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Veröffentlicht am 23.05.2020

Gelungene historische Familiensaga um eine Uhrmacherfamilie

Das Erbe der Altendiecks
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In diesem historischen Schmöker, der fast 700 Seiten dick ist, begleiten wir die Bremer Uhrmacherfamilie Altendieck fast 100 Jahre lang. Beginnend im Jahre 1766 lernen wir zuerst Johann Altendieck und ...

In diesem historischen Schmöker, der fast 700 Seiten dick ist, begleiten wir die Bremer Uhrmacherfamilie Altendieck fast 100 Jahre lang. Beginnend im Jahre 1766 lernen wir zuerst Johann Altendieck und seinen Vater Nicolaus kennen. Letzterer hat durch Fleiß und Können seine Uhrmacherwerkstatt zu einer der Größten in Bremen gemacht. Seinem Sohn Johann wird zu Beginn des Romans ein bedeutender Auftrag zuteil. Er soll die neue Uhr für das Bremer Rathaus herstellen. Doch die Vergabe des Auftrages an die Altendiecks hat auch Schattenseiten. Der erfolgreichste Uhrmachermeister der Stadt, Albert Greven, ist ein schlechter Verlierer und versucht alles, um den guten Ruf der Altendiecks zu zerstören. Durch eine Sabotage an der Uhr gelingt es ihm die Familie zu ruinieren. Johanns Tochter Gesche versucht alles, um den guten Namen wiederherzustellen. Sie ist die Begabteste der drei Kinder, doch als Frau darf sie das Gewerbe nicht ausführen. Uhrmachermeister ist immer der erstgeborene Sohn und somit ihr Bruder Friedrich.....

Der Roman ist in vier Abschnitte geteilt. Zu Beginn jedes Abschnittes wurde ein Stammbaum, der im Laufe der Jahre erweitert wird, dargestellt. Obwohl es sich um fast 5 Generationen Altendiecks handelt, steht Gesche mehr oder weniger im Mittelpunkt des Geschehens. Sie hat sowohl das Händchen und Köpfchen, als auch Ideen und Durchsetzungsvermögen. Zusätzlich hat ihr Großvater Nicolaus ihr alles beigebracht um die Familie wieder zu den bedeutenstens Uhrmachern der Stadt aufsteigen zu lassen. Mit einem von ihr entworfenen Seechronometer versucht sie den Untergang der Uhrmacherfamilie zu stoppen. Doch dann wird die freie Stadt Bremen von den Franzosen unter Napoleon eingenommen....

Ich habe Gesche, ihre Kinder und Enkel sehr gerne begleitet. Als Leser erfährt man sehr viel über das Uhrmacherhandwerk, die neuen technischen Errungenschaften, die politischen Umwälzungen und über die Stadt Bremen. Die Familiengeschichte birgt viele Höhen und Tiefen und wird fesselnd erzählt.

Hendrik Lambertus erzählt spannend und haucht seinen Charakteren Leben ein. Während des Lesens hatte ich immer ein Bild der Figuren im Kopf. Manche waren mir mehr sympathisch, manche weniger. Die einzelnen Charaktere werden sehr individuell und vielschichtig dargestellt.
Nach Beendigung eines Teiles hatte ich oft den Wunsch noch mehr über diese Figur zu erfahren und sie weiter auf ihren Weg zu begleiten. Alle Charaktere blieben zwar in den weiteren Abschnitten erhalten (wenn sie nicht gestorben sind), aber in jedem der vier Teile steht ein anderer Altendieck im Vordergrund. Manche Erben sind begnadete Uhrmacher, manche sehen ihre Vorlieben woanders, müssen aber als männliche Erstgeborenen das Handwerk übernehmen.
Mir wurde die ganzen fast 700 Seiten nie langweilig, jedoch hätte ich es besser gefunden, das Buch als Trilogie zu veröffentlichen und den jeweiligen Charakteren noch mehr Raum zu geben. So ist der jeweilige Zeitsprung zu Beginn eines neuen Abschnittes manchmal fast zu groß und es fehlt anfangs an kleinen Zusatzinformationen, die ich gerne gehabt hätte. Generell fand ich die erste Hälfte absolut gelungen, während mir in der zweiten Hälfte die Familie gegenüber der Politik fast zu kurz kommt. Trotz dieser kleinern Kritikpunkte habe ich diesen Schmöker sehr gerne gelesen.

Am Ende gibt es ein sehr umfangreiches Glossar zu den historisch belegten und fiktiven Personen, Fachbegriffe zur Uhrmacherkunst und ein Nachwort des Autors, der akribisch recherchiert hat.

Fazit:
Ein farbenprächtiger und spannender historischer Roman, in der wir eine Uhrmacherfamilie in Bremen fast hundert Jahre lang begleiten dürfen. Tolle und individuelle Charaktere runden die interessante Geschichte ab, die ich sehr gerne gelesen habe.

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Veröffentlicht am 19.05.2020

Ein bisschen schwächer als die Vorgänger

Gut Greifenau - Goldsturm
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Was war ich überrascht, als ich vor einiger Zeit lesen konnte, dass die Trilogie rund um Gut Greifenau und seine Bewohner nun doch nicht zu Ende ist. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, denn mir sind die ...

Was war ich überrascht, als ich vor einiger Zeit lesen konnte, dass die Trilogie rund um Gut Greifenau und seine Bewohner nun doch nicht zu Ende ist. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, denn mir sind die Figuren alle sehr ans Herz gewachsen.

Nachdem der Kaiser gestürzt ist, bewegen wir uns nun in der Weimarer Republik und den nicht immer so goldenen Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, wie sie oftmals dargestelllt werden. Diese Zeit steht eher unter keinem guten Stern. Die Reparationszahlungen bringen auch die Reicheren ins Schwitzen, die außerdem unter der Abschaffung ihrer Standesprivilegien "leiden". Die Folgen sind allerdings für alle Bürger dramatisch, denn es kommt zur Hyperinflation. Armut und Hunger begleiten die Menschen in Deutschland, denn selbst ein Stück Brot kostet Millionen von Mark. Jeden Tag verfällt das Geld schneller und auch Konstantin weiß nicht, wie er das Gut noch halten soll. Ohne einen Erben wird es noch schlimmer, denn Nicolaus und Feodora benötigen Geld und wollen Greifenau....doch Konstantin hat bereits Probleme die Dienstboten zu halten...

Die Geschichte umfasst diesmal den Zeitraum von 1919 bis 1923 und wird wie gewohnt aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Wir begleiten sowohl die Herrschaften, als auch die Dienstboten und erleben mit ihnen jede Menge Schicksalsschläge, aber auch wunderbare Momente.
Konstantin versucht alles Mögliche, um das Gut zusammenzuhalten, während Katharina seit der Heirat mit dem Unternehmersohn Julius Urban im Luxus schwelgt. Der Aufschwung der Fabriken und der Industrie ermöglicht einigen Wenigen Geld anzuhäufen, während der Großteil des Volkes hungert. Rebecca und Feodora sind sich noch immer spinnefeind, während Nicolaus auch in der neuen deutschen Republik an seiner Kaisertreue festhält. Alexander schwebt hingegen in der Welt der Musik und studiert weiterhin erfolgreich.
Im Dienstbotentrakt muss ebenfalls gespart werden und Caspers, der obere Hausdiener, muss damit leben gemeinsam mit Ottilie Schott die Aufgaben einer Hausdame zu übernehmen oder seinen Platz auf dem Gut zu verlieren. Albert wurde hingegen zum Gutsverwalter befördert. Um seine wahre Herkunft weiß jedoch nur Ida, die seine Frau geworden ist und mit der Witwe des ehemaligen Gutsverwalters große Probleme hat. Eugen sieht seine Zukunft mit Wiebke, doch sieht sie das ebenso?

Hanna Caspian hat die historischen Begebenheiten wieder sehr lebendig mit ihrer fiktiven Geschichte rund um die ehemalige Grafenfamilie von Auwitz-Aarhayn verbunden. Die Charaktere sind lebendig und mir schon seit dem ersten Band zu lieben Freunden geworden. Alle Figuren entwickeln sich weiter...bis auf Feodora, die noch immer nicht glauben kann, dass die Neureichen nun das Sagen haben und der verarmte Adel nichts mehr zu melden hat.
Hinzu kommen die realistischen Beschreibungen des Verfalles des Geldes. Man bekommt immer weniger Lebensmittel und auch das Tauschgeschäft, wie ein Huhn gegen Schuhe, ist bald nicht mehr möglich. Die schlimmen Nöte der Menschen, vorallem in der Großstadt, sind sehr realistisch beschrieben. Man erlebt hier Geschichte hautnah mit.

Die ersten drei Bände der Reihe haben mich absolut überzeugt und haben alle von mir 5 Sterne bekommen. Band 4 "Goldsturm" hatte für mich jedoch ein paar Längen. Besonders in der ersten Hälfte konnte mich die Geschichte, trotz der geliebten Figuren, nicht ganz abholen. Auch die Zeitsprünge waren mir diesmal oftmals zu groß. Mehrfach wurden interessante Themen zu schnell abgehandelt, während es bei anderen Passagen zu kleinen Längen kam. Trotzdem bin ich schon sehr auf den nächsten Band gespannt und freue mich, dass es mit Gut Greifenau nochmals weitergehen wird.

Fazit:
Band 4 finde ich leider etwas schwächer, als die Trilogie zuvor, die von mir mit Begeisterung gelesen wurde. "Goldsturm" hat einige kleine Längen, aber verspricht historische Kost vom Feinsten. Die liebgewonnenen Charaktere entwickeln sich weiter, jedoch schweift die Autorin oftmals zu sehr aus. Trotzdem kann ich Band 5 kaum erwarten...

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Veröffentlicht am 16.05.2020

Das Geheimnis der Taukreuze

Der Tote im Fiaker
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Nun ist bereits der zehnte Band um die quirlige Journalistin Sarah Pauli aus der Feder von Beate Maxian erschienen. Gott sei Dank gibt es noch jede Menge Wiener Schauplätze, die die Autorin in ihrer Reihe ...

Nun ist bereits der zehnte Band um die quirlige Journalistin Sarah Pauli aus der Feder von Beate Maxian erschienen. Gott sei Dank gibt es noch jede Menge Wiener Schauplätze, die die Autorin in ihrer Reihe verwenden kann, denn ich habe noch lange nicht genug von Sarah Pauli und dem Team des Wiener Boten.

Konnte mich der letzte Fall im Hotel Sacher nicht so ganz überzeugen, fand ich "Der Tote im Fiaker" wieder spannender und voller überraschender Wendungen.
Gleich zu Beginn wird Sarah zur Chefredakteurin befördert, darf aber weiter an ihrer geliebten Chronik schreiben. Als an einigen Orten in Wien immer wieder aufgesprühte Kreuze auftauchen, spekuliert Sarah noch, ob hier ein Sprayer unterwegs ist oder die Symbole, über die sie erst vor kurzem in der Chronik des Wiener Boten geschrieben hat, eine größere Bedeutung haben. Kurze Zeit später wird ein Toter im Fiaker neben dem Kreuzsymbol, einem Taukreuz, aufgefunden und Sarah ist für Kommissar Stein die erste Anlaufstelle. Der Täter schickt diesmal die Polizei quer durch Wien, denn er hinterlässt beim ersten Toten ein Kryptogram, das Sarah auflösen soll. Eine Schnitzeljagd quer durch Wien beginnt....

Während in den letzten Büchern immer eine Sehenswürdigkeit Wiens im titelgebenden Vordergrund steht, ist es diesmal die gesamte Innenstadt, die Schauplatz für den nächsten Mord sein könnte. Denn der Täter spielt mit Sarah und schickt ihr kryptische Nachrichten, genauso wie Nummernrätsel. Beate Maxian versteht es dabei wieder perfekt Wien ins rechte Licht zu setzen und den Leser von einem wunderschönen Schauplatz zum nächsten zu führen. Man ist nicht außen vor, sondern mitten drin und atmet den besonderen Charme der Stadt ein. Beate Maxian schreibt wieder mit viel Lokalkolorit.
Dabei kommen natürlich auch die mystischen Elemente nicht zu kurz. Sarahs Spürnase führt sie in die richtigen Ecken Wiens. Kommissar Stein würde diesmal ohne sie ganz schön alt aussehen ;)
Aber nicht nur Kryptologie, sondern auch Erbschleicherei und Internetbetrug durch Love-Scamming sind Themen, die die Autorin diesmal aufgegriffen hat. Vorallem über Love-Scamming (Liebesbetrüger mit gefälschten Profilen, die sich finanzielle Zuwendung erschleichen) habe ich bisher noch keinen Krimi gelesen - ein wirklich anregendes Thema!
Interessante und unerwartete Wendungen machen den Fall von Beginn an spannend und am Ende erscheint alles logisch und nachvollziehbar.

Fazit:
Der zehnte Fall der eigenwilligen "Ermittlerin" Sarah Pauli hat mir wieder besser gefallen und hat einige sehr spezielle und interessante Themen, die mich durch den Krimi haben fliegen lassen. Mit viel Lokalkolorit, spannenden Wendungen und Wiener Charme hat mir auch dieser Teil wieder gut gefallen.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Ein Haus mit vielen Gesichtern

Ein Lied für die Vermissten
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Der Einstieg in diesen Roman von Pierre Jarawan ist mir nicht leicht gefallen. Man braucht vorallem Zeit, Konzentration und sollte nicht parallel lesen, wenn man sein neues Buch "Ein Lied für die Vergessenen" ...

Der Einstieg in diesen Roman von Pierre Jarawan ist mir nicht leicht gefallen. Man braucht vorallem Zeit, Konzentration und sollte nicht parallel lesen, wenn man sein neues Buch "Ein Lied für die Vergessenen" zur Hand nimmt.
Pierre Jarawan erzählt in seiner wundervollen poetischen Sprache vom Schicksal des heranwachsenden Amin, der nach dem Tod seiner Eltern bei seiner Großmutter in Deutschland aufwächst. 1994 kehrt sie mit ihm in den Libanon zurück und eröffnet in Beirut ein Café. Er streift zuerst alleine durch die Straßen und Gassen der Stadt, bis er in Jafar einen Freund findet. Amin sieht sich einer Kultur und Herkunft gegenüber, die er in Europa nur teilweise kennengelernt hat. Vorallem aber fehlt ihm der Bezug zum Bürgerkrieg und der Geschichte der Besetzung des Libanons durch die Syrier. Eines weiß er aber mit der Zeit, nämlich dass es in diesem Land nie eine Gewissheit gibt - weder über die Geschichte seiner Familie, noch über die Vergangenheit seines Freundes Jafar....

Man taucht ein in die orientalische Atmosphäre und den teilweise märchenhaften Erzählungen, die oftmals an 1001 Nacht erinnern...wäre da nicht der Krieg und die andauerne Furcht der Menschen. Amins Großmutter hat fast täglich Besuch von Personen, die Amin, mit Ausnahme von Abbas, dem Raupenzüchter, nicht kennt und denen sie mehr Zeit widmet, als ihren Enkelsohn. Ganz anders als in Deutschland, wo sie ein zurückgezogenese Leben führten - die Wohnung nur spärlich eingerichtet, wie eben erst angekommen - und kaum Besuch hatten, lernt Amin eine andere Seite seiner Großmutter kennen, die einmals eine gefeierte Malerin war. Sie schickt ihn ins Nationalmuseum, wo er mehr über die Geschichte des Libanons erfahren und bei den Aufräumarbeiten des zerstörten Gebäudes helfen soll. Dort lernt er Saber Mounir kennen, dem ehemaligen Verantwortlichen der Bibliothek. Von seinen Büchern blieb nur Staub übrig....doch auch darin kann er Geschichten lesen. Amin lernt die Kunst der Hakawati, der Straßenkünstler, die Geschichten erzählen, kennen. Diese Gabe des Geschichten erzählens hat auch Jafar, der damit am Flohmarkt seine Waren verkauft.

"Unser Land ist wie ein Haus mit vielen Gesichtern" - Zitat von Amins Großmutter, Seite 200

Pierre Jarawan erzählt nicht chronologisch, sondern springt in den Zeiten hin und her. Dies macht den Roman vorallem im ersten Teil etwas schwierig zu lesen, denn die Zeitensprünge sind nicht gekenntzeichnet und erfolgen oft wie spontan. Diese Erzählweise hatte ich erst vor kurzem auch bei Saša Stanišić in seinem Roman "Herkunft", wo es mir ebensolche Probleme bereitete. Ich lese zwar viele Romane mit verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen und habe damit überhaupt keine Probleme, aber in diesen Geschichten sind sie immer gekenntzeichnet und die Zeitspannen sind länger. Hier wird oftmals auf wenigen Seiten in den Zeiten gewechselt, was ich mühsam fand.
Die Handlung entfaltet sich sehr langsam. Es werden Symbole eingeflochten und Themen angesprochen, die später wiederum aufgegrffen werden.

Wie ein roter Faden zieht sich auch ein besonderes Gemälde, das Amins Mutter während ihres Studiums in Paris gemalt hat, durch die gesamte Geschichte.
Thema ist ebenfalls immer wieder die politische Willkür, die noch immer herrscht. Das Land ist nach wie vor nicht zur Ruhe gekommen. Trotz der düsteren Grundstimmung findet man sich in einer eher märchenhaften Erzählung, die über Freundschaft, Familie und Geheimnisse erzählt.

Eine besondere Stimme gibt der Autor den tausenden Vermissten, dessen Verschwinden nie aufgeklärt wurde. Seit dem Bürgerkrieg sind 17.000 Menschen bis heute spurlos verschunden.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist poetisch, erfordert aber höchste Konzentration. Trotz der etwas düsteren Grundstimmung ist die Geschichte vorallem durch ihre märchenhaften Erzählungen stimmig und voller Geheimnisse. Die Freundschaft zwischen Jafar und Amin gibt den Rahmen rund um die Geschichte.
Der Roman ist in drei Teile geteilt, die der Autor bezugnehmend auf den Titel "Ein Lied für die Vermissten" in die erste, zweite und dritte Strophe nennt.

Noch ein Wort zum wunderschönen Cover. Klappt man das Buch auf, kann man erahnen, dass das Gesicht auf dem Titelbild ein Gemälde auf einem Haus ist, das in Beirut steht.

Fazit:
Ein anspruchsvoller Roman über das Finden seiner eigenen Herkunft, von Geheimnissen, Freundschaft und ein Erinnern an die vergessenen Menschen des Bürgerkrieges im Libanon. Man benötigt Zeit und Konzentration für diese Geschichte, damit sie sich richtig entfalten kann. Auch wenn ich ab und zu meine Schwierigkeiten hatte, ist es ein Roman, der durch seine Besonderheit im Gedächtnis bleibt und den ich gerne gelesen habe.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Spuren der Kindheit

Ein halbes Herz
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Elin ist eine erfolgreiche Starfotografin, die mit Ehemann Sam und Tochter Alice in New York lebt. Sie ist ein Workaholic und lebt für ihre Arbeit. High-Society, Wohlstand und Karriere sind ihre einzigen ...

Elin ist eine erfolgreiche Starfotografin, die mit Ehemann Sam und Tochter Alice in New York lebt. Sie ist ein Workaholic und lebt für ihre Arbeit. High-Society, Wohlstand und Karriere sind ihre einzigen Lebensinhalte. Dabei distanziert sie sich von ihrer Familie und entfremdet sich schlussendlich völlig. Eines Tages erhält sie einen Brief aus Schweden. Darin befindet sich eine Sternenkarte mit der Botschaft: Heute wurde ein Stern auf den Namen Elin getauft. Diese kommt aus Visby in Gotland und von ihrem damaligen besten Freund Fredrik. Lange verdrängte Erinnerungen brechen auf und Elin kann sich immer weniger hinter ihrer Kamera verstecken. Sie vergisst Termine, ist mit den Gedanken in Gotland und macht Fehler. Erst als sie ihrer Tochter verrät, dass sie eigentlich in Schweden geboren wurde, fasst sie den Mut sich ihrer Vergangenheit zu stellen.

Die Handlung wird abwechselnd auf zwei Zeitebenen erzählt. Über den Kapiteln aus der Vergangenheit steht "Damals", Ort und Datum zur besseren Zuordnung. Die Elin, die wir als Kind und Teenager kennen lernen, ist so ganz anders als die heutige Elin. Diese lebte in Armut, die Mutter ist völlig überfordert und depressiv, der Vater Alkoholiker, der schlussendlich im Gefängnis landet. Elin kümmert sich um ihre beiden kleinen Brüder und versucht es ihrer Mutter immer recht machen, die sich jdoch kaum um ihre Kinder kümmert und völlig lieblos agiert. Die einzigen Lichtblicke in Elins Leben sind die Treffen mit Fredrik, der für sie wie ein großer Bruder ist und bei dem sie sich geborgen und behütet fühlt oder die Besuche bei der alten Aina, die immer Kekse für die Kinder übrig hat und sich ihre Sorgen anhört.
Wir erfahren nach und nach, wie sich dieses verängstigte Mädchen, das sich verzweifelt nach Liebe sehnt und sich zum Ziel setzt eines Tages reich und berühmt zu werden, wandelt und zur heutigen kühlen Elin wird, die noch immer einsam, aber erfolgreich ist. Von ihrer Vergangenheit hat sie ihrem Mann und ihrer Tochter nie erzählt. Die Beiden wissen nicht einmal, dass sie Schwedin ist...ein Umstand, der mich kurz sprachlos gemacht hat.

Die Erzählungen aus Elins Kindheit in Visby fand ich sehr interessant. Sie konnten mich mitnehmen und ich fühlte die tiefe Sehnsucht und den Schmerz in ihrem Inneren. Sie sind mitreißend und gefühlvoll. Die erwachsene Elin hat mein Herz allerdings nicht wirklich berührt. Sie ist unnahbar und hat eine wahrlich dicke Mauer um sich herum aufgebaut, die keiner einzureißen vermag. Niemand dringt richtig zu ihr durch, doch am Härtesten geht sie mit sich selbst ins Gericht.
Erst die Reise mit ihrer Tochter Alice in die Vergangenheit - zurück nach Gotland - lässt Elins Herz langsam auftauen und Dinge erkennen, die sie lange in sich verschlossen hatte.

Die einzelnenen Charaktere sind gut gezeichnet und lassen dem Leser auch hinter die Fassade blicken. Oberflächlich bleiben nur die Figuren, die in New York Elins Leben begleiten - ein Leben, das genauso oberflächlich ist, wie es auch Elin lebt. So kann man auch bei den Figuren einen guten Vergleich ziehen.
Für mich war die Geschichte spannend zu lesen, auch wenn mich der Teil, der in Schweden spielt, mehr interessiert und mitgenommen hat. Die schwedischen Landschaftsbeschreibungen sind authentisch und bildhaft. Ich konnte mir die weite Ebene, die Wälder und das Meer wunderbar vorstellen.
Die melancholische Grundstimmung passt perfekt zum Inhalt und spiegelt das Gefühlsleben der Protagonistin wider.

Ein Roman, der nachdenklich stimmt und aufzeigt, wie sehr unsere Kindheit unser Leben bestimmen kann.


Fazit:
Eine Geschichte über das Leben, seine Wurzeln und welche Spuren die Kindheit hinterlassen kann. Trotz der melancholischen Grundstimmung habe ich den Roman gerne gelesen und mochte vorallem die Erzählung in der Vergangenheit.

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