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Veröffentlicht am 05.05.2020

Wo ist die Geschichte?

Wie uns die Liebe fand
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Elsass 2019: Die 92-jährige Ich-Erzählerin Marie-Anne Nanon möchte uns über das Jahr 1979 erzählen, in dem sich vieles für sie und ihre vier Töchter (allesamt Kopien von Madame Nan) änderte. Nach dem Tod ...

Elsass 2019: Die 92-jährige Ich-Erzählerin Marie-Anne Nanon möchte uns über das Jahr 1979 erzählen, in dem sich vieles für sie und ihre vier Töchter (allesamt Kopien von Madame Nan) änderte. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie sich mit ihrer Familie mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Als ihr von Monsieur Boberschram der heruntergekommene Lebensmittelladen geschenkt wird, wendet sich das Blatt schlagartig. Nach einer gelungenen Erneuerung und Verschönerung, wird "Chez Malou" geradezu von Kundschaft überrannt. Das liegt nicht nur an dem einladenden Ambiente des Ladens, der außergewöhnlichen Schönheit der Bedienung und an Madame Nans kleinen Magenfüllern, die sich äußerster Beliebtheit erfreuen, sondern an einer Erfindung Maries (Madame Nans ältester Tochter) und ihres Freundes Malou: den sogenannten Liebesbomben, die nicht nur das Geschäft florieren lassen, sondern auch das ganze Dorf in einen sinnenfreudigen Liebestaumel versetzen. Alle, bis auf Madame Nanon selbst, die ihre plötzliche Liebe für Monsieur Boberschram entdeckt, der sich ihr gegenüber seltsam verhält. Während Madame Nan immer wieder Ereignisse aus dem Jahr 1940 Revue passieren lässt, nähern wir uns gemeinsam dem Geheimnis, der hinter Monsieur Boberschrams seltsamen Verhalten steckt.

In das Cover von "Wie uns die Liebe fand" habe ich mich direkt verguckt. Bevor ich mit dem Lesen begonnen habe, bin ich erstmal lange mit den Fingern über den Buchdeckel gefahren: Nicht nur die Schrift ist geprägt, sondern auch die farbigen Blütenblätter, sodass sie sich im Gegensatz zu den graugefärbten Blättern "frisch" anfühlen. So wie einige unserer Erinnerungen frisch und andere verblasst sind. Eine schöne Idee.

So sehr mir das Äußere des Romans gefallen hat, so sehr habe ich mir gewünscht, dass der Inhalt mich ebenfalls für sich einnehmen würde. Leider war dem nicht so. Das gesamte Buch über habe ich auf die "Geschichte" gewartet, die uns Madame Nan unbedingt erzählen wollte. Dass die Familie Nan einen Laden betreibt und dort Liebesbomben anbietet, die ganz Bois-de-Val in ein "Freudendorf" verwandelt, ist für mich noch keine Handlung. Gut, es gibt da noch den Witwer Boberschram, für den Madame Nan plötzlich Liebe entwickelt, der eine Zeitlang zum Essen kommt, dann nicht mehr und irgendwann wieder auftaucht, um etwas zu beichten, das 1940 passierte. Und natürlich werden sie am Ende doch noch ein Paar. Diese "Geschichte" wird allerdings in ellenlangen Beschreibungen von Banalitäten ertränkt, sodass man am Ende erschlagen nur noch kapitulieren kann. Allein die Verbindung der beiden Zeitebenen und Handlungsstränge von 1940 und 1979 beißt sich: der Ton passt oft zum Erzählten nicht und das Geschehen wirkt nicht authentisch. Reaktionen und Gefühle werden theatralisch und übertrieben dargestellt, die Figuren sind eindimensional und überzeichnet - das alles umrankt von ausschweifendem, blumigem Schreibstil. Es tut mir leid, aber dieses literarische Debüt ist reinster Kitsch.

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Veröffentlicht am 02.03.2020

Liest sich wie eine Nacherzählung

Das Haus der Frauen
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Laetitia Colombani hatte eine sehr interessante Idee für ihren neuesten Roman. Sie hat sich das Lebenswerk der von 1867 bis 1933 lebenden Heilsarmistin Blanche Peyron angeguckt, der Paris das dort stehende ...

Laetitia Colombani hatte eine sehr interessante Idee für ihren neuesten Roman. Sie hat sich das Lebenswerk der von 1867 bis 1933 lebenden Heilsarmistin Blanche Peyron angeguckt, der Paris das dort stehende „Palais de la femme“ zu verdanken hat – eine Institution, die obdachlosen und notleidenden Frauen Schutz bietet. Das Leben dieser großen Frau arbeitet die Autorin in ihrem Roman „Das Haus der Frauen“ auf. In einem parallel verlaufenden Erzählstrang, der im heutigen Paris angesiedelt ist, entwirft Colombani die fiktive Figur der Anwältin Solène, die nach einem erlittenen Nervenzusammenbruch die ehrenamtliche Tätigkeit eines „Öffentlichen Schreibers“ in dem Palast der Frauen aufnimmt. Auf diese Weise hofft sie ihrem Leben wieder einen Sinn zu geben sowie sich selbst wiederzufinden. Sie ahnt noch nicht, wie sehr sie sich dabei auf die Schicksale der in dem Palast lebenden Frauen einlassen wird...

So ehrenhaft und lobenswert Laetitia Colombanis Vorhaben ist, so sehr scheitert es letztlich in der Umsetzung. Allem Anschein nach hat sie sich zu viel vorgenommen und allein deswegen konnte das Buchprojekt nicht gelingen. So versucht die Autorin auf gerademal 250 Seiten nicht nur die Geschichte von Blanche und Solène, sondern auch von einigen Frauen mehr zu schildern. Da ist die Serbin Cvetana, die vor dem Krieg in ihrem Land geflohen ist, da ist Binta, die mit ihrer kleinen Tochter Sumeya aus Guinea flieht, da ist die junge Cynthia, der man ihren Sohn weggenommen hat, da ist die Strickerin Viviane, die von ihrem Mann misshandelt wurde, da ist Iris, die sich eine neue Identität erarbeitet, da ist die Renée, die 15 Jahre lang auf der Straße gelebt hat und da ist die neunzehnjährige Bettlerin Lily – sage und schreibe acht Frauenschicksale, die auf minimalstem Raum Platz finden. Würde die Autorin zu den wortgewaltigen Schriftstellerinnen gehören, die mit Hilfe von nur wenigen Worten Wunder erschaffen, hätte ich nichts dagegen einzuwenden. Doch zu diesem Kreis ist sie bei weitem nicht zu zählen.

So sind die Romanpassagen um Solène oftmals sentimental und kitschig. Ihre Stimmung ändert sich häufig schlagartig und ohne ersichtlichen Grund. War sie im ersten Moment voller Zweifel, ist sie einige Sätze später fest entschlossen; war sie eben noch verzagt, ist sie im nächsten Moment voller Hoffnung. Auch derartig abgedroschene Phrasen wie „Abrupt bleibt sie stehen, wie ein Reh bei Nacht im Scheinwerferlicht auf einsamer Landstraße“ häufen sich in den Erzählsträngen, die Solène betreffen.

Im Versuch wiederum der Person der Blanche Peyron die höchste Ehre angedeihen zu lassen, flüchtet sich die Autorin derartig tief ins Pathos, dass kaum Raum mehr für wahre Ergriffenheit von Seiten des Lesers bleibt. Blanche ist in der Erzählung dermaßen über jeden Zweifel erhaben, dass die Bewunderung vom Leser mehr einem Zwang als einem inneren Bedürfnis gleicht.

Ein weiterer in meinen Augen schwerwiegender stilistischer Fehltritt ist die von der Autorin gewählte Erzählweise. Und zwar werden alle Frauenschicksale – auch dasjenige von Blanche und Solène – in dritter Person erzählt, gelegentlich wird auch das noch unpersönlichere „man“ verwendet. Direkte Rede fehlt fast gänzlich, wird sie hin und wieder verwendet, so ist sie durch Kursivschrift im laufenden Text markiert. Dabei wären die Einzelschicksale der Frauen doch bereits viel ansprechender, wenn sie in der Ich-Form erzählt worden wären. Die Erzählweise in der dritten Person erzeugt eine Distanz, die unmöglich von der Autorin intendiert worden ist.

Beim Lesen von „Das Haus der Frauen“ hat sich bei mir in der Summe das Gefühl eingestellt, als hätte jemand einen Roman gelesen, den er nun möglichst getreu nachzuerzählen versucht. Die Geschichte mag dieselbe sein, aber das Leben, der zündende Funke, der auf den Leser überspringt, das gewisse Etwas fehlt in der zweiten Version – dieser Version – gänzlich.

Mein Fazit: Eine schöne Geschichte, die aber leider mit den falschen Stilmitteln ausgestaltet, etwas unbeholfen erzählt und unnötigerweise mit Kitsch und Pathos garniert wurde.

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Veröffentlicht am 30.01.2020

Tiefe lässt sich nicht erzwingen

Das Knistern der Sterne
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Stella befindet sich am tiefsten Tiefpunkt ihres Lebens, als sie Balthasar begegnet. Der siebzigjährige Herr lädt sie bereits nach dem ersten Kennenlernen ein, ihn auf einer Kreuzfahrt zu begleiten. Nach ...

Stella befindet sich am tiefsten Tiefpunkt ihres Lebens, als sie Balthasar begegnet. Der siebzigjährige Herr lädt sie bereits nach dem ersten Kennenlernen ein, ihn auf einer Kreuzfahrt zu begleiten. Nach anfänglichem Ablehnen willigt Stella schließlich ein – zu verführerisch ist die Vorstellung von einer sorgenlosen Reise auf einem Kreuzfahrtschiff. Und Balthasar stellt ihr auch nur eine einzige Bedingung: am Ende des Tages soll sie ihm beim Abendessen von ihren Erlebnissen erzählen. Gerne geht Stella dieser Bitte nach. Mit der Zeit wird jedoch immer deutlicher, dass Balthasar etwas zu verbergen hat, doch Stella ist viel zu sehr mit ihrer eigenen Selbstfindung und dem Glücklichmachen von anderen beschäftigt, um der Sache gründlich nachzugehen. Bis es zu spät dafür ist…

Ich muss zugeben, dass mich das wunderschöne Cover magisch angezogen und auch der Klappentext neugierig auf die Geschichte gemacht hat. Da ich selbst noch nie eine Kreuzfahrt gemacht habe, dachte ich mir, ich könnte virtuell mitreisen und nebenbei einer spannungsreichen Geschichte folgen. Leider haben sich meine Hoffnungen nicht erfüllt, denn der Roman fiel ganz anders aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Die im Roman vorkommenden Figuren sind ein-, höchstens zweidimensional, die Geschichte vorhersehbar, die Gespräche, die im Roman geführt werden, sind kurios und voller Gemeinplätze [Die Autorin hat zudem die äußerst befremdliche Angewohnheit folgende Zeichenabfolge » – – – « zu benutzen, wenn jemand statt zu antworten auf irgendeine Weise reagiert, was weder für die Identifikation mit den Figuren förderlich ist, noch den Versuch, in die Romangeschichte einzutauchen, erleichtert und wird, soweit ich weiß, nicht einmal in der Dramatik praktiziert, ganz zu schweigen von der Epik] und die von der Autorin beabsichtigte Tiefgründigkeit der Geschichte ist eine nervenraubende Pseudotiefe – höchstens bei den eingestreuten Zitaten lohnt es sich manchmal länger zu verweilen. Man vergisst keinen Augenblick lang, dass man es mit Fiktion zu tun hat und das ist wahrlich kein Zeichen guter Prosa. „Das Knistern der Sterne“ war mein erster Roman von Claire Hoffmann und wird auch mein letzter bleiben. Er wird sicher seine Anhänger finden, mich konnte er nicht begeistern.

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Veröffentlicht am 04.05.2019

Weder authentisch noch überzeugend

Der Sommer mit Pauline
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Es ist fast Sommer und Émile ist zum ersten Mal richtig verliebt. In die charmante Pauline aus seiner Schule, mit der er über Filme, Tennishelden und übers Leben reden kann. Wenn sie lächelt, geht die ...

Es ist fast Sommer und Émile ist zum ersten Mal richtig verliebt. In die charmante Pauline aus seiner Schule, mit der er über Filme, Tennishelden und übers Leben reden kann. Wenn sie lächelt, geht die Sonne auf. Als Pauline Émile nach Venedig einlädt, wo sie in einem Jugendorchester Geige spielt, kann er sein Glück kaum fassen. Doch die Eltern und der ältere Bruder wollen ihn begleiten – im Wohnwagen, in dem die Familie übergangsweise lebt. Eine schräge Abenteuerreise beginnt, an deren Ende Émilie ein anderer und sein Blick auf die Welt ein neuer ist.

So der Wortlaut des Klappentextes, der im Groben auch stimmt, das Wort „schräg“ lässt sich allerdings nicht nur auf die Reise mit dem Wohnwagen von Paris nach Venedig anwenden, schräg ist so ziemlich alles in diesem Roman: die Liebesgeschichte an sich, der es an Authentizität fehlt, das Verhältnis der Eltern untereinander (der Vater findet es völlig normal, seine Frau aus ganzem Herzen zu lieben und gleichzeitig zu hintergehen), das Verhältnis der Brüder zueinander (Fabrice teilt gerne seinen One-night-stand, der plötzlich zu einer festen Beziehung wird, mit seinem kleinen Bruder, damit dieser endlich Erfahrungen sammelt), das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern (diese sollen sich an Regeln halten, die jene ihrerseits ohne mit der Wimper zu zucken brechen können), ganz besonders aber das Weltbild des Ich-Erzählers, der seine Erlebnisse in Form von Tagebucheinträgen festhält. Dieses Weltbild ist nicht dasjenige eines 15-jährigen, es ist dasjenige eines desillusionierten und verbitterten 40-/50-jährigen Mannes.

Eine Kostprobe gefällig? Bitte schön: „Zwischen Jungs und Mädchen ist es wie im Autoskooter: Man kreist umeinander, tut, als würde man den anderen nicht bemerken. Man schaut hin, wenn der andere einem den Rücken zukehrt. Und dann kommt man sich näher, streift sich und irgendwann stupst man sich an. Erst nur leicht, um Kontakt aufzunehmen, und nach und nach mit mehr Karacho. Manchmal prallt man auch mit voller Wucht aufeinander, es muss richtig knallen, damit es Spaß macht. Bis es irgendwann dann doch zu schmerzhaft wird und man entscheidet, einen Bogen umeinander zu machen und auf Abstand zu bleiben, jeder auf seiner Seite mit Anwalt und geteiltem Sorgerecht. Nach der Runde versucht man es wieder, aber wenn man mal ehrlich ist, ändert sich ja doch nur die Autofarbe.“

Ich frage: Ist das die Sichtweise eines Jugendlichen auf das Leben? Ich streite dies vehement ab. Wenn sich der Tagebuchschreiber nicht gerade über seine Eltern oder seinen Bruder aufregt, über seltsame Praktiken dieser berichtet (wie zum Beispiel die Tatsache, dass sie ihrem Sohn die Haare blond färben oder ihren Selbstwert daraus beziehen, mit der Bedienung einer Raststätte darüber zu diskutieren, ob Coq au vin serviert werden dürfe), oder einfach mal wieder mit seinen Gedanken bei Pauline ist, dann gibt er genau solche Altersweisheiten von sich. Meiner Meinung nach lässt der Autor vielmehr seine eigene Jugendzeit Revue passieren – sprechen würde für diese These unter anderem die Tatsache, dass Pauline und Émile noch Videokassetten (!) austauschen und das Aussehen des Protagonisten mit dem des Autors übereinstimmt. Summa summarum: Den Roman würde ich keinem Jugendlichen empfehlen, viel eher einem Mann um die vierzig, der das Weltbild des Autors teilt, der dieses einem fiktiven 15-jährigen Jungen in den Mund legt.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Eine bunt zusammengewürfelte Mischung ins Leere führender Ideen

Ein Tropfen vom Glück
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Bobs und Goldies größter Wunsch war es immer, einmal gemeinsam nach Paris zu reisen. Der aus Milwaukee stammende Amerikaner ist nun auf dem Weg nach Paris, aber leider ohne seine geliebte Goldie. Er kommt ...

Bobs und Goldies größter Wunsch war es immer, einmal gemeinsam nach Paris zu reisen. Der aus Milwaukee stammende Amerikaner ist nun auf dem Weg nach Paris, aber leider ohne seine geliebte Goldie. Er kommt auf der Rue Edgar-Cherallier unter, wo er Hubert, den Eigentümer der Hausnummer 18 kennenlernt, der gerne von sich zu sagen pflegte, er wäre seit 1868 hier. Wenig später lernt er auch Magalie, die Restauratorin, und Julien, den Barmann, kennen, die ebenfalls unter der Nummer 18 wohnen. Zusammen trinken sie am Abend eine Weinflasche aus dem Jahr 1954, die aus dem Weingebiet Charmally-les-Vignes stammt. Was die vier nicht wissen: In diesem Jahr ist Pierre Chaveau, Winzer in dem Gebiet, für immer spurlos verschwunden. Der Legende nach habe ihn eine fliegende Untertasse entführt. Und so kommt es, wie Hubert in seinem Trinkspruch prophezeit: „Liebe Freunde, wir werden mehr als einen Wein trinken. Wir werden Zeit trinken.“

Von diesem Roman habe ich mir sehr viel versprochen. Eine Reise ins Paris der 50er Jahre – was für eine Fülle an Möglichkeiten, die sich einem bietet! Sich unter das Volk mischen und in einem Pariser Kaffeehaus an einer philosophischen Diskussionsrunde teilnehmen, im Montmartre und an der Seine den Künstlern über die Schulter schauen und in einem Abendlokal Charleston, Foxtrott oder Swing tanzen!

Leider ist davon nichts eingetreten – lediglich auf Bobs Spuren wandern wir ein wenig im früheren Paris umher; dabei werden aber vor allem die Dinge erwähnt, die noch nicht vorhanden sind, wie zum Beispiel der „Passe-muraille“ im Montmartre oder die Pyramide beim Louvre – statt dessen führt der Autor mehrere Erzählstränge ein, die mehr oder weniger nichtssagend sind oder einfach ins Leere führen. Besonders unoriginell ist die Romanstelle, in der Julien einen Professor für Astronomie aufsucht, um zu erfahren, wie er und seine Freunde wieder in das Jahr 2017 zurückkehren könnten – diese liest sich wie eine Copy-&-Paste-Version von „Zurück in die Zukunft“.

Auch die künstlerischen Berühmtheiten, die in dem Roman vorkommen und auf die ich sehr gespannt war, treten lediglich dem heutzutage gern genutzten und zugleich verpöntem Namedropping gleich in Erscheinung, ohne irgendwelche persönlichen Charakteristika im Auftreten oder im Ausdruck aufzuweisen.

Eine Fülle von erzählinternen Unstimmigkeiten hat den Lesefluss ebenfalls gestört. So wachen alle vier Hauptcharaktere am nächsten Morgen nach dem Leeren der Weinflasche im Jahr 1954 auf. Wie sich herausstellt, wird Huberts Wohnung von seinem Großvater und seiner Frau bewohnt. Konsequenterweise hätte Hubert die beiden in der Wohnung antreffen müssen, nachdem er aufgewacht ist. Statt dessen ist er allein und hört zu allem Überfluss die Radionachrichten von 2017. Dies ist nur eines von vielen Beispielen.

Hinzukommend ist in der Übersetzung die Überführung der von den Arbeitern der „Les Halles“ verwendeten Verlan-Spielsprache ins Deutsche ebenfalls ziemlich missglückt, wodurch der mutmaßliche Charme des Originals gänzlich verloren gegangen ist.

Das alte Paris, fliegende Untertassen, ein Schatz, eine Liebesgeschichte, ein Wunder – für jeden Geschmack ist etwas dabei, könnte man sagen. So viele verschiedene Elemente, die aber leider keine zusammenhängende Einheit bilden. Mein Fazit: Der Autor hat mit „Ein Tropfen vom Glück“ nichts Halbes und nichts Ganzes geschaffen. Ein Roman, der mich weder fesseln noch berühren konnte.