard Bade die Leiche der berühmten Schauspielerin Lotte Lanner gefunden – ihr wurde die Kehle durchgeschnitten. Das Brisante ...

März 1942: Auf der Nürnberger Burg wird im Quartier des Sturmscharführer Gerhard Bade die Leiche der berühmten Schauspielerin Lotte Lanner gefunden – ihr wurde die Kehle durchgeschnitten. Das Brisante daran – Lanner und Bade hatten ein Verhältnis und waren abgesehen vom Pförtner die einzigen in der Burg, trotzdem behauptet Bade: „Ich war es nicht.“ (S. 12) Der Sonderermittler Adolf Weissmann aus Berlin wird angefordert, um Bades Unschuld zu beweisen.
Zur gleichen Zeit bekommen der jüdische ehemalige Antiquar Isaak Rubinstein, seine Eltern und seine Schwester mit ihren 2 kleinen Kindern den „Evakuierungsbescheid“ – sie sollen in den Osten umgesiedelt werden. Isaak hat keine Illusionen, dass sie bestenfalls in einem Arbeitslager landen. Er bittet seine ehemalige Verlobte Clara um Hilfe, die im Widerstand aktiv ist. Sie sagt zu, ihn und seine Familie zu retten, wenn er im Gegenzug den Widerstandskämpfern hilft. Als er sich das nicht zutraut, überlistet sie ihn, denn „Wenn die Guten nicht kämpfen, siegen die Schlechten.“ (S. 81). Isaak schlüpft in die Rolle des SS-Sonderermittlers Adolf Weissmann und untersucht zusammen mit der Gestapo den Mordfall Lanner. Gleichzeitig muss er einen gefährlichen Auftrag für Clara erledigen …

Isaak will nur irgendwie die Nazizeit überleben und um keinen Preis auffallen. Als er sich in Weissmann verwandeln muss, sehen ihn die Menschen plötzlich an bzw. sogar zu ihm auf. Er ist eine Respektsperson, kann Aufträge erteilen und Forderungen stellen. Statt auf den Boden, muss er seinem Gegenüber ins Gesicht schauen oder über ihn hinweg, um ihn in seine Schranken weisen. Doch es fällt ihm schwer, alte Gewohnheiten abzulegen: „Die Identität, die Clara ihm beschafft hatte, ließ sich nur schwer überstülpen. Sie drückte und schmerzte wie ein viel zu kleiner Schuh.“ (S. 93). Er verrät sich mehrfach fast und „spielt“ den Ermittler, indem er sich an den Detektiven der Bücher orientiert, die er früher gelesen hat. Er muss Zeit schinden, um Claras Forderungen erfüllen zu können und wird dabei ein immer besserer Schauspieler. Immer mit der Angst vor der Enttarnung im Nacken.
Ich habe mit Isaak gebangt und gezittert und ihn dafür bewundert, wie er seine Ängstlichkeit und Selbstzweifel überwunden (Du bist ein einfacher Antiquar, ein wehrloser Jude. Du bist mit der ganzen Sache doch heillos überfordert.“ (S. 239)), zu seiner inneren Stärke gefunden und seine Gegner getäuscht und überlistet hat.

Anhand des jungen Unterscharführer Rudolf Schmitt, der Isaak als Assistent an die Seite gestellt wird, zeigt Alex Beer, wie die Ideologisierung der Menschen funktionierte. Schmitt erzählt Isaak im Vertrauen, dass er früher mit Juden befreundet war, aber Julius Streicher und der Stürmer ihm die Augen dafür geöffnet haben, woran die Juden alles Schuld sind. Sie zeigt, wie die Menschen manipuliert und aufgehetzt wurden. Es sind diese gekonnt eingestreuten Informationen, die die Protagonisten vielschichtig, menschlich und nachvollziehbar machen. Sie sind meist nicht nur schwarz oder weiß, fast jeder hat Ängste, Sehnsüchte, Träume, Geheimnisse.

Seit dem ersten Fall von Alex Beers Wiener Ermittler August Emmerich bin ich ein Fan ihrer hervorragend recherchierten und extrem spannenden Kriminalromane. Auch „Unter Wölfen“ hat mich von Beginn an gefesselt und ich hoffe, bald wieder von Isaak und seinem Kampf gegen die Nazis zu lesen.

Veröffentlicht am 18.11.2019

Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau

Alles, was wir sind
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„Sekretär/Sekretärin: eine Person, der man ein Geheimnis anvertraut. Vom Lateinischen secretus, secreta, secretum. Wir alle tippten, aber einige von uns taten mehr.“ (S. 19)
Irina bewirbt sich 1956 in ...

„Sekretär/Sekretärin: eine Person, der man ein Geheimnis anvertraut. Vom Lateinischen secretus, secreta, secretum. Wir alle tippten, aber einige von uns taten mehr.“ (S. 19)
Irina bewirbt sich 1956 in einem unauffälligen Büro in einem unscheinbaren Haus, irgendwo in Washington D.C. – aber es ist nicht irgendein Büro, sondern die Agency, der CIA. Hinter identischen Schreibmaschinen an identischen Arbeitsplätzen sitzen Frauen, die die beste Schulbildung genossen und studiert haben. Die Älteren von ihnen waren im 2. WK u.a. als Spione im Einsatz, aber jetzt werden sie nur noch als Stenotypistinnen gebraucht. „Dieselben Finger, die früher einmal den Abzug betätigt hatten, schienen nun besser für die Schreibmaschinen geeignet zu sein.“ (S. 15) Irina ist die Tochter russischer Einwanderer, allerdings hat ihr Vater es nie nach Amerika geschafft. Darum ist sie auch sofort bereit, sich in der Agency abends nach der offiziellen Arbeit für die Aktion „AEDINOSAUR“ ausbilden zu lassen …

Moskau, 6 Jahre zuvor: Olga ist Redakteurin bei einer Literaturzeitschrift, zweifache Witwe, zweifache Mutter und die Geliebte von Boris Pasternak. Sie ist das Vorbild für die Lara in „Dr. Shiwago“, an dem er gerade schreibt. Im kleinen Kreis liest er immer wieder Szenen aus dem Buch vor und auch die Regierung will unbedingt wissen, worum es darin geht. Sie verhaften Olga und verurteilen sie zu 5 Jahren Gulag (Arbeits- und Umerziehungslager) um ihren Willen brechen und sie zum Reden bringen, doch Olga schweigt.

Als „das Buch“ 1956 endlich fertig ist, findet sich in Russland kein Verleger. Aber Giangiacomo Feltrinelli kann Pasternak die Rechte für Italien abkaufen. „Möge das Buch seinen Weg um die Welt antreten.“ (S. 202). Auch der CIA hat großes Interesse. Amerika möchte verbotene Bücher nach Russland schmuggeln, um die Bevölkerung aufzurütteln und über die Einflussnahme und Bevormundung ihrer eigenen Regierung aufzuklären.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich Dr. Shiwago nie gelesen habe und darum ganz unvoreingenommen an die Geschichte herangegangen bin. Lara Prescott erzählt parallel von Olgas und Boris Liebe, ihrem Leben in der UdSSR, dem Entstehen von Dr. Shiwago und von der Arbeit (der Stenotypistinnen) der CIA, insbesondere von Irina und ihrer Ausbilderin Sally.

Es ist die Geschichte der Frauen im Hintergrund. Man nimmt sie nicht wahr, aber sie bekommen alles mit und ziehen oft die Fäden. Doch den Ruhm ernten die Männer, dafür gehen sie sprichwörtlich über die Leichen der Frauen und (be)nutzen sie. Das wird bei den Sekretärinnen des CIA überdeutlich. Aber auch Olga steht immer hinter Boris, unterstützt ihn, sucht widerholt das Gespräch mit der Regierung und der Partei und warnt ihn, denn sie hat Angst. „Wenn der Westen das Buch ohne Erlaubnis der UdSSR veröffentlichen würden, dann würde sie ihn holen kommen – und mich dazu. Und diesmal würden man einen Aufenthalt von wenigen Jahren in einem Arbeitslager wohl kaum als ausreichende Strafe ansehen.“ (S. 210)

Olga war mir nicht immer sympathisch, erschien manchmal zu berechnend. Ja, sie hat ihren Beruf für Boris aufgegeben und ist in den Gulag gegangen, um ihn zu schützen. Ja, sie erwartet nicht, dass er sich scheiden lässt um sie zu heiraten. Andererseits fordert sie Unterstützung von ihm ein – als Wiedergutmachung? Und sie lässt ihre Kinder bei ihrer Mutter. Olga ist auf jeden Fall eine Frau, die polarisiert und es dem Leser nicht leicht macht.

Irina hingegen hat mich sofort fasziniert. Nach außen ist sie die unauffällige Tippse, die Neue im Büro, die sich aus allem raushält. Sie hält sich selber für nichts Besonderes und ist überrascht, dass ihre Vorgesetzten mehr in ihr sehen. Die Arbeit als Spionin, der Adrenalinkick gefallen ihr extrem gut. Außerdem findet sie ausgerechnet in der Agency ihre große Liebe – aber kann sie die auch (aus-)leben?

Auch Boris Pasternak kommt bei Lara Prescott nicht ganz so gut weg. Er erscheint sehr wankelmütig und versucht immer, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Er ändert seine Entscheidungen mehrfach und verletzt Olga damit. „Das Buch war ihm sogar wichtiger als das eigene Leben. Es kam an erster Stelle, und das würde auch immer so bleiben, und ich fühlte mich wie eine Närrin, dass ich es nicht früher begriffen hatte.“ (S. 334) Außerdem wird deutlich, wieviel besser er als einer von Stalins Privilegierten gegenüber den „normalen Menschen“ in der UdSSR lebt.

Wenn ich das Buch in ein Genre einordnen müsste, würde ich es als Spionageroman bezeichnen. Die Autorin vermittelt sehr geschickt die angespannte politische Situation in der UdSSR, den Wettlauf mit der USA um technische Errungenschaften wie den ersten Flug zum Mond, und hat mich damit bis zum Ende gefesselt. Dazu kommen die beiden großen, nicht immer glücklichen Liebesgeschichten, die mich sehr bewegt haben.
Mir ging es wie einigen anderen Lesern, und ich habe das Buch zwischendurch immer wieder aus der Hand legen müssen, um die Handlung sacken zu lassen. „Alles, was wir sind“ ist für mich definitiv ein weiteres Jahreshighlight.